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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


Sonntag, 8. Juli 2012

Die Ver­kehrs­in­sel (8)

In der ach­ten und – vor­erst – letz­ten Fol­ge mei­ner Mal­ta-Im­pres­sio­nen kom­me ich zu­nächst noch ein­mal auf das mensch­li­che Stre­ben nach Schutz und Ab­gren­zung zu spre­chen und wid­me dem Bau von Mau­ern ein paar Sät­ze und Bil­der. Ge­ra­de an den al­ten Fe­stungs­an­la­gen sind Ero­si­ons­er­schei­nun­gen evi­dent, und wenn nicht an den kri­tisch­sten Stel­len im­mer wie­der Aus­bes­se­rungs­ar­bei­ten statt­fin­den wür­den, wä­re die Na­tur mit ih­rem gna­den­lo­sen Rück­erobe­rungs­werk viel schnel­ler fer­tig, als die al­ten Bau­mei­ster sich das ge­dacht ha­ben mö­gen.

Der dro­hen­de Ver­fall hat frei­lich auch sei­ne äs­the­ti­sche Sei­te. Hier ei­ne De­tail­auf­nah­me ei­ner rie­si­gen al­ten Fe­stungs­mau­er aus dem ört­li­chen Kalk­sand­stein, an der Wind und Wet­ter schon flei­ßig ge­schlif­fen und ge­schmir­gelt ha­ben:

stark verwitterte Festungsmauer aus Kalksandstein

Frisch zu­ge­hau­en, wird man den Qua­dern aus Se­di­ment­ge­stein ih­re in­ne­re Schich­tung nicht un­be­dingt an­ge­se­hen ha­ben. Das per­ma­nen­te Be­bla­sen mit salz­hal­ti­ger Luft läßt die in­ne­re Struk­tur pla­stisch her­vor­tre­ten, und auch die vom Wind mit­ge­führ­ten Sand­kör­ner tra­gen das ih­re da­zu bei, die wei­che­ren Schich­ten der Blöcke im Wort­sin­ne zu pul­ve­ri­sie­ren (wäh­rend här­te­re Sek­tio­nen län­ger Wi­der­stand lei­sten). Und so schaut ir­gend­wann aus wie ein Schwamm, was einst­mals ein mas­si­ves Ge­fü­ge war.

Man er­lebt hier al­so im klei­nen Maß­stab, was an Or­ten wie dem Mo­nu­ment Val­ley und an­ders­wo im Süd­we­sten der USA seit ‑zig Jahr­tau­sen­den im Gro­ßen statt­fin­det. Prag­ma­tisch wie die Mal­te­ken nun mal sind, ak­zep­tie­ren sie den na­tür­li­chen Lauf der Din­ge und ma­chen sich da­her heut­zu­ta­ge nicht mehr mehr Mü­he beim Mau­er­bau als un­be­dingt nö­tig:

Nicht schön, aber auch nicht selten: arg provisorische Flickschusterei

»Des dud’s«, wie der Fran­ke sa­gen wür­de. Man be­ach­te üb­ri­gens die glat­ten Kan­ten der gel­ben Qua­der mit­samt den halb­kreis­för­mi­gen Sä­ge­spu­ren: von Hand ge­bro­chen und müh­sam auf Maß ge­hau­en wer­den die Stei­ne na­tür­lich schon län­ge­re Zeit nicht mehr...

Mal­te­si­sche Ge­witzt­heit und Bau­ern­schläue trei­ben manch­mal auch ku­rio­se Blü­ten. Hier sieht man ei­ne sehr krea­ti­ve Kom­bi­na­ti­on aus Grenz­be­fe­sti­gung und um­stands­lo­ser Müll­ent­sor­gung:

Feldmauer mit integriertem Herd

Da hat je­mand ganz of­fen­kun­dig die Be­zeich­nung »Ein­bau­herd« zu wört­lich ge­nom­men, wie mir schei­nen will. Na ja, we­nig­stens be­steht so ein al­tes Kü­chen­ge­rät im we­sent­li­chen aus Stahl und Ei­sen und da­mit aus wenn nicht kom­po­stier­ba­ren, so doch leid­lich un­schäd­lich ver­rot­ten­den Ma­te­ria­li­en.

Man fin­det aber lei­der auch al­ler­lei an­de­res in der Land­schaft her­um­lie­gen, was da de­fi­ni­tiv nicht hin­ge­hört: PET-Fla­schen son­der Zahl (Pfand wird dar­auf der­zeit noch nicht er­ho­ben), aber auch al­te Kunst­stoff-Ka­ni­ster und Blech­fäs­ser, de­ren frü­he­rer In­halt nicht un­be­dingt für ei­ne wil­de Ent­sor­gung in der Na­tur sprach:

Warn-Aufkleber auf einer wild entsorgten Chemikalien-Tonne

Da feh­len ei­nem mit­un­ter die Wor­te. Lei­der man­gelt den Be­woh­nern klei­ne­rer In­seln ja oft am Ge­fühl für das Frev­le­ri­sche ih­res Tuns, denn was sie an Dreck in die Luft pu­sten, ins Erd­reich ver­bud­deln oder ins Was­ser kip­pen, be­ein­träch­tigt sie und ihr ei­ge­nes Wohl­be­fin­den meist nicht di­rekt und un­mit­tel­bar. Wind und Was­ser ver­dün­nen das schäd­li­che Zeugs und tra­gen es fort, aus den Au­gen, aus der Na­se, aus dem Sinn. Da ist es si­cher­lich nicht eben ein­fach, dem Nach­wuchs in der Schu­le was von Um­welt­schutz, Nach­hal­tig­keit oder Res­sour­cen­scho­nung zu er­zäh­len. Der Papst müß­te sei­ne Schäf­chen (nicht nur die mal­te­si­schen) nach­drück­lich zum Er­halt der Schöp­fung auf­for­dern, da­mit die­se sich die Er­de nicht im­mer nur oh­ne Rück­sicht auf Ver­lu­ste un­ter­tan ma­chen...

Aber ganz hoff­nungs­los scheint der Fall dann doch nicht zu sein: Auf un­se­ren Streif­zü­gen kreuz und quer durch Mal­ta be­geg­ne­ten uns hier und da Re­cy­cling-Con­tai­ner zum art­rei­nen Sam­meln al­ten Pla­stiks, Gla­ses, Me­talls und Pa­piers, von de­nen un­se­re et­wa zehn Jah­re al­ten Rei­se­füh­rer noch gar nichts wuß­ten. Der in jüng­ster Zeit zag­haft be­gon­ne­ne Ver­such von Müll­tren­nung und Wie­der­ver­wer­tung wird den Aber­witz des Ver­bren­nens jeg­li­chen Misch-Ab­falls hof­fent­lich ir­gend­wann be­en­den.

ambulanter Landungssteg

Mit ein paar ver­söhn­li­che­ren Fo­tos wie dem vom die­sem klei­nen Lan­dungs­steg im Abend­licht krat­zen wir nun die Kur­ve und stre­ben dem En­de des gut zwei- bzw. knapp drei­wö­chi­gen Ak­tiv-Ur­laubs ent­ge­gen, der – das sei hier ne­ben­her er­wähnt – mit knapp 500 EUR pro Na­se für Hin- und Rück­flug, Trans­fer und Ho­tel­zim­mer mit Früh­stück so­gar zu den au­ßer­or­dent­lich preis­wer­ten zu zäh­len war.

Be­schwö­ren wir ein letz­tes Mal die Gran­dez­za ver­gan­ge­ner Epo­chen her­auf mit dem Ab­bild ei­ner präch­ti­gen Vil­la in At­tard, in de­ren Nach­bar­schaft sich der Re­gie­rungs­pa­last und di­ver­se aus­län­di­sche Bot­schaf­ten be­fin­den:

noble Villa in Attard

Pas­send zum Prunk der Ar­chi­tek­tur er­scheint der üp­pi­ge Wuchs der Pflan­zen drum­her­um, das pal­men­ar­ti­ge Ge­wächs in der Mit­te scheint ja ge­ra­de­wegs zu ex­plo­die­ren, wie ein flo­ra­les Feu­er­werk, so­zu­sa­gen.

Das die­se As­so­zia­ti­on nicht von un­ge­fähr kommt, sei mit dem letz­ten Bild be­legt, mit wel­chem ich nun mit ei­nem gro­ßen Knall die­sen Ar­ti­kel und da­mit die gan­ze Se­rie be­schlie­ßen will. En­de April/Anfang Mai lie­ßen es die Or­ga­ni­sa­to­ren des »Mal­ta In­ter­na­tio­nal Fire­works Fe­sti­val« nach al­len Re­geln der Kunst blit­zen und kra­chen:

prächtiges Feuerwerk über dem Grand Harbour von Valletta

Drei Aben­de hin­ter­ein­an­der gab es da im Grand Har­bour von Val­let­ta Spek­ta­ku­lä­res zu se­hen und zu hö­ren: Py­ro­tech­nik-Her­stel­ler aus al­ler Welt über­bo­ten sich mit ih­ren Dar­bie­tun­gen, und so­gar der al­te Zünd­ler zone­batt­ler, der in den fünf De­ka­den sei­nes ir­di­schen Da­seins schon man­che Lun­te selbst ge­legt und an­ge­steckt hat, hat­te Ver­gleich­ba­res bis­lang noch nicht ge­se­hen...

Mit die­sem Feu­er­re­gen be­dan­ke ich mich bei mei­ner ge­schätz­ten Le­ser­schaft für das In­ter­es­se und klap­pe mein Ur­laub­s­al­bum zu, nicht oh­ne die Ab­sicht zu be­kräf­ti­gen, der klei­ne­ren und et­was we­ni­ger tur­bu­len­ten In­sel Go­zo der­ma­l­einst ei­ne ei­ge­ne Ex­pe­di­ti­on zu wid­men. Viel­leicht schon im näch­sten Jahr, wer weiß?

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Sonntag, 1. Juli 2012

Die Ver­kehrs­in­sel (7)

Schau­en wir uns noch ein we­nig in Mal­tas Städ­ten um, die für un­se­re an frän­ki­sche Ge­ge­ben­hei­ten ge­wöhn­ten Au­gen im­mer wie­der Über­ra­schen­des be­reit­hal­ten. Die ex­trem ho­he Be­völ­ke­rungs­dich­te ist na­tür­lich vor al­lem an der Ar­chi­tek­tur ab­les­bar. Aus der Ent­fer­nung er­in­nern die mei­sten mensch­li­chen An­sied­lun­gen an Amei­sen­hau­fen:

Blick vom Schiff aus auf Valletta

Hier hat selbst­re­dend die per­spek­tiv­ver­dich­ten­de Wir­kung der Te­le-Brenn­wei­te nach­ge­hol­fen, zwi­schen den im Bild ge­zeig­ten Häu­ser­rei­hen gibt es na­tür­lich noch Stra­ßen und We­ge. Gleich­wohl ist es schon er­staun­lich, wie dicht ge­packt die Men­schen hier le­ben. Wenn Sie denn tat­säch­lich noch in der Stadt le­ben, der ho­he Pro­zent­satz an (ge­se­he­nem wie ge­fühl­tem) Leer­stand läßt da mit­un­ter Zwei­fel auf­kom­men.

Die die Kü­sten­li­nie und Strän­de säu­men­den Ho­tel­bau­ten fü­gen sich zwar farb­lich in das bau­li­che Um­feld be­stens ein (die grau­gel­be Far­be des hei­mi­schen Kalk­sand­steins do­mi­niert al­ler­or­ten die bau­li­che Sze­ne­rie), den­noch kommt man mit­un­ter in Ver­su­chung, die über­ho­hen Tou­ri­sten­bur­gen ein­fach weg­zu­knal­len. Werk­zeu­ge da­für wä­ren durch­aus vor­han­den:

alte Kanone am Yachthafen von Paceville

In­des, es hül­fe nichts: Aus den Trüm­mern wür­de das al­te Mal­ta nicht wie­der auf­er­ste­hen, man muß den Flä­chen­fraß und das Wu­chern in die Hö­he wohl hin­neh­men, im Grun­de ist es an­ders­wo (und fast über­all) ge­nau das Glei­che...

Aber es gibt ja im­mer noch ge­nug Al­tes zu se­hen, was Herz und Au­ge er­freut. Zum Bei­spiel die ty­pi­schen Er­ker (für die man das Holz wei­land tat­säch­lich aus dem fer­nen Eng­land her­an­schaf­fen muß­te):

Erker an der Straßenseite traditioneller maltesischer Häuser aus der Georgianischen Zeit

Auch da hat aber mitt­ler­wei­le schon manch zwei­fel­haf­ter »Fort­schritt« Ein­zug ge­hal­ten: Der Er­ker links vom hoch­kant ge­stell­ten Wer­be­schild des Schnei­ders bei­spiels­wei­se hat schon Fen­ster aus bron­ze­far­ben elo­xier­tem Alu­mi­ni­um, oben ist noch da­zu Rif­fel­glas oder ‑pla­stik drin. Das mag pfle­ge­leich­ter und bil­li­ger sein als die höl­zer­nen Fen­ster­rah­men von frü­her, schö­ner ist es kei­nes­falls. Auch un­ten­rum ist be­sag­ter Er­ker glatt und schmuck­los, sol­che au­ra­be­frei­ten Tei­le wird man ver­mut­lich zu­künf­tig lei­der im­mer häu­fi­ger vor­fin­den...

Ich hat­te schon er­wähnt, daß man ab­seits der tou­ri­sti­schen Tram­pel­pfa­de selbst in den Städ­ten ziem­lich schnell in Ge­fil­de fin­det, in de­nen man mit sich und den al­ten Ge­mäu­ern al­lein ist. Wäh­rend in den Haupt­stra­ßen em­si­ge Be­trieb­sam­keit herrscht, trifft man zwei, drei Fuß­mi­nu­ten ent­fernt mit­un­ter noch nicht ein­mal Ein­hei­mi­sche in den ru­hi­gen Gas­sen. Da muß ein Fo­to­graf prak­ti­scher­wei­se nicht lan­ge war­ten, um men­schen­lee­re An­sich­ten kom­po­nie­ren zu kön­nen:

Festungsmauer-Durchführung in Senglea

Möch­te na­tür­lich sein, daß die Mal­te­ken wäh­rend der Mit­tags­stun­den ein Nicker­chen hal­ten und ih­re Häu­ser nur ver­las­sen, wenn es sich nicht ver­mei­den läßt. Als Rei­sen­der ist man da­ge­gen eben auch dann un­ter­wegs, wenn die Son­ne (und das Ther­mo­me­ter) am höch­sten ste­hen...

Hin und wie­der kommt es aber selbst in den ent­le­gen­sten Win­keln vor, daß man ein paar neu­gie­ri­ge Au­gen auf sich ru­hen fühlt:

eingekerkerte Katze

Ob­zwar sie jeg­li­che Vö­gel un­ter Ein­satz von Feu­er­waf­fen vom Him­mel ho­len, schei­nen die In­su­la­ner ih­re Kat­zen zu lie­ben: An zahl­rei­chen Or­ten fan­den wir »Cat Ca­fés« vor, am­bu­lan­te Füt­te­rungs­sta­tio­nen für schnur­ren­de Vier­bei­ner, de­rer auch vie­le dort her­um­lun­gern. Kein Wun­der, ko­sten­lo­ses Es­sen wird im­mer gern ge­nom­men. Wo­mög­lich se­hen sich die Leu­te in ei­ner ge­wis­sens­be­ding­ten Bring­schuld, denn im­mer­hin las­sen sie ih­ren Vier­bei­nern ja kaum noch flie­gen­de Beu­te zum Sel­ber­ja­gen üb­rig!

Von den vier­bei­ni­gen Mie­zen ist der Bo­gen zu den zwei­bei­ni­gen sol­chen ele­gant zu schla­gen: Da an den Strand­pro­me­na­den rund um die Uhr fla­niert und in den na­hen Bars und Clubs ge­fei­ert wird, müs­sen sich die be­geh­rens­wer­ten Frau­en (und sol­che, die es wer­den wol­len), schon ein Stück­chen grö­ßer ma­chen, um aus dem Heer ih­rer Ge­schlechts­ge­nos­si­nen im Wort­sin­ne her­aus­zu­ra­gen. Die da­zu er­for­der­li­chen Vor­rich­tun­gen gibt es al­ler­or­ten in rei­cher Aus­wahl und in al­len Preis­la­gen zu kau­fen:

High Heels ohne Ende in einem Schuladen

Ja, da kann man(n) nur stau­nen. Und das tat der Be­richt­erstat­ter denn auch oft und aus­gie­big, oh­ne das hier im De­tail er­läu­tern zu wol­len. Je­den­falls bleibt fest­zu­hal­ten, daß die Ab­satz­hö­hen auf Mal­ta eu­ro­päi­sche Höchst­stän­de er­rei­chen. Frau­en zwi­schen 15 und 55 mit Trek­king-San­da­len an den Fü­ßen sind oh­ne je­de Not­wen­dig­keit zur wei­te­ren Be­weis­erhe­bung so­fort als deut­sche Tou­ri­stin­nen zu iden­ti­fi­zie­ren. Wo­bei sich nicht we­ni­ge von de­nen in den in­su­la­ren Schuh­ge­schäf­ten mit ho­hen Hacken ein­zu­decken schei­nen...

Wen­den wir zum Schluß der heu­ti­gen Fol­ge den Blick wie­der vom Bo­den ab und hoch hin­aus, um uns an ei­nem gra­fi­schen Spiel von Licht und Schat­ten zu er­freu­en. Auch so­was kann ja elek­tri­sie­rend wir­ken:

Hausfassade mit externer Stromleitungsführung

Ab­satz­gek­lacker hin, Ka­me­ra­ge­klicke her: Die Viel­falt der Sin­nes­ein­drücke auf Mal­ta ist enorm, wes­we­gen ich ei­ne Ex­pe­di­ti­on dort­hin mei­nen Le­se­rin­nen und Le­sern nur wärm­stens emp­feh­len kann. In ei­ner wei­te­ren und letz­ten Fol­ge las­se ich es zum Ab­schluß mei­ner Rei­se-Re­pri­se dem­nächst noch ein­mal rich­tig kra­chen!

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Sonntag, 17. Juni 2012

Die Ver­kehrs­in­sel (6)

Im Mit­tel­punkt der heu­ti­gen Fol­ge der zone­batt­ler­schen Rei­se­be­richt­erstat­tung steht der Mensch als sol­cher, und zwar so­wohl in sei­ner Aus­prä­gung als sta­tio­när wal­ten­der Ein­hei­mi­scher wie auch in sei­ner phä­no­ty­pi­schen Er­schei­nung als Frem­der und Tou­rist. Al­len Zwei­bei­nern ge­mein ist ein la­ten­ter Hang zur trot­zi­gen Un­ver­nunft im Ver­hal­ten, wel­cher wie­der­um bei Rei­sen­den – ver­mut­lich we­gen der feh­len­den So­zi­al­kon­trol­le des hei­mi­schen Ha­bi­tats so­wie der Nicht-All­täg­lich­keit der tem­po­rä­ren Le­bens­füh­rung – deut­lich stär­ker aus­ge­prägt ist.

Als il­lu­strie­ren­des Bei­spiel mö­ge die ex­zes­si­ve Son­nen­licht-Ex­po­si­ti­on der ei­ge­nen Schwar­te die­nen, die ja nach­ge­wie­se­ner­ma­ßen nicht nur zur Be­wun­de­rung durch Art­ge­nos­sen, son­dern auch zum (durch­aus we­ni­ger an­ge­neh­men) Haut­krebs füh­ren kann. Da die mög­li­chen ge­sund­heit­li­chen Nach­tei­le des Son­nen­ba­dens seit lan­gem be­kannt sind, be­mü­hen sich die Men­schen in ih­rem hei­mi­schen Um­feld ge­mein­hin um »scho­nen­des« Gril­len:

Beim Sonnenbad: schlafende Frau und wacher Hund

Tou­ri­sten hin­ge­gen las­sen nicht sel­ten al­le Ra­tio in der Hei­mat zu­rück. Na­ment­lich die bri­ti­schen Pau­schal-Rei­sen­den nei­gen da­zu, am er­sten Tag ih­res Ur­laubs­auf­ent­halts kä­se­weiß bis krei­de­bleich zum Früh­stücks­b­ufett zu er­schei­nen, am zwei­ten Mor­gen je­doch be­reits in leuch­ten­dem Feu­er­rot nach Art frisch ge­koch­ter Hum­mer. Mög­li­cher­wei­se sind sie der Auf­fas­sung, daß Ver­bren­nun­gen zwei­ten Gra­des ein ge­rin­ger Preis für die ver­lockend er­schei­nen­de Aus­sicht sind, in ih­ren zwei Wo­chen auf der klei­nen In­sel mehr Son­ne »tan­ken« zu kön­nen als den Rest des Jah­res über da­heim auf dem gro­ßen Ei­land mit sei­ner sprich­wört­lich ne­bu­lö­sen Wit­te­rung...

Schwie­ri­ger noch als das Ein­hal­ten ei­ner to­lar­a­blen Be­strah­lungs­do­sis ist das Fin­den ei­ner kom­mu­ni­ka­ti­ven Ba­sis mit dem mit­rei­sen­den Part­ner. Nicht we­ni­ge Paa­re se­hen sich im lang er­sehn­ten Ur­laub mit der un­ver­hofft auf­tre­ten­den Si­tua­ti­on kon­fron­tiert, mehr als die werk­täg­lich üb­li­chen paar Mi­nu­ten mit­ein­an­der re­den zu kön­nen (oder gar zu müs­sen). Kein Wun­der, das ei­nem da mit­un­ter die Wor­te feh­len:

distanziertes Paar in der Bucht von Xlendi (Gozo)

Na, im­mer­hin ist das Hand­tuch zwi­schen den bei­den hier im Bild noch nicht zer­ris­sen. Fei­ner her­aus sind da je­ne, die Mal­ta oh­ne­hin nur an­steu­ern, um non-stop Par­ty zu fei­ern. Wer sol­ches tut, braucht sich im don­nern­den Ge­stamp­fe mehr oder we­ni­ger mu­si­ka­li­scher Rhyth­men oh­ne­hin nicht ver­bal zu äu­ßern, es ver­stün­de ihn eh kei­ner. Die zur hel­len Ta­ges­zeit da­von sicht­ba­ren Spu­ren im für der­lei Ex­zes­se zu­stän­di­gen Ort St. Julian’s ha­ben dem Be­richt­erstat­ter schon von fer­ne ge­zeigt, daß das sei­ne Welt nicht ist, wes­halb er sich da­zu auch nicht wei­ter aus­las­sen kann und mag.

Doch sche­ren wir uns nicht wei­ter um die zwi­schen­mensch­li­chen Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen ei­nes mit ho­hem Er­war­tungs­druck an­ge­tre­te­nen Er­ho­lungs­ur­laubs (!), wen­den wir uns viel­mehr wie­der der Be­trach­tung der mal­te­si­schen Be­völ­ke­rung zu. Hier be­trach­tet ih­rer­seits ei­ne männ­li­che Aus­wahl der­sel­ben die po­li­zei­amt­li­chen Kon­se­quen­zen ei­nes klei­ne­ren Ver­kehrs­un­falls mit min­de­ren Blech­schä­den:

Drei müßiggängerische Kibitze

Tja, den ge­mei­nen Mal­te­ken bringt so schnell nichts aus der Ru­he. Ist ja auch kein Wun­der bei der be­weg­ten Ge­schich­te: Wer so vie­le Be­sat­zer, Er­obe­rer, Re­gen­ten und Ver­wal­ter hat kom­men (und wie­der ge­hen) se­hen, der regt sich über Ba­ga­tel­len nicht mehr auf, son­dern freut sich al­len­falls über die klei­ne Ab­wechs­lung im an­son­sten un­spek­ta­ku­lä­ren Ta­ges­lauf.

Mög­li­cher­wei­se wirkt auch das Fi­schen und An­geln – ein auf In­seln aus na­he­lie­gen­den Grün­den weit­ver­brei­te­ter Zeit­ver­treib – be­ru­hi­gend auf das Ge­müt. Je­den­falls ge­ben die ru­ten­schwin­gen­den Män­ner rund um die Ha­fen­pro­me­na­den nicht nur pit­to­res­ke Gen­re-Mo­ti­ve, son­dern auch ein Bild der Ru­he ab:

Angler beim Angeln mit Angel

Wo­bei das mit der Ru­he so ei­ne Sa­che ist: Wie wir ja schon ge­hört ha­ben, han­tie­ren die männ­li­chen Mal­te­ken nicht nur mit der An­gel­ru­te her­um, son­dern auch ger­ne mit dem Schieß­ge­wehr, was der me­di­ta­ti­ven Kon­tem­pla­ti­on der Schüt­zen wo­mög­lich den Hö­he­punkt be­schert, dem arg­lo­sen Wan­de­rer in­des ei­nen jä­hen Schrecken.

Al­ler ka­tho­li­schen Fröm­mig­keit zum Trotz hat der Jagd­trieb der Mal­te­ken, der ab­so­lut nix mit tra­di­ti­ons­be­wuß­ter Wehr­haf­tig­keit zu tun hat (die Sing­vö­gel grei­fen die In­sel ja nicht an und feind­li­che Jagd­bom­ber wie­der­um wä­ren mit Blei­schrot schwer­lich zu be­ein­drucken), sei­nen Nie­der­schlag in der kol­lek­ti­ven Iko­no­gra­phie ge­fun­den. Hier sieht man ein­deu­tig, wo­her der Wind weht:

Wetterhahn bzw. Windfahne in Form eines Ballermanns

Ei­ne Fas­zi­na­ti­on für das Schie­ßen, ins­be­son­de­re mit weit grö­ße­ren Ka­li­bern, ist auch den bri­ti­schen Be­su­chern zu ei­gen (den männ­li­chen, ver­steht sich). Ger­ne be­su­chen sie da­her in Mann­schafts­stär­ke die Re­lik­te der krie­ge­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen in, auf und um Mal­ta. Der Chro­nist hat ei­nem fan­ta­sie­be­gab­ten Hob­by-Hi­sto­ri­ker die fi­xe Idee aus­re­den müs­sen, wo­nach es sich bei di­ver­sen auf­ge­ge­ben Ba­de­becken am Fel­sen­strand um Ge­schütz­stel­lun­gen (»gun em­pla­ce­ments«) aus dem zwei­ten Welt­krieg ge­han­delt ha­be. Die Ex­zen­tri­zi­tät der Eng­län­der mag auch beim Mi­li­tär die ei­ne oder an­de­re Ent­spre­chung ge­fun­den ha­ben, aber auch die Ka­no­nie­re Ih­rer Ma­je­stät schos­sen und schie­ßen ger­ne mit trocke­nen Fü­ßen und un­be­hel­ligt von Eb­be und Flut!

Ein im­mer­hin nett an­zu­schau­en­des Re­likt des mi­li­tä­ri­schen Er­bes aus der Ko­lo­ni­al­zeit ist die Wa­che vor dem Groß­mei­ster­pa­last in Val­let­ta. Schnei­di­ge Kerls in fe­schen Uni­for­men knal­len mit ih­ren ei­sen­be­schla­ge­nen Tre­tern auf den Bo­den, fuch­teln ri­tua­li­siert mit ih­ren sei­ten­ge­wehr­be­stück­ten Ka­ra­bi­nern her­um und wer­den an­schlie­ßend in ih­ren win­zi­gen Schil­der­häus­chen von den Tou­ri­sten – zone­batt­ler in­klu­si­ve – als Ku­rio­si­tät ab­ge­lich­tet:

Wachhabender beim Wachen im Wachhäuschen

Mei­ner ei­ner hat mit Männ­lich­keits­ri­tua­len und Im­po­nier­ge­ha­be we­nig am Hut, aber ich bin ja auch nur ein ol­ler zone­batt­ler und kein gan­zer Kerl.

Doch auch die Ker­le wa­ren mal Kin­der, und de­nen wol­len wir uns heu­te ab­schlie­ßend zu­wen­den. Auf den er­sten Blick schau­en die Jungs und Mä­dels auf Mal­ta ge­nau­so aus wie der früh­rei­fe Nach­wuchs al­ler­or­ten, man trifft sich drau­ßen, fin­det sich und sei­ne Freun­de cool und die an­de­ren doof (und vice ver­sa).

Knaben unter sich

Ein be­mer­kens­wer­ter Un­ter­schied zur hei­mi­schen Ju­gend ist uns al­ler­dings auf­ge­fal­len: Die Er­zie­hung zum so­zia­len We­sen scheint auf Mal­ta noch be­stens zu funk­tio­nie­ren! Jun­ge Leu­te ste­hen, ja sprin­gen un­auf­ge­for­dert in den rap­pel­vol­len Bus­sen auf, wenn äl­te­re Men­schen zu­stei­gen und ei­nen Sitz­platz ge­brau­chen könn­ten. Steht man als Aus­wär­ti­ger rat­los mit Land­kar­te oder Stadt­plan in der Hand am We­ges­rand her­um, kriegt man von alt und jung so­gleich Ori­en­tie­rungs­hil­fe an­ge­bo­ten. Ob das nun mit der star­ken Ver­wur­ze­lung im Chri­sten­tum rö­mi­scher Prä­gung zu tun hat, sei da­hin­ge­stellt. In je­dem Fall sind Höf­lich­keit und ge­gen­sei­ti­ge Rück­sicht­nah­me es­sen­ti­el­le so­zia­le Schmier­stof­fe in dicht­be­völ­ker­ten Le­bens­räu­men, und daß der­lei Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten an­dern­orts kei­ne mehr sind, ist mehr als nur scha­de.

Ins nä­he­re Ge­spräch sind wir mit Ju­gend­li­chen nicht ge­kom­men, was hät­ten wir ih­nen auch er­zäh­len kön­nen? Es war aber of­fen­sicht­lich, daß es ih­nen trotz der pe­ri­phe­ren In­sel­la­ge an nichts fehlt, was ih­re Al­ters­ge­nos­sen auf dem Fest­land für selbst­ver­ständ­lich hal­ten. Auch das In­ter­net wird sei­nen Teil da­zu bei­tra­gen, daß Iso­la­ti­ons­ge­füh­le gar nicht erst auf­kom­men. Zu kau­fen gibt es heut­zu­ta­ge so­wie­so al­les über­all. Üb­ri­gens muß man­cher­lei Spiel­zeug, wel­ches im Für­ther Um­land er­dacht wor­den ist, noch nicht ein­mal im­por­tiert wer­den: Sämt­li­che Play­mo­bil-Fi­gu­ren et­wa er­blicken schon lan­ge nicht mehr in Zirn­dorf das Licht der Welt, son­dern mit­ten in Mal­ta! Das gilt auch für die in der Für­ther Fuß­gän­ger­zo­ne ver­kauf­ten Ex­em­pla­re, wie de­ren Schach­tel­auf­drucke be­wei­sen...

noch eine Rotte junger Freunde

Das Zeit­fen­ster für die spie­le­ri­sche Be­schäf­ti­gung mit Pla­stik-Männ­chen scheint in­des im­mer kür­zer zu wer­den: Kaum muß man nicht mehr be­fürch­ten, daß das Klein­kind die Din­ger ver­schluckt, da ist es auch schon fast in der Pu­ber­tät an­ge­langt und be­ginnt sich für rich­ti­ge Männ­chen (oder Weib­chen) zu in­ter­es­sie­ren. Das ist auf Mal­ta nicht an­ders als in Deutsch­land und den an­de­ren west­li­chen Län­dern.

Wir sind nun auch an­ge­langt, und zwar am En­de der heu­ti­gen Fol­ge. Dem­nächst gibt es ei­ne wei­te­re mit neu­en fo­to­gra­fi­schen Im­pres­sio­nen aus dem klei­nen In­sel­staat zwi­schen Eu­ro­pa und Afri­ka.

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Sonntag, 10. Juni 2012

Die Ver­kehrs­in­sel (5)

An­sichts­kar­ten­wür­di­ge Auf­nah­men an der Kitsch­gren­ze ent­lang ha­be ich in der vor­her­ge­hen­den Fol­ge für dies­mal ver­spro­chen, und so ha­be ich mich hin­ge­setzt und ei­ne Aus­wahl Fo­tos her­aus­ge­sucht, in de­nen das Blau am blau­e­sten ist! Frü­her hat­te man für so­was ei­nen für sei­ne sat­ten Far­ben be­kann­ten Fu­ji Vel­via Dial­film mit 50 ASA in der Ka­me­ra, im di­gi­ta­len Hier und Jetzt greift mei­ner ei­ner gern auf die I2E-Op­ti­mie­rung von Fix­Fo­to zu­rück, um die drau­ßen im pral­len Le­ben vor­han­de­ne Farb­in­ten­si­tät noch ein we­nig zu be­to­nen. Fan­gen wir mal an mit ei­nem Blick über die Klip­pen auf das ma­re nostrum hin­aus:

Des zonebattler's bessere Hälfte beim Blick über das weite Meer

Ja, da kann man schon den Blues krie­gen. Nicht min­der satt ist üb­ri­gens das Grün der üp­pi­gen Ve­ge­ta­ti­on, was den Früh­ling ganz klar zur be­sten Be­suchs­zeit macht: Im Som­mer ist es auf Mal­ta viel zu heiß, um sich auf aus­ge­dehn­te Wan­de­run­gen zu be­ge­ben; im Herbst wer­den die Tem­pe­ra­tu­ren zwar wie­der er­trägl­li­cher, aber dann ist von der fri­schen Flo­ra des Früh­lings nichts mehr zu se­hen und die Land­schaft ist so trocken und so gelb­grau wie die stei­ner­nen Städ­te.

Und weil wir da­mit schon wie­der den Bo­gen zu­rück in die Stadt ge­schla­gen ha­ben, schau­en wir uns bei be­stem Wan­der­wet­ter ei­nen Aus­schnitt aus den rund um Val­let­ta all­ge­gen­wär­ti­gen Fe­stungs­an­la­gen an:

Festungsmauer bei Valletta

Ku­rio­ser­wei­se ha­ben uns die Fe­stun­gen und Ba­stio­nen im­mer wie­der an die gleich­falls von ita­lie­ni­schen Bau­mei­stern er­rich­te­te Stadt­mau­er von Forch­heim (Ober­fr) er­in­nert, im deut­lich grö­ße­ren Maß­stab, ver­steht sich. Aber das Prin­zip der Ver­tei­di­gungs­wäl­le mit stern­för­mig ge­zack­ten Vor­sprün­gen, Rück­sprün­gen, Wach­türm­chen etc. ist hier wie da das glei­che. Der im­mense Auf­wand, der hier in frü­he­ren Epo­chen be­trie­ben wur­de, legt ein be­red­tes Zeug­nis ab von der stra­te­gi­schen Wich­tig­keit Mal­tas über Jahr­hun­der­te hin­weg.

Doch ver­las­sen wir die trut­zi­gen Re­lik­te krie­ge­ri­scher Zei­ten und wen­den wir uns wie­der der fried­li­chen Ge­gen­wart zu. Im im­mer noch recht idyl­li­schen Fi­scher­ort Mar­sax­l­okk (das »x« wird zi­schend wie »sch« aus­ge­spro­chen) sind die bun­ten Boo­te der Fi­scher am frü­hen Nach­mit­tag schon längst wie­der ein­ge­lau­fen und im Ha­fen ver­täut:

Der Hafen von Marsaxlokk

Der dem Ver­zehr von Mee­res­früch­ten ge­mein­hin nicht zu­ge­neig­te Chro­nist hat sich den lo­ka­len Ge­ge­ben­hei­ten an­ge­paßt und di­rekt an der Mo­le in ei­nem der zahl­rei­chen Re­stau­rants ei­nen Fisch­tel­ler ver­speist (oh­ne den Tel­ler na­tür­lich) und fand die drei ver­schie­de­nen Fi­lets tat­säch­lich gar nicht mal so übel. Den Ver­zehr ten­ta­kel­be­haf­te­ter Kopf­füß­ler in­des lehnt er wei­ter­hin strin­gent ab, da­für mag er die in­tel­li­gen­ten und ver­spiel­ten Kra­ken und Tin­ten­fi­sche viel zu sehr lei­den. Freun­de ißt man nicht.

Zwei Ta­ge spä­ter ka­men wir er­neut nach Mar­sax­l­okk, wel­ches dies­mal den End­punkt ei­ner in Mar­saska­la be­gin­nen­den Wan­de­rung dar­stell­te. Un­ter­wegs ka­men wir an gran­dio­sen Klip­pen vor­bei, die den be­kann­ten Krei­de­fel­sen auf Rü­gen nicht ganz un­ähn­lich se­hen:

Klippen bei Marsaskala am Ostzipfel Maltas

Klei­ner Ein­schub: Im Ver­gleich zu un­se­rem letz­ten In­sel-Ur­laub auf La Pal­ma wa­ren die Wan­de­run­gen auf Mal­ta ins­ge­samt we­ni­ger schlau­chend (schon auf­grund der deut­lich ge­rin­ge­ren Hö­hen­un­ter­schie­de und der Ab­we­sen­heit von un­ter dem Fuß weg­rut­schen­der Vul­kan­asche), we­ni­ger zi­vi­li­sa­ti­ons­fern und da­mit un­ter dem Strich ab­wechs­lungs­rei­cher. So ver­wun­dert es we­nig, daß ich aus 2,5 Wo­chen auf Mal­ta dop­pelt so­vie­le Fo­tos heim­ge­bracht ha­be als von drei Wo­chen auf La Pal­ma...

In Mar­sax­l­okk an­ge­kom­men, zeig­te sich der Him­mel dies­mal nicht mehr so die­sig wie am Vor­vor­ta­ge, als das wei­ter oben ge­zeig­te Fo­to vom Boots­ge­wim­mel im Ha­fen­becken ent­stan­den war. Dies­mal war das sat­te Blau des Him­mels kaum noch zu stei­gern, und so er­gab sich end­lich die Ge­le­gen­heit, das ty­pi­sche Rei­se­füh­rer­mo­tiv schlecht­hin ein­zu­fan­gen und fest­zu­hal­ten:

traditionelles Fischerboot mit dem Horusauge

Ja, so ein pop­pi­ges Luz­zu macht schon was her, erst recht, wenn sein be­schüt­zen­des Ho­rusau­ge so sorg­fäl­tig be­malt ist wie an dem ge­zeig­ten Ex­em­plar! Ein­mal mehr war der zone­batt­ler froh, sich für Per­spek­ti­ven wie die­se dank des Schwenk­dis­plays sei­ner Ka­me­ra nicht zu aben­teu­er­li­chen akro­ba­ti­schen Ver­ren­kun­gen her­ab­las­sen zu müs­sen...

Kaum we­ni­ger pit­to­resk als die bun­ten Boo­te sind die elek­tri­schen In­stal­la­tio­nen auf Mal­ta, de­ren ober­ir­di­sche Lei­tungs­füh­rung eher prag­ma­ti­schen Er­wä­gun­gen zu fol­gen scheint als den deut­schen Si­cher­heits­vor­schrif­ten und den an­er­kann­ten Re­geln der Tech­nik: Wo ein­mal ein Ka­bel ge­spannt wor­den ist, kommt hier noch eins da­zu und da noch eins dran, und ob das al­les so wit­te­rungs­fest und auf Dau­er un­ge­fähr­lich ist wie es sein soll­te und müß­te, ist doch mehr als frag­lich. Egal, des Fo­to­gra­fen Au­ge er­freut das Spiel von Licht und Schat­ten je­den­falls:

Stromleitungen und Anzapfungen an einer Hausecke

Bei sol­chen und ähn­li­chen An­blicken (die Ab­was­ser­rohr­füh­run­gen an den Au­ßen­wän­den mu­ten mit­un­ter ähn­lich aben­teu­er­lich an) fra­ge ich mich zu­wei­len, ob die Süd­län­der nun zu lax oder wir Nord­län­der nur zu pe­ni­bel sind in der Be­ur­tei­lung und Hand­ha­bung in­fra­struk­tu­rel­ler An­ge­le­gen­hei­ten. Viel mehr Un­fäl­le als bei uns scheint es an­dern­orts ja auch nicht zu ge­ben, was durch­aus ge­gen ei­ne über­mä­ßi­ge Re­gle­men­tie­rung sprä­che. An­de­rer­seits muß das aus­häu­sig an­ge­brach­te Ma­te­ri­al in un­se­ren Brei­ten ge­mein­hin mehr aus­hal­ten, schließ­lich sind die Tem­pe­ra­tur­schwan­kun­gen übers Jahr ge­se­hen grö­ßer. Wie dem auch sei, von Strom­un­fäl­len oder plötz­li­chen Was­ser­ein­brü­chen sind wir wäh­rend un­se­res Ur­laubs ver­schont ge­blie­ben...

So, nach­dem ich heu­te den blau­en Farb­topf auf­ge­macht ha­be, darf ein Schön­wet­ter­blick auf den Ha­fen von Val­let­ta von der Fe­stung ge­gen­über na­tür­lich nicht feh­len:

Wachturm am Grand Harbour von Valletta

Er­staun­lich üb­ri­gens, das man selbst an viel­ge­knip­sten und sehr be­lieb­ten Tou­ri­sten-High­lights wie die­sem Wach­türm­chen sel­ten ein Pro­blem da­mit hat, »men­schen­lee­re« An­sich­ten ab­zu­lich­ten: Die Men­ge ver­läuft sich (wohl auch in des Wor­tes mehr­fa­cher Be­deu­tung) in den Stra­ßen und Gas­sen, man fin­det we­ni­ge Schrit­te ab­seits der Zen­tren schnell in ru­hi­ge und be­schau­li­che Ecken...

Ein ab­schlie­ßen­der Sprung quer über die In­sel in den Nord­we­sten führt uns zu ei­nem präch­tig re­stau­rier­ten al­ten Pa­last, den ich hier gleich­falls vor des Him­mels tief­ster Bläue prä­sen­tie­ren möch­te:

Selmun Palace unweit der Stadt Mellieha

Dank ge­schick­ter Stand­ort­wahl des Fo­to­gra­fen ver­deckt der al­te Klotz in der Nä­he der Stadt Mel­lieħa das weit we­ni­ger schö­ne Lu­xus­ho­tel da­hin­ter, mit des­sen Lu­xus es aus­weis­lich di­ver­ser Be­wer­tungs­po­ra­le aber auch nicht mehr weit her sein soll. Nicht im­mer hal­ten die Zu­stän­de im In­ne­ren, was die Fas­sa­den ver­spre­chen, aber das ist ja nicht nur auf Mal­ta so.

Auch des zonebattler’s Ein­las­sun­gen ent­spre­chen nicht im­mer den selbst­auf­er­leg­ten Stan­dards, das krampf­haf­te Ent­lang­han­geln an der Far­be von Him­mel und Was­ser war ver­mut­lich nicht der Weis­heit letz­ter Schluß für ei­nen ei­ni­ger­ma­ßen le­ser­li­chen Rei­se­be­richt, aber ich trö­ste mich mit dem Ge­dan­ken, daß die mei­sten mei­ner ge­schätz­ten Le­se­rIn­nen oh­ne­hin lie­ber bun­te Bild­chen an­schau­en als el­len­lan­ge Tex­te am Bild­schirm stu­die­ren. Den­noch will ich na­tür­lich auch die wirk­lich Wiß­be­gie­ri­gen nicht ver­prel­len und ver­spre­che hier­mit leicht­hin, mich in der näch­sten Fol­ge wie­der et­was zu­sam­men­zu­rei­ßen und ge­halt­vol­le­re Sen­ten­zen ab­zu­son­dern.

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Sonntag, 3. Juni 2012

Die Ver­kehrs­in­sel (4)

Ge­mein­hin sind wir im Ur­laub weit­ge­hend aut­ar­ke Selbst­ver­sor­ger, die früh­mor­gend­li­che Be­geg­nun­gen mit Ha­se und Igel sol­chen mit Hinz und Kunz vor­zie­hen. Den­noch hat­ten wir dies­mal das grup­pen­dy­na­mi­sche Ex­pe­ri­ment ge­wagt, ei­nen mehr­wö­chi­gen Ho­tel­auf­ent­halt mit Teil­nah­me am Früh­stücks-Buf­fet im haus­ei­ge­nen Re­stau­rant zu bu­chen. Und in­ter­es­sant ge­riet es al­le­mal: Das an bri­ti­schen Ge­schmacks­prä­fe­ren­zen ori­en­tier­te Nah­rungs­an­ge­bot war durch­aus ge­nieß­bar, wenn­gleich et­was arm an Ab­wechs­lung. Wir pepp­ten uns den Start in den Tag ge­le­gent­lich mit selbst mit­ge­brach­ten To­ma­ten auf, denn au­ßer ein paar ge­häck­sel­ten Blätt­chen gab es nichts, was an Sa­lat er­in­nert hät­te. Aber gut, man kann sich auch von Mues­li, Toast­broat mit Schei­ben­kä­se und/oder Mar­me­la­de so­wie Spie­gelei (sun­ny si­de up) er­näh­ren. Ei­ne Zeit­lang je­den­falls...

Als ei­ne ku­li­na­ri­sche Of­fen­ba­rung er­sten Ran­ges ent­pupp­ten sich hin­ge­gen die lo­ka­len Back­wa­ren, zum Ex­em­pel die knusp­rig-war­men Blät­ter­teig­ta­schen mit Fül­lun­gen aus Schafs­kä­se oder Erb­sen­pü­ree (letz­te­res ge­würzt mit Kreuz­küm­mel). Auch die sü­ßen Ver­su­chun­gen auf Mal­ta sind von ex­qui­si­tem Ge­schmack und wur­den vom für der­lei Gau­men­freu­den stets emp­fäng­li­chen zone­batt­ler ger­ne ver­stoff­wech­selt. Sein Fa­vo­rit wa­ren die aus dem na­hen Si­zi­li­en in den mal­te­si­schen Kü­chen-Ka­non über­nom­me­nen Can­no­li:

Auf Gozo gesehene (und anschließend vertilgte) Cannoli Siciliani

Glück­li­cher­wei­se fan­den das zu­min­dest men­gen­mä­ßig üp­pi­ge Früh­stück und die am­bu­lan­te Spe­ze­rei­en-Ver­ko­stung un­ter­wegs ih­ren Aus­gleich in re­ger kör­per­li­cher Be­tä­ti­gung, sonst wä­re der Ver­fas­ser die­ser Zei­len um ei­ni­ges schwe­rer heim­ge­kom­men, als er zur Rei­se auf­ge­bro­chen war. Aber zu un­se­rer Er­leich­te­rung (sic!) ha­ben die aus­ge­dehn­ten Wan­de­run­gen die er­höh­te Ka­lo­rien­zu­fuhr aus­ge­gli­chen, und mei­ner ei­ner kann jetzt bei kon­stant ge­blie­be­nem Dienst­ge­wicht von vie­ler­lei gau­men­kitz­le­ri­schen Er­in­ne­run­gen zeh­ren...

Aber na­tür­lich auch von bild­li­chen sol­chen, die sich in mei­ne Netz­haut und we­ni­ge Au­gen­blicke spä­ter in den Sen­sor mei­ner Ka­me­ra ein­ge­brannt ha­ben! Dar­um klap­pen wir nach all dem spei­chel­fluß­för­dern­den Ge­re­de ums Ge­fut­te­re jetzt end­lich das bun­te Bil­der­al­bum auf und blät­tern ein we­nig dar­in her­um. Was hier hin­ter der früh­lings­fro­hen Fau­na hin­ter ei­nem Mäu­er­chen her­vor­lugt, ist die Kup­pel­kir­che von Mġarr:

Die Pfarrkirche Sta. Maria aus großer Entfernung

In ei­ner be­schau­li­chen 3000-See­len-Ge­mein­de im Nord­we­sten Mal­tas steht al­so ei­ne der größ­ten Kup­pel­kir­chen der Welt! Doch das ver­wun­dert hier nie­man­den, denn es gibt hier noch mehr Got­tes­häu­ser von bom­ba­sti­schen Aus­ma­ßen. Tat­säch­lich sind die zahl­rei­chen Sa­kral­bau­ten wich­ti­ge Land­mar­ken, und so fin­den auf Mal­ta be­son­de­re Ver­kehrs­schil­der Ver­wen­dung, die den des We­ges kom­men­den Pil­ger auf die weit­hin sicht­ba­ren, hei­li­gen Hal­len hin­wei­sen:

Wir nähern uns Mġarr auf staubigen Pfaden...

Je nä­her wir dem Dor­fe ka­men, de­sto gi­gan­ti­scher er­schien uns die Kir­che. Al­le paar Me­ter blieb ich ste­hen, um stau­nend auf den Aus­lö­ser zu drücken und in Bits und Bytes fest­zu­hal­ten, was ei­nem in die­ser Form und Grö­ße da­heim in Deutsch­land nicht be­geg­net, selbst in den tief­ka­tho­lisch­sten Ecken Bay­erns nicht:

Und noch einmal: die Kuppelkirche Sta. Maria in Mġarr

Üb­ri­gens ist je­nes pom­pö­se Got­tes­haus nicht an­nä­hernd so alt, wie man viel­leicht mei­nen könn­te: Im Jah­re des Herrn 1912 be­gon­nen, wur­de die Kir­che erst nach dem 2. Welt­krieg fer­tig­ge­stellt. Auch heu­te noch wä­re die Spen­dier­freu­dig­keit der lo­ka­len Chri­sten­heit ka­tho­li­scher Ge­schmacks­rich­tung wo­mög­lich zur Fi­nan­zie­rung ver­gleich­ba­rer Pro­jek­te in der La­ge, al­lein wo­zu? Es gibt ja kei­nen Ort und kei­ne Sied­lung auf Mal­ta, die nicht schon über (min­de­stens) ei­ne Kir­che ver­füg­ten...

Im In­ne­ren des Mġarr’schen Ex­em­pla­res ha­ben wir uns na­tür­lich auch um­ge­se­hen, die Ka­me­ra ha­be ich dort in­des nicht ge­zückt, ich weiß gar nicht mehr so recht, war­um. Ver­mut­lich weil mich die Ein­rich­tung nicht so sehr be­ein­druckt hat wie je­ne der er­heb­lich äl­te­ren St. Ma­ry of Je­sus Church in Ra­bat mit ih­ren in­ten­si­ven Far­ben:

Im Inneren der St. Mary of Jesus Church in Rabat

So­gar des zonebattler’s bes­se­re Hälf­te, die auf Rei­sen ty­pi­scher­wei­se kaum ei­ne Kir­che aus­läßt, war dies­mal ob der schie­ren Zahl christ­li­cher Kult­stät­ten des Be­sich­ti­gens ir­gend­wann über­drüs­sig. Aber es bot sich kul­tur­hi­sto­risch be­deut­sa­mer Er­satz an in Form der me­ga­li­thi­schen Tem­pel aus der spä­ten Jung­stein­zeit. In Tar­xien gibt es bei­spiels­wei­se ei­ne ko­los­sa­le Da­me oh­ne Ober­leib zu be­wun­dern, die »Ma­gna Ma­ter«:

»Magna Mater« in der Tempelanlage von Tarxien

Der Schluß liegt na­he, daß das weib­li­che Ide­al­bild von vor gut 6000 Jah­ren ein eher üp­pi­ges war. Scha­de, daß der Rest des Tor­sos im Lau­fe der Ge­schich­te ver­lo­ren ge­gan­gen ist!

Nur ein paar Me­ter von der dicken Ma­ma ent­fernt steht die­ser höchst be­mer­kens­wer­te Plat­ten­bau (den auch die Rück­sei­ten al­ler mal­te­si­schen Kup­fer­mün­zen in sti­li­sier­ter Form zei­gen):

jungsteinzeitliche Architektur in der Tempelanlage von Tarxien

Die ver­wen­de­ten Stein­qua­der und ‑plat­ten stam­men (was man ja heut­zu­ta­ge mit wis­sen­schaft­li­chen Me­tho­den zwei­fels­frei er­mit­teln kann) nicht aus Stein­brü­chen der nä­he­ren Um­ge­bung, sind al­so an­ders­wo (oh­ne Me­tall­werk­zeu­ge!) be­hau­en und dann über gro­ße Di­stanz zum »Bau­platz« ge­schafft wor­den. Oh­ne Krä­ne und Tief­la­der, ver­steht sich, si­cher auch oh­ne Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren, EU-wei­ter Auschrei­bung, Ar­chi­tek­ten­wett­be­werb, Un­fall­ver­hü­tungs­ein­wei­sung und Ein­hal­tung ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­ner Ar­beits­schutz­pau­sen, was die Sa­che (und die nach­ge­wie­se­ne Halt­bar­keit des Re­sul­tats) noch er­staun­li­cher macht...

Der Tag neigt sich nun­mehr sei­nem En­de zu, dem Au­tor ver­schwim­men die vie­len Bil­der lang­sam vor Au­gen und sein Geist wird trä­ge. Wir schau­en da­her in der rasch ein­set­zen­den Däm­me­rung noch ver­son­nen ei­nem Seg­ler nach, be­vor wir un­se­rer­seits für heu­te die Se­gel strei­chen:

Segelboot vor St. Julian's im letzten Sonnenlicht

So ger­ne ich pit­to­res­ke Was­ser­fahr­zeu­ge ab­lich­te, ich selbst ha­be lie­ber fe­sten Bo­den un­ter den Fü­ßen, um bei kla­rem Kop­fe zu blei­ben und mei­ne Ka­me­ra ru­hig hal­ten zu kön­nen. Zu­min­dest letz­te­res ist mir über­wie­gend ge­lun­gen: In der näch­sten Fol­ge geht es in Kür­ze wei­ter mit knall­bun­ten und knack­schar­fen Bil­dern hart an der Kitsch­kan­te ent­lang.

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Montag, 28. Mai 2012

Die Ver­kehrs­in­sel (3)

So, heu­te nun nimmt sich der Chro­nist end­lich den ÖPNV auf Mal­ta vor, der nicht oh­ne Grund zum Na­mens­stif­ter sei­ner dies­jäh­ri­gen Rei­se­be­richt­erstat­tung wur­de.

Frü­her – al­so ich mei­ne ganz frü­her – muß­te ja je­der selbst schau­en, wo er bleibt (und wie er bei Be­darf wo­an­ders hin­kommt). Erst in der (re­la­ti­ven) Neu­zeit kam die Idee des öf­fent­li­chen Per­so­nen­trans­ports auf. An­ge­fan­gen hat die Lohn­kut­sche­rei der­ma­l­einst wohl mit 1 PS, und noch heu­te kann man sich von ei­nem gleich­mü­tig kau­en­dem Gaul bei­spiels­wei­se durch Val­let­ta zie­hen las­sen:

Ein Einspänner in Valletta

Die lie­be­voll re­stau­rier­ten und be­stens ge­pfleg­ten Ein­spän­ner die­nen heut­zu­ta­ge na­tür­lich pri­mär der am­bu­lan­ten Tou­ri­sten-Ver­schau­ke­lung, doch auch die­se schei­nen nicht mehr so stark dar­auf an­zu­spre­chen wie ehe­dem: Un­ser­eins hat je­den­falls auf Mal­ta mehr war­ten­de als tra­ben­de Pfer­de­fü­ße ge­se­hen.

Zeit­gleich zur auf­kom­men­den Mo­to­ri­sie­rung zu Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts wur­de der Om­ni­bus (lat.: »für al­le«) er­fun­den, und auf dem klei­nen In­sel­staat ver­mehr­ten sich die prak­ti­schen Groß­raum­fahr­zeu­ge ganz au­ßer­o­dent­lich schnell, wo­mög­lich in­fol­ge des mil­den Mee­res­kli­mas. Bis vor knapp ei­nem Jahr tucker­ten leuch­tend gelb-oran­ge-weiß be­mal­te Bus­se äl­te­rer Jahr­gän­ge und Bau­jah­re in gro­ßer Zahl quer durch Mal­ta, und wenn man den Er­zäh­lun­gen der Ein­hei­mi­schen Glau­ben schenkt, dann hat das be­stens funk­tio­niert: Die Bus­se ge­hör­ten näm­lich Klein­un­ter­neh­mern, die selbst am Steu­er sa­ßen und für die ste­te In­stand­hal­tung ih­res rol­len­den Ka­pi­tals aus vi­ta­lem Ei­gen­in­ter­es­se Sor­ge tru­gen. Den Fahr­plan konn­ten sie wohl schon da­mals nicht wirk­lich ein­hal­ten, aber im­mer­hin, ei­ne ge­wis­se Ver­läss­lich­keit und Re­gel­mä­ßig­keit schien al­le­mal ge­währ­lei­stet. Das frei­lich ist nun end­gül­tig Ver­gan­gen­heit, die stil- und cha­rak­ter­vol­len Fahr­zeu­ge sind heu­te ein sel­te­ner An­blick ge­wor­den, es kur­ven nur noch we­ni­ge die­ser Old­ti­mer als be­stens auf­po­lier­te Blick- und Kun­den­fän­ger pri­va­ter Tou­ren­an­bie­ter her­um:

traditioneller Bus auf Nostalgie-Trip

Die Ge­gen­wart ist un­gleich nüch­ter­ner, die Glo­ba­li­sie­rung hielt vor Jah­res­frist Ein­zug in Form der gro­ßen Fir­ma Ar­ri­va aus dem fer­nen Eng­land. Die­se ist heu­te ih­rer­seits ei­ne Toch­ter der Deut­schen Bahn, von ger­ma­ni­schen Stan­dards in Sa­chen Or­ga­ni­sa­ti­on und Pünkt­lich­keit (ja­wohl!) ist man hier je­doch noch Licht­jah­re ent­fernt.

Die Ur­sa­chen da­für sind si­cher­lich viel­fäl­ti­ger Na­tur, nicht we­ni­ge da­von lie­gen frei­lich of­fen­sicht­lich zu­ta­ge und be­dür­fen kei­ner für teu­er Geld ein­ge­kauf­ten Un­ter­neh­mens­be­ra­ter, um iden­ti­fi­ziert und an der Wur­zel ge­packt zu wer­den. Es geht im Grun­de schon mit den Fahr­zeu­gen los, die man ge­nau­so­gut in Lon­don hät­te ab­lich­ten kön­nen:

Ein Gelenk-Bus (Mercedes-Benz Citaro) am zentralen Busbahnhof von Valletta

Ne­ben die­sen enorm gro­ßen Ge­lenk-Bus­sen vom Typ Mer­ce­des-Benz Ci­ta­ro kom­men auf Mal­ta vor al­lem Fahr­zeu­ge des chi­ne­si­schen Her­stel­lers King Long zum Ein­satz. Die mo­der­nen Nie­der­flur­bus­se pas­sen mit ih­rer tür­ki­sen­en Lackie­rung und den sehr dun­kel ge­tön­ten Sei­ten­schei­ben nicht nur au­ra­tisch schlecht zum süd­län­disch-folk­lo­ri­sti­schen Flair der In­sel, son­dern vor al­lem kaum bis al­ler­knäpp­stens durch die en­gen Stra­ßen! Zeit­rau­ben­des Ran­gie­ren im Zen­ti­me­ter­be­reich, Hup­kon­zer­te und tem­po­rä­re Ver­kehrs­in­fark­te in den Stadt­zen­tren sind da­mit vor­pro­gram­miert und un­aus­weich­lich. Nicht im­mer ge­hen die Ma­nö­ver glimpf­lich aus, nach ge­ra­de ein­mal zehn Mo­na­ten Be­triebs­zeit zeigt man­cher Bus schon mehr Schram­men als an­de­re an­ders­wo nach Jah­ren. Auch au­ßer­halb der Ort­schaf­ten wer­den die Fahr­zeu­ge hart ran­ge­nom­men, wir ha­ben es im­mer wie­der er­lebt, daß die Fahr­wer­ke von un­ten ans Chas­sis krach­ten, weil die Fe­dern und die Stoß­dämp­fer über Ge­bühr (und über den An­schlag hin­aus) be­an­sprucht wur­den. Fesch und oh­ne Fehl und Ta­del ist hin­ge­gen die schmucke Uni­for­mie­rung der be­schlip­sten Fah­rer, auch wenn das kaum dar­über hin­weg­trö­sten kann, daß die teil­wei­se aus Eng­land im­por­tier­ten Män­ner hin­term Steu­er zu­wei­len we­der die Spra­che der Ein­hei­mi­schen ver­ste­hen noch die lo­ka­le To­po­gra­phie ver­in­ner­licht ha­ben...

Doch es sind nicht nur die Bus­se selbst und die Stra­ßen, die schlecht mit­ein­an­der zu har­mo­nie­ren schei­nen: Auch das or­ga­ni­sa­to­ri­sche Drum­her­um folgt höchst rät­sel­haf­ten Prin­zi­pi­en, um es mal freund­lich aus­zu­drücken. Da­bei sieht zu­nächst al­les ganz über­sicht­lich aus, wenn man sich ei­ner Bus­hal­te­stel­le nä­hert:

Bushaltestelle mit bunten Linien-Nummern

Al­le We­ge füh­ren von hier aus nach Val­let­ta, so­viel ist klar. Auch die Num­mern der Bus­li­ni­en sind deut­lich zu er­ken­nen, nur kor­re­lie­ren die dum­mer­wei­se nicht im­mer mit je­nen im Falt­blatt mit der Rou­ten­über­sicht. Hier ei­ne klei­ne Zu­sam­men­stel­lung un­se­rer im Wort­sin­ne ge­mach­ten Er­fah­run­gen wäh­rend des Be­ob­ach­tungs­zeit­raums von im­mer­hin 16 Ta­gen:

  • Die Rou­ten­dar­stel­lung im of­fi­zi­el­len und al­ler­or­ten ver­teil­ten Fly­er ist stark ver­bes­se­rungs­be­dürf­tig: End­hal­te­stel­len und Um­stei­ge­mög­lich­kei­ten sind nicht ein­deu­tig zu er­ken­nen, die re­al er­leb­te Strecken­füh­rung weicht teils gra­vie­rend von der Dar­stel­lung auf dem Pa­pier ab.

  • Man be­steigt froh­ge­mut und ziel­ge­rich­tet den Bus der Li­nie x, kommt aber ganz wo­an­ders hin, als man ge­plant hat­te, weil der Bus wäh­rend der Fahrt (und vom Fahr­gast un­be­merkt) zu ei­nem der Li­nie y kon­ver­tiert ist.

  • Bus­se hal­ten trotz Win­kens der War­ten­den nicht an ih­ren Soll-Hal­te­stel­len und fah­ren schnei­dig durch, da­für hal­ten ge­le­gent­lich an­de­re mit ei­gent­lich nicht vor­ge­se­he­ner Li­ni­en-Num­mer.

  • Es ver­keh­ren so­gar Bus­se, de­ren au­ßen an­ge­zeig­te Li­nie we­der im Über­sichts­plan ent­hal­ten noch an der Hal­te­stel­le an­ge­schrie­ben ist. Die­se »Gei­ster­bus­se« sind ziem­lich leer, wohl weil sich nie­mand so recht traut, sie zu be­stei­gen...

  • Bei no­mi­nel­lem 15-Mi­nu­ten-Takt steht man sich an ei­ner öden und stau­bi­gen Kreu­zung ei­ne knap­pe Stun­de lang die Bei­ne in den Bauch, dann kom­men drei lee­re Bus­se un­mit­tel­bar hin­ter­ein­an­der an­ge­fah­ren. Für ei­ne vor­her­ge­hen­de Ge­mein­schafts­pau­se des be­tei­lig­ten Fahr­per­so­nals gibt es in­des kei­ne be­last­ba­ren Be­le­ge.

  • So­gar auf Strecken mit ge­rin­ger Fre­quenz (1 Bus/Stunde) fal­len Bus­se oh­ne je­de Vor­war­nung aus, sie kom­men ein­fach nicht (und be­sche­ren den War­ten­den min­de­stens ei­ne wei­te­re Stun­de ge­mein­schaft­lich ban­gen Hof­fens).

  • Aus­hän­ge zur Be­kannt­ma­chung be­vor­ste­hen­der Plan­um­stel­lun­gen wer­den an den Hal­te­stel­len der­ge­stalt in die Rah­men mit den gül­ti­gen Ab­fahrts­ta­feln ge­steckt, daß die­se kom­plett ver­deckt wer­den.

  • Es darf grund­sätz­lich und auch bei gro­ßem Rei­sen­den­an­drang nur vorn beim Fah­rer ein­ge­stie­gen wer­den. Wenn ei­ne Rei­se­grup­pe zu­steigt (was an den ho­tel­ge­spick­ten Ufer­pro­me­na­den nicht eben sel­ten vor­kommt) und jede(r) erst sein/ihr Ticket lö­sen muß, sind fünf Mi­nu­ten weg wie nix...

  • Mög­li­cher­wei­se zum Aus­gleich wird da­für an re­gu­lä­ren Stopps mit­un­ter vor­bei­ge­fah­ren, selbst wenn Rei­sen­de per Knopf­druck ih­ren Aus­stei­ge­wunsch ein­deu­tig si­gna­li­siert ha­ben.

  • Die In­fo-Dis­plays im In­ne­ren zei­gen ge­le­gent­lich an was sie sol­len (die Rou­te und die näch­ste Hal­te­stel­le näm­lich), ger­ne aber auch fern­öst­li­che Hal­te­punk­te (De­mo-Mo­dus in den King Long-Bus­sen), kryp­ti­sche Feh­ler­mel­dun­gen aus den Tie­fen der Firm­ware (»Text(0x32 to 0xFF) Whe­re TTTT is ANSI Latin‑1«) oder son­sti­ge Sta­tus­mel­dun­gen von ge­rin­gem Nut­zen für die Pas­sa­gie­re.

Die ge­schil­der­ten (und kei­nes­wegs über­trie­ben dar­ge­stell­ten) »Ei­gen­hei­ten« füh­ren da­zu, daß die Bus­se fast nur von Tou­ri­sten und hei­mi­schen Ru­he­ständ­lern, kaum je­doch von der be­rufs­tä­ti­gen Be­völ­ke­rung fre­quen­tiert wer­den. Kein Wun­der, denn wer zu be­stimm­ten Zei­ten ir­gend­wo sein will oder muß, hat schlech­te Kar­ten, wenn er sich der Ar­ri­va an­ver­traut. Die scheint in­des auch oh­ne Be­rufs­pend­ler aus­kom­men zu kön­nen, die Bus­se sind auch so re­gel­mä­ßig prop­pen­voll bis heil­los über­füllt...

Informations-Display in einem Arriva-Bus

Für die Über­win­dung der doch eher über­schau­ba­ren Di­stan­zen ha­ben wir lei­der re­gel­mä­ßig sehr viel län­ger ge­braucht als er­war­tet und konn­ten da­her un­se­re ge­plan­ten Wan­de­run­gen im Land meist erst am spä­ten Vor­mit­tag an der da­für aus­er­wähl­ten Stel­le an­tre­ten. Doch al­len Wid­rig­kei­ten und an Hal­te­stel­len war­tend ver­pul­ver­ten Stun­den zum Trotz war der Bus un­ter dem Strich wohl die bes­se­re Wahl: Ein Miet­au­to mit un­ge­wohn­ter Rechts­len­kung hät­te dem Be­richt­erstat­ter im Ver­ein mit dem re­gen Ver­kehr und der ru­di­men­tä­ren Stra­ßen­be­schil­de­rung deut­lich mehr Streß be­rei­tet!

Zu lo­ben sind zu gu­ter Letzt die sehr über­sicht­li­chen Ta­ri­fe: Es gibt Ta­ges- und Wo­chen­kar­ten, mit ei­nem 7‑­Ta­ges-Ticket für EUR 12,00 wird man als Erwachsene(r) durch­aus preis­wert durch das Land chauf­fiert (Go­zo ko­stet ex­tra). Wen­den wir uns jetzt aber von der Stra­ße ab und dem Ver­kehr auf dem Was­ser zu. So ei­nen dicken Pott wie die­sen hier hat­te der zone­batt­ler noch nie zu­vor ge­se­hen:

großes Kreuzfahrtschiff im Hafen von Valletta

Ein Kreuz­fahrt­schiff ist sei­nem We­sen nach ei­ne schwim­men­de Rei­sen­den­be­spaßungs­an­la­ge: Der Pas­sa­gier soll un­ab­läs­sig un­ter­hal­ten sein und da­bei stil­voll von sei­nem Ta­schen­gel­de ge­trennt wer­den. Den­noch droht sich zwi­schen Schla­fen, Es­sen, Shop­pen, wie­der Es­sen, Spie­len, Kon­su­mie­ren, noch­mal Es­sen und dem Be­wun­dern des Son­nen­un­ter­gangs doch ir­gend­wann die Lan­ge­wei­le ein­zu­schlei­chen.

Da­mit es da­zu nicht kommt, wer­den re­gel­mä­ßig die Hä­fen pit­to­res­ker Städ­te an­ge­fah­ren und straff or­ga­ni­sier­te Land­gän­ge vor­ge­se­hen. Das wei­ße Traum­schiff legt al­so an, öff­net sei­ne Lu­ken und spuckt in Re­kord­zeit meh­re­re Tau­send Tran­sit-Tou­ri­sten aus, die nach Art ei­nes Heu­schrecken-Schwar­mes so­gleich sum­mend in Rich­tung In­nen­stadt da­von­schwir­ren.

die schwimmende Vergnügungsstadt aus der Nähe

Zacki­ge Führer(innen) tra­gen Feld­zei­chen in Form über­di­men­sio­na­ler Tisch­ten­nis­schlä­ger vor sich her, auf de­nen die Num­mer ih­res je­wei­li­gen Trup­pen­teils weit­hin sicht­bar auf­ge­malt ist. In dich­ter Tak­tung flu­ten die Di­vi­sio­nen durch die kurz vor­her noch ge­müt­lich da­hin­däm­mern­den Park- und Fe­stungs­an­la­gen. Des Be­ob­ach­ters Ohr wird mit ei­ner ba­by­lo­ni­schen Spra­chen­viel­falt be­auf­schlagt, in der die ein­stu­dier­ten Er­läu­te­run­gen vom Füh­rungs­per­so­nal rou­ti­niert ab­ge­spult wer­den. Par­al­lel da­zu wird von den Ein- und Durch­ge­schleu­sten fo­to­gra­fisch ab­ge­lich­tet, was im­mer vor die Lin­se kommt und sich nicht rasch ge­nug in Si­cher­heit brin­gen kann.

So schnell wie die Pla­ge ein­ge­fal­len ist, so schnell zieht sie an­schlie­ßend auch wei­ter zum näch­sten Point of In­te­rest. Ist ja kein Wun­der, die Zeit ist knapp und die Lo­gi­stik an­spruchs­voll. Punkt 17:00 Uhr tu­tet der schwim­men­de Frei­zeit­park aus al­len Hör­nern und mahnt zum Auf­bruch: Der Scharm macht kehrt und sucht sei­nen Weg zu­rück, es wu­selt die Gang­ways hin­auf und hin­ein an Bord, ex­akt ei­ne Stun­de spä­ter legt der Damp­fer ab und nimmt Kurs zum näch­sten In­va­si­ons­ab­schnitt...

Man sieht die Stadt vor lauter Masten kaum: ein typischer Yachthafen Maltas

We­ni­ger ef­fi­zi­ent und durch­ge­tak­tet geht es in den Yacht­hä­fen und an den zahl­rei­chen Ma­ri­nas zu, die an den Grand Har­bour von Val­let­ta an­schlie­ßen. Je wei­ter man sich im­mer an der Was­ser­kan­te lang von Val­let­ta ent­fernt, de­sto be­schau­li­cher und we­ni­ger pom­pös wird die Sze­ne­rie. Wer durch die Th­ree Ci­ties Co­s­picua, Vitto­rio­sa und Sen­glea ge­schlen­dert und end­lich in Kal­ka­ra an­ge­kom­men ist, fin­det dort kaum noch Tou­ri­sten, wohl aber un­prä­ten­tiö­se Lo­ka­le vor, in bzw. vor de­nen man es sich – im Krei­se von Ein­hei­mi­schen – gut­ge­hen las­sen kann. Über die er­folg­rei­che Ver­ko­stung der äu­ßerst preis­wer­ten und schmack­haf­ten Lecke­rei­en wer­de ich dann in der näch­sten Fol­ge ein paar Wor­te ver­lie­ren...

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Samstag, 26. Mai 2012

Die Ver­kehrs­in­sel (2)

Kaum mehr als zwei Stun­den nach dem Start im ver­nie­sel­reg­ne­ten Nürn­berg setz­ten wir zur (dann wind­bö­en­be­dingt et­was rum­pe­lig ge­ra­ten­den) Lan­dung auf dem Flug­ha­fen von Mal­ta an. Zwar wa­ren wir men­tal längst dar­auf ein­ge­stellt, in ein ziem­lich dicht be­sie­del­tes Land ein­zu­schwe­ben, den­noch wa­ren wir vom un­ge­wohn­ten An­blick der mo­no­chro­men Häu­ser­mas­sen ei­ni­ger­ma­ßen über­rascht und fas­zi­niert:

im Anflug auf Malta

Wäh­rend des Bus­trans­fers zu un­se­rem an der nörd­li­chen Strand­pro­me­na­de von Sli­e­ma ge­le­ge­nen Ho­tel ka­men wir aus dem Stau­nen nicht her­aus: Über­all brumm­te und wu­sel­te es, so daß man gar nicht wuß­te, wo man nun zu­erst hin­gucken soll­te. Em­si­ges Trei­ben al­ler­or­ten, wie in ei­nem Bie­nen­stock!

Gleich nach der In­be­sitz­nah­me der tem­po­rä­ren Blei­be und dem Ver­stau­en der mit­ge­brach­ten Hab­se­lig­kei­ten und Aus­rü­stungs­ge­gen­stän­de er­kun­de­ten wir die nä­he­re Um­ge­bung un­se­res Stütz­punk­tes und fan­den jen­seits der be­leb­ten Ufer­pro­me­na­de recht schnell in ent­span­nungs­rei­che Ge­fil­de...

Dösender

Man sieht: Es muß nicht im­mer Sand­strand sein! Auch auf nack­tem Fels ist gut ruhn, zu­mal wenn der son­nen­be­schie­nen und in­fol­ge­des­sen an­ge­nehm auf­ge­wärmt ist...

Der Spa­zier­gang an der stei­ni­gen Kan­te zum ge­le­gent­lich de­zent her­über­schwap­pen­den Mit­tel­meer war äu­ßerst span­nend: na­tür­li­che und von Men­schen­hand er­zeug­te Becken bar­gen al­ler­lei Ge­heim­nis­se, Fisch­lein hier, Krab­ben dort, un­ser­eins kann sich ja in Klei­nig­kei­ten end­los ver­lie­ren. Aber na­tür­lich auch in »Großig­kei­ten«: Als wir am Abend end­lich an Sli­e­mas süd­li­cher Ha­fen­pro­me­na­de an­ge­langt wa­ren, zeig­te sich uns die ge­gen­über­lie­gen­de Haupt­stadt Val­let­ta im Licht der tief­stehen­den Son­ne von ih­rer vor­teil­haf­te­sten Sei­te:

Blick auf Valletta mit der Kuppel der Karmeliterkirche und dem Turm der St. Paul's Pro-Cathedral

Der im­po­san­te Anblich blieb nicht der ein­zi­ge: Kir­chen grö­ße­ren Ka­li­bers fin­det man auf Mal­ta fak­tisch al­ler­or­ten, al­so wirk­lich in je­dem Kaff. Mehr als 98% der Ein­woh­ner sind ka­tho­lisch, mit­hin ist ba­rocker Prunk und Pracht im In­ne­ren von Sa­kral­bau­ten die Re­gel, selbst wenn sich man­ches Got­tes­haus nach au­ßen eher un­spek­ta­ku­lär gibt.

An­son­sten er­schien uns das Häu­ser­meer zu­wei­len rät­sel­haft in­ho­mo­gen: Zahl­rei­che Bau­ten (neue­re eben­so wie be­tag­te) ste­hen leer, man fragt sich mit­un­ter, wo wohl die Ein­hei­mi­schen woh­nen. Nie voll­ende­te Hoch­häu­ser und zum Ver­kauf ste­hen­de Ap­par­te­ment-Blöcke schei­nen die An­zei­chen ei­nes Bau­booms (wenn nicht gar ei­ner gro­ßen Spe­ku­la­ti­ons­bla­se) am tat­säch­li­chen Be­darf vor­bei zu sein. An et­li­chen Stel­len muß­ten ganz of­fen­sicht­lich hi­sto­ri­sche Alt­bau­häu­ser ei­nem »Fort­schritt« wei­chen, der letzt­lich Il­lu­si­on ge­blie­ben ist. Des zonebattler’s kon­ser­va­to­risch po­chen­des Herz blu­tet bei sol­chen An­blicken, sein auf Äs­the­tik und Schön­heit sin­nen­des Au­ge hält sich dann zum Aus­gleich an den Re­sten und De­tails ver­gan­ge­ner Gran­dez­za fest:

Detail eines alten Balkongeländers

Tröst­lich im­mer­hin, daß auf­grund der flä­chen­decken­den Ver­wen­dung des hei­mi­schen Kalk­sand­steins und des­sen re­la­tiv rasch fort­schrei­ten­der Ero­si­on durch salz­hal­ti­ge Mee­res­luft al­te und neue Bau­sub­stanz sich in der An­mu­tung rasch an­nä­hern: Bei man­cher »al­ten Vil­la« ist man ver­blüfft, ei­ne ein­ge­haue­ne Jah­res­zahl zu er­spä­hen, die ge­ra­de mal drei De­ka­den zu­rück­liegt...

Nach ei­ni­gen Ta­gen in­des ver­schwim­men sol­che vom ei­ge­nen Er­fah­rungs­ho­ri­zont ge­präg­ten Ge­dan­ken und Ur­tei­le, und man be­ginnt, sich der un­be­küm­mert läs­si­gen Le­bens­art der Mal­te­ken an­zu­nä­hern. Die Hek­tik des Ver­kehrs und der Tru­bel in den Städ­ten trü­gen: Die Men­schen sind ent­spannt und ge­las­sen (und müs­sen das wohl auch sein, um die das gan­ze Jahr über ihr Land flu­ten­den Tou­ri­sten­mas­sen mit Fas­sung zu er­tra­gen). Was soll man sich um Denk­mal­schutz Ge­dan­ken ma­chen, wo doch seit der Jung­stein­zeit hier ein Kom­men und Ge­hen herrscht und aus al­len Epo­chen im­mer noch weit mehr üb­rig­ge­blie­ben ist als ir­gend­wo sonst? Eben.

Angler am Abend, erfrischend und labend...

Üb­ri­gens na­gen nicht nur neu­zeit­li­che Bag­ger an den über­lie­fer­ten Bau­ten: In den frü­hen 1940er Jah­ren be­müh­te sich ne­ben der ita­lie­ni­schen ins­be­son­de­re die deut­sche Luft­waf­fe höchst ef­fi­zi­ent um die Ni­vel­lie­rung der vor­han­de­nen Ar­chi­tek­tur. Die Ach­sen­mäch­te ver­moch­ten Eng­lands »un­ver­senk­ba­ren Flug­zeug­trä­ger« frei­lich nicht un­ter­zu­krie­gen, der sein­ser­seits den ita­lie­ni­schen Ex­pe­di­ti­ons­trup­pen und Rom­mels Afri­ka-Korps in Nord­afri­ka das Le­ben schwer mach­te. Die Nar­ben des Krie­ges schei­nen heu­te ober­fläch­lich ver­heilt, die Er­in­ne­rung an die schwe­re Zeit wird aber durch das Ge­orgs-Kreuz in der Na­tio­nal­flag­ge wach­ge­hal­ten.

Über­haupt sind die Spu­ren der Ge­schich­te über­all prä­sent: Ne­ben rie­si­gen Fe­stun­gen und Ba­stio­nen aus der gro­ßen Zeit des Mal­te­ser-Or­dens vor rund 500 Jah­ren prä­gen die Hin­ter­las­sen­schaf­ten der gut 150-jäh­ri­gen eng­li­sche Ko­lo­ni­al­zeit (ab 1800) das Er­schei­nungs­bild Mal­tas: Uni­for­me Rei­hen­häu­ser im geor­gia­ni­schen Stil säu­men die Stra­ßen vie­ler Vier­tel, Eng­lisch ist ei­ne von zwei of­fi­zi­el­len Amts­spra­chen, es wird links ge­fah­ren und ge­lau­fen, und im­mer noch ste­hen reich­lich ro­te Brief­kä­sten und Te­le­fon­zel­len Ih­rer Ma­je­stät in Stadt und Land her­um...

rotes Relikt aus royalistischen Zeiten

Te­le­fo­nie­ren tut in und aus den ro­ten Zel­len heut­zu­ta­ge frei­lich kaum noch je­mand: Auch auf Mal­ta hat längst je­der­mann (und je­de Frau) ein Han­dy ein­stecken.

Die Über­bleib­sel kon­flikt­rei­che­rer Zei­ten die­nen heu­te vor al­lem der Er­bau­ung der Tou­ri­sten: Zur Mit­tags­stun­de wird Sa­lut ge­schos­sen, al­ler­lei hi­sto­ri­scher Mum­men­schanz ge­trie­ben und auch sonst ei­ni­ges ge­tan, was die Ka­me­ras klicken läßt und die Geld­bör­sen Ih­rer Be­sit­zer öff­net. So blei­ben al­le un­ver­sehrt und sind zu­frie­den.

Salutkanonen am Upper Barrakka Garden von Valletta

Am Um­gang mit ob­so­le­tem Kriegs­ge­rät wird das prag­ma­ti­sche Na­tu­rell der Mal­te­ken deut­lich: Ein paar Ka­no­nen wer­den zur De­ko­ra­ti­on auf­be­wahrt, ge­pflegt und vor­ge­zeigt, der Rest wur­de mit der Mün­dung nach un­ten an den Piers der Hä­fen ein­ge­bud­delt und dient dort als Pol­ler zum Fest­ma­chen von Tau­en oder zum Fern­hal­ten un­er­wünsch­ter Au­to­mo­bi­le. Lei­der funk­tio­nert das mit dem Re­cy­cling beim mo­der­nen Wohl­stands­müll noch nicht so gut, wir wer­den dar­auf spä­ter noch zu­rück­kom­men...

Bei der gro­ßen Men­ge der ge­bo­te­nen Se­hens­wür­dig­kei­ten und Sin­nes­ein­drücke ist man ir­gend­wann gei­stig ge­sät­tigt und kommt nicht um­hin, sich ir­gend­wo ein schö­nes Plätz­chen zu su­chen, um sich dort nie­der­zu­las­sen und das Er­leb­te noch­mals vor dem gei­sti­gen Au­ge Re­vue pas­sie­ren zu las­sen:

Ein Platz an der Sonne

Auch der Be­richt­erstat­ter macht jetzt Pau­se und denkt der­weil schon mal über die näch­ste Fol­ge nach. Die wird sich wie schon an­ge­kün­digt mit dem öf­fent­li­chen Nah­ver­kehr auf Mal­ta be­schäf­ti­gen und die an zen­tral­eu­ro­päi­sche Zu­stän­de ge­wöhn­te (und da­mit ver­wöhn­te) Le­ser­schaft ei­ni­ger­ma­ßen ver­blüf­fen...

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Montag, 21. Mai 2012

Die Ver­kehrs­in­sel (1)

Zwei Jah­re nach sei­nem Ur­laub auf der »Schatz­in­sel« zog es den zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te heu­er er­neut auf ein sa­gen­um­wo­be­nes Ei­land: Mal­ta war dies­mal un­ser mee­res­um­spül­tes Ex­pe­di­ti­ons­ziel. Zwei­ein­halb Wo­chen lang er­forsch­ten wir den me­di­ter­ra­nen In­sel­staat zwi­schen Si­zi­li­en und Afri­ka, und wie die über­ein­an­der­ge­leg­ten GPS-Tracker-Da­ten zei­gen, mach­ten wir da­bei auch ei­nen klei­nen Ab­ste­cher nach Go­zo, der zwei­ten, deut­lich klei­ne­ren (und ru­hi­ge­ren) Haupt­in­sel des Ar­chi­pels. War­um ich die mehr­tei­li­ge Be­richt­erstat­tung mit »Die Ver­kehrs­in­sel« über­schrei­be, wird spä­ter deut­lich wer­den, wenn ich un­se­re schier un­glaub­li­chen Er­fah­run­gen mit dem öf­fent­li­chen Nah­ver­kehr dort in epi­scher Brei­te aus­wal­ze...

Übersichtskarte von Gozo und Malta mit den von uns zurückgelegten Wegen
Map da­ta: © Open­Street­Map con­tri­bu­tors, powered by Open­Rou­te­Ser­vice

Nach knapp drei Wo­chen Ur­laub da drun­ten gibt es ziem­lich viel zu er­zäh­len und auch man­ches im Bil­de vor­zu­zei­gen, al­lein wie Struk­tur hin­ein­brin­gen und am be­sten an­fan­gen? Star­ten wir doch ein­fach mal mit ein paar Spe­zia­li­tä­ten und Wun­der­lich­kei­ten, die uns mehr­fach und im­mer wie­der, ja nach­ge­ra­de stän­dig un­ter die Au­gen und vor die Fü­ße ge­kom­men sind. Zu­vör­derst ist das das bau­li­che Er­be der über 150-jäh­ri­gen bri­ti­schen Ko­lo­ni­al­herr­schaft: Die mal­te­si­che Stadt­ar­chi­tek­tur im geor­gia­ni­schen Stil ist trotz al­ler neu­zeit­li­chen Kahl­schlä­ge zu­gun­sten du­bio­ser Ap­par­te­ment-Häu­ser oder ge­sichts­lo­ser Ho­tel-Tür­me im­mer noch flä­chig prä­sent, und mit ihr die aus Eng­land be­kann­te Viel­falt an bun­ten Tü­ren mit (mehr oder we­ni­ger) no­blen Knäu­fen und Klop­fern dran:

Türknäufe und -klopfer in allen Formen und Farben

Nicht im­mer hal­ten üb­ri­gens die um den po­lier­ten Tür­knauf her­um ge­bau­ten Häu­ser, was die ge­pfleg­ten Be­schlä­ge ver­spre­chen: So man­ches der nicht im­mer in Wür­de ge­al­ter­ten Ge­bäu­de wä­re mit dem eng­li­schen Eu­phe­mis­mus »has seen bet­ter days« nur un­zu­rei­chend be­schrie­ben. Drum eben nicht die gan­ze Hüt­te ge­zeigt, son­dern voll fett auf die Mit­te der Haus­tür ge­zoomt, und schon ist die Welt – zu­min­dest bild­lich ge­spro­chen – wie­der in Ord­nung...

Oh­ne­hin un­sicht­bar ist da­ge­gen die mo­der­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons-In­fra­struk­tur in Form ko­sten­lo­ser und frei zu­gäng­li­cher WLAN-Hot­spots, im eng­li­schen Sprach­raum Wi-Fi ge­hei­ßen. In den tou­ri­stisch ge­präg­ten Ge­gen­den Mal­tas fin­det man al­le paar Me­ter ein Lo­kal, ei­ne Bar oder ei­nen der glo­bal om­ni­prä­sen­ten Bu­let­ten-Bra­ter, bei dem man sich zur gleich­zei­ti­gen Stil­lung von Ka­lo­rien- und Nach­rich­ten­hun­ger tem­po­rär nie­der­las­sen kann. Die hier­zu­lan­de ge­fürch­te­te und stets als Da­mo­kles­schwert über dem leicht­sin­ni­gen Rou­ter­be­sit­zer schwe­ben­de Be­trei­ber­haf­tung ist im EU-Mit­glieds­staat Mal­ta of­fen­bar (noch?) kein The­ma:

Praktisch und hilfreich: freies WLAN für alle

Wir mach­ten von dem vir­tu­el­len Kom­fort reich­lich Ge­brauch, in­dem wir mit dem Smart­phone fast täg­lich die ein­ge­gan­ge­nen Mails check­ten, vor al­lem aber, um uns für den Le­se­abend im Ho­tel­bett mit ak­tu­el­lem Ma­te­ri­al zu ver­sor­gen: Da­heim in der Hei­mat warf Freund Le­xi­ka­li­ker täg­lich »ca­lib­re« an, um uns die ak­tu­el­len News­feeds von FAZ.NET, Süddeutsche.de, ZEIT ONLINE und noch ein paar an­de­ren gern auf­ge­saug­ten Quel­len fein for­ma­tiert über den Äther auf mein stets mit­ge­führ­tes Le­se­brett­chen zu bea­men. Tags­über auf den Bei­nen und in der Frem­de Neu­es zu ent­decken, abends ak­tu­el­len In­put aus der Hei­mat zu stu­die­ren, die­se Mi­schung aus Fuß- und Kopf­ar­beit lern­ten wir zu schät­zen...

Schät­zen tut der zone­batt­ler be­kannt­lich auch sei­ne mo­to­ri­sier­te Renn­gur­ke, und so war er hoch­er­freut, vier­räd­ri­ge Cou­sins sei­nes ei­ge­nen Ve­hi­kels (au­ßer­halb des deut­schen Mark­tes »Sub­aru Sam­bar« ge­nannt) an al­len Ecken und En­den der In­sel her­um­flit­zen (oder her­um­ste­hen) zu se­hen:

Praktisch und beliebt: Subaru-Renngurken in allen Varianten

Über­haupt fin­den sich auf Mal­ta vie­le ja­pa­ni­sche Au­tos, die aus­weis­lich di­ver­ser Auf­kle­ber mit fern­öst­li­chen Schrift­zei­chen of­fen­kun­dig als Ge­braucht­fahr­zeu­ge nach Eu­ro­pa im­por­tiert wor­den sind. Da ei­ne hei­mi­sche Nach­fra­ge nach be­reits be­nutz­ten Fahr­zeu­gen in Ja­pan aus kul­tu­rel­len Grün­den kaum exi­stiert, flo­riert der Ver­kauf nach Über­see in Re­gio­nen mit Links­ver­kehr und Rechts­len­kung (wo­zu aus Grün­den des bri­ti­schen Er­bes eben auch Mal­ta ge­hört). Der Libero/Sambar ist je­den­falls der idea­le Klein­trans­por­ter für die zu­wei­len en­gen Gas­sen und hol­pe­ri­gen Stra­ßen Mal­tas!

We­ni­ger nach­voll­zieh­bar als die Lie­be zu knuf­fi­gen Töff-Töffs ist der Hang mal­te­si­scher Bal­ler-Män­ner zum Schie­ßen auf al­les, was Flü­gel hat und flat­tert. Jen­seits der mensch­li­chen Sied­lun­gen ste­hen in der idyl­li­schen Land­schaft al­le paar Me­ter pro­vi­so­ri­sche und ziem­lich schä­bi­ge Un­ter­stän­de her­um, und auch au­ßer­halb der of­fi­zi­el­len Jagd­sai­son kann man dort die Spu­ren des für Vö­gel je­der Art und Grö­ße töd­li­chen Ge­tu­es schwer­lich über­se­hen:

leere Schrotpatronen künden vom jähen Vogeltod

Für den ge­mei­nen Mal­te­ken scheint das Pul­ve­ri­sie­ren von be­weg­li­chen Luft­zie­len nicht min­der er­re­gend zu sein als für die Spa­ni­er der Stier­kampf. Gan­ze Po­pu­la­tio­nen zwit­schern­der Luf­ti­kus­se wer­den da weit­ge­hend aus­ge­rot­tet, für Zug­vö­gel ist das Ei­land mit­ten im Mit­tel­meer ja ein kaum zu ver­mei­den­der Zwi­schen­stopp. Ver­we­ge­ne Tief­flie­ger könn­ten mit schnei­di­gem Kur­ven in Bo­den­nä­he si­cher­lich da­zu bei­tra­gen, daß sich die wil­de Jä­ger­schar durch fri­end­ly fire selbst de­zi­miert, so vie­le von de­nen sind da zu­gan­ge mit dem Fin­ger am Ab­zug ih­rer Flin­te...

So wie der Ang­ler sei­ne Lieb­lings­ge­wäs­ser hat (und dort sei­ner Lei­den­schaft zu­min­dest laut­los, wenn­gleich für sei­ne Op­fer nicht min­der töd­lich nach­geht), so scheint auch der Schrot­schüt­ze sei­ne be­vor­zug­ten Re­vie­re zu ha­ben. Die Rei­se­füh­rer be­haup­ten je­den­falls froh­ge­mut, daß die in der frei­en Wild­bahn al­ler­or­ten an­zu­tref­fen­den Warn- und Ver­bots­schil­der nicht auf den arg­lo­sen Wan­de­rer ge­münzt sei­en, son­dern eher auf die (mehr oder we­ni­ger waid­män­nisch agie­ren­de) Kon­kur­renz mit Schieß­ge­wehr:

Wanderer, bleib' auf Deinem Wege...

Wir ha­ben das frei­lich nicht ve­ri­fi­ziert und blie­ben stets dies­seits der ty­po­gra­phisch kru­den Droh­ge­bär­den, es gab ja schließ­lich auch so ge­nü­gend un­ge­fähr­li­che Mög­lich­kei­ten, das Land per pe­des zu be­strei­fen.

Nun gut, nach die­sen et­was be­fremd­lich an­mu­ten­den Aspek­ten lo­ka­ler Sit­ten, Ri­ten und Ge­bräu­che wol­len wir uns dann aber doch end­lich und in­ten­siv den Schön­hei­ten der In­sel­grup­pe zu­wen­den, und de­rer gibt es wirk­lich vie­le: Die Land­schaft ist gran­di­os, die kul­tu­rel­len Zeug­nis­se ver­gan­ge­ner Epo­chen sind es nicht min­der, die Ein­hei­mi­schen freund­lich, nah­bar und um­gäng­lich (je­den­falls die oh­ne Feu­er­büch­se im An­schlag). In der näch­sten Fol­ge spu­len wir in Kür­ze noch ein­mal zu­rück und set­zen mit der Air Ber­lin zum Lan­de­an­flug an auf den Staat mit der no­mi­nell größ­ten Be­völ­ke­rungs­dich­te un­se­res Pla­ne­ten!

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Samstag, 31. März 2012

Mut­ter-Kind-Ab­teil

brütende Taube in des zonebattler's Balkon-Blumenkasten

zonebattler’s Bal­kon-Blu­men­ka­sten mit Be­satz

 

Taubenei in des zonebattler's Balkon-Blumenkasten

zonebattler’s Bal­kon-Blu­men­ka­sten oh­ne Be­satz, je­doch mit Be­le­gung

 
Der furcht­erre­gen­de Tau­ben­schreck steht kei­ne zwei Me­ter wei­ter zwi­schen zwei Blu­men­kä­sten ein­ge­klemmt und er­regt er­schrecken­der­wei­se kei­ner­lei Furcht. Tja.

Samstag, 23. April 2011

Duft­ka­no­ne

In ei­ner Ecke un­se­res Schre­ber­gar­tens wird man der­zeit durch be­tö­ren­de Düf­te schier be­täubt: Der Flie­der wächst und ge­deiht dort un­gleich üp­pi­ger als an­dern­orts!

Flieder in voller Blüte

Die Ur­sa­che für den flo­ra­len Gi­gan­tis­mus liegt frei­lich we­der in der Nach­bar­schaft zur Bahn­strom­lei­tung noch in der Nä­he zur Lok­tank­stel­le: Des Flie­ders Wur­zeln be­die­nen sich di­rek­te­mang aus un­se­rem Kom­post­hau­fen und dem, was durch die­sen nach un­ten sickert...

Ein im Eß- und Com­pu­ter­zim­mer ste­hen­der Strauß der li­la­nen Pracht be­ne­belt mich der­zeit bis an die Gren­ze zur Hal­lu­zi­na­ti­on: Ko­sten­lo­se Räu­sche oh­ne Lang­zeit­schä­den und in­mit­ten der Groß­stadt, das kriegt man auch nicht al­le Ta­ge be­schert!

Dienstag, 19. April 2011

Ein Sonn­tag im April

Wanderung entlang des Pretzfelder Kirschenwegs
 
Wanderung entlang des Pretzfelder Kirschenwegs
 
Wanderung entlang des Pretzfelder Kirschenwegs
 
Wanderung entlang des Pretzfelder Kirschenwegs
 
Wanderung entlang des Pretzfelder Kirschenwegs
 
Wanderung entlang des Pretzfelder Kirschenwegs
 
Wanderung entlang des Pretzfelder Kirschenwegs
Samstag, 26. Juni 2010

Die Schatz­in­sel (10)

Nach schier end­los er­schei­nen­der Kur­ve­rei über stei­le Ser­pen­ti­nen er­reicht man end­lich die höch­ste Er­he­bung La Pal­mas, den Ro­que de los Mucha­chos im Nor­den der In­sel. Der Pan­ora­ma­blick, der sich dort oben in gut 2.400 Me­tern Hö­he dem wacke­ren Wan­de­rer eben­so wie dem fuß­fau­len Au­to­mo­bi­li­sten bie­tet, ist nichts we­ni­ger als atem­be­rau­bend spek­ta­ku­lär! Wer bei­zei­ten auf­ge­bro­chen und noch vor der Mit­tags­stun­de vor Ort ist, kann zu­se­hen, wie die wei­ße Wol­ken-Wat­te über den öst­li­chen Kes­sel­rand der Cal­de­ra schwappt und den ge­wal­ti­gen Topf nach und nach füllt, bis man nur noch den äu­ße­ren Grat aus der wäs­se­ri­gen Sup­pe ra­gen sieht! Hoch über den glei­ßend wei­ßen Wol­ken ra­gen die vie­len Kup­peln des Ob­ser­va­to­ri­ums aus dem kar­gen Vul­kan­ge­stein und ge­ben ei­nem das Ge­fühl, den un­end­li­chen Wei­ten des Uni­ver­sums so na­he zu sein wie kaum je zu­vor:

Kuppel einer Sternwarte höchsten Punkt La Palmas

Man kann sich schwer lö­sen von dem fas­zi­nie­ren­den Wech­sel­spiel zwi­schen Wand und Wol­ke: schroff die Gra­te, weich das Wa­bern der Was­ser­tröpf­chen, ein An­blick, den man wahr­lich nicht oft ge­bo­ten be­kommt. Er­staun­lich, daß man die Er­ha­ben­heit des ge­ni­us lo­ci den­noch nicht mit all­zu­vie­len an­de­ren Tou­ri­sten tei­len muß, selbst da oben trifft man auf sei­nes­glei­chen nur in ho­möo­pa­ti­scher (und da­mit ver­träg­li­cher) Ver­dün­nung...

Spiel der wabernden Wolken am Roque de los Muchachos

Auch viel wei­ter un­ten ist das ei­gen­ar­ti­ge (und nach­ge­ra­de ein­ma­li­ge) Spiel der Wet­ter­kräf­te wun­der­bar zu be­ob­ach­ten: Im­mer wie­der sa­hen wir die wei­ße Wol­ken­wal­ze über die Cumbre wup­pen, wo sie sich aber durch die En­er­gie des Son­nen­lich­tes ge­nau­so schnell in Wohl­ge­fal­len auf­löst, wie von hin­ten neu­er Was­ser­dampf nach­ge­scho­ben wird. Was für ein Schau­spiel!

Blick vom Westen über die aus dem Osten herübergedrückte Wolkenwalze

Nicht min­der fas­zi­nie­rend wa­ren die abend­li­chen Son­nen­un­ter­gän­ge, die wir fast je­den Abend von der Ter­ras­se un­se­rer Ca­sa aus ge­gen 20:50 Uhr Orts­zeit ge­nie­ßen konn­ten: Auch da sorg­ten kon­den­sier­te Was­ser­tröpf­chen (vul­go: Wol­ken) für ein vi­su­el­les Sin­nes­spek­ta­kel, in dem sie die ho­ri­zon­ta­le Grenz­li­nie zwi­schen Him­mel und Oze­an auf­ho­ben zu ei­ner fein aqua­rel­lier­ten Farb­ver­laufs­stu­die er­lö­schen­den Lich­tes:

Sonnenuntergang, gesehen von La Laguna aus

Aber wie der Mensch so ist, er ge­wöhnt sich rasch auch an das Au­ßer­ge­wöhn­li­che: Ir­gend­wann guckt man dann nur noch flüch­tig hin, es ist ja eh fast je­den Abend das glei­che Feu­er­werk zu se­hen...

Wo­mit wir am En­de un­se­rer dies­jäh­ri­gen Ex­pe­di­ti­ons-Be­richt­erstat­tung an­ge­kom­men wä­ren. Der zone­batt­ler (der da­für tat­säch­lich län­ger ge­braucht hat als für die Rei­se selbst) ge­steht frei­mü­tig, die Se­rie oh­ne rech­tes Kon­zept an­ge­gan­gen zu sein in der Hoff­nung, daß sich das knap­pe hal­be Hun­dert zum Vor­zei­gen aus­ge­wähl­ter Fo­tos schon ir­gend­wie zu ei­ner halb­wegs in­ter­es­san­ten Ge­schich­te zu­sam­men­fä­deln las­sen wür­de. Ob das nun aus der Sicht der ge­schätz­ten Le­ser­schaft ge­klappt hat und zu­dem ei­ni­ger­ma­ßen in­ter­es­sant und le­sens­wert ist, ver­mag er al­len­falls zu hof­fen; für das Be­wah­ren des Er­leb­ten in der ei­ge­nen Er­in­ne­rung ge­nügt ihm das Er­geb­nis al­le­mal.

Schlie­ßen möch­te ich mit ei­nem emp­feh­len­den Hin­weis auf die pri­va­te Web­site La Pal­ma Ak­tu­ell. Die »täg­lich fri­schen Nach­rich­ten von ei­ner klei­nen grü­nen In­sel im At­lan­tik« tau­gen nicht nur zur Ur­laubs­vor­be­rei­tung, son­dern bie­ten ei­ne Fül­le von ak­tu­el­len und fun­dier­ten In­si­der­infor­ma­tio­nen für al­le, die sich mit ih­rem Rei­se­ziel (oder gar dem ins Au­ge ge­faß­ten spä­te­ren Wohn­sitz) in­ten­siv be­schäf­ti­gen möch­ten.

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