Abgelegt in: Vermischtes • 10. Apr. 2023, 6:00 Uhr • Diskussion eröffnen
Abgelegt in: Expeditionen • 8. Apr. 2023, 10:30 Uhr • Diskussion eröffnen
Abgelegt in: Spurensuchen • 8. Jan. 2023, 8:00 Uhr • Diskussion eröffnen
Unter dem Motto »Grüße aus Fürth – Historische Postkarten zeigen die Stadt« präsentiert das Stadtmuseum Fürth vom 12. Mai bis 11. Oktober 2020 (Stadt-)Ansichten auf historischen Postkarten.
Eine reizvolle Spielerei ist es, alte Stadt-Ansichten mit neueren Fotos der gleichen Motive aus identischer Perspektive zu vergleichen. Man probiere es selbst aus in den nachfolgenden Beispielen, indem man die Trennlinie zwischen »Einst & Jetzt« mit dem Mauszeiger (oder dem Wischfinger) verschiebt:
Altes Foto: historische Postkarte (Privatsammlung)
Neues Foto & Bildbearbeitung: Robert Söllner (WahrScheinLicht)
Altes Foto: L. Kriegbaum, Nürnberg
Neues Foto & Bildbearbeitung: Robert Söllner (WahrScheinLicht)
Insgesamt 41 (Tendenz steigend) dieser »Schiebereien« auf der Basis alter Fotos mit Fürther Motiven finden sich auf der brandneuen Mini-Website »Zeitverschiebungen«.
Im Stadtlexikon FürthWiki gibt es viele weitere interaktive Einst & Jetzt-Motive!
Abgelegt in: Spurensuchen • 30. Mai. 2020, 20:00 Uhr • 2 Kommentare lesen
Abgelegt in: Spurensuchen • 5. Jan. 2020, 19:45 Uhr • 1 Kommentar lesen
Abgelegt in: Spurensuchen • 3. Jun. 2019, 19:30 Uhr • Diskussion eröffnen
Abgelegt in: Spurensuchen • 26. Mai. 2019, 21:30 Uhr • Diskussion eröffnen
Abgelegt in: Expeditionen • 20. Apr. 2019, 6:00 Uhr • 3 Kommentare lesen
Abgelegt in: Expeditionen • 16. Apr. 2019, 6:00 Uhr • Diskussion eröffnen
Abgelegt in: Expeditionen • 14. Apr. 2019, 6:00 Uhr • 2 Kommentare lesen
Am Ende der vorherigen Folge verstieg sich der zonebattler in Schwurbeleien bezüglich der von ihm postulierten, toskanischen Anmutung der zentralrumänisch-siebenbürgischen Landschaft. Nun mag da jede(r) eigene Assoziationen haben und diesen Vergleich mehr oder weniger weit hergeholt finden, allein des Berichterstatters Gemüt sah sich tatsächlich von italienischer Leichtigkeit erfüllt, als er auf dem rumpelnden Bretterwagen wieder zurück in Richtung Richiș (Reichesdorf) kutschiert wurde:
Vielleicht war es auch nur ein allgemeines (Hoch-)Gefühl von Freiheit und Abenteuer, begünstigt durch das temporäre Ausklinken aus allen daheim zurückgelassenen Verantwortlichkeiten sowie dem unverstellten Blick in die Natur und die Weite des Horizonts, eine Elementarerfahrung, die einem als Stadtbewohner im normalen Alltag gemeinhin nicht so oft vergönnt ist.
Aber wenn man schon mal Schönes um sich hat und auch entsprechend Zeit, es zu genießen, dann soll man die Gelegenheit beim Schopfe packen. So dachte sich der Chronist, als er sich anderntags schon gegen Mittag wieder in die Horizontale begab und im ehemaligen Pfarrgarten von Reichesdorf alle Viere behaglich von sich streckte:
Ja, so kann man es aushalten, obwohl unter dem üppig tragenden Apfelbaum ein realistisches Risiko bestand, unverhofft gewaltig einen auf die Birne zu kriegen. Links und rechts von mir und um mich herum waren jedenfalls im Minutentakt Einschläge von frischem Fallobst zu hören. Vermutlich hat aber eine höhere Macht ihre schützende Hand über mich gehalten, ich wurde jedenfalls im Schatten des einstigen Pfarrhauses nicht von ausgeklinkten Äpfeln attackiert...
Unser Urlaub neigte sich nun langsam seinem Ende entgegen. Wie so oft bei intensiven Erfahrungen jenseits der gewohnten Umgebung und abseits der alltäglichen Rituale war unser Zeitempfinden gründlich dejustiert worden und die Sommerfrische kam uns deutlich länger vor, als sie mit noch nicht einmal zwei Wochen tatsächlich war. Noch einmal spazierten wir abends von unserer im ehemaligen Pfarrhaus logierenden Nachbarsfamilie zu unserer eigenen Ferienwohnung die Hauptstraße von Richiș hinunter:
Tags darauf machten sich die anderen Fürther – von uns ordnungsgemäß verabschiedet – auf den langen Heimweg von Rumänien nach Deutschland, quer durch Ungarn und Österreich. Da sie ja mit dem Familienmobil auf dem Landwege reisten und schon der Kinder und des Hundes wegen noch eine Übernachtung unterwegs eingeplant hatten, fanden sich der zonebattler und seine bessere Hälfte in der Situation wieder, einerseits noch einen ganzen Tag länger bleiben zu können, andererseits dank stählerner Flügel später sogar als erste wieder daheim in Franken anzukommen. [1]
Indes bedeutete das auch, ohne die stets situationsklärende, kommunikative Hilfe unserer Muttersprachlerin Almut auszukommen, was insofern zu leichter Unruhe Anlaß gab, als wir ja noch in Sachen Transfer zum Flughafen von Sibiu (Hermannstadt) auf einheimischer Leute Hilfe angewiesen waren. Aber nachdem uns unser leidlich englisch sprechender Ferienwohnungs-Vermieter versprochen hatte, uns mitsamt seinem Bruder höchstselbst in die gut 70 km entfernte Stadt zu kutschieren, konnten wir den letzten vollen Urlaubstag noch einmal vollends auskosten und eine große Wanderung in die Umgebung unternehmen...
Typisch rumänische Bauernhäuser wie das vorstehend gezeigte fallen ein, zwei Nummern kleiner aus als die einstigen Anwesen der Siebenbürger Sachsen, sind aber nicht minder liebenswürdig in ihrer bescheidenen, sich in die Landschaft einfügenden Art. Im Verein mit der unverstellten (und nicht eingezäunten) Umgebung erwecken sie in des mitteleuropäischen Städters naiver Fantasie den Eindruck von ländlicher Idylle und »heiler Welt«, einer fraglos bei näherer Betrachtung halt- und substanzlosen Illusion.
Vor lauter Staunen über die von den deutschstämmigen Siedlern errichteten Kirchenburgen kam die Volksfrömmigkeit der eingeborenen Rumänen hier bislang noch gar nicht recht zur Sprache. Auch die – verschieden ausgeprägte, aber letzlich gemeinsame – Religion vermochte die beiden großen Bevölkerungsgruppen auf Dauer nicht zu vereinen: Beide hatten bzw. haben ihre eigenen Kirchen und ihre eigenen Friedhöfe. Und auch ihre eigenen Kruzifixe, an denen freilich der gleiche (hölzerne) Heiland hängt. Es ist schon ein Kreuz...
Für uns Wandersleute haben derlei handgreifliche Manifestationen des ortsüblichen Glaubensbekenntnisses vor allem auch eine nostalgisch-pittoreske Seite, die perfekt zum Bild der hier noch überwiegend gering mechanisierten Landwirtschaft paßt. Pastorale Szenen wie diese wirken daher auf den mitteleuropäischen Metropolregionsbewohner wie aus der Zeit gefallen...
Nämliches galt für die Begegnung mit einer Ziegenherde, die wir nur wenige Kilometer weiter hatten: Vom wettergegerbten Schäfer bis zur malerischen Landschaft bot sich dem Blick das perfekte Arrangement einer bäuerlichen Genreszene nach Art der alten Meister. Einzig das wirklich furchteinflößende Gebell und Gehabe eines halben Dutzend zähnefletschender Hirtenhunde (aus mutmaßlich wenig liebevoller Haltung) injizierte einen Schuß Adrenalin in den ansonsten vorherrschenden Glückshormon-Cocktail...
Was macht man in solchen Fällen? Genau, den Weg unverzüglich frei, um den aggressiven Kläffern zu signalisieren, daß man ihre geifernd vorgetragenen Argumente durchaus verstanden hat und zu würdigen weiß. Es hier auf eine Kraftprobe ankommen zu lassen, würde nominell intelligentere Zweibeiner letztlich doch sehr schnell als die Dümmeren dastehen (wenn nicht gar liegen) lassen.
Kaum also ward die Brücke freigegeben, da flutete auch schon die Herde heran und hinüber, begleitet vom fröhlichem Gemecker der Ziegen und dem nurmehr der Form genügenden Knurren ihrer Begleithunde. Nach einigen Minuten hatte der tausendfüßige Tross endlich die angepeilte Wiese erreicht und wir konnten die Brücke unbehelligt in Gegenrichtung passieren...
Auf einer asphaltierten Straße ging es dann zügig weiter bis nach Nemsa (Niemesch), einem letztlich so unbedeutenden Kaff, daß es zwar (Überraschung!) über eine kleine Kirchenburg verfügt, gleichwohl aber über keinen eigenen Wikipedia-Eintrag, auf den ich hier verlinken könnte. Mir selbst ist ein rührend zu nennender, winzig kleiner Dorfladen in Erinnerung geblieben, in dem es immerhin ein erfrischendes Eis am Stiel zu kaufen gab.
Ansonsten bot sich dem Besucher dort das gleiche Bild wie in den anderen sächsischen Siedlungen auch: Die typische Aneinanderreihung von Haus und Hof mit allerlei die Schönheit verschandelnden Accessoires wie Satelliten-Schüsseln und Strommasten mit lustlos drangehängtem Strippensalat. Sehr vertraut war uns inzwischen zudem der Anblick von Pferdewagen samt sonnengebräunter, bäuerlicher Besatzung:
Raus aus dem Ort, rein in die Wiesen und Auen: Über allerlei Feld- und Wirtschaftswege wanderten wir weiter durch die Natur, in der wir dann langsam aufgrund zahlreicher Wegeswindungen und mangels auffälliger Landmarken die Orientierung verloren. Dank Sonnenstand und Smartphone mit GPS-Ortung konnten wir aber unsere generelle Marschrichtung beibehalten, bis wir auf breitere Wege und bekannte Straßen kamen...
Die wir dann aber doch bald wieder verließen, um abseits der nicht ganz ungefährlichen Auto-Pisten wieder zu unserem Ausgangspunkt zurückzumarschieren. Kurz vor Reichesdorf nahm ich dann nochmal einen ehemaligen Weinberg ins Visier, in dessen abendlicher Lieblichkeit der Wehmut mitschwingt über den einstigen Reichtum [2] des Landes:
Was nun noch folgte (Kofferpacken, letzte Nacht in fremden Betten, lange Fahrt zum Flughafen usw.) ist im Detail nicht berichtenswert. Interessanter ist die Frage nach der zukünftigen Entwicklung der Region: Die Siebenbürger Sachsen, die bis heute hier geblieben sind, werden in wenigen Jahren ausgestorben sein. Ihre Nachkommen, die jetzt in Deutschland, Österreich oder anderswo ansässig sind, werden nicht zurückkommen. Warum auch? Die einstigen »Nachbarschaften«, die wechselseitige Hilfestellung in allen Lebenslagen boten [3], gibt es nicht mehr, wer hier neu anfangen wollte, müßte das faktisch fast bei Null tun. In einem Land, das entwicklungsmäßig immer noch hier und da hinterherhinkt und in dem Recht haben und Recht kriegen vermutlich immer noch weiter auseinanderliegen als in den mitteleuropäischen Demokratien. So fokussiert sich die Hoffnung auf eine junge Generation ökologisch denkender Rumänen, die hoffentlich nicht alle ihr Heil und ihre Zukunft in den Städten (oder gar im Ausland) suchen, sondern die im eigenen Land Aufbauarbeit leisten und Siebenbürgen langfristig aufs Neue erblühen lassen.
Der Verfasser hofft, mit seinen Zeilen Interesse an einem Landstrich geweckt zu haben, den vermutlich viele (wie er selbst ja vorher auch) bislang gar nicht als mögliche Reise-Destination auf dem Schirm gehabt hatten. Wer sich indes für Geschichte erwärmen kann und ein Faible für Architektur hat, nehme sich die Liste von Orten in Siebenbürgen mit Kirchenburg oder Wehrkirche vor: Bis man die ca. 150 Orte angefahren oder angelaufen und besichtigt hat, wird man ein paar Urlaube brauchen!
[1] Der gestaffelte Aufbruch war in erster Linie dem Umstand geschuldet, daß die Relation Nürnberg – Sibiu und zurück nicht täglich beflogen wird. Aber auch sonst hätten wir den Weg zum Flughafen nicht gemeinsam mit unseren heimreisenden Nachbarn antreten können, weil ihr Wagen ja schon mit den eigenen Familienmitgliedern samt deren Gepäck und Proviant bis in die letzten Lücken ausgefüllt war.
[2] Siehe dazu den Wikipedia-Artikel »Weinbau in Rumänien«.
[3] Zum Preis von sozialer Kontrolle und geistiger Enge, wie zu vermuten steht. Das eine ist ja ohne das andere meist nicht zu haben...
Abgelegt in: Expeditionen • 30. Dez. 2018, 6:00 Uhr • 5 Kommentare lesen
Man sollte ja meinen, daß einem während eines naturnah verbrachten Urlaubs auf dem Lande primär querformatige Motive vor die Linse kommen. Tatsächlich muß der zonebattler aber verblüfft konstatieren, daß er selten so viele Hochformat-Aufnahmen mit nach Hause gebracht hat wie aus der Sommerfrische in Rumänien! Das liegt natürlich zuförderst an den mehrfach erwähnten, jedoch bis dato in dieser Reise-Reprise nicht gezeigten Kirchenburgen und sonstigen Hochbauten der fotogenen Sorte. Ein weithin berühmtes Motiv ist der Stundturm von Sighișoara alias Schäßburg, und der schaut nun wirklich so aus, wie sich der gemeine Vampir-Fan die perfekte Kulisse für nächtlich-gruseliges Treiben vorstellt:
Sighișoara ist ein markantes Beispiel für einen an sich sehr schönen Ort (das historische Zentrum gehört seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe), welcher jedoch durch touristische Heimsuchung – angeblich bis möglicherweise wurde Vlad Țepeș (Vlad III. Drăculea, der Pfähler) hier vor rund 600 Jahren geboren – einiges von seinem natürlichen Charme eingebüßt hat. Die heimische Wirtschaft und auch Teile der Gastronomie machen sich den Dracula-Hokuspokus zunutze, um mit mildem Grusel Publikum und Gäste anzulocken. Wirklich gruselig sind indes die allerorten feilgebotenen Souvenirs aus fernöstlicher Produktion: Bei deren Anblick würde sich der originale Graf Dracula (so es ihn denn gäbe) wohl selbst schaudernd abwenden...
Wir wenden uns nicht ab, sondern weiterhin zu, und zwar weiterhin den aufrechten Zeugen der landesspezifischen Architektur! Hier sehen wir die mustergültig instandgehaltene, evangelische Kirche zu Mălâncrav (Malmkrog):
Wir waren dort zwecks Besuchs eines kleinen transsilvanischen Klassik-Musikfestivals, dessen Ausführende samt Troß zur Zeit unserer Visite in der Gegend unseres Weilens herumtingelten. Gleich neben der romanischen Kirche gibt es in Mălâncrav ein ungarisches Adelsschloß, in welchem die jungen Musiker ihr Können demonstrierten. Davon gibt es hier leider keine Bilder zu sehen, aus Diskretionsgründen ebenso wie aus meiner altersbedingt zunehmenden Neigung, kulturelle Höhepunkte im Moment ihres Entstehens sinnlich zu genießen statt sie mit letztlich untauglichen Mitteln irgendwie konservieren zu wollen. Eine Kirche läuft einem nicht weg (allenfalls tut es mittelfristig das passende Licht), daher konnte der eindrucksvolle Sakralbau dann stellvertretend für das Gesamterlebnis seinen Weg durch das Objektiv und letztlich hier hinein in des Berichterstatters Blog finden...
Ein kleiner Sprung durch Zeit und Raum bringt uns nach Copșa Mare oder auch Groß-Kopisch, einem recht idyllischen Ort östlich von Biertan (Birthälm), den wir von dort aus erwandert haben. Vorbei an Brunnen, kleinen Katen, kichernden Kindern und kläffenden Kötern überwanden wir zu siebt (vier Erwachsene, zwei Kinder, ein braver Hund) einen Höhenzug, um schließlich nach dem Konsum von Eis und kalten Getränken aus dem winzigen Dorfladen vor dem natürlich auch hier vorhandenen Turm einer Kirchenburg zu stehen:
Der rumänische Burgwächter (dessen Frau wohl mit der Einsamkeit und der zäh dahinfließenden Zeit in der siebenbürgischen Provinz weniger zufrieden war als der ihr rechtmäßig zugemutete Schlüsselbewahrer) hatte uns die Kirche aufgesperrt und sie uns dann zur eigenen Erforschung überlassen (viel zu erklären hätte er wohl ohnehin nicht vermocht, die Geschichte der Siebenbürger Sachsen ist ja nicht die seine). Also erklommen wir (abgesehen von Frieda, der lässigen Labradorin) den Turm der Kirche. Über hölzerne »Hühnerleitern« hinauf und über haufenweise Taubenkot hinweg bis zu den großen Glocken. Alles völlig unbeaufsichtigt und unter Begleitumständen, die es daheim in Deutschland definitiv so nirgends mehr gibt. Da wäre so ein Turm wegen Baufälligkeit verrammelt und verriegelt. [1] [2]
Mitten in fremden Landen Glocken mit deutscher Inschrift zu sehen fühlt sich anfangs schon ein wenig merkwürdig an, zumal auch die anderen Beschriftungen in der Kirche, verstaubte Gesangbücher und sonstigen gedruckten Hinterlassenschaften sämtlich auf Deutsch verfaßt sind. Schnell werden da Assoziationen an apokalyptische Endzeit-Geschichten geweckt, mitunter kommt man sich in den entlegeneren Kirchen tatsächlich wie der letzte Mensch auf Erden vor. Man gewöhnt sich natürlich daran, aber es ist schon eigenartig, sich das jahrhundertelange Nebeneinander von Rumänen, Siebenbürger Sachsen und anderen Volksgruppen vorzustellen, die alle ziemlich konsequent unter Ihresgleichen blieben, statt sich langfristig zu einem Volk zu vermengen...
Der Blick zurück auf Copșa Mare und seine Kirchenburg zeigt eine vermeintliche Idylle, die typisch ist für Siebenbürgen, jenem Landstrich in der Mitte Rumäniens, in der die Vergangenheit noch überall offen zu Tage liegt. Diese zu Fuß zu erwandern und zu erkunden ist ungleich befriedigender als das Hingefahrenwerden im Reisebus mit jeweils 20 Minuten Knips- und Pinkelpause vor der Weiterfahrt zur nächsten Sehenswürdigkeit! Der zonebattler und seine bessere Hälfte waren sich jedenfalls einig: Lieber eine Handvoll intensiv inspizierter Kirchenburgen in der Erinnerung behalten als zwei Dutzend nur en passant fotografierte hinterher kaum noch zuordnen zu können.
Wenn wir nach unseren täglichen Exkursionen wieder »daheim« in Richiș angekommen waren, gaben wir uns fast jeden Abend der Süße des Müßigganges hin, machten erst ein kleines Nickerchen, nickten anschließend den immergleichen Statisten vor der Dorfbar zu und ließen uns überraschen von dem, was uns so vor die Augen kam. Eine erstaunliche Entdeckung waren akribisch geführte, prä-excelitische Tabellen aus den 1920er Jahren, in denen in schönster Handschrift festgehalten war, wer in welchem Haus des Dorfes wohnte und wieviel Stück Vieh und »Zünder« besaß:
Der amtliche Charakter der Dokumente war offenkundig, der aus ihnen wabernde Geist des deutschen Berufsbeamtentums ebenso. Indes war die ehedem germanische Grundordnung der Erosion preisgegeben: Eine im ehemaligen Pfarrhaus eingemietete Zigeunerin [2] hatte die Archivalien am Dachboden gefunden und kurzerhand zu legitimer Marketenderware erklärt in der Hoffnung, die ihrem Verständnis verschlossen bleibenden Schriftstücke an Touristen wie uns verhökern zu können. Der Gewinn liegt bekanntlich im Einkauf, und bei weggefundenen Antiquitäten mit Einstandspreis Null wäre auch der bescheidenste Erlös als Gewinn zu verbuchen. Daß damit historische Erkenntnisse und Kontexte unwiederbringlich dahin sind, hat schon altägyptische Grabräuber nicht gestört, was wollte man da von einer simpel gestrickten und mutmaßlich kaum bis wenig gebildeten Landfrau erwarten? Wir haben jedenfalls nichts gekauft von ihrer papierenen Beute, um derlei Tun nicht auch noch zu ermutigen...
Ein neuer Tag, ein neues Abenteuer: Statt die gut vier Straßenkilometer nach Biertan mit der Nachbarn Fahrräder zu erstrampeln, zogen wir zu Fuß los, um nach Überquerung des nächsten größeren Geländebuckels in einem parallel verlaufenden Tal zum Nachbarort zu marschieren. Auf stark ausgespülten Wirtschaftswegen ging es zunächst forsch bergan, und immer wieder gab es einen Grund anzuhalten, um sich Fauna und Flora näher zu besehen. Meine Güte, dachte sich der schwitzende Chronist bei einer dieser Gelegenheiten, wie lange hast Du schon keinen Schwalbenschwanz mehr gesehen? Und dieser prächtige Flattermann hier posiert geradezu keck vor Deiner Kamera und will partout im Bilde festgehalten werden! Na gut, man ist ja betörenden Schönheiten jederzeit gerne und eilfertig zu Diensten:
Auch weniger augenfällig herausgeputzte Sechsbeiner haben wir in großer Zahl und Vielfalt angetroffen. Tatsächlich wird einem durch das allgegenwärtige Gewimmel und Gesumme in Siebenbürgens Wald und Flur erst so recht vor Augen und Ohren geführt, daß das vielzitierte Insektensterben in Deutschland und Zentraleuropa keine hohle Panikmache, sondern längst bedrohliche Realität ist. Da kann man nur hoffen, daß Monokulturen und Chemiekonzerne nicht auch noch Osteuropas Ökosysteme auf Dauer verarmen lassen...
Im drübigen Tal begann dann erstaunlicherweise eine wunderbar ausgebaute und präzise asphaltierte Straße im faktischen Nichts: Kein Ort, kein Haus, kein sonstiger ersichtlicher Grund, warum eine Straße dieser Güte just hier beginnen oder enden sollte! Es ging einfach los und aus dem staubig-sandigen Wirtschaftsweg in the middle of nowhere wurde von einem Schritt zum nächsten eine perfekt markierte Fahrbahn:
Kilometerlang ging es so voran, selbstredend mit glänzenden neuen Stoppschildern an allen einmündenden Wegen, denen man getrost eine durchschnittliche Verkehrsdichte von 1,5 Fuhrwerken/Woche unterstellen darf. Als erfahrene Inselreisende ahnten wir die Hintergründe natürlich schon lange, bevor wir am Ortseingang von Biertan unser Wähnen auf einer großen Informationstafel bestätigt sahen: Im Rahmen eines vom Land mit 0 EUR, aber von der Europäischen Union mit knapp 1.000.000 EUR geförderten Infrastrukturprojekts wurde hier ein Stück Fortschritts auf (nicht etwa in) den Sand gesetzt, auf den die Beteiligten mächtig stolz sind. Man mag sich fragen, ob man mit dem Geld nicht besser die immer noch unbefestigten Staubstraßen innerhalb des nicht ganz unbedeutenden Städtchens Biertan hätte asphaltieren können. Man mag sich ferner darüber echauffieren, daß der europäisch-föderale Geldregen immer nur Neues kurzfristig erblühen läßt, zu dessen laufender Unterhaltung danach aber keine Mittel mehr da sind, weshalb die Natur sich unverzüglich anschickt, sich alles wieder langsam zurückzuerobern. Hilft aber alles nix: Wenn die einen schlau genug sind, formgerechte Förderanträge zu stellen, und die anderen sich nicht mit dem Papierkrieg befassen wollen, dann fließt das Geld halt zu den Gewiefteren, auch ganz ohne Korruption. Die es dem Vernehmen nach in Rumänien aber auch noch in reicher Auswahl geben soll...
Kurz vor Biertan und in Sichtweite besagter Infotafel geht der Asphalt wieder in Sand und Staub über, was für ein ortsübliches Vehikel mit zwei PS ja auch den allemal stimmigeren Unter- und Hintergrund abgibt:
Die Topographie der von uns bereisten und inspizierten Dörfer folgt meist dem gleichen Schema: Innen die soliden Höfe und Häuser der Siebenbürger Sachsen, drumherum die einfacheren und kleineren Häuschen der Rumänen, draußen an der Peripherie die schäbigen Hütten bis unwürdigen Verschläge der Roma und anderer unterprivilegierter Volksgruppen. Mit dem Exodus der deutschstämmigen Bevölkerung, also nach der Auswanderung der meisten Siebenbürger Sachsen, hat sich das »Vakuum« bald durch Nachzug von außen gefüllt. Darüber gäbe es vieles zu lesen und auch zu schreiben, hier sei nur festgehalten, daß natürlich auch heute noch (oder wieder) die besser Gestellten die gediegeneren Häuser im Ortskern bewohnen und die Armen draußen in den Beinahe-Slums hausen...
So, dann wollen wir mal nach diesen Betrachtungen mit wenigen weiteren Schritten endlich das Ziel unserer Wanderung erreichen und sozusagen »von hinten reinkommend« die grandiose Kirchenburg von Birthälm erspähen:
Im 16. Jahrhundert erbaut und von einer dreifachen Ringmauer umgeben, ist dieser trutzige Gotteshauskomplex geradezu der Inbegriff einer Siebenbürgischen Kirchenburg und hätte beste Aussichten auf einen der vordersten Plätze in einem hiermit imaginierten Ranking der Prächtigsten ihrer Art! Über die Baugeschichte und die reiche Innenausstattung möge sich die interessierte Leserschaft im oben verlinkten Wikipedia-Artikel informieren. Der Endesunterfertigte beläßt es für heute beim Hinweis auf ein wunderbares Foto der Kirchenburg zu Birthälm, in dessen Hintergrund etwas zu sehen ist, was unbedarfte Beobachter vielleicht gar nicht auf Anhieb erkennen und richtig einordnen können: Die Rede ist von den Terrassierungen, die heute sinnlos erscheinen mögen, aber auf die frühere Nutzung des Hanges als Weinberg hinweisen. Davon wird in den nächsten Folgen dieses Reise-Rapports noch die Rede sein, für heute sei es nunmehr genug. Fortsetzung folgt!
[1] Wobei sich der Berichterstatter dunkel daran erinnert, in Thüringen kurz nach der Wende im Rahmen eines Inspektionsbesuches auch schon mal einen baufälligen Kirchturm unter vergleichbar verwegenen Rahmenbedingungen erklommen zu haben. Was in der Ex-DDR mit dem Mauerfall zu Ende ging, ist im Rumänien der Jetztzeit hier und da noch gegenwärtig – im Guten wie im Schlechten.
[2] Leider hat der lange Zeit unkontrollierte Zugang zu den verlassenen Kirchenburgen diesen oft schwer zugesetzt durch Plünderung und Vandalismus. Die einst nicht unbedingt außerordentlich prächtige, sicherlich jedoch ordentliche Orgel der Kirche von Copșa Mare ist gegenwärtig in desolatem Zustand: Viele ihrer Pfeifen wurden von Metalldieben grob herausgerissen und abtransportiert, womit das nun nicht einmal mehr aus dem »letzten Loch« pfeifende Instrument jenseits aller realistischen Hoffnungen auf Reparierbarkeit zum traurigen Sperrmüllhaufen degradiert worden ist...
[3] Mit dieser ortsüblichen Typisierung ist durchaus keine Diskriminierung beabsichtigt, die Roma in Rumänien bezeichnen sich mitunter ja selbst als țigani. Der allzeit auf Komplexitätsreduktion bedachte zonebattler differenziert ungeachtet ethnischer Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe und Nasenlänge stets nur nach ihm sympathischen und ihm unsympathischen Menschen. Das hat sich jederzeit und jedenfalls bewährt und reicht zum Bestreiten des Alltagslebens auch allemal aus.
Abgelegt in: Expeditionen • 11. Nov. 2018, 6:30 Uhr • 2 Kommentare lesen
« Vorherige Seite | Nächste Seite » |
Süßer und scharfer Senf: