Mittwoch, 11. Oktober 2023
Nach längerer Pause reisten wir heuer zum insgesamt dritten Mal nach Schweden, um unseren dort lebendenden Freund Wolfgang S. in seinem ländlichen Paradies zu besuchen und mit ihm ein paar entspannte und naturnahe Wochen zu genießen. Erstmals waren wir nicht in der Jahresmitte in Östergötland unterwegs, sondern erst Ende August/Anfang September.
Die Konsequenzen bestanden in bereits merklich kürzeren Spätsommertagen einerseits und einer schier unglaublichen Menge an Pfifferlingen und Steinpilzen andererseits, die man nicht groß zu suchen, sondern nur am Waldwegesrand aufzusammeln brauchte! Auch Krause Glucken fanden den Weg in Korb und Pfanne, und eine Vielzahl weniger genießbar, aber doch sehr fotogener Pilzsorten habe ich immerhin abgelichtet...
Inzwischen hat das (recht neue) Smartphone meine immer noch mitgeführte Kamera als primären Knipsapparat weitgehend abgelöst: Das Handy ist halt immer zur Hand und die Handhabungsvorteile wiegen die Einschränkungen in Sachen Bildgestaltung mehr als auf, jedenfalls was ambulant gefertigte Urlaubserinnerungen angeht...
P.S. Ein zweitägiger Abstecher in die Hauptstadt Stockholm bot die Gelegenheit, auf dem Weg dorthin das nationale Panzermuseum Arsenalen zu inspizieren. Die dort entstandenen Aufnahmen habe ich in eine separate Bildergalerie ausgegliedert.
Freitag, 7. Juni 2019
Ziemlich genau drei Jahre nach ihrem ersten Besuch in Schweden zog es den zonebattler und seine bessere Hälfte heuer wieder in das »Land der Lupinen und Lakritzen«. Der Besuch galt der gleichen Gegend, dem gleichen Ort, dem gleichen Freund (und damit auch dessen Bilderbuch-Schwedenhäuschen). Kein Wunder also, daß mir diesmal ständig die gleichen Motive vor die Linse liefen wie damals anno 2016!
Das weiland Geschriebene stimmt nach wie vor, daher brauche ich mir in der diesjährigen Reiseberichterstattung keine neuen eloquenten Worte abzuringen, sondern kann nachfolgend die Bilder für sich (und mich) sprechen lassen. Im Unterschied zu damals mache ich das aber neuerdings opulenter, d.h. die Fotos sind per Mausklick bildschirmfüllend aufzoombar...
Erwähnenswert wäre vielleicht noch, daß meine Fotoauswahl je zur Hälfte mit der bewährten Kompaktknipse und dem neumodischen Smartphone aufgenommen worden ist: Bei guten Lichtverhältnissen geraten heutzutage auch Handy-Fotos ganz ansehnlich, jedenfalls gut genug, um sie auf Websites in begrenzter Auflösung präsentieren zu können. Und bekanntermaßen ist die beste Kamera ohnehin immer jene, die man gerade zur Hand hat...
P.S.: Ja, das abgebildete »Salmiakki«-Eis ist wohl finnischen Ursprungs. Aber die Schweden fahren genauso ab auf Salmiak- und Lakritz-Eis wie ihre Nachbarn. Ebenso wie meiner einer, schon das allein ist ein verführerisches Argument zum Übersiedeln in den Norden nach Eintritt in den Ruhestand!
Sonntag, 21. August 2016
Anfangs hatten wir uns ja naiverweise gedacht, daß man jeden der tausend Teiche und Tümpel in der Umgebung frisch und fröhlich würde umwandern können. Das hätte Wege oder zumindest Trampelpfade ums jeweilige Gewässer vorausgesetzt, die es aber durchaus nicht immer gibt: In der Regel sind die Uferzonen nämlich sumpfiges Marschland und deshalb nur mühsam bis gar nicht zugänglich. Stichstraßen oder ‑wege gibt es indes zumindest zu den größeren Seen, da liegen dann auch immer ein paar Boote kieloben herum und harren ihrer angelfreudigen Besitzer.
Wenn es der wackere Wandersmann und die wunderbare Wanderin dann doch irgendwie und irgendwo mal bis zu einem Ufer schaffen, werden sie in der Regel mit einem spektakulären Ausblick belohnt:
Leider können selbst Aufnahmen wie diese nur einen klitzekleinen Ausschnitt jenes multisensualen Glückserlebnisses andeutungshalber bewahren, welches einen an solchen Orten überkommt: Man blinzelt ins Sonnenlicht, sieht Libellen schwirren, hört Vögel zwitschern, Wellen glucksen, fühlt eine sanfte Brise auf der Haut und riecht nur Naturfrisches und nix Künstliches. Ein Traum!
Eine der erwähnten Libellen – ein riesengroßes Prachtexemplar – hatte sich wohl beim Jagen dicht über der Wasseroberfläche verschätzt, war ins Nasse geraten und dann aus eigener Kraft nicht mehr hinausgekommen. Der zonebattler sprang eilfertig herbei, reichte dem verzweifelt strampelnden Insekt einen Ast zum Festhalten zu und zog das filigrane Wesen aus dem Element, welches nicht das seine war, um es zum Trocknen auf ein Holzscheit zu setzen:
Das an die Luft verbrachte Tier begann unverzüglich mit der gründlichen Tragwerk-Inspektion, warf zu diesem Behufe bald wieder seinen Flügel-Antrieb an und vertrieb mit sanftem Leerlauf-Surren zunächst einmal sämtliche Reste von Feuchtigkeit, bevor es dann wieder fully operational abhob und von hinnen schwirrte. Zumindest eines der x‑tausend latent tödlichen Dramen in der Natur ging durch diese menschliche Intervention glücklicherweise glimpflich aus...
Durch die gute Tat des Tages beschwingt, schwang sich der Berichter wieder in seinen weißen Wagen und kurvte die mäandrierenden Landstraßen entlang. Dank der für deutsche Verhältnisse sehr strikten Geschwindigkeitsbeschränkungen und der schönen Landschaft sind automobile Ausfahrten im gepflegten Oldtimer ein schwedischer Breitensport. Die Liebe der Nordmänner zu gummibereiften Antiquitäten erstreckt sich keineswegs nur auf die schon erwähnten dicken Amischlitten, es geht durchaus auch gern ein paar Nummern kleiner:
Wenn man schon nicht rasen darf und sollte, dann macht man aus der langsamen Tuckerei über Land wenigstens ein gemütliches Genußerlebnis. Eine sehr schöne und nachahmenswerte Einstellung!
Immer wieder zog es uns ans Wasser, immer wieder zückte meiner einer die Kamera. Im Nachhinein bin ich selbst verwundert, daß ich trotz mitgeführter Badehose kein einziges Mal irgendwo hineingestiegen bin. [1] Na ja, im Alter wird man umständlicher und bequemer (und friert eher bzw. bildet es sich ein)...
Ganz ungeplanterweise gerät mir diese letzte Episode meiner Reise-Reportage zu einem konzentrierten Kondensat der prägenden Eindrücke und Ansichten. Wälder und Wasser, Wasser und Wälder, immer und immer wieder. Und das ganz ohne die vorher befürchtete Mückenplage!
Den titelgebenden Schmetterlingsblütler will ich hier auch nochmal ins stimmige Abendlicht rücken, die bunte Blütenpracht hat uns fast durch die ganze Zeit unseres Aufenthalts begleitet:
Unser Freund bestätigte dieser Tage per Übermittlung eines Fotos seines Vorgartens, daß die von uns mühsam irgendwo ausgebuddelten und bei ihm vor dem Haus wieder ausgewilderten Lupinen zumindest teilweise Wurzel geschlagen und ihre Transplantation überlebt haben. Vielleicht ergibt sich für uns ja die Gelegenheit, sie schon im nächsten Jahr vor Ort eigenäugig blühen zu sehen?
Da würden wir dann fraglos auch manchen ausladenden Abendspaziergang rund um Grytgöl wiederholen wollen, um uns an Land und Leuten auf’s Neue zu erfreuen. Ist ja manches erfrischend anders als in der eigenen Heimat! Was dem Deutschen sein Gartenzwerg, ist dem Schweden zum Beispiel seine Sonnenuhr im Garten und seine rituelle Milchkanne an der Straße:
Wenn ich überlege, was mir am besten gefallen hat in jenen knapp drei Wochen in Südschweden, so müßte ich nicht lange überlegen: Erstens das Zusammensein mit einem Freund, zu dem man ansonsten ja meist nur elektronischen Kontakt auf Distanz halten kann, zweitens der Aufenthalt in der Natur bzw. dem, was einem in menschenbesiedelter Gegend als naturbelassen erscheint.
Ein letztes Mal begeben wir uns zum nahegelegenen »Haussee« von Grytgöl, um das abendliche Spiel von Licht und Schatten in uns aufzunehmen:
Anderntags ging es nach dem gemeinsamen Frühstück und einem recht emotionalen Abschied mit dem geliehenen Volvomobil wieder zurück nach Linköping. Die Stunden bis zum Einchecken in den dortigen Mini-Flughafen nutzen wir zum Besuch des hochinteressanten Flygvapenmuseums, über das bei späterer Gelegenheit noch separat zu bildberichten sein wird.
Für heute und diesmal beschließen wir die Berichterstattung über eine ganz besonders intensiv empfundene Reise mit einem Blick aus jenem Flieger, der uns nach dem obligaten Zwischenstopp in Amsterdam von dort zurück nach Nürnberg brachte:
Der Anblick eines Regenbogens war uns so hoch in der Luft vorher auch noch nicht vergönnt gewesen, er erschien uns als passender Abschluß einer an vielen Novitäten reichen Reise. Gemeinhin pflegen wir das Urlaubs-Feeling ja durch unmittelbar vor der Heimreise eingekaufte Käse‑, Wurst- und Gebäck-Spezialitäten noch für eine Weile in den Alltag hinüberzuretten, diesmal hatten wir das irgendwie vergessen und nur ein paar unterwegs mitgenommene Lakritz-Variationen eingepackt. Dieser Handvorrat ist mittlerweile versiegt resp. längst vertilgt. Schon das allein wäre ein Grund zur baldigen Rückkehr ins Land der zähen schwarzen Delikatessen...
[1] Dies verblüfft umso mehr, als der zonebattler in jungen Jahren eine ausgewiesene Wasserratte war und den nahen Badeweiher in den Sommermonaten abends regelmäßig erst verließ, als seine Lippen blau angelaufen waren und er vor Auskühlung schlotterte.
Sonntag, 14. August 2016
Zu ihrer Geschichte und dem Bewahren historischer Zeugnisse haben die Schweden ein unverkrampftes Verhältnis. Da sie schon seit längerem keine kriegsbedingten Verheerungen im eigenen Land zu beklagen haben und infolgedessen keine zerbombten Städte wiederaufzubauen waren, mußten sie in den 1960er Jahren und später schon die sprichwörtliche Abrißbirne schwingen, um in ihren alten Stadtkernen großflächig Platz für Neues zu schaffen. Im Rückblick mögen viele das bedauern, denn was dann an Beton-Brutalo-Architektur nachfolgte, erscheint sensibleren Gemütern oft als böse Bausünde, das ist in Schweden nicht anders als in Deutschland.
Immerhin haben die Schweden vieles durch Translozierung gerettet, beispielhafte Altbauten also zu Museumsdörfern zusammengefaßt. Auch sowas kennt man aus hiesigen Landen, aber in Schweden gibt’s das deutlich öfters. Zum Beispiel in Gamla Linköping, wo man die Essenz des alten Ortskernes von Linköping in einer Zeitblase bewahrt hat:
Die in alten Läden und Kontoren untergebrachten Geschäfte, Werkstätten und Betriebe sind natürlich schon auf Touristen und Feriengäste abgestimmt und ausgerichtet, dennoch hat man nie den Eindruck, in einer künstlichen Disney-Land-Kulisse herumzulaufen: Das Gebotene hat Bezug zur Region, die Anlage ist gut geplant und die meisten Häuser sind von »richtigen« Einwohnern dauerhaft bewohnt. Zudem liegen Museumsdörfer wie Gamla Linköping nicht irgendwo ganz weit draußen, sondern an der Peripherie der Innenstadt, uneingezäunt und mit mehreren offenen Zugängen.
Wagen wir mal einen größeren Sprung (in der virtuellen Retrospektive kann man ja umstandlos machen, was in realiter eine Tagesreise bedeutet) nach Eskilstuna, der Partnerstadt Erlangens. Von der jahrhundertealten Tradition der Metallverarbeitung und Kanonenherstellung sieht und hört man dort heutzutage nicht mehr viel:
Einmal mehr begeisterte uns in diesem schmucken Städtchen (wie schon Tage zuvor in Norrköping) das Flanieren am Fluß entlang (hier Eskilstunaån geheißen). Wenig Autos, viel Grün, reichlich Kultur und Kreativwirtschaft in alten Backsteinfabriken, da ist ein halber Tag rum wie nix und man hat noch immer längst nicht alles gesehen, was einen interessieren könnte: Hier eine Kirche, da eine Promenade, dort ein Kunstmuseum...
Apropos Museum: in meinem Stockholmer Bilderbogen habe ich ja schon vor einiger Zeit die konservierte Vasa gezeigt, jene berühmte königliche Galeone, die auf ihrer Jungfernfahrt im Jahre 1628 schon nach etwa 1300 Metern Fahrstrecke kenterte und absoff. Nach mehr als 330 Jahren unter Wasser hat man das bestens erhaltene Schiff 1961 gehoben und geborgen und in ein nahes Trockendock geschleppt. An Ort und Stelle hat man dem wunderbaren Wrack später sozusagen das Vasa-Museum übergestülpt und zeigt dort heute anhand von vielfältigen Exponaten rund um das originale Schiff dessen ebenso tragische wie faszinierende Geschichte:
Der Besuch im Vasa-Museum ist fraglos ein »Muß« für jeden Stockholm-Besucher: Die Aura des echten Schiffes ist beeindruckend, die didaktische Konzeption der um das gigantische Gefährt herum errichteten Ausstellung beispielhaft. Ein Glücksfall, daß der Schiffsbohrwurm in dem landnahen Brackwasser keine Überlebenschance hatte: Der lokalen Abwesenheit dieses ansonsten weitverbreiteten Holzfressers verdankt die Menschheit die Überlieferung des weitgehend kompletten Schiffes als aussagestarke »Zeitkapsel«!
Nicht ganz so alt, aber gleichwohl nett anzuschauen sind andere historische Fahrzeuge, die man auf Stockholms Straßen im Einsatz sieht. Neben automobilen Oldtimern sind das zum Beispiel historische Straßenbahnen wie dieses fast fabrikfrisch wirkende Exemplar:
Ich hatte ja schon in der ersten Folge meines Reise-Rapports erwähnt, daß in Schweden vergleichsweise wenig Menschen auf vergleichsweise viel Fläche leben. Entsprechend leer sind die Straßen, entsprechend groß sind die Autos. Logisch, daß einem ausgewiesene Kleinwagen eher selten begegnen. Sogar in der Metropole Stockholm habe ich nur einen einzigen Smart gesehen, und der kam ausweislich seines Kennzeichens aus ... Coburg!
An dieser Stelle meiner Remineszenzen tropft mir nun unversehens der Sabber von der Unterlippe auf die Tastatur, hervorgerufen durch alliterationsinduzierte (Coburg -> Cornetto) Triggerung multisensorischer Erinnerungen an das ach so göttliche Lakritz-Eis:
Neben dieser in deutschen Landen unbekannten Eishörnchen-Variante gab es natürlich im Supermarkt auch ordentliche »Anstaltspackungen« zu kaufen, mit denen wir den Gefrierschrank unseres gastgebenden Freundes vollgeschlichtet haben zwecks kulinarischer Abrundung der langen Abende. Je mehr fränkischen Freunden und Bekannten ich davon erzähle, desto mehr muß ich freilich einsehen, daß Lakritze ein sehr polarisierendes Genußmittel ist: Den einen läuft – gleich mir – sogleich das Wasser im Munde zusammen, die anderen schütteln sich heftig ob der bloßen Vorstellung, sowas in den Mund zu nehmen. Zwischendrin scheint’s nix zu geben...
Aber egal. Wenn wir nun schon mal in Stockholm sind, machen wir noch einen Ausflug in die/den Skansen, ein weiteres, in diesem Fall weithin bekanntes und berühmtes Museumsdorf. Das existiert schon seit 1891 und bewahrt im Wortsinn großflächig die schwedische Volkskultur:
Auch diese Attraktion ist ein für jeden Hauptstadt-Besucher obligatorischer Programmpunkt, für den man sich (mindestens) einen halben Tag Zeit nehmen sollte. Wir waren übrigens sehr positiv überrascht von der fachlichen Qualifikation der in historische Kostüme gekleideten »Bewohnerschaft« des Museumsdorfes. Das profunde Wissen der Handwerker, Bäuerinnen und Mägde ging weit über das hinaus, was von »typischen« Besucherfamilien gemeinhin nachgefragt wird. Auch in komplexen historischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen erwiesen sich die Damen und Herren als überaus beschlagen und sattelfest, wir gingen letztlich erheblich klüger wieder heraus, als wir hineingegangen waren. So soll es sein!
Den bis hierher gefolgten Leserinnen und Lesern gegenüber sei nunmehr eingestanden, daß des zonebattler’s höchst sprunghafte Erzähldramaturgie kein bewußt gewähltes Stilmittel ist, sondern doch nur Ausdruck von Planlosigkeit und Faulheit: Tatsächlich hat sich der Blubber-Blogger im Voraus 5 x 8 seiner schönsten Urlaubs-Fotos nach rein ästhetischen Kriterien herausgesucht und versucht diese im Nachgang einigermaßen stimmig verbal zu verbinden. Dank dieses entwaffnenden Bekenntnisses braucht es jetzt für ein weiteres »See-Stück« wohl keine weiteren Verrenkungen:
»Sweden in a nutshell« würde ich dieses prototypische Motiv wohl benennen, wenn ich denn für ein englischsprachiges Publikum schrübe: Wasser, Wald, Wolken, Romantik sowie allgegenwärtige Umsicht, Vorkehr und Sicherheit, all das und mehr findet sich hier in einem einzigen Ausschnitt kompakt zusammengefaßt wieder.
Wasser und Sicherheit sind auch die idealen Stichworte für etwas, was ich bislang weder erwähnt noch gezeigt hatte: Burgen und Schlösser nämlich, die landestypisch gern etwas gedrungener gebaut werden resp. wurden als wir relativen Südländer das so gewohnt sind. Das hier ist Örebro slott in Örebro, man beachte den eigens inszenierten Kontrast zu den neuzeitlichen Sitzgelegenheiten im Vordergrund:
Auch diese sehenswerte Stadt »eroberten« wir uns übrigens im Rahmen eines Tagesausfluges. Im Vergleich zu unseren herkömmlichen Rundreisen erwies sich der stationäre Aufenthalt an einem Ort – eben Grytgöl – als planerische Herausforderung: Einerseits wollten wir natürlich möglichst viele Facetten des uns bislang unbekannten Landes kennenlernen, andererseits mochten wir nicht einen Gutteil des Tages im Auto verbringen, nur um stundenlang streng tempolimitiert durch immerwährende Waldschneisen zu gleiten...
Na ja, es fanden sich in den knapp drei Wochen unseres Urlaubes genügend Ziele im 100-Kilometer-Radius, die des Ausrückens wert waren. Manches ließ sich auch ganz gut miteinander verbinden. Den einen oder anderen Tag blieben die Räder unseres weißen Volvos sogar gänzlich unbewegt und wir daheim bzw. in fußläufiger Nähe, was durchaus zur gründlichen Erholung und Entschleunigung beitrug. Der Effekt ist erfreulicherweise dermaßen nachhaltig, daß mit der fünften und letzten Folge dieser Reise-Reprise auch erst wieder in einer Woche zu rechnen ist!
Samstag, 6. August 2016
Nach einigen Tagen des erholsamen Aufenthalts kristallisierten sich für uns ein paar offenbar spezifische Merkmale des Schwedentums heraus. Der Schwede als solcher ist zunächst einmal noch ein richtiger Mann, von dem die paarungswilligen Weibchen zu Recht erwarten, daß er alle anfallenden Arbeiten am und rund ums Haus beherrscht und selbst leisten kann. Für die Errichtung und Instandhaltung der eigenen vier Wände wird externe Hilfe nur dann in Anspruch genommen, wenn’s gar nicht anders geht. Ansonsten greift der Schwede beherzt eigenhändig zu Säge, Axt und Hammer: Große Volvo-Kombis und riesige Baumärkte sind landauf, landab gang und gäbe und belegen des Schweden Hang und Drang zur Autarkie.
Traditionellerweise streicht der Schwede sein hölzernes Heim nach Fertigstellung in rostrot an; diese Tradition hat nicht nur ästhetische, sondern primär konservierende Wirkung gegen die Unbilden von Wind und Wetter, wie wir uns sagen ließen. Was immer in der Farbe an chemischen Keulen (weiland Abfallprodukte des Berg- und Hüttenwesens) versteckt sein mag, vorzeigbar ist das Ergebnis jedenfalls allemal:
Vom Herrn des Hauses wird ferner erwartet, daß er den Rasen rundherum kurz und gepflegt hält, weshalb es mit der idyllischen Ruhe auf dem Land eine relative Sache ist: Irgendeiner knattert immer mit (oder gar auf) seinem Benzin-Rasenmäher um seine Datsche herum, was bei den landesüblichen Parzellengrößen schon eine gute Weile dauern kann...
Große Grundstücke, große Abstände zum Nachbarn: Die splendid isolation bringt eine gewisse Zersiedelung der Landschaft mit sich. Damit die Postbotin nicht in bis zum Ende jeder Schotterstraße preschen muß, um ein Brieflein oder eine Gazette zuzustellen, geht sie mit ihrem rechtsgelenkten gelben Postauto an einer Batterie von Briefkästen lässig längsseits, um dann – ohne ihr Vehikel verlassen zu müssen – vom Liebesbrief bis zur amtlichen Vorladung alles in die schlüssellos aufzuklappenden Briefboxen zu stopfen:
Ja, postzustelltechnisch herrschen im Schwedenland Usuancen wie in den US of A. Die Briefkästen stehen weit vor der eigenen Haustür irgendwo an der nächsten Straßenabzweigung oder ‑kreuzung. Böse Buben mit sinistren Absichten scheint es auf dem weiten Land kaum zu geben. Vermutlich gäb’s eh nix Wertvolles zu stibitzen, Pakete werden ja wohl doch bis zum Empfänger gefahren oder beim Nachbarn abgegeben...
Was aber macht der gemeine Schwede, wenn die Post gelesen, der Rasen gemäht und die Frau – sofern vorhanden – unleidlich ist? Genau, er wirft Angel und Köder in den Kofferraum seines (Volvo-)Kombis und macht sich auf zum Wasser, genau gesagt zu jenem Gewässer, an welchem er sein Boot liegen hat. Dieses macht er mit wenigen Handgriffen seeklar und sticht in denselben, um die Seele und die hakenbeschwerte Angelschnur baumeln zu lassen. Der Korrespondent und seine bessere Hälfte waren eines Abends teilnehmende Beobachter einer solchen Veranstaltung:
Des Freundes Nußschale aus GFK bot Platz für uns drei, das angeltechnische Zubehör und natürlich auch für die beiden mitgeschleppten Blei-Akkus im Autobatterien-Format, die dem elektrischen Außenborder die nötige Energie zum lautlosen Gleiten über die abendliche Glitzeroberfläche des still ruhenden Sees lieferten. Glücklicherweise »fingen« wir letztlich nur ein paar Felsen und Schlingpflanzen, so daß sich die Frage zum ordnungsgemäßen Umgang mit lebendem Beutegut gar nicht erst stellte.
Wir springen wieder an Land und weiter zum nächsten Thema. Unser Freund und Gastgeber ist nicht nur zum Vergnügen in Schweden ansässig, er ist tatsächlich aus beruflichen Gründen dorthin gezogen.[1] Nachdem er vorher drei Jahre für seinen in Erlangen beheimateten Arbeitgeber in Shanghai und sonstwo auf der anderen Seite der Erdkugel tätig war, hat ihn das darauf folgende Engagement vom brodelnden Hexenkessel der asiatischen Großstadt ins sozusagen skandinavische Gegenteil verschlagen. Immerhin unterhält die SIEMENS AG in Finspång das einzige konzerneigene Schloß:
Die vor dem Gemäuer sorgsam in Stellung gebrachten Kanonen sollen die Firma wohl eher nicht vor einer feindlichen Übernahme bewahren, sie müssen als Remineszenz an die Produktpalette der Finspång’schen Eisen-Industrie vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte gelten. Wobei: In diesen turbulenten Zeiten von »Industrie 4.0« kann es nicht schaden, ein paar nicht-virtualisierte, handfeste Argumente mit Knalleffekt in der Hinterhand zu haben...
Herstellen tun sie heutzutage in dem großen, vor ein paar Jahren von ALSTOM übernommenen SIEMENS-Werk keine Knallbüchsen mehr, sondern Gasturbinen mittleren Kalibers. Selbstredend herrscht im von uns ausgiebigst besichtigten Produktionsbereich strengstes Fotografierverbot, aber immerhin darf ich hier auf eine offizielle Animation verweisen, die sehr schön zeigt, was Sache ist. Statt mit einem Fotos aus der Turbinenbau-Werkstatt kann ich selbst nur mit der (nicht minder repräsentativen) Kehrseite des siemensianischens Schlößleins dienen:
Das SIEMENS-Werk grenzt unmittelbar an den Schloßpark und ist überhaupt sehr unauffällig in die Landschaft eingebettet. Der zonebattler bekennt freimütig, derlei vorher noch nie gesehen zu haben: Schwerindustrie findet gemeinhin in trister bis desolater Umgebung statt. In Finspång sieht es eher nach Freizeitpark aus als nach dem Sitz eines Weltmarktführers im Anlagenbau. Der uns dort zuteilgewordene Blick hinter die Kulissen und das Erleben von cutting edge technology war für uns fraglos einer der Höhepunkte dieser Reise!
Zurück zur Natur: Zu gerne hätte ich ja mal einen mürrisch dreinblickenden Elch mit ausladendem Schaufelgeweih vor meine Linse bekommen, aber derlei Fotografenglück ist mir leider nicht zuteil geworden. Wie schon mal erwähnt, sind die offiziell als tagaktive Einzelgänger geltenden Paarhufer in der Praxis eher in der Dämmerung unterwegs, und da lag der zonebattler halt noch (oder schon wieder) im Bett respektive auf dem Sofa. Dafür gab es allerorten den höchst agilen Nachwuchs von Enten oder Schwänen zu sehen und zu knipsen:
Ein Dutzend Fotos habe ich allein von dieser Schwanenmama und ihrer sechsköpfigen Kinderschar geschossen, die munter paddelnd gemeinsam im Hafenbecken vor dem Schloß von Vadstena unterwegs waren. Mensch und Tier gehen hier und andernorts geschäftig, aber stets unaufgeregt ihrer Arbeit nach. Man kann sich sehr schnell an den beschaulichen Lebensstil gewöhnen...
Überhaupt scheint ganz Schweden – oder zumindest der Teil der Landes, den wir bereist haben – eine einzige Idylle zu sein. In der von üppigem Grün geprägten Gegend nehmen sich sogar latente Umwelt-Freveleien lieblich aus, wie der in Folge 1 gezeigte Traktor und dieser vor sich hin sedimentierende PKW demonstrieren:
Man beachte, daß nicht etwa die abgestellte Karre Gegenstand von und Anlaß zu sozialer Ächtung des Besitzers ist. Nein, verwerflich wäre es, den Rasen nicht ordentlich kurz zu halten, weswegen fein säuberlich um den Blechhaufen herum gemäht wird. Dies mutwillig zu unterlassen wäre hierorts wohl die eigentliche Schande...
Wiesen, Wälder, Wasser: Dem natürlich überall erreichbaren World Wide Web steht in Schweden gleichfalls flächendeckend ein wunderbares »WWW« im Realen gegenüber, an dem man sich nicht sattsehen kann. Zum Abschluß der heutigen Episode seien diese drei Elemente in einem Bild vereint gezeigt, sogar noch ergänzt um ein viertes »W« wie »Wolken«:
Wie gestrandete Delphine liegen sie da, die umgekippten Boote, und wirken angesichts ihrer elegant-schnittigen Form keineswegs wie Fremdkörper in der ansonsten unberührt erscheinenden Landschaft. Szenen wie diese finden sich an jedem größeren Gewässer, und da die allgegenwärtigen Kajaks und Kähne geduldige Modelle darstellen und durchaus länger als nur 1/125 Sekunde stillhalten, kann man sie auch gut in Ruhe malen statt sie nur en passant abzulichten...[2]
Das war es dann auch schon wieder für heute. Demnächst mehr!
[1] Mit dem Betreiben eines Bootes, eines Rasenmähers von Husqvarna, dem Hissen schwedischer Fähnchen am Haus sowie dem zügigen Erlernen der Sprache muß unser fränkischer Freund in Östergötland als mustergültig integrationswillig, ja geradezu als Assimilant gelten. Leider trifft das nur auf eine Minderheit von Expats zu: Die meisten von ihren Firmen ins Ausland entsandten Fachkräfte lassen sich von den Sitten und Gebräuchen ihres Gastlandes nur wenig benetzen und bleiben überwiegend unter sich. Selbst schuld!
[2} Was ich beispielhaft auch getan habe bzw. habe tun lassen, siehe dazu den ersten Kommentar unter diesem Beitrag.
Sonntag, 31. Juli 2016
Schon am zweiten Tage unseres Aufenthaltes machten wir uns selbdritt auf zu einer kleinen Städtetour in das knapp 50 km südöstlich gelegene Norrköping.[1] Bis in die 1960er Jahre hinein war die Stadt ein Zentrum der Textilindustrie, danach ging es wirtschaftlich steil bergab aufgrund sich wandelnder Konsumgewohnheiten und vor allem wegen der starken Konkurrenz aus fernöstlichen Billiglohnländern. Das Ende der Geschichte kennen wir aus eigener Anschauung, die Baumwollindustrie Erlangen-Bamberg Aktiengesellschaft (ERBA) läßt grüßen...
Immerhin haben sich in Norrköping trotz auch dort vorgekommener Abrißorgien etliche ansehnliche Industriebauten erhalten, die heutzutage verschiedenste Nachnutzung durch Behörden, Startups, Institute und kukturelle Einrichtungen erfahren:
Um dem Verlust von Arbeitsplätzen in der Textilindustrie etwas entgegenzusetzen, wurden Anfang der 1970er Jahre einige staatliche Behörden aus der Hauptstadt Stockholm nach Norrköping verlagert. Der Vergleich mit Fürth, Grundig, Quelle und dem Bayerischen Landesamt für Statistik drängt sich da geradezu auf: Ähnliche Probleme werden halt allerorts mit ähnlichen Methoden bekämpft...
Wo der Abrißbagger in Norrköping Altes vernichtet hat, um Neuem Platz zu schaffen, ist oftmals architektonisch durchaus Vorzeigbares entstanden. Der Kontrast hat seine ästhetischen Reize, wenngleich sich fraglos nur eine dünne Schicht Gutverdiener das Leben im üppig verglasten Stadtloft leisten kann:
Wir schlenderten noch ein Weilchen am Motala ström entlang und durch die sonntäglich ruhige Innenstadt und befanden schlußendlich: Ja, hier ließe es sich wohl leben. Insbesondere dann, wenn einem das platte Land als zu einsam vorkommt und die Metropole Stockholm als zu groß...
Aber mit der Inspizierung Norrköpings war der Tag ja noch nicht annähernd gefüllt: Heiter weiter ging es daher in Richtung Ostseeküste, also erneut nach Südosten. Dabei kamen wir durch einen Ort mit dem denkbar kürzesten Namen, der es allein deshalb schon verdient, hier festgehalten zu werden (Kuriositäten sind ja ein gern gerittenes Steckenpferd des Berichterstatters):
Ja, der Ort heißt wirklich »Å«...[2] Ziel und Wendepunkt unseres Tagesausflugs war indes Tyrislöt, von wo aus man – am Ufer der Schärenmeeres stehend – diverse Schären sehen kann. Hunderte, nein Tausende Inseln säumen die Küsten, bis zum offenen Meer wäre man stundenlang unterwegs. Interessant ist die Erkenntnis, daß sich die nach Abschmelzen der eiszeitlichen Gletscher im Wortsinne »erleichterten« Landmassen auch heute noch – wenn auch langsam – heben (Stichwort: postglaziale Landhebung), was dazu führt, daß neue Inselchen enstehen, bereits vorhandene größer werden und frühere Häfen verlanden.
Leider war weder Zeit noch Gelegenheit, mit einem Postboot durch das steinerne Labyrinth zu schippern, aber das Gesehene war schon eindrucksvoll genug. So machten wir uns also auf den Rückweg und steuerten dabei noch das pittoreske Städtchen Söderköping an. An dessen Nordrand liegt der Göta-Kanal, und in dem wiederum fahren nostalgisch-schöne Passagierschiffe wie die hier exemplarisch festgehaltene »Lindön« herum:
Söderköping gilt als eine der besterhaltenen mittelalterlichen Städte Schwedens. Meiner einer hätte die vielen Holzhäuser aufgrund ihres makellosen Erhaltungszustandes nicht unbedingt bis zurück ins Mittelalter datiert, aber ja, das Städtchen hat Charme!
Überhaupt kam sich der Chronist ständig wie in einer der aus Kindertagen erinnerlichen Fernsehserie schwedischer Provenienz vor. Alles sozusagen ziemlich putzig-pippilangstrumpfig in diesem in multipler Hinsicht mustergültigem Land...[3]
Als wir nach ausgiebiger Besichtigung Söderköpings den Ort verließen und die Heimfahrt antraten, war es schon halb sieben Uhr abends. Ziemlich genau um 19 Uhr machten wir dann noch bei Finspång in einem Supermarkt Station, um uns für die folgenden Tage zu verproviantieren und des Freundes Speisekammer zu füllen.
Das sonntägliche (!) Einkaufserlebnis verdient eine ausführliche Würdigung. Zunächst einmal ist bemerkens- und festhaltenswert, daß auch an Sonntagen und bis in den späten Abend geöffnete Läden in Schweden nichts Besonderes sind, sondern gelebte Normalität. Kein Mensch käme hier auf die Idee, im angeblichen Interesse der Beschäftigten eine allgemeine Sonntagsruhe einzufordern. Uns war es recht, wir schauen uns in fremden Landen immer gerne Supermärkte von innen an, schon wegen der ungewohnten Produktvielfalt und ‑verpackungen. Die erste Überraschung erwartete uns aber bereits im Eingangsbereich des Einkaufzentrums:
Tja, was sind das wohl für eigenartige Gerätschaften, die da ihrer Entnahme durch den Kunden harren? Genau, Scannerpistolen! Mit diesen Dingern kann der Kunde während seines Einkaufsbummels selbst die gewählten Produkte registrieren und ihre Preise aufaddieren lassen, bei automatischer Berücksichtigung aller aktuellen Aktionspreise und Rabatte, versteht sich. Aber hallo!
Unser Freund delektierte sich an unserer Verblüffung, zückte lässig seine Kundenkarte, checkte damit am Automaten-Terminal ein und bekam eine dieser Scanner-Pistolen zugewiesen. Für die griffbereite Aufwahrung der persönlichen Registrierkasse verfügt jeder Einkaufswagen über ein entsprechendes Drahtkörbchen:
Mit dieser Laserkanone bewaffnet, macht sich der Kunde nolens volens zum Komplizen der Betriebswirte, die ihm einen Teil der personalintensiven Arbeit zur Eigenerledigung übertragen. Die dafür gewährten Preisnachlässe und sonstigen Vorteile machen sicherlich nur einen Bruchteil der Personalkosten aus, die man mit der flächendeckenden Einführung solcher Gerätschaften einsparen kann. Von den Möglichkeiten der Aus- und Verwertung der von den Kunden freiwillig, nebenbei und massenhaft gelieferten Daten zum individuellen Konsumverhalten gar nicht zu reden!
Diskussionen über das Pro und Contra sind indes müßig, was wir in Schweden prototypisch beobachten konnten, wird bei uns auch so kommen, und zwar eher über kurz als über lang. Funktioniert hat das Einlesen der Produktdaten selbstverständlich problemlos, und auch das Stornieren bereits registrierter Produkte bei spontaner Umentscheidung war kein Thema. Ein weiteres Faszinosum schwedischer Supermärkte und Discounter (deutschstämmiger inklusive) sind übrigens die ausladenden Angebotswände für süße und salzige Schüttgüter:
Im Nachhinein war es womöglich ein Fehler, diverse lakritzoide Leckerlis zwar in großer Vielfalt probierhalber einzukaufen, aber überwiegend erst nach der Heimkehr nach Deutschland zu verkosten: Da waren dermaßen süchtig machende Exemplare dabei, die wir bei rechtzeitigem Ausprobieren vor Ort kiloweise gebunkert und bis zur Grenze des zulässigen Gepäckgewichtes in die Koffer gestopft hätten.[4]
Mit vollem Einkaufswagen gelangten wir schließlich im Kassenbereich an, den wir ohne zwischenmenschlichen Kontakt verließen, denn selbstedend braucht es weder für (bargeldlose) Zahlung, Pistolenabgabe und Kassenbon-Kontrolle das Zutun irgendwelcher Mitarbeiter(innen). Übrigens auch nicht zur Alterskontrolle, denn Spirituosen mit mehr als 3,5 % Alkoholgehalt bekommt man ohnehin nur in staatlichen Läden (zu deutlich restriktiveren Öffnungszeiten) zu kaufen. Im schwedischen Supermarkt gibt’s weder richtiges Bier noch Wein noch Eierlikör (letzteres zum argen Verdruß des Endesunterfertigten). So, aber nun Kofferaumklappe zu und genug für heute. Bis bald!
[1] Die Endsilbe -köping findet man bei schwedischen Ortsnamen relativ oft. Die Aussprache »-schöpping« deutet schon darauf hin, was damit bezeichnet wird, nämlich eine Marktgemeinde. Sowas gib’s ja bei uns auch, siehe Neumarkt.
[2] ...und ist damit sozusagen das Gegenteil der walisischen Zungenbrecher-Gemeinde Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch.
[3] Am Rande sei vermerkt, daß ich ausgerechnet die Kinderserie »Pippi Langstrumpf« als grauenvoll und zum Fremdschämen peinlich in Erinnerung behalten habe. Meine nunmehr durchaus vorhandene Affiniät zu Schweden existiert also nicht wegen, sondern trotz dieser medialen Kindheits-Remineszenzen...
[4] Schon das allein ist ein hinreichender Grund, spätestens im nächsten Jahr wieder Schweden anzusteuern. Die in den dort erhältlichen Lakritz-Delikatessen erlaubterweise vorhandenen Konzentrationen von Süßholz und Ammoniumchlorid (aka Salmiak) gibt’s bei uns in Deutschland allenfalls in als »Erwachsenen-Lakritz« deklarierter Importware.
Sonntag, 24. Juli 2016
Der Einladung eines derzeit dort lebenden und arbeitenden Freundes aus heimischen Gefilden folgend, machten sich der zonebattler und seine bessere Hälfte Anfang Juni nach (Süd-)Schweden auf. Knapp drei Wochen lang wollten wir im Hause unseres Gastgebers leben, uns dort nützlich machen und die Abende und Wochenenden zu gemeinsamen Unternehmungen nutzen.
Die U‑Bahn brachte uns von Fürth zum Nürnberger Flughafen, mit KLM Cityhopper hupften wir dann von dort erst nach Amsterdam und von da aus nach Linköping. Schon im Landeanflug auf den beschaulichen Linköping City Airport (mit immerhin je zwei planmäßigen Starts und Landungen pro Tag) war offensichtlich, daß Wald und Wasser bestimmende Elemente eines naturnahen Urlaubs werden würden:
Unser Freund empfing uns am Gate mit großem Hallo und dem Schlüssel des für uns bereits angemieteten Leihwagens. Der renngurkengewohnte zonebattler hatte seine liebe Not, sich in dem vergleichsweise luxuriösen Gefährt zurechtzufinden und dessen Motor überhaupt erst einmal anzulassen (nicht per Schlüsseldrehung, sondern per Knopfdruck). Immerhin hatte er dann auf der gut einstündigen Fahrt nach Grytgöl in der östergötländischen Flächengemeinde Finspång genug Gelegenheit, sich mit den Eigenschaften des ungewohnten Vehikels einigermaßen vertraut zu machen. [1]
Schon bald nach der Ankunft in des Freundes herrlichen Häuschen waren die Koffer geleert, die Klamotten verstaut, die Neugier auf Land und Leute groß. Auf ersten Spaziergängen und ‑fahrten erlebten wir quasi die Essenz des schwedischen Landlebens. Der mitunter zu plakativen Generalisierungen neigende Autor gewann dabei den Eindruck, daß – von regelbestätigenden Ausnahmen abgesehen – die schwedischen Häuser grundsätzlich rot gestrichen und die Autos sämtlich von Volvo fabriziert sind:
Die von Franken aus gesehen gut 1.500 km weiter nördlichere Lage merkt man unter anderem am Licht: Es wirkt auch im Hochsommer irgendwie herbstlich, da die Sonne flacher über dem Horizont steht und die Schatten daher selbst zur Mittagsstunde deutlich schräger fallen als daheim. Und natürlich ist es länger hell als gewohnt: Erst nach 23 Uhr wird es einigermaßen dunkel, und schon um vier Uhr in der Früh’ kann man ohne Lampe dem beginnenden Tag ins freundliche Antlitz sehen. Im Winter kehrt sich das Ganze dummerweise um, weshalb man hinter jedem Fenster mindestens eine stuben- und stimmungsaufhellende Leuchte stehen sieht...
Die langen Abende boten sich natürlich an zu ausgedehnten Spaziergängen ums Haus herum. Kein Verkehr, kaum Menschen, frische Luft und so gut wie keine zivilisationstypischen Geräusche: Da staunt der Städter, der daheim zwar kurze Wege und kulturelle Vielfalt genießt, aber eben auch die Schattenseiten des Lebens im Ballungsraum immer vor Augen (sowie in Nase und Ohren) geführt bekommt. Der zonebattler freute sich ferner über die zahllosen Motive am Wegesrand und wußte anfangs kaum, wohin er seine Kameralinse zuerst richten sollte.
In dieser Gegend des Landes nahm die Industrialisierung Schwedens einst ihren Anfang: Nach Eisenerz gegraben (und Kanonen gegossen) wurde hier schon vor Jahrhunderten. Alles dazu Nötige (eisenhaltiges Gestein, Holz und Wasserkraft) war ja reichlich vorhanden. Heute sind zahlreiche Überbleibsel von alten Industrieanlagen in pittoresker Umgebung zu bewundern, mitunter werden sie in ehrenamtlicher Arbeit erhalten und zumindest tageweise zu neuem Leben erweckt.
Apropos Leben: Nein, Elche haben wir (jedenfalls in freier Wildbahn) keine gesehen, die tappen ja gerne in der Dunkelheit herum und die nutzten wir zum Schlafen. Weniger bedauerlich fanden wir den Umstand, daß wir wenig bis gar nicht von stechenden Insekten heimgesucht wurden. Floraseitig überraschte uns die Entdeckung, daß so gut wie überall an den Straßen- und Waldesrändern (sowie in zahllosen Vorgärten) bunte Lupinen fröhlich vor sich hin blühten:
Diese Pflanzen gedeihen in Schweden dermaßen reichlich und üppig, daß der Berichterstatter sie hiermit für sich zum inoffiziellen Wappentier erklärt, vergleichbar etwa der Distel Schottlands. Übrigens war es gar nicht so einfach, ein paar prächtige Exemplare irgendwo auszubuddeln und in des Freundes Garten zwecks landestypischer Verzierung desselben wieder einzugraben: Die elend langen Pfahlwurzeln sind dermaßen miteinander verwachsen, daß selbst gute 80 kg Körpergewicht auf dem Spaten nicht ausreichen, das Gekröse umstandslos zu durchstechen...
Verweilen wir noch etwas im 250-Seelen-Dorf Grytgöl (das zweite »g« im Namen wird übrigens wie ein »j« ausgesprochen), dessen Einwohnerschaft sich in großzügiger Verdünnung über etliche Hektar Fläche verteilt. Massenmenschhaltung ist hier unbekannt, vielmehr lebt man luftig und uneingeengt, z.B. in alten Fabrikantenvillen:
Man muß natürlich dazusagen, daß Schweden im Vergleich zu Deutschland 90.000 Quadratkilometer mehr Fläche, aber nur 1/8 der Einwohner hat. Während sich also in der Bundesrepublik durchschnittlich etwa 230 Leute einen Quadratkilometer teilen, leben in Schweden nur 22 Menschen auf der gleichen Fläche. Aber auch dort wollen die meisten jungen und agilen Zweibeiner eher in den Städten wohnen, was sich auf die Immobilienpreise weiter draußen im Land merklich auswirkt: Für umgerechnet 100.000 EUR kann man ein schönes Häuschen mit mehr Garten drumherum bekommen, als einem womöglich lieb ist, aber dafür muß man halt zum nächsten Supermarkt unter Umständen mehr als 30 km weit fahren. Von der Pendelei zum Arbeitsplatz nicht zu reden.
Dafür findet man auf der anderen Seite der Medaille Ruhe und Frieden, und das ist natürlich auch was wert. Wald und Wasser sind quasi immer in fußläufiger Nähe, und ein Spaziergang entlang der Trampelpfade hat stets auch etwas Meditatives...
Denkt man an öffentliche Freibäder, hat man als Germane sofort eine kakophonische Geräuschkulisse aus Kindergeschrei, Wasserplatschern, Rufen und Fluchen im Ohr. Nicht so im schwedischen Hinterland: Jedes Kaff verfügt über Gewässer, die sich ohne großes Drumherum zum Baden und Schwimmen eignen (und zum Angeln sowieso).
Eine »Badeanstalt« besteht daher im Wesentlichen aus einem Stück gemähter Wiese, einem Umkleideschuppen, einem Steg, einem Rettungsboot nebst Rettungsring und viel, viel waldumstandenen Wasser. Hören tut man dort meist gar nix, denn mehr als eine Handvoll Dorfnixen ist in der Idylle gemeinhin nicht anzutreffen:
Ach ja... Beim Bebildern dieser höchst subjektiven Reise-Reportage befällt den Berichterstatter ein starkes Verlangen, sogleich wieder gen Schweden aufzubrechen. Er wäre auch jederzeit willkommen im Haushalt seines weiland Forchheimer (und später nach Fürth migrierten) Freundes, allein der Jahresurlaub ist vollständig aufgebraucht und die nächste Gelegenheit zum Flug in die Ferne böte sich damit allenfalls in der Betriebsruhe zwischen Weihnachten und Silvester. Aber dann sind die Tage dort droben im Norden kurz und duster und statt eines Mietwagens bräuchte man mindestens einen Schneepflug, wenn nicht gar einen Bergepanzer...
Zum Thema Spezialfahrzeuge sei hier noch erwähnt, daß die Schweden gerne alte Automobile sammeln: Namentlich klassische US-Straßenkreuzer stehen hoch im Kurs, und das, obwohl es hier in der Nachkriegszeit keine Besatzer gab, die mit derlei mondän gestalteten Spritschluckern publikumswirksam herumfuhren. Egal, der Benzin-Virus hat auch die Motorfreaks im neutralen Schweden befallen, und so sieht (und hört) man auch im entlegensten Hinterland immer wieder mal einen Amischlitten mit sonor blubberndem V8-Motor vorbeicruisen. Was nicht mehr fährt, wird auf dem eigenen Grund abgestellt, auch diese (Un-)Sitte scheint man von den Amerikanern übernommen zu haben:
Ob chromblitzendes Schlachtschiff, 90er-Jahre-Kombi oder alte Traktoren wie der oben gezeigte: Was immer ausgedient hat oder unfallbedingt nicht mehr aus eigener Kraft fahren kann, wird nicht etwa verschrottet, sondern an mehr oder weniger prominent sichtbarer Stelle vor oder hinter dem Haus dauerdeponiert. Der Besucher wundert sich darüber bis heute, denn er kann sich schwerlich vorstellen, daß ein ohne weitere Konservierungsmaßnahmen offen unter freiem Himmel endgelagertes Kraftfahrzeug jemals wieder erfolgreich instandgesetzt werden könnte: Sonne, Regen, Schnee und krasse Temperaturunterschiede dürften derlei Absichten von Jahr zu Jahr weiter unterminieren. Aber vielleicht ist das »Gras darüber wachsen lassen« in Schweden ja die deutlich billigere Alternative zur ordnungsgemäßen Entsorgung?
Mit diesem ersten Blick in die rätselhafte Mentalität der Schweden lassen wir es für heute bewenden. In der nächsten Folge machen wir uns in ein paar Tagen auf den Weg in eine größere Stadt und begeben uns anschließend auf eine Landpartie mit allerlei weiteren ungewöhnlichen Ein- und Ausblicken. Hej så länge!
[1] Wie so oft hatte ich nach der Heimkehr später das Gefühl, der eigene Wagen wäre durch Standschäden quasi unbenutzbar geworden: Lenkung und Pedale überaus schwergängig, die Bremse zwar verzögernd, aber doch deutlich träger. War natürlich wieder einmal nur eine Frage der (Um-)Gewöhnung...
Süßer und scharfer Senf: