Abgelegt in: Expeditionen • 12. Apr. 2019, 6:00 Uhr • Diskussion eröffnen
Abgelegt in: Expeditionen • 10. Apr. 2019, 6:00 Uhr • 4 Kommentare lesen
Neulich hat mich der nächtliche Anblick eines türkischen Imbisses an das berühmte Bild Nighthawks von Edward Hopper aus dem Jahre 1942 erinnert. Ich erzuhl sogleich Freund Robert von dem en passant erspähten Motiv, und der hat natürlich gleich wieder mit links eine traumhafte Serie aus seiner Kamera geschüttelt...
Heute kam ich wieder zur dusteren Stunde an jener südstädtischen Ecke vorbei, und da zückte ich mein Handy, um meine Interpretation der Szene auch noch abzuliefern:
Rein technisch ist mein Bild natürlich Murks, aber es ist ja auch nur mit dem lichtschwachen Mini-Auge des Smartphones aufgenommen worden. Doch in kleiner Auflösung ist es zumindest noch einigermaßen vorzeigbar, und mir kam’s primär auf die Komposition der Perspektive an.
P.S. Dank sei dem Wettergott für das Pfützen-Arrangement, ich hätte es nur mit Mühe und einer Gießkanne so gut hingebracht...
Abgelegt in: Vermischtes • 18. Mrz. 2019, 21:40 Uhr • 3 Kommentare lesen
Abgelegt in: Vermischtes • 18. Jan. 2019, 21:25 Uhr • 5 Kommentare lesen
Abgelegt in: Vermischtes • 27. Dez. 2018, 13:30 Uhr • Diskussion eröffnen
Abgelegt in: Kurioses • 24. Dez. 2018, 17:15 Uhr • 2 Kommentare lesen
Da wir ja für die Dauer des gesamten Urlaubs unser Hauptquartier in Richiș (Reichesdorf) aufgeschlagen hatten, war unser Aktionsradius auf eine halbe Tagesreise beschränkt. Von einer echten Beschränkung konnte indes keine Rede sein, denn es gab im Umkreis von ein paar Dutzend Kilometern ohnehin viel mehr zu sehen, als in unserer heurigen Sommerfrische Platz finden konnte. [1] Der in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerteste Ausflug (unter anderem war er der weiteste) führte uns nach Viscri alias Deutsch-Weißkirch. Die schier nicht enden wollende Anfahrt über eine holprige »Straße« der Kategorie »Testparcours für Militärfahrzeuge« führte uns schließlich in das beschauliche Dorf, welches mitsamt seiner (na was wohl?) Kirchenburg auf der Welterbe-Liste der UNESCO steht. Und das völlig zu Recht, wie schon der erste Blick auf die bestens gepflegte Sakralfestung beweist:
Routiniert wurde a) das Innere inspiziert, b) der Turm bestiegen, c) die Aussicht genossen, d) der komplette Gebäudekomplex begangen und schlußendlich e) die Gedenktafeln für die in den beiden Weltkriegen umgekommenen Kriegsopfer des Ortes studiert [2]. Auch wenn sich diese trutzigen Bauten im Zweck gleichen und in ihrer Anlage oftmals ähnlich sind: Letztlich ist doch keine Kirchenburg wie die andere und jede hat ihren eigenen Charakter!
Beim anschließenden Bestreifen des Ortes machten wir noch in einer nahen Hofwirtschaft Halt, aus deren hinteren Bereich ein beständiges Klopfen und Schleifen oder Fräsen zu hören war. Zunächst dachten wir allesamt an Bauarbeiten zur Verschönerung des Anwesens. Tatsächlich aber wurden wir erst Ohren- und dann erstaunte Augenzeugen der landesüblichen Brotproduktion: Die außen völlig verkohlt erscheinenden Laibe wurden – frisch aus dem Ofen kommend – erst von Frauen auf Tischplatten gehauen (wodurch die äußeren »Verkohlungen« abfielen) und dann an Männer weitergereicht, die an stationären Elektromotoren mit aufgepflanzten Schleifscheiben den Rest der schwarzen Schicht herunterfrästen, bis als Lohn der Mühe ein dampfend heißer Brotlaib mit honiggelber Kruste übrig blieb. Das alles ging in eingespielter Präzision ruck-zuck vonstatten und dem weiland verblüfften Endesunterfertigten läuft Monate später immer noch das Wasser im Munde zusammen beim Gedanken an den wunderbaren Geschmack des ultrafrischen Brotes...
Auch sonst gab es in Viscri / Deutsch-Weißkirch einiges zu entdecken, fröhlich-farbig verputzte Häuser, schön restaurierte Details, und immer wieder machen sich Hausbesitzer auch die Mühe, alte Fassaden-Inschriften von früheren Besitzern und Bewohnern wieder aufzufrischen. Na ja, sowas wie »Lasset uns am Alten, so es gut ist, halten. Aber auf dem alten Grund Neues wirken jede Stund« mag ja auch manchem Rumänen ohne deutsche Wurzeln als weises Lebensmotto erscheinen.
Die geneigte LeserInnenschaft möge sich bitte Viscri per Google Maps aus der Luft anschauen: Einmal mehr fällt das typische Erscheinungsbild eines Siebenbürgischen Straßendorfes auf mit vielen schmalen, aber sehr tiefen Anwesen entlang der Hauptstraße. [3] In diesem zwar umständlich erreichbaren, jedoch in jedem Reiseführer hervorgehobenen Dorf kann man durchaus den Einduck eines durch den Tourismus beförderten, langsamen Aufschwungs gewinnen: Handarbeiten werden ausgestellt und angeboten, und der schon erwähnte Trend zur ordentlichen Instandsetzung und ‑haltung der alten sächsischen Häuser scheint sich links und rechts der Vorreiter fortzusetzen: Wenn’s der Nachbar sichtbar schön(er) hat, will man bald selbst mit einem ansehnlichen Erscheinungsbild der eigenen Behausung glänzen:
Man kann den Deutsch-Weißkirchern nur wünschen, daß Sie den wuchernden Tourismus auf eine Weise einhegen können, daß er dauerhaft mehr segensreiche als schädliche Wirkung entfaltet. Eine besser ausgebaute Zufahrtsstraße und mehr Parkplätze würden vermutlich die Verkäufer kitschiger Fernost-Souvenirs und dubioser Draculantien auf den Plan rufen, von ortsuntypischen und kulinarisch fragwürdigen Einkehr-Angeboten nicht zu reden. Wie es sich langfristig ausgeht, ist ungewiß. Noch jedenfalls ist es in und um Viscri recht beschaulich...
Noch ruhiger geht es in Cloașterf (Klosdorf) zu, einem der drei Ortsteile von Saschiz (Keisd), den wir auf der Rückfahrt ansteuerten (der befestigten Kirche wegen, wie die bis hierher treu gebliebenen LeserInnen fraglos bereits geahnt haben). Ein kleiner Weiler im regionaltypischen »Ladykracher-Layout« [3], der zwar insgesamt nicht eben heruntergekommen ausschaut, in dem aber doch die Spuren langjährigen Verfalls hier und da deutlich zutage treten:
Tja, warum sind an sich schöne Häuser in idyllischer Lage unbewohnt und dem langsamen Verfall preisgegeben? Sind es ungeklärte Eigentümerverhältnisse, landfluchtbedingter Einwohnerschwund oder mangelt es den Hausbesitzern schlicht am Willen (oder auch nur an den Mitteln), ihren Besitz angemessen zu pflegen? Man weiß es nicht, aber einen (oder mehrere) der genannten möglichen Gründe wird es schon haben...
In Cloașterf trafen wir das Tor im Wehrwall um die Kirche verschlossen an. Es fand sich immerhin ein Hinweis auf den Schlüsselbewahrer und dessen Telefonnummer. Und tatsächlich, unsere mitgeführte Muttersprachlerin Almut konnte anhand dieser Angaben den rumänischen Aufpasser herbeirufen. Nur wenige Minuten später surrte er auf einem elektrischen Miniaturmotorrad herbei und gewährte uns Einlaß in das alte Gemäuer, in dem abermals die Zeit stehengeblieben zu sein schien:
Auch wenn dies durchaus nicht das erste menschenleere (wenngleich mutmaßlich nicht gottverlassene) Gotteshaus war, welches wir auf unserer Reise besichtigten: Erneut konnte man den Eindruck haben, als wäre die Gemeinde der Gläubigen gerade erst aufgebrochen (oder noch nicht eingetroffen). Man muß sich immer wieder ins Bewußtsein rufen, daß kaum noch Siebenbürger Sachsen in dieser Gegend leben, die über Jahrhunderte ihre Heimat gewesen war. Da ihr selbstgewählter Exodus nicht mit einer überhasteten Flucht vor einem anrückenden Feind zu vergleichen ist, verwundert es schon, daß die Rumäniendeutschen sogar in ihren privaten Häusern so viele persönliche Dinge einfach zurückgelassen haben...
Wie so oft war es unserer multilingualen Nachbarin vergönnt, mit dem lokalen Bodenpersonal einen schnellen Schwatz auf Rumänisch zu halten. Das freute natürlich auch den diensteifrigen Schlüsselbewahrer, die gemeinsame Sprache verbindet und löst die Zunge. Der Berichterstatter, dessen Plappertaschizität in heimischen Gefilden nachgerade legendär ist, war in Rumänien oftmals zum stummen Zuhören verurteilt, und nicht mal das funktionierte zufriedenstellend, da ihm seine zusehends nebulöser werdenden Latein-Kenntnisse allenfalls bei der Dechiffrierung von amtlichen Schriftstücken ahnungsweise weiterzuhelfen vermögen. Na immerhin konnte er dadurch sich im vorliegenden Falle ganz auf die Komposition eines Schattenspieles mit den beiden agilen Gesprächspartnern konzentrieren:
Nachdem wir alles gesehen hatten (wie immer inklusive Turm mit Glocken und kubikmeterweise Tauben-Guano), schwang sich der freundliche Herr wieder auf seinen kompakten E‑Roller und schnurrte von hinnen, um sein unseretwegen unterbrochenes Tagewerk wieder aufzunehmen. Wir fuhren im Auto hinterher und machten auf dem Heimweg noch kurz Station im eigentlichen Ort Saschiz, dessen eindrucksvolle Wehrkirche uns an diesem Tage allerdings wirklich verschlossen blieb. Egal, man kann nicht immer Glück haben und so bleibt für die nächste Reise nach Rumänien auch noch was übrig...
Am nächsten Morgen schwangen wir uns nach dem Frühstück auf die Fahrräder unserer Nachbarn, welche diese – hinten auf ihr Auto geschnallt – aus Fürth nach Rumänien mitgenommen hatten. Sehr praktisch indeed! Das Ziel der Strampelei war wieder einmal der Nachbarort Biertan (Birthälm), dessen Kirchenburg zu den meistbesuchten zählt, was wohl zu gleichen Teilen ihrer facettenreichen Anlage, dem guten Erhaltungs- respektive Renovierungszustand und der verkehrsgünstigen Lage zuzuschreiben ist. Jedenfalls tut man gut daran, vor den rentnerspuckenden Reisebussen aufzuscheinen. Nach Besichtigung der architektonischen Innereien kam ich nicht umhin, die Kamera zu zücken, um das wuchtige Ensemble mit seinen vielen trutzigen Türmen nochmals im Bilde festzuhalten:
Über die bereits in der vorausgegangenen Folge beschriebene, mit üppigster Bezuschussung durch die EU ins pittoreske Nichts gebaute Asphaltstraße radelten wir anschließend retour bis zum Ende der mondänen Piste, schoben alsdann die Drahtesel über den Berg und rollten schlußendlich erschöpft, aber zufrieden wieder in Reichesdorf ein...
Aber damit war der Tag ja bei weitem noch nicht ausgefüllt! Nach einem mittäglichen Nickerchen folgte auf die Zweiradtour ein Vierradausflug der besonderen Art: Ein schon Tage zuvor seine Dienste angeboten habender Fuhrwerksbesitzer tauchte tatsächlich zum verabredeten Zeitpunkt am ausgemachten Treffpunkt auf, um die Fürther Delegation (bekanntlich bestehend aus vier Erwachsenen, zwei Kindern und einer Labradoreuse) quer durch die üppig-grüne Landschaft nach Ațel (Hetzeldorf) zu kutschieren. Die ausgewaschenen Schotterwege, der Wagen aus groben Brettern und die schwabbelig-weichen Ballonreifen ließen die Fahrt zwar streckenweise zur Schaukelpartie werden, der Chronist konnte jedoch Anflüge von Seekrankheit tapfer unterdrücken. Kindheitserinnerungen wurden in ihm wach, als das schwer beladene Vehikel über die staubigen Wirtschaftswege zuckelte:
An dieser Aufnahme ist mehrerlei bemerkenswert: Erstens die roten Fingernägel von Prinzessin Ida (5), zweitens, daß man vor lauter Besatzung das Vehikel gar nicht sieht, drittens der ruhig laufende Antrieb mit 1 PS, viertens die grünen Hügel im Hintergrund, deren Terrassierung sie eindeutig als ehemalige Weinberge ausweist. Man bekommt so langsam eine Ahnung davon, wie ausgedehnt, ja nachgerade dominierend der Weinanbau in dieser Gegend früher war, dessen Beherrschung aber mit dem Exodus der Siebenbürger Sachsen weitgehend verloren gegangen ist und der nun von besonders rührigen jungen Rumänen langsam wieder erlernt und betrieben wird, freilich in einem im Vergleich zu früher noch recht bescheidenen Maßstab...
Die obligatorische Kirchenburg sahen wir am Ziel unserer Ausfahrt nur aus der Ferne, wir wurden von des Fuhrmanns Familie erwartet und freundlich bewirtet. Nach Verkostung von Backwerk und gestenunterstütztem Small Talk erklommen wir immerhin noch den hochgelegenen deutschen Friedhof von Ațel, spähten durch das Schlüsselloch der zugesperrten Bergkapelle und studierten die Inschriften der Grabsteine. Auch diesmal gab es wieder die landestypische Häufung bestimmter Nachnamen zu beobachten:
Anschließend ging es wieder zurück über Stock und Stein im pferdebespannten Bretterwagen durch eine malerische Landschaft, die streckenweise den Vergleich mit der Toskana nicht zu scheuen braucht. Dies im Bilde zu belegen behalte ich mir aber für den vierten und letzten Teil dieser Reiseberichterstattung vor.
[1] Womit angedeutet sei, daß ein weiterer Besuch in Siebenbürgen bereits als beschlossen gelten darf...
[2] Diese Gedenktafeln lesen sich insofern besonders bestürzend, als manche Nachnamen auf ihnen gleich halbdutzendfach oder gar noch öfters zu sehen sind. Auf den ersten Blick scheinen dort in beiden großen menschengemachten Katastrophen des 20. Jahrhunderts ganze Familien ausgelöscht worden zu sein, aber hier spielt natürlich auch die »geschlossene Gesellschaft« der Siebenbürger Sachsen mit hinein: Die Heiraterei untereinander führte logischerweise auch zur Vermehrung etablierter Familiennamen. Im Verein mit einer traditionellen Neigung zur Vergabe der elterlichen Vornamen an die Nachkommen führte das vielfach zu kompletten Namensgleichheiten über mehrere Generationen hinweg, was Ahnenforscher heutzutage vor besondere Herausforderungen stellt.
[3] Pyromanen aus des zonebattler’s Alterskohorte fühlen sich vielleicht wie dieser an die »Lady Cracker« erinnert, die es alljährlich zu Silvester anzukaufen und abzufeuern galt: Hundert(e) kleine Kracher in zwei Reihen, deren Lunten zu einem gemeinsamen Mittelstrang verflochten waren. Abstrahiert man die Mini-Böller zu Grundstücken und nimmt man den gemeinsamen Luntenzopf als Straße, hat man das maßstäbliche Muster einer Siebenbürgischen Ansiedlung vor Augen!
Abgelegt in: Expeditionen • 9. Dez. 2018, 7:30 Uhr • Diskussion eröffnen
Abgelegt in: Vermischtes • 3. Dez. 2018, 11:00 Uhr • 4 Kommentare lesen
Man sollte ja meinen, daß einem während eines naturnah verbrachten Urlaubs auf dem Lande primär querformatige Motive vor die Linse kommen. Tatsächlich muß der zonebattler aber verblüfft konstatieren, daß er selten so viele Hochformat-Aufnahmen mit nach Hause gebracht hat wie aus der Sommerfrische in Rumänien! Das liegt natürlich zuförderst an den mehrfach erwähnten, jedoch bis dato in dieser Reise-Reprise nicht gezeigten Kirchenburgen und sonstigen Hochbauten der fotogenen Sorte. Ein weithin berühmtes Motiv ist der Stundturm von Sighișoara alias Schäßburg, und der schaut nun wirklich so aus, wie sich der gemeine Vampir-Fan die perfekte Kulisse für nächtlich-gruseliges Treiben vorstellt:
Sighișoara ist ein markantes Beispiel für einen an sich sehr schönen Ort (das historische Zentrum gehört seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe), welcher jedoch durch touristische Heimsuchung – angeblich bis möglicherweise wurde Vlad Țepeș (Vlad III. Drăculea, der Pfähler) hier vor rund 600 Jahren geboren – einiges von seinem natürlichen Charme eingebüßt hat. Die heimische Wirtschaft und auch Teile der Gastronomie machen sich den Dracula-Hokuspokus zunutze, um mit mildem Grusel Publikum und Gäste anzulocken. Wirklich gruselig sind indes die allerorten feilgebotenen Souvenirs aus fernöstlicher Produktion: Bei deren Anblick würde sich der originale Graf Dracula (so es ihn denn gäbe) wohl selbst schaudernd abwenden...
Wir wenden uns nicht ab, sondern weiterhin zu, und zwar weiterhin den aufrechten Zeugen der landesspezifischen Architektur! Hier sehen wir die mustergültig instandgehaltene, evangelische Kirche zu Mălâncrav (Malmkrog):
Wir waren dort zwecks Besuchs eines kleinen transsilvanischen Klassik-Musikfestivals, dessen Ausführende samt Troß zur Zeit unserer Visite in der Gegend unseres Weilens herumtingelten. Gleich neben der romanischen Kirche gibt es in Mălâncrav ein ungarisches Adelsschloß, in welchem die jungen Musiker ihr Können demonstrierten. Davon gibt es hier leider keine Bilder zu sehen, aus Diskretionsgründen ebenso wie aus meiner altersbedingt zunehmenden Neigung, kulturelle Höhepunkte im Moment ihres Entstehens sinnlich zu genießen statt sie mit letztlich untauglichen Mitteln irgendwie konservieren zu wollen. Eine Kirche läuft einem nicht weg (allenfalls tut es mittelfristig das passende Licht), daher konnte der eindrucksvolle Sakralbau dann stellvertretend für das Gesamterlebnis seinen Weg durch das Objektiv und letztlich hier hinein in des Berichterstatters Blog finden...
Ein kleiner Sprung durch Zeit und Raum bringt uns nach Copșa Mare oder auch Groß-Kopisch, einem recht idyllischen Ort östlich von Biertan (Birthälm), den wir von dort aus erwandert haben. Vorbei an Brunnen, kleinen Katen, kichernden Kindern und kläffenden Kötern überwanden wir zu siebt (vier Erwachsene, zwei Kinder, ein braver Hund) einen Höhenzug, um schließlich nach dem Konsum von Eis und kalten Getränken aus dem winzigen Dorfladen vor dem natürlich auch hier vorhandenen Turm einer Kirchenburg zu stehen:
Der rumänische Burgwächter (dessen Frau wohl mit der Einsamkeit und der zäh dahinfließenden Zeit in der siebenbürgischen Provinz weniger zufrieden war als der ihr rechtmäßig zugemutete Schlüsselbewahrer) hatte uns die Kirche aufgesperrt und sie uns dann zur eigenen Erforschung überlassen (viel zu erklären hätte er wohl ohnehin nicht vermocht, die Geschichte der Siebenbürger Sachsen ist ja nicht die seine). Also erklommen wir (abgesehen von Frieda, der lässigen Labradorin) den Turm der Kirche. Über hölzerne »Hühnerleitern« hinauf und über haufenweise Taubenkot hinweg bis zu den großen Glocken. Alles völlig unbeaufsichtigt und unter Begleitumständen, die es daheim in Deutschland definitiv so nirgends mehr gibt. Da wäre so ein Turm wegen Baufälligkeit verrammelt und verriegelt. [1] [2]
Mitten in fremden Landen Glocken mit deutscher Inschrift zu sehen fühlt sich anfangs schon ein wenig merkwürdig an, zumal auch die anderen Beschriftungen in der Kirche, verstaubte Gesangbücher und sonstigen gedruckten Hinterlassenschaften sämtlich auf Deutsch verfaßt sind. Schnell werden da Assoziationen an apokalyptische Endzeit-Geschichten geweckt, mitunter kommt man sich in den entlegeneren Kirchen tatsächlich wie der letzte Mensch auf Erden vor. Man gewöhnt sich natürlich daran, aber es ist schon eigenartig, sich das jahrhundertelange Nebeneinander von Rumänen, Siebenbürger Sachsen und anderen Volksgruppen vorzustellen, die alle ziemlich konsequent unter Ihresgleichen blieben, statt sich langfristig zu einem Volk zu vermengen...
Der Blick zurück auf Copșa Mare und seine Kirchenburg zeigt eine vermeintliche Idylle, die typisch ist für Siebenbürgen, jenem Landstrich in der Mitte Rumäniens, in der die Vergangenheit noch überall offen zu Tage liegt. Diese zu Fuß zu erwandern und zu erkunden ist ungleich befriedigender als das Hingefahrenwerden im Reisebus mit jeweils 20 Minuten Knips- und Pinkelpause vor der Weiterfahrt zur nächsten Sehenswürdigkeit! Der zonebattler und seine bessere Hälfte waren sich jedenfalls einig: Lieber eine Handvoll intensiv inspizierter Kirchenburgen in der Erinnerung behalten als zwei Dutzend nur en passant fotografierte hinterher kaum noch zuordnen zu können.
Wenn wir nach unseren täglichen Exkursionen wieder »daheim« in Richiș angekommen waren, gaben wir uns fast jeden Abend der Süße des Müßigganges hin, machten erst ein kleines Nickerchen, nickten anschließend den immergleichen Statisten vor der Dorfbar zu und ließen uns überraschen von dem, was uns so vor die Augen kam. Eine erstaunliche Entdeckung waren akribisch geführte, prä-excelitische Tabellen aus den 1920er Jahren, in denen in schönster Handschrift festgehalten war, wer in welchem Haus des Dorfes wohnte und wieviel Stück Vieh und »Zünder« besaß:
Der amtliche Charakter der Dokumente war offenkundig, der aus ihnen wabernde Geist des deutschen Berufsbeamtentums ebenso. Indes war die ehedem germanische Grundordnung der Erosion preisgegeben: Eine im ehemaligen Pfarrhaus eingemietete Zigeunerin [2] hatte die Archivalien am Dachboden gefunden und kurzerhand zu legitimer Marketenderware erklärt in der Hoffnung, die ihrem Verständnis verschlossen bleibenden Schriftstücke an Touristen wie uns verhökern zu können. Der Gewinn liegt bekanntlich im Einkauf, und bei weggefundenen Antiquitäten mit Einstandspreis Null wäre auch der bescheidenste Erlös als Gewinn zu verbuchen. Daß damit historische Erkenntnisse und Kontexte unwiederbringlich dahin sind, hat schon altägyptische Grabräuber nicht gestört, was wollte man da von einer simpel gestrickten und mutmaßlich kaum bis wenig gebildeten Landfrau erwarten? Wir haben jedenfalls nichts gekauft von ihrer papierenen Beute, um derlei Tun nicht auch noch zu ermutigen...
Ein neuer Tag, ein neues Abenteuer: Statt die gut vier Straßenkilometer nach Biertan mit der Nachbarn Fahrräder zu erstrampeln, zogen wir zu Fuß los, um nach Überquerung des nächsten größeren Geländebuckels in einem parallel verlaufenden Tal zum Nachbarort zu marschieren. Auf stark ausgespülten Wirtschaftswegen ging es zunächst forsch bergan, und immer wieder gab es einen Grund anzuhalten, um sich Fauna und Flora näher zu besehen. Meine Güte, dachte sich der schwitzende Chronist bei einer dieser Gelegenheiten, wie lange hast Du schon keinen Schwalbenschwanz mehr gesehen? Und dieser prächtige Flattermann hier posiert geradezu keck vor Deiner Kamera und will partout im Bilde festgehalten werden! Na gut, man ist ja betörenden Schönheiten jederzeit gerne und eilfertig zu Diensten:
Auch weniger augenfällig herausgeputzte Sechsbeiner haben wir in großer Zahl und Vielfalt angetroffen. Tatsächlich wird einem durch das allgegenwärtige Gewimmel und Gesumme in Siebenbürgens Wald und Flur erst so recht vor Augen und Ohren geführt, daß das vielzitierte Insektensterben in Deutschland und Zentraleuropa keine hohle Panikmache, sondern längst bedrohliche Realität ist. Da kann man nur hoffen, daß Monokulturen und Chemiekonzerne nicht auch noch Osteuropas Ökosysteme auf Dauer verarmen lassen...
Im drübigen Tal begann dann erstaunlicherweise eine wunderbar ausgebaute und präzise asphaltierte Straße im faktischen Nichts: Kein Ort, kein Haus, kein sonstiger ersichtlicher Grund, warum eine Straße dieser Güte just hier beginnen oder enden sollte! Es ging einfach los und aus dem staubig-sandigen Wirtschaftsweg in the middle of nowhere wurde von einem Schritt zum nächsten eine perfekt markierte Fahrbahn:
Kilometerlang ging es so voran, selbstredend mit glänzenden neuen Stoppschildern an allen einmündenden Wegen, denen man getrost eine durchschnittliche Verkehrsdichte von 1,5 Fuhrwerken/Woche unterstellen darf. Als erfahrene Inselreisende ahnten wir die Hintergründe natürlich schon lange, bevor wir am Ortseingang von Biertan unser Wähnen auf einer großen Informationstafel bestätigt sahen: Im Rahmen eines vom Land mit 0 EUR, aber von der Europäischen Union mit knapp 1.000.000 EUR geförderten Infrastrukturprojekts wurde hier ein Stück Fortschritts auf (nicht etwa in) den Sand gesetzt, auf den die Beteiligten mächtig stolz sind. Man mag sich fragen, ob man mit dem Geld nicht besser die immer noch unbefestigten Staubstraßen innerhalb des nicht ganz unbedeutenden Städtchens Biertan hätte asphaltieren können. Man mag sich ferner darüber echauffieren, daß der europäisch-föderale Geldregen immer nur Neues kurzfristig erblühen läßt, zu dessen laufender Unterhaltung danach aber keine Mittel mehr da sind, weshalb die Natur sich unverzüglich anschickt, sich alles wieder langsam zurückzuerobern. Hilft aber alles nix: Wenn die einen schlau genug sind, formgerechte Förderanträge zu stellen, und die anderen sich nicht mit dem Papierkrieg befassen wollen, dann fließt das Geld halt zu den Gewiefteren, auch ganz ohne Korruption. Die es dem Vernehmen nach in Rumänien aber auch noch in reicher Auswahl geben soll...
Kurz vor Biertan und in Sichtweite besagter Infotafel geht der Asphalt wieder in Sand und Staub über, was für ein ortsübliches Vehikel mit zwei PS ja auch den allemal stimmigeren Unter- und Hintergrund abgibt:
Die Topographie der von uns bereisten und inspizierten Dörfer folgt meist dem gleichen Schema: Innen die soliden Höfe und Häuser der Siebenbürger Sachsen, drumherum die einfacheren und kleineren Häuschen der Rumänen, draußen an der Peripherie die schäbigen Hütten bis unwürdigen Verschläge der Roma und anderer unterprivilegierter Volksgruppen. Mit dem Exodus der deutschstämmigen Bevölkerung, also nach der Auswanderung der meisten Siebenbürger Sachsen, hat sich das »Vakuum« bald durch Nachzug von außen gefüllt. Darüber gäbe es vieles zu lesen und auch zu schreiben, hier sei nur festgehalten, daß natürlich auch heute noch (oder wieder) die besser Gestellten die gediegeneren Häuser im Ortskern bewohnen und die Armen draußen in den Beinahe-Slums hausen...
So, dann wollen wir mal nach diesen Betrachtungen mit wenigen weiteren Schritten endlich das Ziel unserer Wanderung erreichen und sozusagen »von hinten reinkommend« die grandiose Kirchenburg von Birthälm erspähen:
Im 16. Jahrhundert erbaut und von einer dreifachen Ringmauer umgeben, ist dieser trutzige Gotteshauskomplex geradezu der Inbegriff einer Siebenbürgischen Kirchenburg und hätte beste Aussichten auf einen der vordersten Plätze in einem hiermit imaginierten Ranking der Prächtigsten ihrer Art! Über die Baugeschichte und die reiche Innenausstattung möge sich die interessierte Leserschaft im oben verlinkten Wikipedia-Artikel informieren. Der Endesunterfertigte beläßt es für heute beim Hinweis auf ein wunderbares Foto der Kirchenburg zu Birthälm, in dessen Hintergrund etwas zu sehen ist, was unbedarfte Beobachter vielleicht gar nicht auf Anhieb erkennen und richtig einordnen können: Die Rede ist von den Terrassierungen, die heute sinnlos erscheinen mögen, aber auf die frühere Nutzung des Hanges als Weinberg hinweisen. Davon wird in den nächsten Folgen dieses Reise-Rapports noch die Rede sein, für heute sei es nunmehr genug. Fortsetzung folgt!
[1] Wobei sich der Berichterstatter dunkel daran erinnert, in Thüringen kurz nach der Wende im Rahmen eines Inspektionsbesuches auch schon mal einen baufälligen Kirchturm unter vergleichbar verwegenen Rahmenbedingungen erklommen zu haben. Was in der Ex-DDR mit dem Mauerfall zu Ende ging, ist im Rumänien der Jetztzeit hier und da noch gegenwärtig – im Guten wie im Schlechten.
[2] Leider hat der lange Zeit unkontrollierte Zugang zu den verlassenen Kirchenburgen diesen oft schwer zugesetzt durch Plünderung und Vandalismus. Die einst nicht unbedingt außerordentlich prächtige, sicherlich jedoch ordentliche Orgel der Kirche von Copșa Mare ist gegenwärtig in desolatem Zustand: Viele ihrer Pfeifen wurden von Metalldieben grob herausgerissen und abtransportiert, womit das nun nicht einmal mehr aus dem »letzten Loch« pfeifende Instrument jenseits aller realistischen Hoffnungen auf Reparierbarkeit zum traurigen Sperrmüllhaufen degradiert worden ist...
[3] Mit dieser ortsüblichen Typisierung ist durchaus keine Diskriminierung beabsichtigt, die Roma in Rumänien bezeichnen sich mitunter ja selbst als țigani. Der allzeit auf Komplexitätsreduktion bedachte zonebattler differenziert ungeachtet ethnischer Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe und Nasenlänge stets nur nach ihm sympathischen und ihm unsympathischen Menschen. Das hat sich jederzeit und jedenfalls bewährt und reicht zum Bestreiten des Alltagslebens auch allemal aus.
Abgelegt in: Expeditionen • 11. Nov. 2018, 6:30 Uhr • 2 Kommentare lesen
Abgelegt in: Vermischtes • 12. Okt. 2018, 8:00 Uhr • Diskussion eröffnen
Abgelegt in: Nostalgisches • 13. Sep. 2018, 20:30 Uhr • Diskussion eröffnen
Abgelegt in: Vermischtes • 11. Sep. 2018, 20:30 Uhr • Diskussion eröffnen
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