Zum Inhalt springen


zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


Sonntag, 14. August 2016

Land der Lu­pi­nen und La­krit­zen (4)

Zu ih­rer Ge­schich­te und dem Be­wah­ren hi­sto­ri­scher Zeug­nis­se ha­ben die Schwe­den ein un­ver­krampf­tes Ver­hält­nis. Da sie schon seit län­ge­rem kei­ne kriegs­be­ding­ten Ver­hee­run­gen im ei­ge­nen Land zu be­kla­gen ha­ben und in­fol­ge­des­sen kei­ne zer­bomb­ten Städ­te wie­der­auf­zu­bau­en wa­ren, muß­ten sie in den 1960er Jah­ren und spä­ter schon die sprich­wört­li­che Ab­riß­bir­ne schwin­gen, um in ih­ren al­ten Stadt­ker­nen groß­flä­chig Platz für Neu­es zu schaf­fen. Im Rück­blick mö­gen vie­le das be­dau­ern, denn was dann an Be­ton-Bru­ta­lo-Ar­chi­tek­tur nach­folg­te, er­scheint sen­si­ble­ren Ge­mü­tern oft als bö­se Bau­sün­de, das ist in Schwe­den nicht an­ders als in Deutsch­land.

Im­mer­hin ha­ben die Schwe­den vie­les durch Trans­lo­zie­rung ge­ret­tet, bei­spiel­haf­te Alt­bau­ten al­so zu Mu­se­ums­dör­fern zu­sam­men­ge­faßt. Auch so­was kennt man aus hie­si­gen Lan­den, aber in Schwe­den gibt’s das deut­lich öf­ters. Zum Bei­spiel in Gam­la Lin­kö­ping, wo man die Es­senz des al­ten Orts­ker­nes von Lin­kö­ping in ei­ner Zeit­bla­se be­wahrt hat:

Szenerie in Gamla Linköping

Die in al­ten Lä­den und Kon­to­ren un­ter­ge­brach­ten Ge­schäf­te, Werk­stät­ten und Be­trie­be sind na­tür­lich schon auf Tou­ri­sten und Fe­ri­en­gä­ste ab­ge­stimmt und aus­ge­rich­tet, den­noch hat man nie den Ein­druck, in ei­ner künst­li­chen Dis­ney-Land-Ku­lis­se her­um­zu­lau­fen: Das Ge­bo­te­ne hat Be­zug zur Re­gi­on, die An­la­ge ist gut ge­plant und die mei­sten Häu­ser sind von »rich­ti­gen« Ein­woh­nern dau­er­haft be­wohnt. Zu­dem lie­gen Mu­se­ums­dör­fer wie Gam­la Lin­kö­ping nicht ir­gend­wo ganz weit drau­ßen, son­dern an der Pe­ri­phe­rie der In­nen­stadt, un­ein­ge­zäunt und mit meh­re­ren of­fe­nen Zu­gän­gen.

Wa­gen wir mal ei­nen grö­ße­ren Sprung (in der vir­tu­el­len Re­tro­spek­ti­ve kann man ja um­stand­los ma­chen, was in rea­li­ter ei­ne Ta­ges­rei­se be­deu­tet) nach Es­kils­tu­na, der Part­ner­stadt Er­lan­gens. Von der jahr­hun­der­te­al­ten Tra­di­ti­on der Me­tall­ver­ar­bei­tung und Ka­no­nen­her­stel­lung sieht und hört man dort heut­zu­ta­ge nicht mehr viel:

Blumenmeer in Eskilstuna

Ein­mal mehr be­gei­ster­te uns in die­sem schmucken Städt­chen (wie schon Ta­ge zu­vor in Norr­kö­ping) das Fla­nie­ren am Fluß ent­lang (hier Es­kilst­un­aån ge­hei­ßen). We­nig Au­tos, viel Grün, reich­lich Kul­tur und Krea­tiv­wirt­schaft in al­ten Back­stein­fa­bri­ken, da ist ein hal­ber Tag rum wie nix und man hat noch im­mer längst nicht al­les ge­se­hen, was ei­nen in­ter­es­sie­ren könn­te: Hier ei­ne Kir­che, da ei­ne Pro­me­na­de, dort ein Kunst­mu­se­um...

Apro­pos Mu­se­um: in mei­nem Stock­hol­mer Bil­der­bo­gen ha­be ich ja schon vor ei­ni­ger Zeit die kon­ser­vier­te Va­sa ge­zeigt, je­ne be­rühm­te kö­nig­li­che Ga­leo­ne, die auf ih­rer Jung­fern­fahrt im Jah­re 1628 schon nach et­wa 1300 Me­tern Fahr­strecke ken­ter­te und ab­soff. Nach mehr als 330 Jah­ren un­ter Was­ser hat man das be­stens er­hal­te­ne Schiff 1961 ge­ho­ben und ge­bor­gen und in ein na­hes Trocken­dock ge­schleppt. An Ort und Stel­le hat man dem wun­der­ba­ren Wrack spä­ter so­zu­sa­gen das Va­sa-Mu­se­um über­ge­stülpt und zeigt dort heu­te an­hand von viel­fäl­ti­gen Ex­po­na­ten rund um das ori­gi­na­le Schiff des­sen eben­so tra­gi­sche wie fas­zi­nie­ren­de Ge­schich­te:

Querschnitt durch die »Vasa« (Modell)

Der Be­such im Va­sa-Mu­se­um ist frag­los ein »Muß« für je­den Stock­holm-Be­su­cher: Die Au­ra des ech­ten Schif­fes ist be­ein­druckend, die di­dak­ti­sche Kon­zep­ti­on der um das gi­gan­ti­sche Ge­fährt her­um er­rich­te­ten Aus­stel­lung bei­spiel­haft. Ein Glücks­fall, daß der Schiffs­bohr­wurm in dem land­na­hen Brack­was­ser kei­ne Über­le­bens­chan­ce hat­te: Der lo­ka­len Ab­we­sen­heit die­ses an­son­sten weit­ver­brei­te­ten Holz­fres­sers ver­dankt die Mensch­heit die Über­lie­fe­rung des weit­ge­hend kom­plet­ten Schif­fes als aus­sa­ge­star­ke »Zeit­kap­sel«!

Nicht ganz so alt, aber gleich­wohl nett an­zu­schau­en sind an­de­re hi­sto­ri­sche Fahr­zeu­ge, die man auf Stock­holms Stra­ßen im Ein­satz sieht. Ne­ben au­to­mo­bi­len Old­ti­mern sind das zum Bei­spiel hi­sto­ri­sche Stra­ßen­bah­nen wie die­ses fast fa­brik­frisch wir­ken­de Ex­em­plar:

Straßenbahn in Stockholm

Ich hat­te ja schon in der er­sten Fol­ge mei­nes Rei­se-Rap­ports er­wähnt, daß in Schwe­den ver­gleichs­wei­se we­nig Men­schen auf ver­gleichs­wei­se viel Flä­che le­ben. Ent­spre­chend leer sind die Stra­ßen, ent­spre­chend groß sind die Au­tos. Lo­gisch, daß ei­nem aus­ge­wie­se­ne Klein­wa­gen eher sel­ten be­geg­nen. So­gar in der Me­tro­po­le Stock­holm ha­be ich nur ei­nen ein­zi­gen Smart ge­se­hen, und der kam aus­weis­lich sei­nes Kenn­zei­chens aus ... Co­burg!

An die­ser Stel­le mei­ner Re­mi­nes­zen­zen tropft mir nun un­ver­se­hens der Sab­ber von der Un­ter­lip­pe auf die Ta­sta­tur, her­vor­ge­ru­fen durch al­li­te­ra­ti­ons­in­du­zier­te (Co­burg -> Cor­net­to) Trig­ge­rung mul­ti­sen­so­ri­scher Er­in­ne­run­gen an das ach so gött­li­che La­kritz-Eis:

Lakritz-Cornetto

Ne­ben die­ser in deut­schen Lan­den un­be­kann­ten Eis­hörn­chen-Va­ri­an­te gab es na­tür­lich im Su­per­markt auch or­dent­li­che »An­stalts­packun­gen« zu kau­fen, mit de­nen wir den Ge­frier­schrank un­se­res gast­ge­ben­den Freun­des voll­ge­schlich­tet ha­ben zwecks ku­li­na­ri­scher Ab­run­dung der lan­gen Aben­de. Je mehr frän­ki­schen Freun­den und Be­kann­ten ich da­von er­zäh­le, de­sto mehr muß ich frei­lich ein­se­hen, daß La­krit­ze ein sehr po­la­ri­sie­ren­des Ge­nuß­mit­tel ist: Den ei­nen läuft – gleich mir – so­gleich das Was­ser im Mun­de zu­sam­men, die an­de­ren schüt­teln sich hef­tig ob der blo­ßen Vor­stel­lung, so­was in den Mund zu neh­men. Zwi­schen­drin scheint’s nix zu ge­ben...

Aber egal. Wenn wir nun schon mal in Stock­holm sind, ma­chen wir noch ei­nen Aus­flug in die/den Skan­sen, ein wei­te­res, in die­sem Fall weit­hin be­kann­tes und be­rühm­tes Mu­se­ums­dorf. Das exi­stiert schon seit 1891 und be­wahrt im Wort­sinn groß­flä­chig die schwe­di­sche Volks­kul­tur:

altes Schwedenhaus im Skansen

Auch die­se At­trak­ti­on ist ein für je­den Haupt­stadt-Be­su­cher ob­li­ga­to­ri­scher Pro­gramm­punkt, für den man sich (min­de­stens) ei­nen hal­ben Tag Zeit neh­men soll­te. Wir wa­ren üb­ri­gens sehr po­si­tiv über­rascht von der fach­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on der in hi­sto­ri­sche Ko­stü­me ge­klei­de­ten »Be­woh­ner­schaft« des Mu­se­ums­dor­fes. Das pro­fun­de Wis­sen der Hand­wer­ker, Bäue­rin­nen und Mäg­de ging weit über das hin­aus, was von »ty­pi­schen« Be­su­cher­fa­mi­li­en ge­mein­hin nach­ge­fragt wird. Auch in kom­ple­xen hi­sto­ri­schen und wirt­schaft­li­chen Zu­sam­men­hän­gen er­wie­sen sich die Da­men und Her­ren als über­aus be­schla­gen und sat­tel­fest, wir gin­gen letzt­lich er­heb­lich klü­ger wie­der her­aus, als wir hin­ein­ge­gan­gen wa­ren. So soll es sein!

Den bis hier­her ge­folg­ten Le­se­rin­nen und Le­sern ge­gen­über sei nun­mehr ein­ge­stan­den, daß des zonebattler’s höchst sprung­haf­te Er­zähl­dra­ma­tur­gie kein be­wußt ge­wähl­tes Stil­mit­tel ist, son­dern doch nur Aus­druck von Plan­lo­sig­keit und Faul­heit: Tat­säch­lich hat sich der Blub­ber-Blog­ger im Vor­aus 5 x 8 sei­ner schön­sten Ur­laubs-Fo­tos nach rein äs­the­ti­schen Kri­te­ri­en her­aus­ge­sucht und ver­sucht die­se im Nach­gang ei­ni­ger­ma­ßen stim­mig ver­bal zu ver­bin­den. Dank die­ses ent­waff­nen­den Be­kennt­nis­ses braucht es jetzt für ein wei­te­res »See-Stück« wohl kei­ne wei­te­ren Ver­ren­kun­gen:

Rettung ist nahe!

»Swe­den in a nuts­hell« wür­de ich die­ses pro­to­ty­pi­sche Mo­tiv wohl be­nen­nen, wenn ich denn für ein eng­lisch­spra­chi­ges Pu­bli­kum schrü­be: Was­ser, Wald, Wol­ken, Ro­man­tik so­wie all­ge­gen­wär­ti­ge Um­sicht, Vor­kehr und Si­cher­heit, all das und mehr fin­det sich hier in ei­nem ein­zi­gen Aus­schnitt kom­pakt zu­sam­men­ge­faßt wie­der.

Was­ser und Si­cher­heit sind auch die idea­len Stich­wor­te für et­was, was ich bis­lang we­der er­wähnt noch ge­zeigt hat­te: Bur­gen und Schlös­ser näm­lich, die lan­des­ty­pisch gern et­was ge­drun­ge­ner ge­baut wer­den resp. wur­den als wir re­la­ti­ven Süd­län­der das so ge­wohnt sind. Das hier ist Öre­b­ro slott in Öre­b­ro, man be­ach­te den ei­gens in­sze­nier­ten Kon­trast zu den neu­zeit­li­chen Sitz­ge­le­gen­hei­ten im Vor­der­grund:

Örebro slott

Auch die­se se­hens­wer­te Stadt »er­ober­ten« wir uns üb­ri­gens im Rah­men ei­nes Ta­ges­aus­flu­ges. Im Ver­gleich zu un­se­ren her­kömm­li­chen Rund­rei­sen er­wies sich der sta­tio­nä­re Auf­ent­halt an ei­nem Ort – eben Grytgöl – als pla­ne­ri­sche Her­aus­for­de­rung: Ei­ner­seits woll­ten wir na­tür­lich mög­lichst vie­le Fa­cet­ten des uns bis­lang un­be­kann­ten Lan­des ken­nen­ler­nen, an­de­rer­seits moch­ten wir nicht ei­nen Gut­teil des Ta­ges im Au­to ver­brin­gen, nur um stun­den­lang streng tem­po­li­mi­tiert durch im­mer­wäh­ren­de Wald­schnei­sen zu glei­ten...

Na ja, es fan­den sich in den knapp drei Wo­chen un­se­res Ur­lau­bes ge­nü­gend Zie­le im 100-Ki­lo­me­ter-Ra­di­us, die des Aus­rückens wert wa­ren. Man­ches ließ sich auch ganz gut mit­ein­an­der ver­bin­den. Den ei­nen oder an­de­ren Tag blie­ben die Rä­der un­se­res wei­ßen Vol­vos so­gar gänz­lich un­be­wegt und wir da­heim bzw. in fuß­läu­fi­ger Nä­he, was durch­aus zur gründ­li­chen Er­ho­lung und Ent­schleu­ni­gung bei­trug. Der Ef­fekt ist er­freu­li­cher­wei­se der­ma­ßen nach­hal­tig, daß mit der fünf­ten und letz­ten Fol­ge die­ser Rei­se-Re­pri­se auch erst wie­der in ei­ner Wo­che zu rech­nen ist!

vorheriger Beitrag    Übersicht    nächster Beitrag
Sonntag, 31. Juli 2016

Land der Lu­pi­nen und La­krit­zen (2)

Schon am zwei­ten Ta­ge un­se­res Auf­ent­hal­tes mach­ten wir uns selb­dritt auf zu ei­ner klei­nen Städ­te­tour in das knapp 50 km süd­öst­lich ge­le­ge­ne Norr­kö­ping.[1] Bis in die 1960er Jah­re hin­ein war die Stadt ein Zen­trum der Tex­til­in­du­strie, da­nach ging es wirt­schaft­lich steil berg­ab auf­grund sich wan­deln­der Kon­sum­ge­wohn­hei­ten und vor al­lem we­gen der star­ken Kon­kur­renz aus fern­öst­li­chen Bil­lig­lohn­län­dern. Das En­de der Ge­schich­te ken­nen wir aus ei­ge­ner An­schau­ung, die Baum­woll­in­du­strie Er­lan­gen-Bam­berg Ak­ti­en­ge­sell­schaft (ERBA) läßt grü­ßen...

Im­mer­hin ha­ben sich in Norr­kö­ping trotz auch dort vor­ge­kom­me­ner Ab­riß­or­gi­en et­li­che an­sehn­li­che In­du­strie­bau­ten er­hal­ten, die heut­zu­ta­ge ver­schie­den­ste Nach­nut­zung durch Be­hör­den, Start­ups, In­sti­tu­te und kuk­tu­rel­le Ein­rich­tun­gen er­fah­ren:

saniertes Industriegebäude in Norrköping

Um dem Ver­lust von Ar­beits­plät­zen in der Tex­til­in­du­strie et­was ent­ge­gen­zu­set­zen, wur­den An­fang der 1970er Jah­re ei­ni­ge staat­li­che Be­hör­den aus der Haupt­stadt Stock­holm nach Norr­kö­ping ver­la­gert. Der Ver­gleich mit Fürth, Grun­dig, Quel­le und dem Baye­ri­schen Lan­des­amt für Sta­ti­stik drängt sich da ge­ra­de­zu auf: Ähn­li­che Pro­ble­me wer­den halt al­ler­orts mit ähn­li­chen Me­tho­den be­kämpft...

Wo der Ab­riß­bag­ger in Norr­kö­ping Al­tes ver­nich­tet hat, um Neu­em Platz zu schaf­fen, ist oft­mals ar­chi­tek­to­nisch durch­aus Vor­zeig­ba­res ent­stan­den. Der Kon­trast hat sei­ne äs­the­ti­schen Rei­ze, wenn­gleich sich frag­los nur ei­ne dün­ne Schicht Gut­ver­die­ner das Le­ben im üp­pig ver­gla­sten Stadt­l­oft lei­sten kann:

Neubau im Herzen Norrköpings, am Motala ström

Wir schlen­der­ten noch ein Weil­chen am Mo­ta­la ström ent­lang und durch die sonn­täg­lich ru­hi­ge In­nen­stadt und be­fan­den schluß­end­lich: Ja, hier lie­ße es sich wohl le­ben. Ins­be­son­de­re dann, wenn ei­nem das plat­te Land als zu ein­sam vor­kommt und die Me­tro­po­le Stock­holm als zu groß...

Aber mit der In­spi­zie­rung Norr­kö­pings war der Tag ja noch nicht an­nä­hernd ge­füllt: Hei­ter wei­ter ging es da­her in Rich­tung Ost­see­kü­ste, al­so er­neut nach Süd­osten. Da­bei ka­men wir durch ei­nen Ort mit dem denk­bar kür­ze­sten Na­men, der es al­lein des­halb schon ver­dient, hier fest­ge­hal­ten zu wer­den (Ku­rio­si­tä­ten sind ja ein gern ge­rit­te­nes Stecken­pferd des Be­richt­erstat­ters):

Ortschild von Å

Ja, der Ort heißt wirk­lich »Å«...[2] Ziel und Wen­de­punkt un­se­res Ta­ges­aus­flugs war in­des Tyr­is­löt, von wo aus man – am Ufer der Schä­ren­mee­res ste­hend – di­ver­se Schä­ren se­hen kann. Hun­der­te, nein Tau­sen­de In­seln säu­men die Kü­sten, bis zum of­fe­nen Meer wä­re man stun­den­lang un­ter­wegs. In­ter­es­sant ist die Er­kennt­nis, daß sich die nach Ab­schmel­zen der eis­zeit­li­chen Glet­scher im Wort­sin­ne »er­leich­ter­ten« Land­mas­sen auch heu­te noch – wenn auch lang­sam – he­ben (Stich­wort: post­gla­zia­le Land­hebung), was da­zu führt, daß neue In­sel­chen en­ste­hen, be­reits vor­han­de­ne grö­ßer wer­den und frü­he­re Hä­fen ver­lan­den.

Lei­der war we­der Zeit noch Ge­le­gen­heit, mit ei­nem Post­boot durch das stei­ner­ne La­by­rinth zu schip­pern, aber das Ge­se­he­ne war schon ein­drucks­voll ge­nug. So mach­ten wir uns al­so auf den Rück­weg und steu­er­ten da­bei noch das pit­to­res­ke Städt­chen Söder­kö­ping an. An des­sen Nord­rand liegt der Göta-Ka­nal, und in dem wie­der­um fah­ren nost­al­gisch-schö­ne Pas­sa­gier­schif­fe wie die hier ex­em­pla­risch fest­ge­hal­te­ne »Lin­dön« her­um:

Dampfer »Lindön« im Göta-Kanal bei Söderköping

Söder­kö­ping gilt als ei­ne der best­erhal­te­nen mit­tel­al­ter­li­chen Städ­te Schwe­dens. Mei­ner ei­ner hät­te die vie­len Holz­häu­ser auf­grund ih­res ma­kel­lo­sen Er­hal­tungs­zu­stan­des nicht un­be­dingt bis zu­rück ins Mit­tel­al­ter da­tiert, aber ja, das Städt­chen hat Charme!

Über­haupt kam sich der Chro­nist stän­dig wie in ei­ner der aus Kin­der­ta­gen er­in­ner­li­chen Fern­seh­se­rie schwe­di­scher Pro­ve­ni­enz vor. Al­les so­zu­sa­gen ziem­lich put­zig-pip­pi­lang­strump­fig in die­sem in mul­ti­pler Hin­sicht mu­ster­gül­ti­gem Land...[3]

Holzhäuser in Söderköping

Als wir nach aus­gie­bi­ger Be­sich­ti­gung Söder­kö­pings den Ort ver­lie­ßen und die Heim­fahrt an­tra­ten, war es schon halb sie­ben Uhr abends. Ziem­lich ge­nau um 19 Uhr mach­ten wir dann noch bei Finspång in ei­nem Su­per­markt Sta­ti­on, um uns für die fol­gen­den Ta­ge zu ver­pro­vi­an­tie­ren und des Freun­des Spei­se­kam­mer zu fül­len.

Das sonn­täg­li­che (!) Ein­kaufs­er­leb­nis ver­dient ei­ne aus­führ­li­che Wür­di­gung. Zu­nächst ein­mal ist be­mer­kens- und fest­hal­tens­wert, daß auch an Sonn­ta­gen und bis in den spä­ten Abend ge­öff­ne­te Lä­den in Schwe­den nichts Be­son­de­res sind, son­dern ge­leb­te Nor­ma­li­tät. Kein Mensch kä­me hier auf die Idee, im an­geb­li­chen In­ter­es­se der Be­schäf­tig­ten ei­ne all­ge­mei­ne Sonn­tags­ru­he ein­zu­for­dern. Uns war es recht, wir schau­en uns in frem­den Lan­den im­mer ger­ne Su­per­märk­te von in­nen an, schon we­gen der un­ge­wohn­ten Pro­dukt­viel­falt und ‑ver­packun­gen. Die er­ste Über­ra­schung er­war­te­te uns aber be­reits im Ein­gangs­be­reich des Ein­kauf­zen­trums:

Batterie von Scannerpistolen

Tja, was sind das wohl für ei­gen­ar­ti­ge Ge­rät­schaf­ten, die da ih­rer Ent­nah­me durch den Kun­den har­ren? Ge­nau, Scan­ner­pi­sto­len! Mit die­sen Din­gern kann der Kun­de wäh­rend sei­nes Ein­kaufs­bum­mels selbst die ge­wähl­ten Pro­duk­te re­gi­strie­ren und ih­re Prei­se auf­ad­die­ren las­sen, bei au­to­ma­ti­scher Be­rück­sich­ti­gung al­ler ak­tu­el­len Ak­ti­ons­prei­se und Ra­bat­te, ver­steht sich. Aber hal­lo!

Un­ser Freund de­lek­tier­te sich an un­se­rer Ver­blüf­fung, zück­te läs­sig sei­ne Kun­den­kar­te, check­te da­mit am Au­to­ma­ten-Ter­mi­nal ein und be­kam ei­ne die­ser Scan­ner-Pi­sto­len zu­ge­wie­sen. Für die griff­be­rei­te Auf­wah­rung der per­sön­li­chen Re­gi­strier­kas­se ver­fügt je­der Ein­kaufs­wa­gen über ein ent­spre­chen­des Draht­körb­chen:

Scannerpistole in ihrer Halterung

Mit die­ser La­ser­ka­no­ne be­waff­net, macht sich der Kun­de no­lens vo­lens zum Kom­pli­zen der Be­triebs­wir­te, die ihm ei­nen Teil der per­so­nal­in­ten­si­ven Ar­beit zur Ei­gen­erle­di­gung über­tra­gen. Die da­für ge­währ­ten Preis­nach­läs­se und son­sti­gen Vor­tei­le ma­chen si­cher­lich nur ei­nen Bruch­teil der Per­so­nal­ko­sten aus, die man mit der flä­chen­decken­den Ein­füh­rung sol­cher Ge­rät­schaf­ten ein­spa­ren kann. Von den Mög­lich­kei­ten der Aus- und Ver­wer­tung der von den Kun­den frei­wil­lig, ne­ben­bei und mas­sen­haft ge­lie­fer­ten Da­ten zum in­di­vi­du­el­len Kon­sum­ver­hal­ten gar nicht zu re­den!

Dis­kus­sio­nen über das Pro und Con­tra sind in­des mü­ßig, was wir in Schwe­den pro­to­ty­pisch be­ob­ach­ten konn­ten, wird bei uns auch so kom­men, und zwar eher über kurz als über lang. Funk­tio­niert hat das Ein­le­sen der Pro­dukt­da­ten selbst­ver­ständ­lich pro­blem­los, und auch das Stor­nie­ren be­reits re­gi­strier­ter Pro­duk­te bei spon­ta­ner Um­ent­schei­dung war kein The­ma. Ein wei­te­res Fas­zi­no­sum schwe­di­scher Su­per­märk­te und Dis­coun­ter (deutsch­stäm­mi­ger in­klu­si­ve) sind üb­ri­gens die aus­la­den­den An­ge­bots­wän­de für sü­ße und sal­zi­ge Schütt­gü­ter:

Lakritz undd Gummibären galore!

Im Nach­hin­ein war es wo­mög­lich ein Feh­ler, di­ver­se la­krit­zo­ide Lecker­lis zwar in gro­ßer Viel­falt pro­bier­halb­er ein­zu­kau­fen, aber über­wie­gend erst nach der Heim­kehr nach Deutsch­land zu ver­ko­sten: Da wa­ren der­ma­ßen süch­tig ma­chen­de Ex­em­pla­re da­bei, die wir bei recht­zei­ti­gem Aus­pro­bie­ren vor Ort ki­lo­wei­se ge­bun­kert und bis zur Gren­ze des zu­läs­si­gen Ge­päck­ge­wich­tes in die Kof­fer ge­stopft hätten.[4]

Mit vol­lem Ein­kaufs­wa­gen ge­lang­ten wir schließ­lich im Kas­sen­be­reich an, den wir oh­ne zwi­schen­mensch­li­chen Kon­takt ver­lie­ßen, denn selbst­edend braucht es we­der für (bar­geld­lo­se) Zah­lung, Pi­sto­len­ab­ga­be und Kas­sen­bon-Kon­trol­le das Zu­tun ir­gend­wel­cher Mitarbeiter(innen). Üb­ri­gens auch nicht zur Al­ters­kon­trol­le, denn Spi­ri­tuo­sen mit mehr als 3,5 % Al­ko­hol­ge­halt be­kommt man oh­ne­hin nur in staat­li­chen Lä­den (zu deut­lich re­strik­ti­ve­ren Öff­nungs­zei­ten) zu kau­fen. Im schwe­di­schen Su­per­markt gibt’s we­der rich­ti­ges Bier noch Wein noch Ei­er­li­kör (letz­te­res zum ar­gen Ver­druß des En­des­un­ter­fer­tig­ten). So, aber nun Kof­fe­raum­klap­pe zu und ge­nug für heu­te. Bis bald!

 
[1] Die End­sil­be -kö­ping fin­det man bei schwe­di­schen Orts­na­men re­la­tiv oft. Die Aus­spra­che »-schöp­ping« deu­tet schon dar­auf hin, was da­mit be­zeich­net wird, näm­lich ei­ne Markt­ge­mein­de. So­was gib’s ja bei uns auch, sie­he Neu­markt.

[2] ...und ist da­mit so­zu­sa­gen das Ge­gen­teil der wa­li­si­schen Zun­gen­bre­cher-Ge­mein­de Ll­an­fairpwllgwyn­gyll­go­gerychwyrnd­robwlll­lan­ty­si­li­o­go­go­goch.

[3] Am Ran­de sei ver­merkt, daß ich aus­ge­rech­net die Kin­der­se­rie »Pip­pi Lang­strumpf« als grau­en­voll und zum Fremd­schä­men pein­lich in Er­in­ne­rung be­hal­ten ha­be. Mei­ne nun­mehr durch­aus vor­han­de­ne Af­fi­ni­ät zu Schwe­den exi­stiert al­so nicht we­gen, son­dern trotz die­ser me­dia­len Kind­heits-Re­mi­nes­zen­zen...

[4] Schon das al­lein ist ein hin­rei­chen­der Grund, spä­te­stens im näch­sten Jahr wie­der Schwe­den an­zu­steu­ern. Die in den dort er­hält­li­chen La­kritz-De­li­ka­tes­sen er­laub­ter­wei­se vor­han­de­nen Kon­zen­tra­tio­nen von Süß­holz und Am­mo­ni­um­chlo­rid (aka Sal­mi­ak) gibt’s bei uns in Deutsch­land al­len­falls in als »Er­wach­se­nen-La­kritz« de­kla­rier­ter Im­port­wa­re.

vorheriger Beitrag    Übersicht    nächster Beitrag
Dienstag, 28. Juni 2016

Som­mer­li­ches Stock­holm

Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Mittwoch, 13. April 2016

Groß­mäu­ler

Di­no­sau­ri­er hat­ten wir schon mal, aber was da die­ser Ta­ge auf dem ehe­ma­li­gen Gü­ter­bahn­hofs­ge­län­de ab­ging (bzw. des Ab­trans­por­tes harr­te), hat­te schon ei­ne be­son­de­re Qua­li­tät:

mobiler Dino-Zirkus vor der Weiterreise
 
mobiler Dino-Zirkus vor der Weiterreise
 
mobiler Dino-Zirkus vor der Weiterreise
 
mobiler Dino-Zirkus vor der Weiterreise

Dem­nächst wird al­so an­ders­wo Angst und Schrecken ver­brei­tet, und Fürth muß wie­der mit den ei­ge­nen Ur­vie­chern aus­kom­men...

Donnerstag, 4. Februar 2016

Ge­schich­te und Ge­schich­ten

Mit ei­nem ei­gens an­ge­kauf­ten Auf­nah­me­ge­rät bin ich neu­lich ei­nem längst pen­sio­nier­ten Ei­sen­bah­ner-Kol­le­gen auf die Pel­le ge­rückt und ha­be sei­ne leb­haft vor­ge­tra­ge­nen Er­in­ne­run­gen an sei­ne Dienst­zeit auf­ge­zeich­net. Acht in­ter­es­san­te (und zu­dem äu­ßerst amü­san­te) Ge­schich­ten sind ab so­fort auf­ruf- und an­hör­bar in den Für­thWi­ki-Ar­ti­keln zum Gü­ter­bahn­hof, zum Stell­werk Ot­to­stra­ße und zur Ka­ser­nen­bahn (je­weils im Ab­schnitt »Zeit­zeu­gen­be­rich­te«). Viel Spaß beim Lau­schen!

Freitag, 22. Mai 2015

Die Lär­min­sel (2)

Auch wenn Pu­er­to de la Cruz ei­ne »ech­te« Stadt mit »ech­ten« Be­woh­nern ist – ei­ne vom Tou­ris­mus ge­präg­te Ge­mein­de ist sie na­tür­lich den­noch. Das merkt man an den un­zäh­li­gen Bars und Re­stau­rants, das sieht man auch an den (Lebens-)Künstlern al­ler Art, die an der Ufer­pro­me­na­de ih­re mehr oder we­ni­ger ori­gi­nel­len Dien­ste und Din­ge an­bie­ten.

Wie neu­lich in Pa­ris fie­len dem rap­por­tie­ren­den Be­ob­ach­ter die Heer­scha­ren flie­gen­der Ma­ler und Zeich­ner auf, die nicht nur Politiker(innen) und dem gla­mour­lo­sen zone­batt­ler ge­mein­hin völ­lig un­be­kann­te »Ce­le­bri­ties« auf poin­tiert über­zeich­ne­te Wei­se auf’s Blatt brin­gen, son­dern auch die vor­bei­fla­nie­ren­de Kund­schaft. Letz­te­re ge­gen Ent­gelt, wie sich von selbst ver­steht...

ambulanter Portrait-Maler an der Uferpromenade von Puerto de la Cruz

Der Be­richt­erstat­ter, der um die Durch­schnitt­lich­keit sei­ner Er­schei­nung weiß, macht um Of­fer­ten die­ser Art re­gel­mä­ßig ei­nen wei­ten Bo­gen. Und was soll­te er mit der fer­ti­gen Ka­ri­ka­tur sei­ner selbst dann an­fan­gen? Über sich la­chen kann er schließ­lich auch oh­ne der­lei Hilfs­mit­tel!

Schluß­end­lich fer­tigt er sel­ber Bil­der an, frei­lich nicht mit Stift oder Pin­sel, son­dern mit sei­ner mitt­ler­wei­le von vie­len Ur­laubs­rei­sen pa­ti­nier­ten Kom­pakt-Ka­me­ra. [1] Meist geht es ihm da­bei be­kann­ter­ma­ßen nicht um ge­treu­li­che Do­ku­men­ta­ti­on, son­dern eher um gra­phi­sche Ab­strak­ti­on:

o.T.

Zu­ge­ge­ben, man muß nicht un­be­dingt nach Te­ne­rif­fa fah­ren, um mi­ni­ma­li­sti­sche Fo­tos zu ma­chen, aber hier wie fast über­all gilt, daß die vom Men­schen ge­form­te Welt de­sto ba­na­ler und häß­li­cher aus­schaut, je mehr man von ihr mit auf’s Bild bannt...

Aber da man ei­ne Rei­se-Re­pri­se ja schwer­lich nur mit künst­le­risch am­bi­tio­nier­ten De­tail-Her­aus­lö­sun­gen be­strei­ten kann, soll der Blick jetzt erst­mal wie­der wei­ter schwei­fen. Hier freu­en sich ein paar Jungs auf strand­na­her Sitz­ge­le­gen­heit ih­res Le­bens und be­trach­ten da­bei die sich aus­brei­ten­de Be­bau­ung west­lich von Pu­er­to:

Drei Jünglinge

Die gut ge­bräun­ten Kerls wa­ren ver­mut­lich Ein­hei­mi­sche, je­den­falls kei­ne Bri­ten: Die von der gro­ßen In­sel sind ge­mein­hin zwei­fels­frei zu be­stim­men, da sie ty­pi­scher­wei­se kä­se­weiß auf die spa­ni­schen Ei­lan­de kom­men und spä­te­stens am drit­ten Tag ih­res Auf­ent­hal­tes krebs­rot ge­son­nen­bran­det um­her­lau­fen...

Freu­di­ge Zer­streu­ung sucht der Mensch in­des nicht nur zu Lan­de und am (bzw. im) Was­ser, so­gar der Luft­raum ist längst von ad­re­na­lin­süch­ti­gen Rei­sen­den auf der Su­che nach dem be­son­de­ren Kick be­völ­kert: Oben bei der Hoch­stra­ße zum Tei­de sprin­gen bei schö­nem Wet­ter Gleit­schirm­flie­ger im Dop­pel­pack ab, wir hat­ten Ge­le­gen­heit, so­wohl ei­ni­ge Starts in ca. 1000 m Hö­he als auch meh­re­re Lan­dun­gen un­ten auf Mee­res-Ni­veau zu be­ob­ach­ten:

Gleitschirm-Tandemspringer beim Landeanflug

Der laut­lo­se Se­gel­flug kann bis zur ei­ner hal­ben Stun­de dau­ern, wir ha­ben nach müh­sa­mer Hoch­krab­be­lung auf den Berg­rücken den schö­nen Schir­men bei ih­rer laut­lo­sen Rei­se nach drun­ten lan­ge nach­ge­schaut. Merk­wür­di­ger­wei­se ha­ben wir aber nir­gends ein­schlä­gi­ge Of­fer­ten ge­se­hen, ob­wohl man sonst al­ler­or­ten auf aus­ge­leg­te Fly­er von Wan­der-Ver­an­stal­tern und an­de­ren Frei­zeit-Ver­brin­gungs-Hel­fern stößt. Of­fen­bar ist die Hang­glei­te­rei un­ter dem Sei­den­dach doch (noch) et­was eher Eli­tä­res...

Sprin­gen wir wie­der zu­rück auf den Bo­den der Tat­sa­chen. Wäh­rend man im Sü­den der In­sel tat­säch­lich frach­ter­wei­se Sa­ha­ra-Sand über den Strand ge­kippt hat, um den be­we­gungs­scheu­en Fau­len­zer-Tou­ri­sten Süd­see-Fee­ling zu be­sche­ren, sind die Strand­ab­schnit­te im Nor­den Te­ne­rif­fas noch so, wie sie seit je­her wa­ren und recht ei­gent­lich auch sein müs­sen, näm­lich schwarz. Klar, daß sich der dunk­le vul­ka­ni­sche Aus­wurf im pral­len Son­nen­licht weit stär­ker auf­heizt als hel­les Schütt­gut aus Afri­ka, aber wenn man nicht un­be­dingt bar­fuß un­ter­wegs sein muß, hält man das gut aus, wie die­ser mu­sik­kon­ser­ven­be­auf­schlag­te Strand­läu­fer hier sou­ve­rän de­mon­striert:

musikalischer Strandläufer

Wo­hin der Herr mit zeit­geist­ge­mä­ßer Ide­al-Fi­gur so be­schwingt eil­te, ist nicht über­lie­fert. Wir folg­ten ihm ein Stück We­ges, denn wir woll­ten an die­sem un­se­ren zwei­ten Ur­laubs­tag an der Kü­ste ent­lang nach We­sten wan­dern bis zum Mi­ra­dor de San Pe­dro.

Nur ein paar Mi­nu­ten nach der Be­geg­nung mit je­nem hur­tig aus­schrei­ten­den Mann am schwar­zen Stran­de kam mir die­ser Ho­tel­klotz vor die Lin­se, der uns bei spä­te­ren Aus­flü­gen ins Ge­bir­ge als im Wort­sin­ne her­vor­ste­chen­de Land­mar­ke die Iden­ti­fi­zie­rung der auf die Ent­fer­nung doch recht ähn­li­chen aus­se­hen­den An­sied­lun­gen er­leich­ter­te:

Hotel Maritim bei Punta Brava

Zwei­fels­frei kriegt man in so ei­ner him­mel­stür­men­den Ori­ga­mi-Falt­schach­tel aus Be­ton wie die­sem »Ma­ri­tim« mehr Leu­te un­ter als in so ei­nem an­ti­quier­tem Ho­tel wie dem »Me­tro­pol«, aber für uns per­sön­lich wä­re so­was kei­ne ernst­zu­neh­men­de Be­her­ber­gungs-Al­ter­na­ti­ve. Ger­ne hät­ten wir im Rah­men ei­ner am­bu­lan­ten so­zio­lo­gi­schen Stu­die her­aus­ge­fun­den, was für Leu­te wohl in sol­chen Be­wahr­an­stal­ten ab­stei­gen, al­lein, wir ha­ben kei­ne ge­se­hen. Of­fen­bar wer­den die In­sas­sen nur zu be­stimm­ten Zei­ten eben­so bus­la­dungs­wei­se her­an­ge­karrt wie ab­ge­fah­ren, wir sa­hen im wei­ten Um­kreis um den Klotz je­den­falls kaum ei­ne le­be­ne See­le...

Wei­ter im Text, wei­ter auf un­se­rem Weg gen We­sten. Was zu ge­fal­len weiß, sind ein­zel­ne Häu­ser in der nach un­se­rem Maß­stä­ben ei­ni­ger­ma­ßen »zer­sie­delt« zu nen­nen­den Land­schaft, in der of­fen­bar je­der sei­ne Fin­ca da­hin stel­len kann, wo es ihm ge­ra­de paßt. Manch­mal geht das so­gar mit äs­the­ti­schem Fein­ge­fühl von­stat­ten, und das Er­geb­nis sind groß­ar­ti­ge Kon­tra­ste von blau­em Meer (und Him­mel), ro­ten Dä­chern und schnee­wei­ßen Wän­den:

mein Himmel, mein Haus, meine Mauer...

Man be­ach­te die Ober­kan­ten der hübsch ver­zier­ten Zier­stein­mau­er: Ja, das sind ein­ze­men­tier­te Glas­split­ter, die we­ni­ger der De­ko­ra­ti­on als viel­mehr der Ab­wehr un­er­wünsch­ter Über­stei­ger die­nen sol­len (und das frag­los auch er­folg­reich tun). Nicht ein­mal Te­ne­rif­fa scheint ein Pa­ra­dies der Ehr­li­chen und Neid­lo­sen zu sein...

Wan­dern wir noch ein Stück wei­ter, so er­spä­hen wir bald ei­ne pit­to­res­ke Rui­ne, de­ren Ab­bild in kei­nem Rei­se­füh­rer fehlt und die wirk­lich ganz au­ßer­or­dent­lich an­zie­hend wirkt, trotz (oder we­gen) ih­res ziem­lich be­kla­gens­wer­ten Zu­stan­des:

Casa Hamilton bei Los Realejos

Bei der »Ca­sa Ha­mil­ton« han­delt es sich nicht um ein al­tes Klo­ster, wie uns man­che Hob­by-Knip­ser auf Goog­le Earth weis­ma­chen wol­len, son­dern um ei­ne ehe­ma­li­ge Quell­was­ser-Pump­sta­ti­on, mit de­ren Hil­fe die um­lie­gen­den Fel­der und Plan­ta­gen be­wäs­sert wur­den. Die im­mer noch wür­de­vol­le Rui­ne ist an sich nicht zu­gäng­lich, übt aber na­tür­lich auch des­halb ei­nen gro­ßen Reiz auf ka­me­ra­be­wehr­te ur­ban ex­plo­rer aus. Hier zeigt ein sol­cher ein­drucks­vol­le Fo­tos des grün­der­zeit­li­chen In­du­strie-Re­lik­tes; lei­der hat der Kol­le­ge es sich al­ler­dings nicht ver­knei­fen kön­nen, bei der Be­ar­bei­tung sei­ner HDR-Bil­der die Stell­schrau­ben sämt­li­cher Pa­ra­me­ter viel zu weit auf­zu­dre­hen. Die re­sul­tie­ren­de Künst­lich­keit am Ran­de des Er­träg­li­chen hät­te nicht sein müs­sen, die ge­wähl­ten Aus­schnit­te und Per­spek­ti­ven loh­nen aber den­noch die nä­he­re Be­gut­ach­tung.

Und da­mit ge­nug für heu­te, wir le­gen jetzt ei­ne (et­was aus­ge­dehn­te) Pick­nick-Pau­se ein und wan­dern in ei­ner Wo­che frisch ge­stärkt wei­ter...

 
[1] Lei­der al­tern mo­der­ne Di­gi­tal-Din­ger aus sprüh­lackier­tem Pla­stik ty­pi­scher­wei­se nicht an­nä­hernd so wür­de­voll und au­ra­tisch wie al­te Ap­pa­ra­te aus der Ana­log-Ära. Da wa­ren bzw. sind mei­ne zehn al­ten Mi­nol­tas doch von ganz an­de­rem Schrot und Korn. Im­mer­hin muß man sich heut­zu­ta­ge mit Leicht­bau-Knip­sen we­ni­ger ab­schlep­pen, und das hat ja auch sein Gu­tes...

vorheriger Beitrag    Übersicht    nächster Beitrag
Montag, 4. November 2013

(M)ein Mi­nol­ta-Mu­se­um (2)

Nach dem ei­nen oder an­de­ren letzt­lich fehl­ge­schla­ge­nen Ver­such, vor­han­de­ne Wech­sel­ob­jek­ti­ve aus der ana­lo­gen Ära zu re­ak­ti­vie­ren und im di­gi­ta­len Zeit­al­ter zu film­lo­sen Höchst­lei­stun­gen zu mo­ti­vie­ren, hat der zone­batt­ler be­schlos­sen, sei­ne licht­bild­ne­ri­schen Al­lü­ren auch für­der­hin nur mit­tels Kom­pakt-Knip­sen aus­zu­le­ben. Da­mit dies­be­züg­lich end­lich Ru­he ist. Was aber ein­mal mehr die Fra­ge – an der er ja schon seit Jah­ren kaut – nach der wei­te­ren Ver­wen­dung sei­ner äl­te­ren Auf­nah­me-Ap­pa­ra­tu­ren auf­ge­wor­fen hat...

Da ich mei­ne hand­ver­le­se­ne Mi­nol­ta-Hi­sto­rie in zehn Ka­pi­teln im­mer noch ger­ne an­schaue (und die so­li­den Ka­me­ras zum Hand­schmei­cheln ge­le­gent­lich in die­sel­ben neh­me, ha­be ich da­mit an­ge­fan­gen, ei­nen vir­tu­el­len Schau­ka­sten zu er­rich­ten, um mein ol­les Zeugs welt­weit vor­zu­zei­gen. Un­ter der frisch re­gi­strier­ten Adres­se

www.my-minolta-museum.info

ha­be ich be­reits mit der ta­bel­la­ri­schen Er­fas­sung und chro­no­lo­gisch sor­tier­ten Prä­sen­ta­ti­on mei­ner mu­sea­len Be­stän­de be­gon­nen. Al­le al­ten Ka­me­ras und ih­re epo­chal da­zu­ge­hö­ri­gen Wech­sel­ob­jek­ti­ve be­kom­men ei­ge­ne Ar­ti­kel, de­ren ad­äqua­te Be­bil­de­rung mich noch vor ei­ni­ge Her­aus­for­de­run­gen stel­len wird. Im­mer­hin, der Roh­bau steht und ich kann fröh­lich Richt­fest fei­ern:

Screenshot von www.my-minolta-museum.info

Es mag auf­fal­len, daß ich die neue Web­site kom­plett und aus­schließ­lich in Eng­lisch aus­füh­re. Das ist na­tür­lich dem in­ter­na­tio­na­len Pu­bli­kum ge­schul­det und der – mög­li­cher­wei­se gar nicht so ab­we­gi­gen – Hoff­nung, daß sich ir­gend­wo und ir­gend­wann ein hin­ge­bungs­vol­ler Samm­ler da­zu hin­rei­ßen läßt, mir mei­nen al­ten Krem­pel en bloc für gu­tes (Schmerzens-)Geld ab­zu­kau­fen, weil ihm ir­gend­ein Stück zur Kom­plet­tie­rung sei­ner Kol­lek­ti­on fehlt, wel­ches er bis­lang we­der für Geld noch für gu­te Wor­te hat auf­trei­ben kön­nen. Ich ha­be da schon ei­ni­ge Er­fah­run­gen ma­chen kön­nen mit fi­nan­zi­ell po­ten­ten »Ha­ben-Wol­lern«, die zur Be­frie­di­gung ih­res of­fen­kun­dig ma­ni­sche Zü­ge tra­gen­den Sam­mel­trie­bes je­des Au­gen­maß hin­sicht­lich der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ih­rer Of­fer­ten ver­mis­sen lie­ßen. Aber was dem ei­nen nicht weh tut, den an­de­ren be­rei­chert und bei­de er­freut kann man ja nur neu­deutsch als »Win-win-Si­tua­ti­on« be­grü­ßen!

Ich freue mich schon dar­auf, mein klei­nes Mi­nol­ta-Mu­se­um nach Fer­tig­stel­lung den Mar­ken-Fans zu wid­men, von de­nen es al­lein im deutsch­spra­chi­gen Raum hier und da noch ei­ne gan­ze Men­ge gibt...

P.S.: Wer sich fragt, wie ich auf der neu­en Bau­stel­le die schö­nen Ta­bel­len rea­li­siert ha­be: Da­für zeich­net das prak­ti­sche Plug­in »Ta­b­le­Press« ver­ant­wort­lich, wel­ches ich vor Jah­res­frist ge­te­stet und für her­vor­ra­gend funk­tio­nie­rend be­fun­den hat­te.

Montag, 12. August 2013

Letz­ter Gruß

Heu­te in der Für­ther Frei­heit: »Tod auf Ra­ten: Der Fest­saal ver­schwin­det«

Sonntag, 4. August 2013

La Bi­en­na­le (1)

Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
Impressionen aus Venedig und von der Kunst-Biennale 2013
 
vorheriger Beitrag    Übersicht    nächster Beitrag
Samstag, 13. Juli 2013

Die Ver­kehrs­in­sel (15)

Was nun wirk­lich fas­zi­nie­rend ist auf Mal­ta, sind die stei­ner­nen Zeu­gen der Ge­schich­te, an­ge­fan­gen von den früh­stein­zeit­li­chen Tem­pel­an­la­gen über die auch äs­the­tisch bom­ba­sti­schen Fe­stungs­bau­ten des Jo­han­ni­ter­or­dens bis hin zu den Wohn­sied­lun­gen aus bri­ti­scher Ko­lo­ni­al­zeit. Auch wenn es hier und da und dort brö­selt und Wind und Wet­ter ih­re Na­ge­zäh­ne oh­ne Un­ter­laß wet­zen, Mal­ta ist ein Frei­licht-Mu­se­um par ex­cel­lence!

Hier stan­den wir in den Bus­kett Gar­dens, dem (ein­zi­gen!) Wald Mal­tas und er­späh­ten dort ein prunk­vol­les Wap­pen am Ver­da­la Pa­lace, dem of­fi­zi­el­len Sitz des Staats­ober­haup­tes und da­mit so­zu­sa­gen das in­su­la­re Schloß Bel­le­vue [1]:

Detail am Verdala Palace

Auch wenn wir in die­sem un­se­ren zwei­ten Mal­ta-Ur­laub dar­auf be­dacht wa­ren, uns bis da­to un­be­kann­te Ecken der In­seln zu er­kun­den, so zog es uns na­tür­lich den­noch auf’s Neue in je­ne Or­te, die wir schon im Vor­jahr be­gei­stert er­forscht hat­ten. Wie z.B. in die al­te Haupt­stadt Mdi­na, in de­ren mit­tel­al­ter­li­chen Gas­sen-La­by­rinth man im­mer wie­der ger­ne auf den Aus­lö­ser drückt:

in den Gassen von Mdina

An son­nig-hei­ßen Ta­gen lernt man die schat­ti­gen Zu­fluchts­or­te Mdi­nas zu schät­zen und setzt sich ger­ne zu Kaf­fee und Ku­chen in ei­nes der Ca­fés an bzw. in der Stadt­mau­er, wo man über­dies noch ei­nen gran­dio­sen Fern­blick ge­nie­ßen kann...

Doch auch die we­ni­ger schat­ti­gen Se­hens­wür­dig­kei­ten ha­ben ih­ren Reiz, zu­mal die Tem­pe­ra­tu­ren im spä­ten Früh­ling und frü­hen Som­mer durch­aus noch gut aus­zu­hal­ten sind. Al­so sind wir na­tür­lich auch heu­er mit dem Bus ins Fi­scher­städt­chen Mar­sax­l­okk ge­fah­ren, um dort dem bun­ten Trei­ben zu­zu­schau­en. Ganz be­son­ders bunt sind dort be­kann­ter­ma­ßen die Fi­scher­boo­te:

aufgebocktes Fischerboot in Marsaxlokk

Auch an Sonn- und Fei­er­ta­gen kann man die Fi­scher beim Ar­bei­ten be­ob­ach­ten, denn zu tun ist na­tür­lich im­mer et­was: Net­ze müs­sen en­thed­dert und ge­flickt, Mo­to­ren re­pa­riert und ge­schmiert, Be­triebs­stof­fe ge­la­den und ver­staut wer­den. Vor al­lem aber müs­sen die vom Salz­was­ser und der Son­ne mal­trai­tier­ten An­strei­che re­gel­mä­ßig er­neu­ert wer­den, ei­ne Ar­beit, die mit Hin­ga­be und in nach­ge­ra­de kon­tem­pla­ti­ver Ver­sen­kung aus­ge­führt wird:

Fischer beim Anstreichen seines Kahns

Die Mal­te­ser küm­mern sich nicht nur sorg­sam und lei­den­schaft­lich um ih­re Käh­ne und Kut­ter (so­wie um ih­re Schrot­flin­ten), sie ha­ben auch ein Herz für Old­ti­mer auf Rä­dern: Im­mer wie­der be­geg­net man ta­del­los re­stau­rier­ten sol­chen, meist bri­ti­scher Pro­ve­ni­enz. Oft­mals sind sie lei­der schon wie­der weg, be­vor man die Ka­me­ra in An­schlag brin­gen kann, aber ein­mal hat­te ich Glück und konn­te ei­nen lang­sam da­hin­tuckern­den LKW ge­ra­de­zu mu­ster­gü­lig ab­lich­ten:

vortrefflich restaurierter alter Lastwagen

Von Mar­sax­l­okk aus sind wir land­ein­wärts in Rich­tung Nord­we­sten ge­wan­dert, und wenn ich heu­te – zwei­ein­halb Mo­na­te spä­ter – die­se Zei­len nie­der­schrei­be, so ha­be ich wie­der die flir­ren­de Luft vor Au­gen, das Sum­men der In­sek­ten im Ohr, die viel­fäl­ti­gen Düf­te in der Na­se. Und na­tür­lich die Bil­der der Land­schaft im Kopf, die ich im In­ter­es­se der Ver­dich­tung ger­ne auf das We­sent­li­che zu­recht­schnei­de und von stö­ren­dem Drum­her­um be­freie:

Phalanx von Plastik-Tonnen auf einem Acker

Was in die­sen Ton­nen mal drin war, will man ver­mut­lich gar nicht so ge­nau wis­sen. Über al­ler­lei du­bio­se Be­hält­nis­se am Ran­de land­wirt­schaft­li­cher Nutz­flä­chen hat­te ich mich ja schon im letz­ten Jahr be­frem­det ge­zeigt...

Nicht we­ni­ger be­fremd­lich und auch et­was be­droh­lich er­schei­nend, letzt­lich aber be­lu­sti­gend war ein paar Stun­den spä­ter der laut­star­ke Emp­fang, den uns in ei­ner win­zig klei­nen Sied­lung am Rand des Flug­ha­fens von Mal­ta ein paar vier­bei­ni­ge Wäch­ter der Hl. Mut­ter Got­tes be­rei­te­ten:

kläffende Köter, einen Marienschrein bewachend

Wenn man ge­gen den Tur­bi­nen­lärm star­ten­der Pas­sa­gier­jets an­kläf­fen muß, muß man sich schon or­dent­lich ins Zeug le­gen. Im­mer­hin konn­ten auch die­se ar­men Schwei­ne Kö­ter ih­ren Po­sten nicht ver­las­sen und uns nicht in die Wa­den bei­ßen. So konn­ten wir un­ver­seht zum Flug­platz wei­ter­tap­pen, an sei­nem Zaun ent­lang bis zum Ter­mi­nal-Ge­bäu­de mar­schie­ren und dort den­näch­sten Bus Rich­tung Val­let­ta neh­men...

Ver­gan­gen­heit, Ge­gen­wart und Zu­kunft lie­gen auf dem über­schau­ba­ren In­sel­reich recht nah bei­ein­an­der, und es ist ver­blüf­fend, wie schnell man zu Fuß (!) von ei­ner »Zeit­zo­ne« zur näch­sten ge­lan­gen kann. Sprin­gen wir zum Ab­schluß und zum Ex­em­pel noch schnell in die Zu­kunft und schau­en uns ei­ne un­fer­ti­ge Lu­xus-Wohn­an­la­ge an, die auf ei­nem Hü­gel nörd­lich von Na­xxar ent­steht:

unfertige Luxus-Wohnungen

Wie so oft ließ der Zu­stand der Bau­stel­le nicht er­ken­nen, ob hier nur im Rah­men ei­ner aus­ge­dehn­ten Sie­sta pau­siert wur­de, oder ob die zu 85% fer­tig­ge­stell­te Wohn­an­la­ge schon wie­der dem bau­trä­ger­plei­te­be­ding­ten Ver­fall preis­ge­ge­ben ist [2]: Hier und da hör­te man zwar ei­ne Bohr­ma­schi­ne oder ei­ne Sä­ge krei­schen, aber an­son­sten herrsch­te – mit­ten un­ter der Wo­che – Ru­he und Lee­re.

Leer sind nun­mehr auch des Chro­ni­sten Hirn und Wam­pe, wes­halb er sich jetzt in Rich­tung Kü­che und Kühl­schrank ver­ab­schie­det. In der näch­sten und letz­ten Fol­ge sei­nes Rei­se-Rap­ports läßt er es aber dem­nächst noch ein­mal so rich­tig kra­chen!

 
[1] Wenn der zone­batt­ler sich nicht faul­heits­hal­ber um die vor­be­rei­ten­de Lek­tü­re von Rei­se­füh­rer und Wi­ki­pe­dia ge­drückt ge­habt hät­te, dann hät­te er vor­her ge­wußt, daß der Prä­si­den­ten­pa­last der Öf­fent­lich­keit nicht zu­gäng­lich ist und er hät­te sich von sei­ner bes­se­ren Hälf­te nicht berg­auf bis zum ver­schlos­se­nen Zaun trei­ben las­sen müs­sen. Tja, so er­eil­te ihn die ver­dien­te Stra­fe (wo­bei der Fuß­marsch dort­hin na­tür­lich trotz­dem ein schö­ner sol­cher war)...

[2] Man sieht so vie­les auf Mal­ta und Go­zo, was sich un­se­ren teu­to­ni­schen Denk­mu­stern nicht wirk­lich er­schließt. Ist aber um­ge­kehrt ver­mut­lich ge­nau­so.

vorheriger Beitrag    Übersicht    nächster Beitrag
Montag, 8. Juli 2013

Die Ver­kehrs­in­sel (14)

Fragt man ein­hei­mi­sche Mal­te­ser oder in­su­la­re Gast­ar­bei­ter nach gang­ba­ren Fuß­we­gen zur Kü­ste oder gar nach Wan­der­rou­ten an der­sel­ben ent­lang, so ern­tet man zu­nächst Rat­lo­sig­keit, dann aber gut ge­mein­te Rat­schlä­ge hin­sicht­lich der un­be­dingt an­zu­ra­ten­den Be­nut­zung öf­fent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel zum di­rek­ten An­steu­ern des Ziel­or­tes: Aus­schrei­ten um des Aus­schrei­tens wil­len scheint dort ein der­ma­ßen ab­stru­ses Kon­zept zu sein, daß sich kei­ner vor­stel­len kann, war­um man so et­was ma­chen soll­te. Un­ser­eins wie­der­um war be­frem­det ob der geo­gra­phi­schen Un­in­for­miert­heit man­cher Leu­te, bei de­nen ter­ra in­co­gni­ta schon ei­nen Stein­wurf ab­seits der Stra­ße zu be­gin­nen scheint...

Aber egal: Vom (in der Tat per Bus an­ge­fah­re­nen) Städt­chen Kal­ka­ra aus um­quer­ten wir per pe­des die Bau­stel­le der fu­tu­ri­sti­schen Smart­Ci­ty (wo der­zeit noch nix son­der­lich Smar­tes zu se­hen ist), schlu­gen uns durch al­ler­lei Ge­strüpp und qua­si­öf­fent­li­che Feld­we­ge durch nach Xgħa­jra und mar­schier­ten von da aus ein gu­tes Stück den Nord­ost-Zip­fel Mal­tas ent­lang bis hin­un­ter nach Mar­saska­la. Da­bei ka­men wir durch me­lan­cho­lisch stim­men­de Ge­gen­den, die kaum je ein Tou­rist frei­wil­lig auf­su­chen dürf­te. Was al­ler­dings viel­fach doch hin­ge­kom­men war, wa­ren EU-För­der­mit­tel:

kilometerlange Strandpromenade ohne Promenierende

Das Bild steht pro­to­ty­pisch für die nicht-nach­hal­ti­ge Ver­pul­ver­ung von öf­fent­li­chen Gel­dern durch Bau­maß­nah­men am Be­darf vor­bei: brei­te Pro­me­na­den oh­ne pro­me­nie­ren­des Pu­bli­kum, Bän­ke son­der Zahl oh­ne Sit­zen­de, In­fra­struk­tur al­ler Art oh­ne die da­zu­ge­hö­ri­gen Nut­zer. Und oh­ne ei­ne Per­spek­ti­ve, denn nach der Er­rich­tung fin­det of­fen­bar ei­ne be­darfs­wei­se In­stand­set­zung nur sel­ten und prä­ven­ti­ve In­stand­hal­tung gar nicht statt. Was für teu­er Geld er­rich­tet wur­de, ist al­so so­gleich wie­der dem Ver­fall preis­ge­ge­ben, der ja in der salz­hal­ti­gen Mee­res­luft nicht lan­ge auf sich war­ten läßt: Zäu­ne ver­ro­sten, Bän­ke ver­wit­tern, Grün­an­la­gen ver­kom­men.

Wäh­rend sich die zeit­ge­nös­si­sche Bau­wirt­schaft al­so mit dem re­al­so­zia­li­sti­schen DDR-Mot­to: »Wir bau­en auf und rei­ßen nie­der, so ha­ben wir Ar­beit, im­mer wie­der« ganz gut cha­rak­te­ri­sie­ren läßt, so wur­de in den lan­ge zu­rück­lie­gen­den Zei­ten des mäch­ti­gen Mal­te­ser­or­dens schon aus Grün­den des Auf­wands (die Ze­che zahl­ten nicht an­de­re und mo­der­ne Bau­ma­schi­nen gab es auch nicht) weit nach­hal­ti­ger ge­dacht und um­sich­ti­ger kon­zi­piert. Ein schö­nes Bei­spiel sind die zahl­rei­chen aus die­ser Zeit über­kom­me­nen Wach­tür­me, von de­nen aus man na­hen­de In­va­si­ons­flot­ten früh­zei­tig ent­decken und schnur­stracks wei­ter­mel­den konn­te:

alter Wachturm

Die Re­stau­rie­rung die­ser na­tür­lich auch der Ero­si­on un­ter­lie­gen­den, stei­ner­nen Zeit­zeu­gen mit Hil­fe von EU-För­der­mit­teln geht na­tür­lich in Ord­nung, da­mit wird Ge­schich­te pla­ka­tiv und leicht faß­lich er­hal­ten und nicht wie in un­se­rer hei­mi­schen »Denk­mal­stadt« mut­wil­lig platt­ge­macht (was – so­viel sei der Ge­rech­tig­keit hal­ber kon­ze­diert – selbst­re­dend auch auf Mal­ta in gro­ßem Stil pas­siert). Im­mer­hin, den ver­schie­de­nen Ele­men­ten der mal­te­si­schen Be­fe­sti­gungs­an­la­gen wird kon­ser­va­to­ri­sche Auf­merk­sam­keit zu­teil, und das auch im klei­ne­ren Maß­stab, wie die­ses Mo­dell im neu­lich schon er­wähn­ten »Fort­ress Buil­ders In­ter­pre­ta­ti­on Cent­re« do­ku­men­tiert:

Schnittmodell eines Wachturms im Fortress Buil­ders Interpretation Centre

Man be­ach­te die prag­ma­ti­sche Ma­te­ri­al-Mix-Bau­wei­se: Wie die Ba­stio­nen und son­sti­gen gro­ßen Be­fe­sti­gun­gen auch be­stehen die Tür­me zu gro­ßen Tei­len aus Füll­ma­te­ri­al, wel­ches zwi­schen die In­nen- und Au­ßen­mau­ern ver­bracht und ver­dich­tet wur­de: Das spart nicht nur Be­ar­bei­tungs­auf­wand und Ko­sten, son­dern steckt auch die En­er­gie ein­schla­gen­der Ka­no­nen­ku­geln bes­ser (und leich­ter re­pa­rier­bar) weg als durch­gän­gi­ge Mas­siv­bau­wei­se...

Im 20. Jahr­hun­dert bau­ten die Bri­ten mun­ter wei­ter, wenn­gleich na­tür­lich an­ge­sichts der Fort­schrit­te der Mi­li­tär­tech­nik un­ter ge­än­der­ten Prä­mis­sen: Wäh­rend man mit im­mer groß­ka­li­bri­ge­ren Ge­schüt­zen den auf dem Was­ser sich nä­hern­den Feind schon weit vor sei­ner Sicht­bar­keit ei­nen feu­ri­gen Emp­fang zu be­rei­ten trach­te­te, bau­te man an mög­li­chen Lan­dungs­stel­len et­li­che MG-Bun­ker aus Stahl­be­ton, von de­nen aus ei­ne ver­gleichs­wei­se klei­ne Mann­schaft ei­ne zah­len­mä­ßig über­le­gen­de Trup­pe un­ter Feu­er neh­men und wirk­sam nie­der­hal­ten konn­te. Der ei­ge­nen Wehr­lo­sig­keit ge­gen An­grif­fe mit schwe­rer Ar­til­le­rie oder spä­ter gar aus der Luft ver­such­te man mit Tarn­an­stri­chen zur weit­ge­hen­den Un­sicht­bar­ma­chung zu be­geg­nen:

britischer MG- und Beobachtungs-Bunker

Mei­ner Mei­nung nach soll­te man die al­ten Bun­ker dau­er­haft wie­der mit (ger­ne von der EU sub­ven­tio­nier­ten) Sol­da­ten be­set­zen: Wenn die aus den Schieß­schar­ten spä­hen­den, jun­gen mal­te­si­schen Schüt­zen die all­ge­gen­wär­ti­gen Um­welt­frev­ler (aus den Rei­hen der ei­ge­nen Be­völ­ke­rung) un­ter Be­schuß näh­men, hät­ten so­wohl die flie­gen­de Fau­na als auch die Land­schaft was da­von, von der Schaf­fung si­che­rer Ar­beits­plät­ze (mit Pen­si­ons­an­spruch) ganz zu schwei­gen. Im Nu wä­re Ru­he, herrsch­ten Sau­ber­keit und Ord­nung! Weil der­glei­chen ra­di­ka­le An­sät­ze na­tür­lich schon aus wahl­tak­ti­schen Grün­den mo­men­tan noch als un­rea­li­stisch ein­zu­stu­fen sind, wer­den bis auf wei­te­res nach wie vor die Vö­gel ab­ge­knallt und die Land­schaft zu­ge­müllt:

Müll in der Landschaft

Was an­ge­sichts der prin­zi­pi­ell traum­haft schö­nen Um­ge­bung kaum zu ver­ste­hen ist: Die flä­chen­decken­de Ver­mül­lung des Le­bens­rau­mes ge­schieht ja nicht durch Frem­de, son­dern pri­mär und zu­vör­derst durch die Ein­hei­mi­schen, die al­les, was sie los­wer­den wol­len, an Ort und Stel­le lie­gen las­sen. Oder so­gar ex­tra hin­fah­ren: Wir ha­ben an un­be­wohn­ten Kü­sten­ab­schnit­ten wild ent­sorg­te Her­de, Kühl­schrän­ke und Kraft­fahr­zeu­ge ge­se­hen, reich gar­niert mit un­ver­rott­ba­ren Kunst­stoff­ab­fäl­len. War­um nur tut so ein An­blick nur dem Aus­wär­ti­gen weh und nicht je­nem, der sein ei­ge­nes Land so un­nö­tig schän­det?

Viel­leicht hängt das ja mit der Bun­ker-Men­ta­li­tät der In­su­la­ner zu­sam­men, die sich auch nach Jahr­zehn­ten des Frie­dens im­mer noch ger­ne wehr­haft ein­ka­steln und ih­ren Blick aufs Le­ben auf ei­nen schma­len Tun­nel­blick ver­en­gen:

neues Haus im Rohbau

Nein, die­ses Bild zeigt kei­ne al­te Wehr­mau­er, son­dern den Roh­bau ei­nes neu­en Wohn­hau­ses mit klar er­kenn­ba­ren Scheu­klap­pen. Wenn man so kon­se­quent al­les aus­blen­det, was ei­nen stö­ren könn­te, dann kommt man na­tür­lich leich­te­ren Her­zens durch Le­ben...

Ge­nug rä­so­niert, es hilft ja doch nix. Schau­en wir uns noch­mal an der un­be­wohn­ten Kü­ste um und wer­fen wir dort ei­nen un­auf­fäl­li­gen Blick auf die Fei­zeit­be­schäf­ti­gung der äl­te­ren Ge­ne­ra­ti­on: Wäh­rend Opa auf ei­nem gisch­tum­spül­ten Fel­sen hockt und Fi­sche aus dem Meer zu zie­hen sucht, sitzt Oma im not­dürf­tig be­schat­te­ten Klein­bus und strickt der­wei­len. Die mit­ge­führ­ten Vier­bei­ner tei­len den un­auf­ge­reg­ten Le­bens­stil, dö­sen in der Son­ne und las­sen sich an­ge­sichts der frem­den Wan­de­rer noch nicht ein­mal zu ei­nem läs­si­gen »Wuff« her­ab.

strickendes Frauchen (im Fahrzeug), dösende Hundchen (davor)

So, wir nä­hern uns lang­sam dem End­punkt un­se­res lan­gen Mar­sches, der Tou­ri­sten-Hoch­burg Mar­saska­la. Schon rä­keln sich die er­sten Mie­zen las­ziv im Halb­schat­ten der kunst­voll ge­stal­te­ten (und selbst­ver­ständ­lich mit EU-Mit­teln be­zahl­ten) Bän­ke:

Katzen beim kollegialen Dösen

Cat con­tent geht im­mer, wie der me­di­en­er­fah­re­ne zone­batt­ler weiß. Ob­wohl er es ja an sich nicht nö­tig hat, sei­ne Zu­griffs-Sta­ti­sti­ken durch der­lei Tricks zu pu­schen. Frei­lich ist es mit dem öf­fent­li­chen Ab­bil­den von Le­be­we­sen so ei­ne Sa­che: Bei zwei­bei­ni­gen Mie­zen kriegt man schon beim Fo­to­gra­fie­ren mit­un­ter Un­schö­nes an den Kopf ge­wor­fen (re­al oder ver­bal), au­ßer­dem kann das ver­letz­te Recht am ei­ge­nen Bild noch Jah­re spä­ter zur ju­ri­sti­schen Stol­per­fal­le wer­den. Er­go zei­ge ich in mei­nen vir­tu­el­len Wun­der­kam­mern nur dann (iden­ti­fi­zier­ba­re) Men­schen, wenn die­se sich mit mei­nem licht­bild­ne­ri­schen An­sin­nen de­zi­diert ein­ver­stan­den er­klärt ha­ben. Die be­pelz­ten Vier­bei­ner pfle­ge ich zu krau­len und ihr Schnur­ren als kon­klu­den­te Zu­stim­mung zu wer­ten. So ein­fach ist das.

Und da­mit las­se ich es für heu­te be­wen­den. De­mächst geht es hei­ter wei­ter.

vorheriger Beitrag    Übersicht    nächster Beitrag
Mittwoch, 3. Juli 2013

Die Ver­kehrs­in­sel (13)

Nach zehn im Wort­sin­ne ein­drucks­vol­len Ta­gen auf Go­zo freu­ten wir uns auf die uns ver­blei­ben­de Ur­laubs­wo­che auf der Haupt­in­sel Mal­tas. Wir setz­ten mit der Fäh­re über und wur­den am Ter­mi­nal be­reits von ei­nem per­sön­li­chen Chauf­feur er­war­tet [1], der uns schnur­stracks nach Val­let­ta brach­te und uns da­bei auf­grund bau­be­ding­ter Ein­bahn­stra­ßen-Re­ge­lun­gen ei­ne un­frei­wil­lig-aus­ge­dehn­te Stadt­rund­fahrt durch das arg ver­win­kel­te La­by­rinth der en­gen Stra­ßen und Gas­sen Val­let­tas zu­teil wer­den ließ...

Wir bo­ten dem ge­streß­ten Fah­rer schließ­lich an, die letz­ten paar Me­ter zu un­se­rer neu­en Her­ber­ge mit Sack und Pack zu Fuß zu­rück­zu­le­gen, aber ei­ne der­ar­ti­ge Ka­pi­tu­la­ti­on vor den Ver­hält­nis­sen kam für ihn schon aus Grün­den der Eh­re nicht in Fra­ge. Ir­gend­wann schaff­te er es dann schließ­lich doch, uns di­rekt vor dem Os­bor­ne Ho­tel ab­zu­lie­fern.

Un­ser Zim­mer dort war deut­lich klei­ner als das im Grand Ho­tel auf Go­zo, da­für um­so prak­ti­scher ein­ge­rich­tet mit ei­ner Viel­zahl an Ver­stau­mög­lich­kei­ten. Es fehl­te uns an nichts Re­le­van­tem. Al­so erst mal al­les wie­der aus­ge­packt und ein­sor­tiert, den klei­nen Ta­ges­ruck­sack ge­schul­tert und raus auf die Stra­ße. Wo uns als er­stes die Ele­ganz der Städ­te­rin­nen auf­fiel, die sich sty­li­stisch deut­lich von der der Tou­ri­stin­nen ab­hebt:

in den Feierabend enteilende Malteserin

Val­let­ta ist im Grun­de wie Fürth: ei­ner­seits groß ge­nug, um ur­ba­nes Le­ben zu be­her­ber­gen, an­de­rer­seits klein ge­nug, um ein über­schau­ba­res Kaff zu blei­ben. Und über­all hi­sto­ri­sche Bau­sub­stanz, wo­mit sie al­ler­dings auf Mal­ta min­de­stens so sorg­los um­zu­ge­hen schei­nen wie bei uns in Fürth. Aber die von den Groß­mei­stern des Mal­te­ser­or­dens zur ein­drucks­vol­len Fe­stung aus­ge­bau­te Haupt­stadt Mal­tas bie­tet noch mehr: ita­lie­ni­sche Ein­flüs­se sind eben­so zu spü­ren wie ara­bi­sche und afri­ka­ni­sche, wo­bei das me­di­ter­ra­ne Flair noch mit ei­ner or­dent­li­chen Pri­se bri­ti­scher Ko­lo­ni­al-Ära ge­würzt ist. Die­se Mi­schung ist ei­ni­ger­ma­ßen ori­gi­nell und an­ders­wo nicht an­zu­tref­fen.

Fin­den tut man in so ei­ner Me­lan­ge Fo­to-Mo­ti­ve oh­ne En­de, die mei­sten Tou­ri­sten se­hen fol­ge­rich­ti­ger­wei­se die Stadt nicht pri­mär mit ei­ge­nen Au­gen, son­dern als Su­cher-Ab­bild auf dem Dis­play ih­res un­ab­läs­sig vor die Au­gen ge­hal­te­nen Smart­phones! Auch der zone­batt­ler hat na­tür­lich oft sei­ne Ka­me­ra in An­schlag ge­bracht, wo­bei es ihm wie meist we­ni­ger um die aus den Rei­se­füh­rern be­kann­ten »Se­hens­wür­dig­kei­ten« ging, son­dern um Licht­spie­le, De­tails und Struk­tu­ren. Wie zum Bei­spiel um die Strei­fen­mu­ster von Well­bläch­dä­chern, die ih­re zu­fäl­li­ge Fort­set­zung in den vor ih­nen ge­la­ger­ten Ru­der­boo­ten fan­den:

graue Dächer, blaue Boote

Der­lei Mo­ti­ve mag ich gern, wo­zu soll­te ich auch ab­lich­ten, was in je­dem Bild­band schö­ner zu se­hen ist, weil de­ren Fo­to­gra­fen im Ge­gen­satz zu mir bei Son­nen­auf- oder ‑un­ter­gang zur Stel­le wa­ren, mit­hin die spek­ta­ku­lä­re­ren Licht­ver­hält­nis­se vor­teil­haft zu nut­zen wuß­ten? Eben. Un­ser­ei­ner guckt da lie­ber un­ter­tags in die we­ni­ger re­prä­sen­ta­ti­ven Ecken. Und was sieht man da? Ge­nau, die glei­chen Ni­schen­be­woh­ner wie in Fürth:

von ihrer fotografischen Festhaltung befremdete Taube

Wei­te­re Mo­ti­ve ver­dan­ken sich dem Um­stand, daß man im Früh­ling, der Vor­sai­son al­so, noch nicht so­vie­le Tou­ri­sten an­trifft, die durch ih­re schie­re Prä­senz den Blick auf das struk­tu­rell Fest­hal­tens­wer­te ver­stel­len. So ein Bild wie das fol­gen­de wä­re an ei­nem hoch­sai­so­na­len Som­mer­abend si­cher­lich nicht so ein­fach und oh­ne län­ge­re War­te­zeit ein­zu­fan­gen:

verwaiste Stühle und Tische in einem Café an den Festungsmauern Vallettas

Na­tür­lich zog es uns bald auch wie­der zu je­nen schö­nen Or­ten, an de­nen wir schon im Jahr zu­vor Ge­fal­len ge­fun­den hat­ten. Bei­spiels­wei­se zu den Up­per Barrak­ka Gar­dens, von de­nen schon im zwei­ten Teil die Re­de war. Der wei­te Pan­ora­ma­blick über den Ha­fen lockt Schau­lu­sti­ge in gro­ßer Zahl an, auch wenn der ei­ne oder die an­de­re die im­po­nie­ren­de Um­ge­bung lie­ber zum Ab­schwei­fen in in­ne­re oder ima­gi­nä­re Wel­ten nutzt:

ins Lesen vertiefte Besucherin der Upper Barrakka Gardens

Rich­ten wir aber die Lin­se dann doch noch über die Mau­ern und hin­un­ter ins Was­ser, wo sich vom Falt­boot bis zur aus­ge­wach­se­nen Bohr­in­sel (!) Was­ser­fahr­zeu­ge al­ler Ka­te­go­rien und Ge­wichts­klas­sen tum­meln und sich be­ob­ach­ten las­sen:

kleiner Kutter bei der Ausfahrt aus dem Hafen von Valletta

Ein paar Ta­ge spä­ter ent­deck­te ich dann aber doch ei­ne ganz neue At­trak­ti­on, von der ich schon auf dem Hin­flug im Kun­den­ma­ga­zin der Air Mal­ta ge­le­sen hat­te und die in nur we­ni­gen Geh­mi­nu­ten vom Ho­tel aus zu er­rei­chen war: Im »The Fort­ress Buil­ders In­ter­pre­ta­ti­on Cent­re« wird die Ge­schich­te des Fe­stungs­baus auf mul­ti­me­dia­le und di­dak­tisch mo­der­ne Art und Wei­se er­zählt und er­läu­tert. Von den An­fän­gen der Ver­tei­di­gungs­bau­ten in früh­ge­schicht­li­cher Zeit spannt sich der Bo­gen über die re­gel­rech­te Bau­wut des Mal­te­ser­or­dens bis hin zu den neu­zeit­li­chen Bun­ker­an­la­gen der Bri­ten im zwei­ten Welt­krieg.

Von den Ex­po­na­ten ver­die­nen die zahl­rei­chen Mo­del­le, die hi­sto­ri­schen Fo­tos und die groß­flä­chi­gen Bild­ta­feln be­son­de­re Er­wäh­nung. Die Bild­schirm­sta­tio­nen mit ani­mier­ten Prä­sen­ta­tio­nen sind at­trak­tiv ge­stal­tet und ver­locken zu stun­den­lan­ger Be­schäf­ti­gung da­mit: Der mensch­li­che Er­fin­der­geist war und ist in mi­li­tä­ri­schen Be­lan­gen ja seit je­her am krea­tiv­sten. Auch klas­si­sche Ar­chi­tek­tur­mo­del­le sind nach wie vor in­ter­es­san­te Stu­di­en­ob­jek­te, er­kennt man an ih­nen doch die grö­ße­ren Struk­tu­ren und Kon­zep­te, die man – als klei­ner Wicht vor den rie­si­gen Ori­gi­nal­mau­ern ste­hend – durch­aus be­ab­sich­tig­ter­wei­se nicht wahr­zu­neh­men im­stan­de ist:

Holzmodell der Befestigungsanlagen Vallettas

In die Er­rich­tung des Zen­trums sind – wie bei vie­len von uns be­sich­tig­ten In­fra­struk­tur­maß­nah­men – be­acht­li­che Men­ge an EU-För­der­mit­teln ge­flos­sen (ge­nau­er ge­sagt: stol­ze 85%), wo­mit auch un­ser­eins mit sei­nen Steu­er­gel­dern sei­nen klei­nen An­teil am Er­geb­nis ha­ben dürf­te. Die deut­sche (Mit-)Aufbauhilfe geht voll in Ord­nung an­ge­sichts des Um­stan­des, daß die teu­to­ni­sche Luft­waf­fe vor 70 Jah­ren sehr wir­kungs­voll und un­ge­be­te­ner­wei­se am Ge­gen­teil mit­ge­wirkt hat...

Lei­der ha­ben zwi­schen­zeit­li­che Wah­len und ein Re­gie­rungs­wech­sel das schicke Zen­trum schon kurz nach sei­ner Er­öff­nung in ei­ne pre­kä­re La­ge ge­bracht: Der Di­rek­tor hat Mü­he, Drucker­pa­tro­nen und an­de­re Ver­brauchs­ma­te­ria­li­en zu fi­nan­zie­ren, sei­ne we­ni­gen wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter sit­zen auf von da­heim mit­ge­brach­ten Stüh­len. Ca­fe­te­ria und Mu­se­ums­shop exi­stie­ren b.a.w. nur auf dem Pa­pier, und für ei­ne be­su­cher­zah­len­för­dern­de Be­schil­de­rung im Au­ßen­be­reich hat es auch nicht ge­reicht: Wie im­mer kom­men die Mit­tel für den Bau aus an­de­ren Töp­fen als die für die Be­triebs­füh­rung und In­stand­hal­tung, wor­auf ich spä­ter noch ein­mal zu­rück­kom­men wer­de. Für heu­te wen­den wir uns kopf­schüt­telnd ab und lin­sen über die Schul­tern ei­ner auf der ober­sten Ter­ras­se an der Fe­stungs­mau­er pau­sie­ren­den Zen­trums-Mit­ar­bei­te­rin hin­über nach Sli­e­ma:

Blick von Valletta nach Sliema

Tja. Hü­ben Fe­stungs­wäl­le, drü­ben Bet­ten­bur­gen. So­li­der ist al­le­mal das al­te Ge­mäu­er, schon we­gen der Dicke sei­ner Wän­de. Den­noch fährt man mit dem Pa­ra­dig­men­wech­sel of­fen­bar nicht schlecht: Wäh­rend man die In­va­so­ren frü­her erst mit Boll­wer­ken drau­ßen und spä­ter mit Ka­no­nen auf Di­stanz hielt, läßt man sie heu­te als zah­len­de Gä­ste ins Land hin­ein und nimmt ih­nen das Geld ab, oh­ne sich mit ih­nen zu hau­en. Ei­ne klas­si­sche Win-Win-Si­tua­ti­on!

Mit die­sen phi­lo­so­phi­schen Be­trach­tun­gen ver­ab­schie­det sich der Au­tor für heu­te. In der näch­sten Fol­ge geht es raus aus der Haupt­stadt, die Kü­ste ent­lang. Al­ler­lei merk­wür­di­ge Din­ge gibt es näm­lich auch da...

 
[1] Mit die­sem uns kurz­fri­stig an­ge­kün­dig­ten Ser­vice un­se­res Rei­se­ver­an­stal­ters hat­ten wir gar nicht ge­rech­net: Auf­grund un­se­rer un­ge­wöhn­li­chen Rei­se­bu­chung mit Orts- und Ho­tel­wech­sel mit­ten­drin wa­ren wir da­von aus­ge­gan­gen, den »Zwi­schen­trans­fer« auf ei­ge­ne Faust un­ter­neh­men zu müs­sen. Ein Hoch auf die ört­li­che Stadt­hal­te­rin von FTI-Tou­ri­stik, Frau Borg!

vorheriger Beitrag    Übersicht    nächster Beitrag
« Vorherige Seite Nächste Seite »