Sonntag, 6. Juni 2010
Zahlreiche Tier- und so an die 1.500 Pflanzenarten sind auf La Palma endemisch, kommen also nur dort (und nirgendwo anders) vor. Wie alle anderen Kanareninseln auch ist La Palma vulkanischen Ursprungs und einst einsam dem Meer entstiegen, war also nie durch Landbrücken mit dem benachbarten Kontinent verbunden: Was immer folglich an irdischem Leben dorthin verschlagen wurde, hat sich isoliert von den früheren Artgenossen vermehren und weiterentwickeln können. Zwei Millionen Jahre sind geologisch betrachtet nicht viel, aber in Sachen genetischer Mutation, Vererbung und natürlicher Auslese kann diesem Zeitraum schon einiges passieren...
Der zonebattler ist ein Freund von Reptilien, jedenfalls dann, wenn er nicht in deren Beuteschema paßt: Der beschauliche Lebensstil der Echsen (dösen, essen, sonnen, dösen, essen, entspannen, ...) erscheint ihm als souveräner und zur Nachahmung wärmstens zu empfehlender Existenz-Entwurf. Kein Wunder daher, daß er die allerorten herumwuselnden Westkanareneidechsen schnell ins Herz geschlossen hat:
Trotz nicht vorhandener Großhirnrinde sind die geschmeidigen Gesellen übrigens keineswegs dumm: Da, wo es was Eßbares zu holen geben könnte (bei rastenden Wanderern zum Exempel), kommen sie gerne aus der Deckung und näher heran an die mutmaßlichen Gönner. Wirft man ihnen einen Crackerkrümel hin, sausen sie wieselflink herbei und stellen den Happen sicher, den unsereins zwischen all den Lavakrümeln kaum je wiederfinden würde. Respekt!
Fast noch erstaunlicher in ihrer Vielfalt präsentiert sich die Flora auf La Palma: Was auf deutschen Fensterbänken als Exot mit Hingabe im Blumentopf gepäppelt und stolz vorgezeigt wird, wuchert hier wie Unkraut und erreicht im ganzjährig milden Klima beachtliche Dimensionen. Wie zum Beispiel der (nicht endemische, sondern vor gut 200 Jahren eingeführte) Feigenkaktus:
Im Mai ist auf der Insel so ziemlich alles am Blühen: An manchen Bäumen fanden sich Früchte und Blüten gleichzeitig! Der immerwährende Frühling scheint die Pflanzen zu verwirren und den aus nördlicheren Gefilden bekannten Rhythmus der Jahreszeiten zumindest teilweise außer Kraft zu setzen. Irre.
Eigenartigerweise ist der zonebattler auch ein Krabbenfreund, d.h. er verspeist sie nicht (wie andere Leute), sondern stellt ihnen mit der Kamera nach, um ihr Verhalten zu studieren. So zahlreich wie an den Gestaden des Mittelmeeres scheinen die gepanzerten Genossen in kanarischen Gewässern nicht zu sein, jedenfalls war am flachen Strand kein Krebstier auszumachen. Nur an schroffen, gischtumtosten Ufern konnte ich Krabben behende auf den nassen Lavabrocken herumturnen sehen:
Erstaunlich ist das Sehvermögen jener meist seitwärts schreitenden Zehnfußkrebse: Gemeinhin sitzen sie allesamt regungslos auf den Felsen, sobald man sich aber auf ein paar Meter nähert, beginnt ein Massenexodus und es wuselt und kreucht an allen Ecken und Enden. Bemerkenswert erscheint ferner, wie souverän die Tiere der brachialen Gewalt der Brandung trotzen: Ein Mensch, der sich von See her näherte, würde den Versuch, abseits der flachen Strände an Land zu gehen, kaum überleben.
Wenden wir uns jetzt wieder der Pflanzenwelt La Palmas zu und schauen wir uns einen der eigenartigen »Drachenbäume« an:
Den Namen jenes Gewächses habe ich bewußt in Anführungszeichen gesetzt, denn wie uns der einschlägige Wikipedia-Artikel belehrt, handelt es sich dabei nicht wirklich um einen Baum im wissenschaftlichen Sinne; dem schattensuchenden Wanderer sind derlei akademische Spitzfindigkeiten natürlich einerlei. Meist stehen diese schönen Pflanzen einzeln, wir haben auf unseren Wanderungen jedoch auch ein paar kleinere Haine bewundern können.
À propos Wanderungen: Wundersame Begegungen hatten wir mit den palmerischen Hunden, die sich ‑im Gegensatz zu ihren Vettern im fernen Deutschland- allerorten durch große Lässigkeit und eine entspannte Auffassung hinsichtlich der Ausübung ihres Wachdienstes auszeichnen. Man kennt sich dort, man kennt sein Revier, man weiß um die Harmlosigkeit der selbst zur mittäglichen Siesta-Zeit idiotischerweise durch die Landschaft keuchenden Touristen. Was sollte man sich da mit sinnlosem Gebell selbst verausgaben?
Im Grunde kommt man mit einer kraftsparend relaxten Haltung ohnehin am besten durch den Tag, denn die Mittagszeit beginnt gleich nach dem Frühstück und endet erst kurz vor dem Abendessen. Jedenfalls kommt es einem so vor: Die schon erwähnte südliche Lage fernab von Kontinental-Europa sorgt dafür, daß die Sonne fast immer im Zenit ihrer täglichen Laufbahn zu stehen scheint. Wann immer man eine Palme sieht, deren Schatten ist von früh bis spät direkt unter dem Blätterdach anzutreffen:
Springen wir vom Strand bei Puerto Naos übergangslos auf gut 2.400 Meter Höhe: In der Nähe der zahlreichen Sternwarten am Nordrand der Caldera sitzt so mancher finsterer Geselle und wartet auf Beute: Selbst die großen Raben sind sich nicht zu stolz, Touristen um Entrichtung verdaubaren Wegezolls anzugehen! Der nachfolgend gezeigte Frechdachs ließ sich beispielsweise munter und unverdrossen auf dem Außenspiegel des nächsten Mietwagens nieder, um dessen Besatzung zur teilweisen Herausgabe ihrer Brotzeit zu animieren...
Es ist übrigens nicht ganz einfach, so einen ausgewachsenen Raben halbwegs fotogen abzulichten: Die kecken Kerle sind tatsächlich in jeder Hinsicht rabenschwarz! Augen, Federn, Füße, Schnabel, was immer den Vogel ausmacht, ist von der gleichen Farbe und allenfalls von unterschiedlichem Glanzgrad. Eine echte Herausforderung für jeden Belichtungsmesser! Aber man kann sich immerhin reichlich Zeit mit der Knipserei lassen: Die bettelnden Kameraden sind nicht nur gefräßig, sondern auch eitel, sie präsentieren sich daher gerne und ausdauernd. Jedenfalls so lange, wie ihnen das Werben um Fütterung erfolgversprechend erscheint...
Wenn wir schon beim Futtern sind: Hatte ich eigentlich schon erwähnt, daß Bananen die Hauptexportartikel La Palmas sind? Unter dem gütigen Patronat diverser Heiliger gedeihen im ewigen Frühling allerorten Bananen, Bananen und nochmals Bananen:
Wir haben natürlich Bananen aus örtlicher Produktion verkostet (aus ökologischem, mutmaßlich und hoffentlich ungespritztem Anbau): Die kleinen Dinger schmecken dort anders, sprich intensiver und durchaus besser als das, was man hier in Nordeuropa kaufen kann. Das liegt in der Natur der Sache, denn wer die Stauden in Griffweite vor der Haustür hängen hat, kann die Früchte im reifen Zustand ernten und zeitnah auf dem lokalen Markt anbieten. Was hingegen in deutsche Läden kommen soll und bis dorthin tagelang unterwegs ist, muß ja schon weit vor dem Erreichen der optimalen Reife zum Versand gebracht werden, um nicht in bereits angefaultem Zustand anzukommen...
Angekommen sind auch wir, und zwar am Ende der heutigen Folge. Im nächsten Teil verlassen wir den Pfad der sachlichen Berichterstattung und wenden uns dem atmosphärischen zu. Dann verrate ich endlich auch, wie ich auf den Serientitel »Die Schatzinsel« verfallen bin!
Mittwoch, 7. April 2010
Noch bis zum kommenden Sonntag zeigt das Germanische Nationalmuseum in der Sonderausstellung »Plakativ!« einen Teil der äußerst umfangreichen Nürnberger Plakatsammlung. Wie an jedem Mittwoch konnte man auch heute wieder ab 18:00 Uhr bei freiem Eintritt durch das bemerkenswerte Museum schlendern:
Wer sich für Grafik, Design, Layout, Gestaltung und Typographie auch nur einen Hauch interessiert, sollte die nächsten Tage zu einem Besuch in Nürnberg nutzen: Man muß die großen Originale sehen, um sie angemessen würdigen zu können!
Unter dem Titel »Totentanz und Technikfeindlichkeit« reitet Don Alphonso heute eine lesenswerte Attacke wider den hirn- und hemmungslosen Konsumismus. Wie immer in der F.A.Z., wie so oft sehr lesenswert!
Donnerstag, 25. März 2010
In meinem Bildarchiv eröffne ich heute die 31. und letzte Seriensammlung in der Abteilung »Dauerbrenner«, diesmal bestehend aus Ablichtungen von alkoholischem Altglas, arrangiert von Idiotenhand im öffentlichen Raume:
Auch wenn sich die wild entsorgten Spirituosenflaschen mitunter zu pittoresken Motiven fügen, kann ich derlei asoziales Vermüllungs-Verhalten in keinster Weise gutheißen. Aber es zeigt indirekt, wie sehr die Sucht nicht nur die Leber, sondern auch das Hirn zersetzt...
Sonntag, 10. Januar 2010
Wer kennt das nicht? Man bekommt ein Buch geschenkt, kauft sich gar selbst einen vielgepriesenen Roman, doch irgendwie wird man nicht so recht warm mit (und bei) der Lektüre und verspürt irgendwann keine Lust mehr, den Wälzer ordnungsgemäß bis zum Ende durchzulesen. Schade um die unbenutzten Buchstaben, schade auch um die bisher investierte Zeit! Was also tun mit dem angefangenen Schmöker?
Gestern fand ich unverhofft im nahen Supermarkt die Lösung, und die ist ebenso preiswert wie verblüffend:
Mit der »Fertiglesebrille« sind angelesene Druckerzeugnisse im Nu bis zum Schluß konsumiert: Das unscheinbare und von einer herkömmlichen Lesebrille kaum zu unterscheidende Gerät klärt den trüben Blick und verhilft dem/der Träger/in im Handumdrehen zu frischer Motivation und neuer Lesefreude. In kurzer Zeit sind die Lesestoffstapel durchgearbeitet und die bis dato herumliegenden Papiermassen entweder dem Regal oder dem Altpapier-Container anvertraut.
zonebattler’s Fazit: Die »Fertiglesebrille« ist ein absolutes Muß für den kultivierten Haushalt. Auch den sogenannten bildungsfernen Schichten kann das optische Wundergerät nur empfohlen werden: Zwar haben wir den Einsatz am populärsten aller Boulevard-Blätter mangels Zugang nicht erproben können, wohl aber über Nacht im Selbstversuch das Fürther Telefonbuch einstudiert. Die unter normalen Umständen eher sperrige und wenig erkenntnisreiche Lektüre war mit Hilfe der neuen Linsen ein nachgerade erhebender Lesegenuß bis in die frühen Morgenstunden!
Montag, 21. Dezember 2009
Kurz vor dem Fest läßt sich Andrea Diener ‑wie immer punktgenau und treffsicher- in der F.A.Z. über das Geschenk an sich aus. Wer würde sich da nicht wiedererkennen?
Mittwoch, 2. Dezember 2009
Stolze 4,8 Kilowatt würde ich verbrutzeln, wenn ich die 100 matten Kerzen-Glühlampen von Osram (Gewinde E14) und die 20 von Philips (mit Gewinde E27), welchselbe mir heute Abend vom Paketdienst geliefert worden sind, gleichzeitig anschlösse. Zwar passen selbst in den großen Kronleuchter im Dormitorium nur 16 Stück gleichzeitig hinein, aber nachdem ich auch fürderhin in den drei Salons und den beiden Stuben die Lüster dezent dimmen können will, habe ich mir via eBay einen üppig dimensionierten Lebensvorrat jener Leuchtmittel zugelegt, die neuerdings EU-weit als verpönt gelten. Zwar werden in des zonebattler’s höchst realer homezone überwiegend Spar- und vereinzelt Halogenlampen betrieben, aber etwas dekadenter Luxus darf schon sein. Zumal die Abwärme der 40 Watt-Kerzen zu dieser Jahreszeit im Altbau nicht unwillkommen ist...
Dienstag, 1. Dezember 2009
Die Quelle versiegt und zurück bleibt unzugängliches Chaos.
Mittwoch, 28. Oktober 2009
Die Aufrüstung meines elektronischen Offiziers-Taschenmessers zum Helfer (und Ratgeber) für alle Fälle schreitet hurtig voran: Nachdem ich nun schon eine ganze Weile »Geheimbotschaften« entschlüsseln kann (und eine eigene solche neuerdings am Heckfenster meiner Renngurke spazierenfahre), kann ich jetzt mit barcoo.de auch detaillierte Informationen zu x‑beliebigen Produkten abrufen, indem ich einfach deren Barcode mit der Handy-Kamera abscanne. Ein erster ambulanter Test mit der Salatdressing-Flasche im Kühlschrank verlief absolut überzeugend: Wenige Sekunden nach dem Abknipsen des Etikettes hatte ich schon die Nährwertangaben auf dem Display. Der Hammer! Im barcooblog kann man nachlesen, wozu der Dienst sonst noch taugt. Ein feines Werkzeug für mündige Verbraucher und solche, die es werden wollen!
Dienstag, 29. September 2009
Andrea Diener hat sich ja neulich in ihrem Blog bei der F.A.Z. sehr schlau über Gesellschaftsspiele ausgelassen und damit den zonebattler daran erinnert, daß seine raumgreifende Sammlung von mittlerweile exakt 133 Brettspielen endlich mal gesichtet und quantitativ komprimiert gehört. [1] Schon seit längerer Zeit greift unsereiner ja auf Flohmärkten und bei anderen Occassionen nur noch dann zu, wenn es sich um anerkannte Spitzentitel handelt, die bei sehr gutem bis hervorragendem Erhaltungszustand für läppisches Geld zu haben sind. [2] Gleichwohl drückt eine derartige Zahl von ausladenden Pappschachteln auf Dauer auf die Regalböden und letztlich auch auf das Gemüt...
Heute aber ward endlich ein Anfang gemacht ‑wird ja schon arg früh wieder duster draußen- und ein kleiner Spieletestabend eingelegt. Zur eigenen Verblüffung hat der Berichtende sogar den einen oder anderen Sieg über seine bessere Hälfte errungen, ein Triumph, welcher ihm bei Taktik- und Kombinatorik-Spielen gemeinhin nicht allzu oft vergönnt ist. Erfreut ist er auch über die lagerlogistische Bilanz der Aktion, die neben Spaß am Spiel eben auch einen greif- und sichtbaren Erfolg zeitigte: Von fünf getesten Spielen wurden nur drei (vorerst) wieder in den Bestand eingereiht, die beiden anderen hingegen in die große Fortgebe-Kiste geschlichtet. Mal schauen, wie weit wir bis zum Frühling durchkommen, das heute vorgelegte Tempo ist natürlich nicht durchzuhalten, schon weil zum Testen der Games für drei und mehr Spieler Gleichgesinnte rekrutiert und eingeladen werden müssen. Doch immerhin, ein Anfang ist gemacht, und wenn am Schluß nur noch die Spiele übrigbleiben, die man auch gerne mal wieder zur Hand nimmt, dann bin ich es zufrieden.
[1] 133 Spiele mögen manchem als absurd hohe Zahl erscheinen, aber wer so denkt, hat noch nie einen richtigen Sammler gesehen, geschweige denn dessen Sammlung...
[2] Man glaubt nicht, wieviele Verlegenheitsgeschenke spendabler Omas und Tanten von der halbwüchsigen Verwandschaft undankbarerweise schnellstmöglich wieder versilbert werden, bei umstandslos in Kauf genommenem, aberwitzigem Preisverfall von mindestens 80%.
Sonntag, 23. August 2009
Über Bodenmais gelangten wir in die niederbayerische »Glasstadt« Zwiesel, die im Wesentlichen von unsteten Touristen auf der Suche nach preiswerten Nutzloserabilien bevölkert ist. Vermittels einer als Sehenswürdigkeit ausgewiesenen Pyramide aus gestapelten Gläsern lockt man die Fremden busladungsweise in Tempel des Konsums, neudeutsch so genannte Factory Outlets, um sie dort von ihrem Gelde zu trennen im Tausch gegen Tand, den sie nicht wirklich brauchen...
Zur Erklärung des Phänomens sei mir ein philospohischer Exkurs erlaubt: Der Mensch ist meiner Meinung nach zufrieden, wenn er eine Aufgabe hat, die ihm wesensgemäß ist und ihm Freude bringt. Gelingt es ihm gar, seine Berufung zu erkennen und diese zum Beruf zu machen, so ist er nicht weniger als glücklich zu nennen. Große Teile der Bevölkerung freilich sehen das Arbeitsleben als Fron und den heiß ersehnten Urlaub als Gegengewicht, in welchem sie dann das Unterlassen jeglichen zielgerichteten Tuns als essentiell und sinnstiftend betrachten: Das wochenlange Faulenzen soll es richten und ihnen Erholung und Zufriedenheit bringen!
Aber das funktioniert natürlich so nicht, da mögen die Aussicht noch so schön, die weichen Pensions-Betten noch so bequem und das Buffet noch so aus- und einladend sein. Sehr bald beginnt der gelangweilte Mensch, sich eben doch nach einer Aufgabe umzusehen und hektischen Aktionismus zu entfalten. Und worin besteht der wohl? Für eine Minderheit vielleicht in geistigen und körperlichen Exerzitien, für das Gros der Sommerfrischler indes aber offenbar im Laufen, Kaufen, Saufen: Zeit ist reichlich vorhanden, Geld offenbar auch, die passende Infrastruktur sowieso. Also werden fleißig mundgeblasene Luftverdränger erworben und pralle Dirndl, alles von bester Qualität und zwei Jahre später in den Second-Hand-Läden der Republik in tadellosem Zustand für ein Zehntel des Einstandspreises erneut in Verkehr gebracht... [1]
Ganz so so üppig wie ehedem scheint der Rubel freilich doch nicht mehr rollen zu wollen, denn mitten in der Saison bleiben reichlich Parkplätze und Fremdenzimmer unbelegt: Die Generationen unterhalb des Rentenalters scheinen wohl mittlerweile Computer und Spielkonsolen den handgeschliffenen Kelchen und kristallgläsernen Elchen vorzuziehen. Egal: Hier kann unseres Bleibens nicht länger sein, darum ab durch die Mitte und wieder hinein in den Wald, woselbst lieblich-saftige Wiesen zum Dösen und gepflegten Bauchkratzen einladen!
Die in Reiseführern gern erwähnten Orte Frauenau, Spiegelau und Grafenau waren uns nur beiläufige Blicke wert, damit wir am gleichen Tage noch Zeit fanden, dafür Freyung etwas intensiver zu inspizieren. Dortselbst faßten wir auch Proviant und schlugen schließlich unweit vom Ort im finsteren Walde unser Nachtlager auf, indem wir an strategisch günstiger Stelle eine Wagenburg bildeten:
An dieser Stelle sei einmal mehr klarstellend darauf hingewiesen, daß unsereins auf Reisen im Gegensatz zu manchem Zivilisations-Amateur keinerlei Hinterlassenschaft in der Botanik deponiert, die nicht geschwind organisch abbaubar wäre! Tatsächlich nehmen wir oft anderer Leute Müll auf und mit zur fachgerechten Entsorgung, um uns beim Universum für die kostenfrei gewährte Nachtruhe erkenntlich zu zeigen...
Nach leidlich mückenfrei verbrachter Nacht ging es anderntags weiter über Passau [2] ins österreichische Schärding am dort gar breit und träge dahinströmenden Inn:
Auch dort war bei weitem nicht soviel los, wie die schmucke Altstadt und das vielfältige Angebot für Auge, Ohr und Gaumen nahegelegt hätte: Offenbar hockt der Mitteleuropäer heutzutage eher vor der Glotze oder auf fernen Inseln, als sich in der Ferienzeit in der näheren Umgebung seiner Heimat umzuschauen. Uns war es recht, verhalten wir uns doch sowieso gerne antizyklisch. Und der zonebattler kann ohnehin weit besser unbelebte Stilleben fotografieren als blinzelnde Menschen zu deren Zufriedenheit portraitieren... [3]
Aber ganz kann er es natürlich doch nicht ganz lassen: Nach einer auf deutscher Seite zwischen Bad Füssing und Ering verbrachten Nacht kam ihm tags drauf in Braunau am Inn ein paar fescher Damenbeine vor die Linse, welches hiermit stolz der Leserschaft präsentiert sei. Weiße Schleifchensandaletten mit Straßsteinen und Chromabsätzen staksen heutzutage über das Pflaster jener Stadt, in der einstmals ein später braunbehemdeter Stiefel- und Schnauzbartträger das Licht der Welt erblickte: Das muß man allemal als friedlichen Fortschritt werten!
Und damit soll es für heute genug sein. Die nächste Etappe wird uns in Kürze über das schöne und reiche Burghausen die Salzach entlang bis ins reiche und schöne Salzburg führen!
[1] Das alles wäre ja als geniale Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und mehrstufiger Wirtschaftsmotor zu preisen, wenn es nicht letztlich auf Kosten der Ressourcen und der Umwelt und ergo zu Lasten der Lebensgrundlagen unserer Nachkommen ginge...
[2] Der Dreiflüssestadt hatte ich ja erst neulich einen Besuch abgestattet, darum sei sie hier ohne weitere Einlassungen flugs passiert und keck übersprungen.
[3] Bitte das nicht tiefenpsychologisch (miß)deuten zu wollen. Jede(r) hat seine (ihre) Vorlieben und seine (ihre) handwerkliche Schwächen...
Samstag, 22. August 2009
Das Überqueren einer Staatsgrenze (zumal einer solchen zu einem ehemaligen »Ostblock«-Land) ist für den zonebattler immer wieder spannend und stets von einer gewissen Aufregung begleitet, auch wenn sich Tschechien heutzutage auf den ersten Blick kaum anders präsentiert als sein großer germanischer Nachbar: Die Bäume sind genauso grün, die Straßen nicht weniger gut in Schuß und die Supermärkte tragen die gleichen Namen wie die heimischen. [1]
Um das besonders Exotische zu finden, muß man mittlerweile also schon etwas genauer hinschauen. Dann freilich erspäht das Auge des staunenden Betrachters so manches, was ihm in heimischen Gefilden noch nie begegnet ist, beispielsweise Bäume mit überaus bizarren Fruchtgebilden dran:
BotanikerInnen in der Leserschaft seien hiermit herzlich ermuntert, zur Identifikation jenes eigenartigen Gewächses beizutragen: Handelt es sich dabei um eine von weißbekittelten Wissenschaftlern zu Zeiten des Kalten Krieges herangezüchtete Mutation zu Nutz’ und Frommen des sozialistischen Freundes und zum Schaden des kapitalistisch-imperialistischen Feindes? Oder ist es schlicht eine sonderbare Spezies aus subtropischen Gefilden, weiland von einem k.u.k. Landvermesser eingeführt und dank des Klimawandels inzwischen auch in unseren Breiten prächtig gedeihend?
Im westböhmischen Städtchen Domažlice blüht und floriert es aber auch sonst an allen Ecken und Enden! Wie fern mutet die Diskussion um eine Shopping Mall in Fürth an, wenn man so einen pittoresken Marktplatz sieht, der beidseitig von alten Häuserzeilen flankiert ist, deren durchgehende Arkaden wiederum mit herrlichen Rundbögen bei jedem Wetter zum Flanieren und entspannten Einkaufen einladen:
Tritt man in eines der prächtigen Gründerzeit-Gebäude ein (dessen Hauswegweiser man als Sprachunkundiger allenfalls vage zu interpretieren in der Lage ist), dann stößt man nicht selten schon im Treppenhaus auf fein restaurierte Pracht und eine gediegene Atmosphäre, die ein moderner Zweckbau nie und nimmer zu erzeugen in der Lage wäre:
Auch draußen vor der Pforte läuft das Leben zwar geschäftig, aber eher unaufgeregt ab: Man schlendert durch die belebten Arkaden, wirft hier und und da einen Blick in die sich meist in erstaunliche Tiefen erstreckenden Geschäfte und ist mit sich und der Welt rundum zufrieden...
Inzwischen ist es darüber Mittag geworden, und allerorten beginnen die Touristen und die Einheimischen, sich zum gepflegten Mahle niederzulassen. In allen Ecken und Nischen werden traditionelle Böhmische Knödel serviert und mit gutem Appetit von der hungirgen Kundschaft verzehrt:
Da wollte und konnte unsereins nicht abseits stehen und tat desgleichen... [2] Nach dem Geknödel noch einen krönenden Palatschinken mit Eis und Sahne verspachtelt und abschließend die Wampe prüfend betastet: paßt scho! Die Fahrt ging hernach durch abwechslungsreiche Landschaft weiter bis nach Klatovy, in dessen grandioser Altstadt die Kirchtürme kaum an den Fingern zweier Hände abzuzählen sind. An zahllosen Stellen wird das stolze Stadtbild fleißig aufpoliert, und überall werden mit Liebe zum Detail Maurerkellen oder Malerpinsel geschwungen...
Doch so spannend Stadtrundgänge auch sein können, uns interessieren ja vor allem immer die eher unbekannten Zufallsfunde abseits der touristisch ausgetreten Pfade. Wie zum Beispiel jenes traurig heruntergekommenes Schloß im nahen Týnec, dessen einstige Pracht aber glücklicherweise noch erahnbar ist:
Eine Handvoll Arbeiter immerhin schien in dem ausladenden Gemäuer konservierend tätig zu sein. Die Arbeit dort wird ihnen bis zum Erreichen des Ruhestandes (oder bis zum Ende des verfügbaren Restaurierungs-Budgets, whichever comes first) sicherlich nicht ausgehen...
Weiter ging es mit Kurs Richtung Süden, bis wir das liebenswerte Nachbarland am Abend bei Bayerisch Eisenstein [3] vorerst wieder verließen. Während seine beiden Insassen den festen Vorsatz faßten, das eine oder andere Wochenende nach dem Urlaub zu weiteren Stippvisiten ins gar-nicht-so-ferne Tschechien nutzen zu wollen, blubberte unser braver Minibus mit der vollen Kraft seiner drei kleinen Zylinder wieder nach Deutschland hinein. Was ihn und uns dort erwartete, wird Gegenstand der nächsten Folge sein!
[1] Das Benzin ist dort freilich billiger, Süßigkeiten herber, die Lokomotiven bunter und die Frauen aufreizender, dafür tragen arg viele Buchstaben zungenbrecherische Hütchen, Winkel und Akzente: Es hat halt alles seinen Preis...
[2] Im von uns gewählten Lokal war das Fleisch leider eher zäh geraten, aber Soße und Knödel haben’s letztlich ‘rausgerissen. Der anschließende Beutezug im nahen Supermarkt (überaus preiswerte Knödel-Mischungen sowie Oblaten und Waffeln der von Kennern sehr geschätzten Marke »Kolonáda«) verspricht immerhin die spätere Fortsetzung bömischer Gaumenfreuden unter den kontrollierten Rahmenbedingungen der eigenen Haushaltung.
[3] Höchst kurios und besuchenswert ist der dortige Bahnhof: Die Staatsgrenze geht mitten durch das historische Empfangsgebäude, welches auf der einen Seite von der DB, auf der anderen aber von der tschechischen Staatsbahn CD betrieben wird: Deutscherseits steht »Bayerisch Eisenstein« auf den Bahnsteigschildern, jenseits der Demarkationslinie hingegen »Železná Ruda«. Auch Bahnsteigbelag, Signaltechnik etc. ändern sich von einem Schritt zum nächsten. Sehr skurril!
Süßer und scharfer Senf: