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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


Dienstag, 11. Oktober 2016

Son­der­fahrt

Heu­te Mit­tag im Rah­men ei­nes nicht-öf­fent­li­chen Be­la­stungs­te­stes mit dem na­gel­neu­en ICE 4 von Nürn­berg nach Mün­chen ge­düst. Vier (nicht bei der Fir­ma be­schäf­tig­te) Freun­de durf­ten ko­sten­los mit­ge­nom­men wer­den. Ab­fahrt im kal­ten Nürn­berg mit nicht durch­ge­sag­ten +35 Min., aber bei ei­ner ge­spon­ser­ten Frei­fahrt wol­len wir nicht klein­lich sein. Ei­ne gu­te Stun­de spä­ter lie­fen wir in der Lan­des­haupt­stadt ein:

Bildschirm des Fahrgastinformationssystems im ICE 4

Es folg­ten ein Spa­zier­gang durch die Stadt samt Sight­see­ing, am­bu­lan­ter Ver­pfle­gung am Vik­tua­li­en­markt und an­schlie­ßen­dem Be­such des Mu­se­um Fünf Kon­ti­nen­te. Dann noch Käff­chen, Schwätz­chen, Bum­me­lei zum Bahn­hof und mit ei­nem re­gu­lä­ren ICE (gleich­falls für lau, cour­te­sy of DB Fern­ver­kehr) wie­der rauf nach Nürn­berg ge­rutscht. Ein schö­ner, vol­ler, run­der Tag. Fo­tos? Fehl­an­zei­ge! Ge­nuß war heu­te an­ge­sagt, nicht akri­bi­sche Do­ku­men­ta­ti­on des Er­leb­ten. Man mö­ge es mir ver­zei­hen...

Sonntag, 21. August 2016

Land der Lu­pi­nen und La­krit­zen (5)

An­fangs hat­ten wir uns ja nai­ver­wei­se ge­dacht, daß man je­den der tau­send Tei­che und Tüm­pel in der Um­ge­bung frisch und fröh­lich wür­de um­wan­dern kön­nen. Das hät­te We­ge oder zu­min­dest Tram­pel­pfa­de ums je­wei­li­ge Ge­wäs­ser vor­aus­ge­setzt, die es aber durch­aus nicht im­mer gibt: In der Re­gel sind die Ufer­zo­nen näm­lich sump­fi­ges Marsch­land und des­halb nur müh­sam bis gar nicht zu­gäng­lich. Stich­stra­ßen oder ‑we­ge gibt es in­des zu­min­dest zu den grö­ße­ren Seen, da lie­gen dann auch im­mer ein paar Boo­te kiel­oben her­um und har­ren ih­rer an­gel­freu­di­gen Be­sit­zer.

Wenn es der wacke­re Wan­ders­mann und die wun­der­ba­re Wan­de­rin dann doch ir­gend­wie und ir­gend­wo mal bis zu ei­nem Ufer schaf­fen, wer­den sie in der Re­gel mit ei­nem spek­ta­ku­lä­ren Aus­blick be­lohnt:

typisch schwedischer Seeblick

Lei­der kön­nen selbst Auf­nah­men wie die­se nur ei­nen klit­ze­klei­nen Aus­schnitt je­nes mul­ti­sen­sua­len Glücks­er­leb­nis­ses an­deu­tungs­hal­ber be­wah­ren, wel­ches ei­nen an sol­chen Or­ten über­kommt: Man blin­zelt ins Son­nen­licht, sieht Li­bel­len schwir­ren, hört Vö­gel zwit­schern, Wel­len gluck­sen, fühlt ei­ne sanf­te Bri­se auf der Haut und riecht nur Na­tur­fri­sches und nix Künst­li­ches. Ein Traum!

Ei­ne der er­wähn­ten Li­bel­len – ein rie­sen­gro­ßes Pracht­ex­em­plar – hat­te sich wohl beim Ja­gen dicht über der Was­ser­ober­flä­che ver­schätzt, war ins Nas­se ge­ra­ten und dann aus ei­ge­ner Kraft nicht mehr hin­aus­ge­kom­men. Der zone­batt­ler sprang eil­fer­tig her­bei, reich­te dem ver­zwei­felt stram­peln­den In­sekt ei­nen Ast zum Fest­hal­ten zu und zog das fi­li­gra­ne We­sen aus dem Ele­ment, wel­ches nicht das sei­ne war, um es zum Trock­nen auf ein Holz­scheit zu set­zen:

gerettete Libelle beim kontrollierten Wiederaufrüsten

Das an die Luft ver­brach­te Tier be­gann un­ver­züg­lich mit der gründ­li­chen Trag­werk-In­spek­ti­on, warf zu die­sem Be­hu­fe bald wie­der sei­nen Flü­gel-An­trieb an und ver­trieb mit sanf­tem Leer­lauf-Sur­ren zu­nächst ein­mal sämt­li­che Re­ste von Feuch­tig­keit, be­vor es dann wie­der ful­ly ope­ra­tio­nal ab­hob und von hin­nen schwirr­te. Zu­min­dest ei­nes der x‑tausend la­tent töd­li­chen Dra­men in der Na­tur ging durch die­se mensch­li­che In­ter­ven­ti­on glück­li­cher­wei­se glimpf­lich aus...

Durch die gu­te Tat des Ta­ges be­schwingt, schwang sich der Be­rich­ter wie­der in sei­nen wei­ßen Wa­gen und kurv­te die mä­an­drie­ren­den Land­stra­ßen ent­lang. Dank der für deut­sche Ver­hält­nis­se sehr strik­ten Ge­schwin­dig­keits­be­schrän­kun­gen und der schö­nen Land­schaft sind au­to­mo­bi­le Aus­fahr­ten im ge­pfleg­ten Old­ti­mer ein schwe­di­scher Brei­ten­sport. Die Lie­be der Nord­män­ner zu gum­mi­be­reif­ten An­ti­qui­tä­ten er­streckt sich kei­nes­wegs nur auf die schon er­wähn­ten dicken Ami­schlit­ten, es geht durch­aus auch gern ein paar Num­mern klei­ner:

tadellos restaurierter Oldtimer

Wenn man schon nicht ra­sen darf und soll­te, dann macht man aus der lang­sa­men Tucke­rei über Land we­nig­stens ein ge­müt­li­ches Ge­nuß­er­leb­nis. Ei­ne sehr schö­ne und nach­ah­mens­wer­te Ein­stel­lung!

Im­mer wie­der zog es uns ans Was­ser, im­mer wie­der zück­te mei­ner ei­ner die Ka­me­ra. Im Nach­hin­ein bin ich selbst ver­wun­dert, daß ich trotz mit­ge­führ­ter Ba­de­ho­se kein ein­zi­ges Mal ir­gend­wo hin­ein­ge­stie­gen bin. [1] Na ja, im Al­ter wird man um­ständ­li­cher und be­que­mer (und friert eher bzw. bil­det es sich ein)...

Holzsteg am See-Ufer mit privater Sitzgelegenheit

Ganz un­ge­plan­ter­wei­se ge­rät mir die­se letz­te Epi­so­de mei­ner Rei­se-Re­por­ta­ge zu ei­nem kon­zen­trier­ten Kon­den­sat der prä­gen­den Ein­drücke und An­sich­ten. Wäl­der und Was­ser, Was­ser und Wäl­der, im­mer und im­mer wie­der. Und das ganz oh­ne die vor­her be­fürch­te­te Mücken­pla­ge!

Den ti­tel­ge­ben­den Schmet­ter­lings­blüt­ler will ich hier auch noch­mal ins stim­mi­ge Abend­licht rücken, die bun­te Blü­ten­pracht hat uns fast durch die gan­ze Zeit un­se­res Auf­ent­halts be­glei­tet:

Lupinen am Abend, leuchtend und labend!

Un­ser Freund be­stä­tig­te die­ser Ta­ge per Über­mitt­lung ei­nes Fo­tos sei­nes Vor­gar­tens, daß die von uns müh­sam ir­gend­wo aus­ge­bud­del­ten und bei ihm vor dem Haus wie­der aus­ge­wil­der­ten Lu­pi­nen zu­min­dest teil­wei­se Wur­zel ge­schla­gen und ih­re Trans­plan­ta­ti­on über­lebt ha­ben. Viel­leicht er­gibt sich für uns ja die Ge­le­gen­heit, sie schon im näch­sten Jahr vor Ort ei­gen­äu­gig blü­hen zu se­hen?

Da wür­den wir dann frag­los auch man­chen aus­la­den­den Abend­spa­zier­gang rund um Grytgöl wie­der­ho­len wol­len, um uns an Land und Leu­ten auf’s Neue zu er­freu­en. Ist ja man­ches er­fri­schend an­ders als in der ei­ge­nen Hei­mat! Was dem Deut­schen sein Gar­ten­zwerg, ist dem Schwe­den zum Bei­spiel sei­ne Son­nen­uhr im Gar­ten und sei­ne ri­tu­el­le Milch­kan­ne an der Stra­ße:

nur noch Dekozwecken dienende Milchkannen

Wenn ich über­le­ge, was mir am be­sten ge­fal­len hat in je­nen knapp drei Wo­chen in Süd­schwe­den, so müß­te ich nicht lan­ge über­le­gen: Er­stens das Zu­sam­men­sein mit ei­nem Freund, zu dem man an­son­sten ja meist nur elek­tro­ni­schen Kon­takt auf Di­stanz hal­ten kann, zwei­tens der Auf­ent­halt in der Na­tur bzw. dem, was ei­nem in men­schen­be­sie­del­ter Ge­gend als na­tur­be­las­sen er­scheint.

Ein letz­tes Mal be­ge­ben wir uns zum na­he­ge­le­ge­nen »Haus­see« von Grytgöl, um das abend­li­che Spiel von Licht und Schat­ten in uns auf­zu­neh­men:

Abendstimmung am »Haussee« von Grytgöl

An­dern­tags ging es nach dem ge­mein­sa­men Früh­stück und ei­nem recht emo­tio­na­len Ab­schied mit dem ge­lie­he­nen Vol­vo­mo­bil wie­der zu­rück nach Lin­kö­ping. Die Stun­den bis zum Ein­checken in den dor­ti­gen Mi­ni-Flug­ha­fen nut­zen wir zum Be­such des hoch­in­ter­es­san­ten Flyg­va­pen­mu­se­ums, über das bei spä­te­rer Ge­le­gen­heit noch se­pa­rat zu bild­be­rich­ten sein wird.

Für heu­te und dies­mal be­schlie­ßen wir die Be­richt­erstat­tung über ei­ne ganz be­son­ders in­ten­siv emp­fun­de­ne Rei­se mit ei­nem Blick aus je­nem Flie­ger, der uns nach dem ob­li­ga­ten Zwi­schen­stopp in Am­ster­dam von dort zu­rück nach Nürn­berg brach­te:

Regenbogen über den Wolken

Der An­blick ei­nes Re­gen­bo­gens war uns so hoch in der Luft vor­her auch noch nicht ver­gönnt ge­we­sen, er er­schien uns als pas­sen­der Ab­schluß ei­ner an vie­len No­vi­tä­ten rei­chen Rei­se. Ge­mein­hin pfle­gen wir das Ur­laubs-Fee­ling ja durch un­mit­tel­bar vor der Heim­rei­se ein­ge­kauf­te Käse‑, Wurst- und Ge­bäck-Spe­zia­li­tä­ten noch für ei­ne Wei­le in den All­tag hin­über­zu­ret­ten, dies­mal hat­ten wir das ir­gend­wie ver­ges­sen und nur ein paar un­ter­wegs mit­ge­nom­me­ne La­kritz-Va­ria­tio­nen ein­ge­packt. Die­ser Hand­vor­rat ist mitt­ler­wei­le ver­siegt resp. längst ver­tilgt. Schon das al­lein wä­re ein Grund zur bal­di­gen Rück­kehr ins Land der zä­hen schwar­zen De­li­ka­tes­sen...

 
[1] Dies ver­blüfft um­so mehr, als der zone­batt­ler in jun­gen Jah­ren ei­ne aus­ge­wie­se­ne Was­ser­rat­te war und den na­hen Ba­de­wei­her in den Som­mer­mo­na­ten abends re­gel­mä­ßig erst ver­ließ, als sei­ne Lip­pen blau an­ge­lau­fen wa­ren und er vor Aus­küh­lung schlot­ter­te.

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Sonntag, 14. August 2016

Land der Lu­pi­nen und La­krit­zen (4)

Zu ih­rer Ge­schich­te und dem Be­wah­ren hi­sto­ri­scher Zeug­nis­se ha­ben die Schwe­den ein un­ver­krampf­tes Ver­hält­nis. Da sie schon seit län­ge­rem kei­ne kriegs­be­ding­ten Ver­hee­run­gen im ei­ge­nen Land zu be­kla­gen ha­ben und in­fol­ge­des­sen kei­ne zer­bomb­ten Städ­te wie­der­auf­zu­bau­en wa­ren, muß­ten sie in den 1960er Jah­ren und spä­ter schon die sprich­wört­li­che Ab­riß­bir­ne schwin­gen, um in ih­ren al­ten Stadt­ker­nen groß­flä­chig Platz für Neu­es zu schaf­fen. Im Rück­blick mö­gen vie­le das be­dau­ern, denn was dann an Be­ton-Bru­ta­lo-Ar­chi­tek­tur nach­folg­te, er­scheint sen­si­ble­ren Ge­mü­tern oft als bö­se Bau­sün­de, das ist in Schwe­den nicht an­ders als in Deutsch­land.

Im­mer­hin ha­ben die Schwe­den vie­les durch Trans­lo­zie­rung ge­ret­tet, bei­spiel­haf­te Alt­bau­ten al­so zu Mu­se­ums­dör­fern zu­sam­men­ge­faßt. Auch so­was kennt man aus hie­si­gen Lan­den, aber in Schwe­den gibt’s das deut­lich öf­ters. Zum Bei­spiel in Gam­la Lin­kö­ping, wo man die Es­senz des al­ten Orts­ker­nes von Lin­kö­ping in ei­ner Zeit­bla­se be­wahrt hat:

Szenerie in Gamla Linköping

Die in al­ten Lä­den und Kon­to­ren un­ter­ge­brach­ten Ge­schäf­te, Werk­stät­ten und Be­trie­be sind na­tür­lich schon auf Tou­ri­sten und Fe­ri­en­gä­ste ab­ge­stimmt und aus­ge­rich­tet, den­noch hat man nie den Ein­druck, in ei­ner künst­li­chen Dis­ney-Land-Ku­lis­se her­um­zu­lau­fen: Das Ge­bo­te­ne hat Be­zug zur Re­gi­on, die An­la­ge ist gut ge­plant und die mei­sten Häu­ser sind von »rich­ti­gen« Ein­woh­nern dau­er­haft be­wohnt. Zu­dem lie­gen Mu­se­ums­dör­fer wie Gam­la Lin­kö­ping nicht ir­gend­wo ganz weit drau­ßen, son­dern an der Pe­ri­phe­rie der In­nen­stadt, un­ein­ge­zäunt und mit meh­re­ren of­fe­nen Zu­gän­gen.

Wa­gen wir mal ei­nen grö­ße­ren Sprung (in der vir­tu­el­len Re­tro­spek­ti­ve kann man ja um­stand­los ma­chen, was in rea­li­ter ei­ne Ta­ges­rei­se be­deu­tet) nach Es­kils­tu­na, der Part­ner­stadt Er­lan­gens. Von der jahr­hun­der­te­al­ten Tra­di­ti­on der Me­tall­ver­ar­bei­tung und Ka­no­nen­her­stel­lung sieht und hört man dort heut­zu­ta­ge nicht mehr viel:

Blumenmeer in Eskilstuna

Ein­mal mehr be­gei­ster­te uns in die­sem schmucken Städt­chen (wie schon Ta­ge zu­vor in Norr­kö­ping) das Fla­nie­ren am Fluß ent­lang (hier Es­kilst­un­aån ge­hei­ßen). We­nig Au­tos, viel Grün, reich­lich Kul­tur und Krea­tiv­wirt­schaft in al­ten Back­stein­fa­bri­ken, da ist ein hal­ber Tag rum wie nix und man hat noch im­mer längst nicht al­les ge­se­hen, was ei­nen in­ter­es­sie­ren könn­te: Hier ei­ne Kir­che, da ei­ne Pro­me­na­de, dort ein Kunst­mu­se­um...

Apro­pos Mu­se­um: in mei­nem Stock­hol­mer Bil­der­bo­gen ha­be ich ja schon vor ei­ni­ger Zeit die kon­ser­vier­te Va­sa ge­zeigt, je­ne be­rühm­te kö­nig­li­che Ga­leo­ne, die auf ih­rer Jung­fern­fahrt im Jah­re 1628 schon nach et­wa 1300 Me­tern Fahr­strecke ken­ter­te und ab­soff. Nach mehr als 330 Jah­ren un­ter Was­ser hat man das be­stens er­hal­te­ne Schiff 1961 ge­ho­ben und ge­bor­gen und in ein na­hes Trocken­dock ge­schleppt. An Ort und Stel­le hat man dem wun­der­ba­ren Wrack spä­ter so­zu­sa­gen das Va­sa-Mu­se­um über­ge­stülpt und zeigt dort heu­te an­hand von viel­fäl­ti­gen Ex­po­na­ten rund um das ori­gi­na­le Schiff des­sen eben­so tra­gi­sche wie fas­zi­nie­ren­de Ge­schich­te:

Querschnitt durch die »Vasa« (Modell)

Der Be­such im Va­sa-Mu­se­um ist frag­los ein »Muß« für je­den Stock­holm-Be­su­cher: Die Au­ra des ech­ten Schif­fes ist be­ein­druckend, die di­dak­ti­sche Kon­zep­ti­on der um das gi­gan­ti­sche Ge­fährt her­um er­rich­te­ten Aus­stel­lung bei­spiel­haft. Ein Glücks­fall, daß der Schiffs­bohr­wurm in dem land­na­hen Brack­was­ser kei­ne Über­le­bens­chan­ce hat­te: Der lo­ka­len Ab­we­sen­heit die­ses an­son­sten weit­ver­brei­te­ten Holz­fres­sers ver­dankt die Mensch­heit die Über­lie­fe­rung des weit­ge­hend kom­plet­ten Schif­fes als aus­sa­ge­star­ke »Zeit­kap­sel«!

Nicht ganz so alt, aber gleich­wohl nett an­zu­schau­en sind an­de­re hi­sto­ri­sche Fahr­zeu­ge, die man auf Stock­holms Stra­ßen im Ein­satz sieht. Ne­ben au­to­mo­bi­len Old­ti­mern sind das zum Bei­spiel hi­sto­ri­sche Stra­ßen­bah­nen wie die­ses fast fa­brik­frisch wir­ken­de Ex­em­plar:

Straßenbahn in Stockholm

Ich hat­te ja schon in der er­sten Fol­ge mei­nes Rei­se-Rap­ports er­wähnt, daß in Schwe­den ver­gleichs­wei­se we­nig Men­schen auf ver­gleichs­wei­se viel Flä­che le­ben. Ent­spre­chend leer sind die Stra­ßen, ent­spre­chend groß sind die Au­tos. Lo­gisch, daß ei­nem aus­ge­wie­se­ne Klein­wa­gen eher sel­ten be­geg­nen. So­gar in der Me­tro­po­le Stock­holm ha­be ich nur ei­nen ein­zi­gen Smart ge­se­hen, und der kam aus­weis­lich sei­nes Kenn­zei­chens aus ... Co­burg!

An die­ser Stel­le mei­ner Re­mi­nes­zen­zen tropft mir nun un­ver­se­hens der Sab­ber von der Un­ter­lip­pe auf die Ta­sta­tur, her­vor­ge­ru­fen durch al­li­te­ra­ti­ons­in­du­zier­te (Co­burg -> Cor­net­to) Trig­ge­rung mul­ti­sen­so­ri­scher Er­in­ne­run­gen an das ach so gött­li­che La­kritz-Eis:

Lakritz-Cornetto

Ne­ben die­ser in deut­schen Lan­den un­be­kann­ten Eis­hörn­chen-Va­ri­an­te gab es na­tür­lich im Su­per­markt auch or­dent­li­che »An­stalts­packun­gen« zu kau­fen, mit de­nen wir den Ge­frier­schrank un­se­res gast­ge­ben­den Freun­des voll­ge­schlich­tet ha­ben zwecks ku­li­na­ri­scher Ab­run­dung der lan­gen Aben­de. Je mehr frän­ki­schen Freun­den und Be­kann­ten ich da­von er­zäh­le, de­sto mehr muß ich frei­lich ein­se­hen, daß La­krit­ze ein sehr po­la­ri­sie­ren­des Ge­nuß­mit­tel ist: Den ei­nen läuft – gleich mir – so­gleich das Was­ser im Mun­de zu­sam­men, die an­de­ren schüt­teln sich hef­tig ob der blo­ßen Vor­stel­lung, so­was in den Mund zu neh­men. Zwi­schen­drin scheint’s nix zu ge­ben...

Aber egal. Wenn wir nun schon mal in Stock­holm sind, ma­chen wir noch ei­nen Aus­flug in die/den Skan­sen, ein wei­te­res, in die­sem Fall weit­hin be­kann­tes und be­rühm­tes Mu­se­ums­dorf. Das exi­stiert schon seit 1891 und be­wahrt im Wort­sinn groß­flä­chig die schwe­di­sche Volks­kul­tur:

altes Schwedenhaus im Skansen

Auch die­se At­trak­ti­on ist ein für je­den Haupt­stadt-Be­su­cher ob­li­ga­to­ri­scher Pro­gramm­punkt, für den man sich (min­de­stens) ei­nen hal­ben Tag Zeit neh­men soll­te. Wir wa­ren üb­ri­gens sehr po­si­tiv über­rascht von der fach­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on der in hi­sto­ri­sche Ko­stü­me ge­klei­de­ten »Be­woh­ner­schaft« des Mu­se­ums­dor­fes. Das pro­fun­de Wis­sen der Hand­wer­ker, Bäue­rin­nen und Mäg­de ging weit über das hin­aus, was von »ty­pi­schen« Be­su­cher­fa­mi­li­en ge­mein­hin nach­ge­fragt wird. Auch in kom­ple­xen hi­sto­ri­schen und wirt­schaft­li­chen Zu­sam­men­hän­gen er­wie­sen sich die Da­men und Her­ren als über­aus be­schla­gen und sat­tel­fest, wir gin­gen letzt­lich er­heb­lich klü­ger wie­der her­aus, als wir hin­ein­ge­gan­gen wa­ren. So soll es sein!

Den bis hier­her ge­folg­ten Le­se­rin­nen und Le­sern ge­gen­über sei nun­mehr ein­ge­stan­den, daß des zonebattler’s höchst sprung­haf­te Er­zähl­dra­ma­tur­gie kein be­wußt ge­wähl­tes Stil­mit­tel ist, son­dern doch nur Aus­druck von Plan­lo­sig­keit und Faul­heit: Tat­säch­lich hat sich der Blub­ber-Blog­ger im Vor­aus 5 x 8 sei­ner schön­sten Ur­laubs-Fo­tos nach rein äs­the­ti­schen Kri­te­ri­en her­aus­ge­sucht und ver­sucht die­se im Nach­gang ei­ni­ger­ma­ßen stim­mig ver­bal zu ver­bin­den. Dank die­ses ent­waff­nen­den Be­kennt­nis­ses braucht es jetzt für ein wei­te­res »See-Stück« wohl kei­ne wei­te­ren Ver­ren­kun­gen:

Rettung ist nahe!

»Swe­den in a nuts­hell« wür­de ich die­ses pro­to­ty­pi­sche Mo­tiv wohl be­nen­nen, wenn ich denn für ein eng­lisch­spra­chi­ges Pu­bli­kum schrü­be: Was­ser, Wald, Wol­ken, Ro­man­tik so­wie all­ge­gen­wär­ti­ge Um­sicht, Vor­kehr und Si­cher­heit, all das und mehr fin­det sich hier in ei­nem ein­zi­gen Aus­schnitt kom­pakt zu­sam­men­ge­faßt wie­der.

Was­ser und Si­cher­heit sind auch die idea­len Stich­wor­te für et­was, was ich bis­lang we­der er­wähnt noch ge­zeigt hat­te: Bur­gen und Schlös­ser näm­lich, die lan­des­ty­pisch gern et­was ge­drun­ge­ner ge­baut wer­den resp. wur­den als wir re­la­ti­ven Süd­län­der das so ge­wohnt sind. Das hier ist Öre­b­ro slott in Öre­b­ro, man be­ach­te den ei­gens in­sze­nier­ten Kon­trast zu den neu­zeit­li­chen Sitz­ge­le­gen­hei­ten im Vor­der­grund:

Örebro slott

Auch die­se se­hens­wer­te Stadt »er­ober­ten« wir uns üb­ri­gens im Rah­men ei­nes Ta­ges­aus­flu­ges. Im Ver­gleich zu un­se­ren her­kömm­li­chen Rund­rei­sen er­wies sich der sta­tio­nä­re Auf­ent­halt an ei­nem Ort – eben Grytgöl – als pla­ne­ri­sche Her­aus­for­de­rung: Ei­ner­seits woll­ten wir na­tür­lich mög­lichst vie­le Fa­cet­ten des uns bis­lang un­be­kann­ten Lan­des ken­nen­ler­nen, an­de­rer­seits moch­ten wir nicht ei­nen Gut­teil des Ta­ges im Au­to ver­brin­gen, nur um stun­den­lang streng tem­po­li­mi­tiert durch im­mer­wäh­ren­de Wald­schnei­sen zu glei­ten...

Na ja, es fan­den sich in den knapp drei Wo­chen un­se­res Ur­lau­bes ge­nü­gend Zie­le im 100-Ki­lo­me­ter-Ra­di­us, die des Aus­rückens wert wa­ren. Man­ches ließ sich auch ganz gut mit­ein­an­der ver­bin­den. Den ei­nen oder an­de­ren Tag blie­ben die Rä­der un­se­res wei­ßen Vol­vos so­gar gänz­lich un­be­wegt und wir da­heim bzw. in fuß­läu­fi­ger Nä­he, was durch­aus zur gründ­li­chen Er­ho­lung und Ent­schleu­ni­gung bei­trug. Der Ef­fekt ist er­freu­li­cher­wei­se der­ma­ßen nach­hal­tig, daß mit der fünf­ten und letz­ten Fol­ge die­ser Rei­se-Re­pri­se auch erst wie­der in ei­ner Wo­che zu rech­nen ist!

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Samstag, 6. August 2016

Land der Lu­pi­nen und La­krit­zen (3)

Nach ei­ni­gen Ta­gen des er­hol­sa­men Auf­ent­halts kri­stal­li­sier­ten sich für uns ein paar of­fen­bar spe­zi­fi­sche Merk­ma­le des Schwe­den­tums her­aus. Der Schwe­de als sol­cher ist zu­nächst ein­mal noch ein rich­ti­ger Mann, von dem die paa­rungs­wil­li­gen Weib­chen zu Recht er­war­ten, daß er al­le an­fal­len­den Ar­bei­ten am und rund ums Haus be­herrscht und selbst lei­sten kann. Für die Er­rich­tung und In­stand­hal­tung der ei­ge­nen vier Wän­de wird ex­ter­ne Hil­fe nur dann in An­spruch ge­nom­men, wenn’s gar nicht an­ders geht. An­son­sten greift der Schwe­de be­herzt ei­gen­hän­dig zu Sä­ge, Axt und Ham­mer: Gro­ße Vol­vo-Kom­bis und rie­si­ge Bau­märk­te sind land­auf, land­ab gang und gä­be und be­le­gen des Schwe­den Hang und Drang zur Aut­ar­kie.

Tra­di­tio­nel­ler­wei­se streicht der Schwe­de sein höl­zer­nes Heim nach Fer­tig­stel­lung in rost­rot an; die­se Tra­di­ti­on hat nicht nur äs­the­ti­sche, son­dern pri­mär kon­ser­vie­ren­de Wir­kung ge­gen die Un­bil­den von Wind und Wet­ter, wie wir uns sa­gen lie­ßen. Was im­mer in der Far­be an che­mi­schen Keu­len (wei­land Ab­fall­pro­duk­te des Berg- und Hüt­ten­we­sens) ver­steckt sein mag, vor­zeig­bar ist das Er­geb­nis je­den­falls al­le­mal:

typisches Schwedenhaus der größeren Sorte

Vom Herrn des Hau­ses wird fer­ner er­war­tet, daß er den Ra­sen rund­her­um kurz und ge­pflegt hält, wes­halb es mit der idyl­li­schen Ru­he auf dem Land ei­ne re­la­ti­ve Sa­che ist: Ir­gend­ei­ner knat­tert im­mer mit (oder gar auf) sei­nem Ben­zin-Ra­sen­mä­her um sei­ne Dat­sche her­um, was bei den lan­des­üb­li­chen Par­zel­len­grö­ßen schon ei­ne gu­te Wei­le dau­ern kann...

Gro­ße Grund­stücke, gro­ße Ab­stän­de zum Nach­barn: Die sple­ndid iso­la­ti­on bringt ei­ne ge­wis­se Zer­sie­de­lung der Land­schaft mit sich. Da­mit die Post­bo­tin nicht in bis zum En­de je­der Schot­ter­stra­ße pre­schen muß, um ein Brief­lein oder ei­ne Ga­zet­te zu­zu­stel­len, geht sie mit ih­rem rechts­ge­lenk­ten gel­ben Post­au­to an ei­ner Bat­te­rie von Brief­kä­sten läs­sig längs­seits, um dann – oh­ne ihr Ve­hi­kel ver­las­sen zu müs­sen – vom Lie­bes­brief bis zur amt­li­chen Vor­la­dung al­les in die schlüs­sel­los auf­zu­klap­pen­den Brief­bo­xen zu stop­fen:

Briefkästen in Reih' und Glied

Ja, post­zu­stell­tech­nisch herr­schen im Schwe­den­land Usu­an­cen wie in den US of A. Die Brief­kä­sten ste­hen weit vor der ei­ge­nen Haus­tür ir­gend­wo an der näch­sten Stra­ßen­ab­zwei­gung oder ‑kreu­zung. Bö­se Bu­ben mit si­ni­stren Ab­sich­ten scheint es auf dem wei­ten Land kaum zu ge­ben. Ver­mut­lich gäb’s eh nix Wert­vol­les zu sti­bit­zen, Pa­ke­te wer­den ja wohl doch bis zum Emp­fän­ger ge­fah­ren oder beim Nach­barn ab­ge­ge­ben...

Was aber macht der ge­mei­ne Schwe­de, wenn die Post ge­le­sen, der Ra­sen ge­mäht und die Frau – so­fern vor­han­den – un­leid­lich ist? Ge­nau, er wirft An­gel und Kö­der in den Kof­fer­raum sei­nes (Volvo-)Kombis und macht sich auf zum Was­ser, ge­nau ge­sagt zu je­nem Ge­wäs­ser, an wel­chem er sein Boot lie­gen hat. Die­ses macht er mit we­ni­gen Hand­grif­fen see­klar und sticht in den­sel­ben, um die See­le und die ha­ken­be­schwer­te An­gel­schnur bau­meln zu las­sen. Der Kor­re­spon­dent und sei­ne bes­se­re Hälf­te wa­ren ei­nes Abends teil­neh­men­de Be­ob­ach­ter ei­ner sol­chen Ver­an­stal­tung:

abendliche Angel-Kreuzfahrt

Des Freun­des Nuß­scha­le aus GFK bot Platz für uns drei, das an­gel­tech­ni­sche Zu­be­hör und na­tür­lich auch für die bei­den mit­ge­schlepp­ten Blei-Ak­kus im Au­to­bat­te­rien-For­mat, die dem elek­tri­schen Au­ßen­bor­der die nö­ti­ge En­er­gie zum laut­lo­sen Glei­ten über die abend­li­che Glit­zer­ober­flä­che des still ru­hen­den Sees lie­fer­ten. Glück­li­cher­wei­se »fin­gen« wir letzt­lich nur ein paar Fel­sen und Schling­pflan­zen, so daß sich die Fra­ge zum ord­nungs­ge­mä­ßen Um­gang mit le­ben­dem Beu­te­gut gar nicht erst stell­te.

Wir sprin­gen wie­der an Land und wei­ter zum näch­sten The­ma. Un­ser Freund und Gast­ge­ber ist nicht nur zum Ver­gnü­gen in Schwe­den an­säs­sig, er ist tat­säch­lich aus be­ruf­li­chen Grün­den dort­hin gezogen.[1] Nach­dem er vor­her drei Jah­re für sei­nen in Er­lan­gen be­hei­ma­te­ten Ar­beit­ge­ber in Shang­hai und sonst­wo auf der an­de­ren Sei­te der Erd­ku­gel tä­tig war, hat ihn das dar­auf fol­gen­de En­ga­ge­ment vom bro­deln­den He­xen­kes­sel der asia­ti­schen Groß­stadt ins so­zu­sa­gen skan­di­na­vi­sche Ge­gen­teil ver­schla­gen. Im­mer­hin un­ter­hält die SIEMENS AG in Finspång das ein­zi­ge kon­zern­ei­ge­ne Schloß:

Schloß Finspång

Die vor dem Ge­mäu­er sorg­sam in Stel­lung ge­brach­ten Ka­no­nen sol­len die Fir­ma wohl eher nicht vor ei­ner feind­li­chen Über­nah­me be­wah­ren, sie müs­sen als Re­mi­nes­zenz an die Pro­dukt­pa­let­te der Finspång’schen Ei­sen-In­du­strie ver­gan­ge­ner Jahr­zehn­te und Jahr­hun­der­te gel­ten. Wo­bei: In die­sen tur­bu­len­ten Zei­ten von »In­du­strie 4.0« kann es nicht scha­den, ein paar nicht-vir­tua­li­sier­te, hand­fe­ste Ar­gu­men­te mit Knall­ef­fekt in der Hin­ter­hand zu ha­ben...

Her­stel­len tun sie heut­zu­ta­ge in dem gro­ßen, vor ein paar Jah­ren von ALSTOM über­nom­me­nen SIE­MENS-Werk kei­ne Knall­büch­sen mehr, son­dern Gas­tur­bi­nen mitt­le­ren Ka­li­bers. Selbst­re­dend herrscht im von uns aus­gie­bigst be­sich­tig­ten Pro­duk­ti­ons­be­reich streng­stes Fo­to­gra­fier­ver­bot, aber im­mer­hin darf ich hier auf ei­ne of­fi­zi­el­le Ani­ma­ti­on ver­wei­sen, die sehr schön zeigt, was Sa­che ist. Statt mit ei­nem Fo­tos aus der Tur­bi­nen­bau-Werk­statt kann ich selbst nur mit der (nicht min­der re­prä­sen­ta­ti­ven) Kehr­sei­te des sie­men­sia­ni­schens Schlöß­leins die­nen:

Schloß Finspång von hinten

Das SIE­MENS-Werk grenzt un­mit­tel­bar an den Schloß­park und ist über­haupt sehr un­auf­fäl­lig in die Land­schaft ein­ge­bet­tet. Der zone­batt­ler be­kennt frei­mü­tig, der­lei vor­her noch nie ge­se­hen zu ha­ben: Schwer­indu­strie fin­det ge­mein­hin in tri­ster bis de­so­la­ter Um­ge­bung statt. In Finspång sieht es eher nach Frei­zeit­park aus als nach dem Sitz ei­nes Welt­markt­füh­rers im An­la­gen­bau. Der uns dort zu­teil­ge­wor­de­ne Blick hin­ter die Ku­lis­sen und das Er­le­ben von cut­ting edge tech­no­lo­gy war für uns frag­los ei­ner der Hö­he­punk­te die­ser Rei­se!

Zu­rück zur Na­tur: Zu ger­ne hät­te ich ja mal ei­nen mür­risch drein­blicken­den Elch mit aus­la­den­dem Schau­fel­ge­weih vor mei­ne Lin­se be­kom­men, aber der­lei Fo­to­gra­fen­glück ist mir lei­der nicht zu­teil ge­wor­den. Wie schon mal er­wähnt, sind die of­fi­zi­ell als tag­ak­ti­ve Ein­zel­gän­ger gel­ten­den Paar­hu­fer in der Pra­xis eher in der Däm­me­rung un­ter­wegs, und da lag der zone­batt­ler halt noch (oder schon wie­der) im Bett re­spek­ti­ve auf dem So­fa. Da­für gab es al­ler­or­ten den höchst agi­len Nach­wuchs von En­ten oder Schwä­nen zu se­hen und zu knip­sen:

Schwanenmama mit Nachwuchs

Ein Dut­zend Fo­tos ha­be ich al­lein von die­ser Schwa­nen­ma­ma und ih­rer sechs­köp­fi­gen Kin­der­schar ge­schos­sen, die mun­ter pad­delnd ge­mein­sam im Ha­fen­becken vor dem Schloß von Vad­ste­na un­ter­wegs wa­ren. Mensch und Tier ge­hen hier und an­dern­orts ge­schäf­tig, aber stets un­auf­ge­regt ih­rer Ar­beit nach. Man kann sich sehr schnell an den be­schau­li­chen Le­bens­stil ge­wöh­nen...

Über­haupt scheint ganz Schwe­den – oder zu­min­dest der Teil der Lan­des, den wir be­reist ha­ben – ei­ne ein­zi­ge Idyl­le zu sein. In der von üp­pi­gem Grün ge­präg­ten Ge­gend neh­men sich so­gar la­ten­te Um­welt-Fre­ve­lei­en lieb­lich aus, wie der in Fol­ge 1 ge­zeig­te Trak­tor und die­ser vor sich hin se­di­men­tie­ren­de PKW de­mon­strie­ren:

abgestellter und eingewachsener PKW

Man be­ach­te, daß nicht et­wa die ab­ge­stell­te Kar­re Ge­gen­stand von und An­laß zu so­zia­ler Äch­tung des Be­sit­zers ist. Nein, ver­werf­lich wä­re es, den Ra­sen nicht or­dent­lich kurz zu hal­ten, wes­we­gen fein säu­ber­lich um den Blech­hau­fen her­um ge­mäht wird. Dies mut­wil­lig zu un­ter­las­sen wä­re hier­orts wohl die ei­gent­li­che Schan­de...

Wie­sen, Wäl­der, Was­ser: Dem na­tür­lich über­all er­reich­ba­ren World Wi­de Web steht in Schwe­den gleich­falls flä­chen­deckend ein wun­der­ba­res »WWW« im Rea­len ge­gen­über, an dem man sich nicht satt­se­hen kann. Zum Ab­schluß der heu­ti­gen Epi­so­de sei­en die­se drei Ele­men­te in ei­nem Bild ver­eint ge­zeigt, so­gar noch er­gänzt um ein vier­tes »W« wie »Wol­ken«:

Bucht am Campingplatz Fiskeboda

Wie ge­stran­de­te Del­phi­ne lie­gen sie da, die um­ge­kipp­ten Boo­te, und wir­ken an­ge­sichts ih­rer ele­gant-schnit­ti­gen Form kei­nes­wegs wie Fremd­kör­per in der an­son­sten un­be­rührt er­schei­nen­den Land­schaft. Sze­nen wie die­se fin­den sich an je­dem grö­ße­ren Ge­wäs­ser, und da die all­ge­gen­wär­ti­gen Ka­jaks und Käh­ne ge­dul­di­ge Mo­del­le dar­stel­len und durch­aus län­ger als nur 1/125 Se­kun­de still­hal­ten, kann man sie auch gut in Ru­he ma­len statt sie nur en pas­sant abzulichten...[2]

Das war es dann auch schon wie­der für heu­te. Dem­nächst mehr!

 
[1] Mit dem Be­trei­ben ei­nes Boo­tes, ei­nes Ra­sen­mä­hers von Hus­q­var­na, dem His­sen schwe­di­scher Fähn­chen am Haus so­wie dem zü­gi­gen Er­ler­nen der Spra­che muß un­ser frän­ki­scher Freund in Öster­göt­land als mu­ster­gül­tig in­te­gra­ti­ons­wil­lig, ja ge­ra­de­zu als As­si­mi­lant gel­ten. Lei­der trifft das nur auf ei­ne Min­der­heit von Ex­pats zu: Die mei­sten von ih­ren Fir­men ins Aus­land ent­sand­ten Fach­kräf­te las­sen sich von den Sit­ten und Ge­bräu­chen ih­res Gast­lan­des nur we­nig be­net­zen und blei­ben über­wie­gend un­ter sich. Selbst schuld!

[2} Was ich bei­spiel­haft auch ge­tan ha­be bzw. ha­be tun las­sen, sie­he da­zu den er­sten Kom­men­tar un­ter die­sem Bei­trag.

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Sonntag, 31. Juli 2016

Land der Lu­pi­nen und La­krit­zen (2)

Schon am zwei­ten Ta­ge un­se­res Auf­ent­hal­tes mach­ten wir uns selb­dritt auf zu ei­ner klei­nen Städ­te­tour in das knapp 50 km süd­öst­lich ge­le­ge­ne Norr­kö­ping.[1] Bis in die 1960er Jah­re hin­ein war die Stadt ein Zen­trum der Tex­til­in­du­strie, da­nach ging es wirt­schaft­lich steil berg­ab auf­grund sich wan­deln­der Kon­sum­ge­wohn­hei­ten und vor al­lem we­gen der star­ken Kon­kur­renz aus fern­öst­li­chen Bil­lig­lohn­län­dern. Das En­de der Ge­schich­te ken­nen wir aus ei­ge­ner An­schau­ung, die Baum­woll­in­du­strie Er­lan­gen-Bam­berg Ak­ti­en­ge­sell­schaft (ERBA) läßt grü­ßen...

Im­mer­hin ha­ben sich in Norr­kö­ping trotz auch dort vor­ge­kom­me­ner Ab­riß­or­gi­en et­li­che an­sehn­li­che In­du­strie­bau­ten er­hal­ten, die heut­zu­ta­ge ver­schie­den­ste Nach­nut­zung durch Be­hör­den, Start­ups, In­sti­tu­te und kuk­tu­rel­le Ein­rich­tun­gen er­fah­ren:

saniertes Industriegebäude in Norrköping

Um dem Ver­lust von Ar­beits­plät­zen in der Tex­til­in­du­strie et­was ent­ge­gen­zu­set­zen, wur­den An­fang der 1970er Jah­re ei­ni­ge staat­li­che Be­hör­den aus der Haupt­stadt Stock­holm nach Norr­kö­ping ver­la­gert. Der Ver­gleich mit Fürth, Grun­dig, Quel­le und dem Baye­ri­schen Lan­des­amt für Sta­ti­stik drängt sich da ge­ra­de­zu auf: Ähn­li­che Pro­ble­me wer­den halt al­ler­orts mit ähn­li­chen Me­tho­den be­kämpft...

Wo der Ab­riß­bag­ger in Norr­kö­ping Al­tes ver­nich­tet hat, um Neu­em Platz zu schaf­fen, ist oft­mals ar­chi­tek­to­nisch durch­aus Vor­zeig­ba­res ent­stan­den. Der Kon­trast hat sei­ne äs­the­ti­schen Rei­ze, wenn­gleich sich frag­los nur ei­ne dün­ne Schicht Gut­ver­die­ner das Le­ben im üp­pig ver­gla­sten Stadt­l­oft lei­sten kann:

Neubau im Herzen Norrköpings, am Motala ström

Wir schlen­der­ten noch ein Weil­chen am Mo­ta­la ström ent­lang und durch die sonn­täg­lich ru­hi­ge In­nen­stadt und be­fan­den schluß­end­lich: Ja, hier lie­ße es sich wohl le­ben. Ins­be­son­de­re dann, wenn ei­nem das plat­te Land als zu ein­sam vor­kommt und die Me­tro­po­le Stock­holm als zu groß...

Aber mit der In­spi­zie­rung Norr­kö­pings war der Tag ja noch nicht an­nä­hernd ge­füllt: Hei­ter wei­ter ging es da­her in Rich­tung Ost­see­kü­ste, al­so er­neut nach Süd­osten. Da­bei ka­men wir durch ei­nen Ort mit dem denk­bar kür­ze­sten Na­men, der es al­lein des­halb schon ver­dient, hier fest­ge­hal­ten zu wer­den (Ku­rio­si­tä­ten sind ja ein gern ge­rit­te­nes Stecken­pferd des Be­richt­erstat­ters):

Ortschild von Å

Ja, der Ort heißt wirk­lich »Å«...[2] Ziel und Wen­de­punkt un­se­res Ta­ges­aus­flugs war in­des Tyr­is­löt, von wo aus man – am Ufer der Schä­ren­mee­res ste­hend – di­ver­se Schä­ren se­hen kann. Hun­der­te, nein Tau­sen­de In­seln säu­men die Kü­sten, bis zum of­fe­nen Meer wä­re man stun­den­lang un­ter­wegs. In­ter­es­sant ist die Er­kennt­nis, daß sich die nach Ab­schmel­zen der eis­zeit­li­chen Glet­scher im Wort­sin­ne »er­leich­ter­ten« Land­mas­sen auch heu­te noch – wenn auch lang­sam – he­ben (Stich­wort: post­gla­zia­le Land­hebung), was da­zu führt, daß neue In­sel­chen en­ste­hen, be­reits vor­han­de­ne grö­ßer wer­den und frü­he­re Hä­fen ver­lan­den.

Lei­der war we­der Zeit noch Ge­le­gen­heit, mit ei­nem Post­boot durch das stei­ner­ne La­by­rinth zu schip­pern, aber das Ge­se­he­ne war schon ein­drucks­voll ge­nug. So mach­ten wir uns al­so auf den Rück­weg und steu­er­ten da­bei noch das pit­to­res­ke Städt­chen Söder­kö­ping an. An des­sen Nord­rand liegt der Göta-Ka­nal, und in dem wie­der­um fah­ren nost­al­gisch-schö­ne Pas­sa­gier­schif­fe wie die hier ex­em­pla­risch fest­ge­hal­te­ne »Lin­dön« her­um:

Dampfer »Lindön« im Göta-Kanal bei Söderköping

Söder­kö­ping gilt als ei­ne der best­erhal­te­nen mit­tel­al­ter­li­chen Städ­te Schwe­dens. Mei­ner ei­ner hät­te die vie­len Holz­häu­ser auf­grund ih­res ma­kel­lo­sen Er­hal­tungs­zu­stan­des nicht un­be­dingt bis zu­rück ins Mit­tel­al­ter da­tiert, aber ja, das Städt­chen hat Charme!

Über­haupt kam sich der Chro­nist stän­dig wie in ei­ner der aus Kin­der­ta­gen er­in­ner­li­chen Fern­seh­se­rie schwe­di­scher Pro­ve­ni­enz vor. Al­les so­zu­sa­gen ziem­lich put­zig-pip­pi­lang­strump­fig in die­sem in mul­ti­pler Hin­sicht mu­ster­gül­ti­gem Land...[3]

Holzhäuser in Söderköping

Als wir nach aus­gie­bi­ger Be­sich­ti­gung Söder­kö­pings den Ort ver­lie­ßen und die Heim­fahrt an­tra­ten, war es schon halb sie­ben Uhr abends. Ziem­lich ge­nau um 19 Uhr mach­ten wir dann noch bei Finspång in ei­nem Su­per­markt Sta­ti­on, um uns für die fol­gen­den Ta­ge zu ver­pro­vi­an­tie­ren und des Freun­des Spei­se­kam­mer zu fül­len.

Das sonn­täg­li­che (!) Ein­kaufs­er­leb­nis ver­dient ei­ne aus­führ­li­che Wür­di­gung. Zu­nächst ein­mal ist be­mer­kens- und fest­hal­tens­wert, daß auch an Sonn­ta­gen und bis in den spä­ten Abend ge­öff­ne­te Lä­den in Schwe­den nichts Be­son­de­res sind, son­dern ge­leb­te Nor­ma­li­tät. Kein Mensch kä­me hier auf die Idee, im an­geb­li­chen In­ter­es­se der Be­schäf­tig­ten ei­ne all­ge­mei­ne Sonn­tags­ru­he ein­zu­for­dern. Uns war es recht, wir schau­en uns in frem­den Lan­den im­mer ger­ne Su­per­märk­te von in­nen an, schon we­gen der un­ge­wohn­ten Pro­dukt­viel­falt und ‑ver­packun­gen. Die er­ste Über­ra­schung er­war­te­te uns aber be­reits im Ein­gangs­be­reich des Ein­kauf­zen­trums:

Batterie von Scannerpistolen

Tja, was sind das wohl für ei­gen­ar­ti­ge Ge­rät­schaf­ten, die da ih­rer Ent­nah­me durch den Kun­den har­ren? Ge­nau, Scan­ner­pi­sto­len! Mit die­sen Din­gern kann der Kun­de wäh­rend sei­nes Ein­kaufs­bum­mels selbst die ge­wähl­ten Pro­duk­te re­gi­strie­ren und ih­re Prei­se auf­ad­die­ren las­sen, bei au­to­ma­ti­scher Be­rück­sich­ti­gung al­ler ak­tu­el­len Ak­ti­ons­prei­se und Ra­bat­te, ver­steht sich. Aber hal­lo!

Un­ser Freund de­lek­tier­te sich an un­se­rer Ver­blüf­fung, zück­te läs­sig sei­ne Kun­den­kar­te, check­te da­mit am Au­to­ma­ten-Ter­mi­nal ein und be­kam ei­ne die­ser Scan­ner-Pi­sto­len zu­ge­wie­sen. Für die griff­be­rei­te Auf­wah­rung der per­sön­li­chen Re­gi­strier­kas­se ver­fügt je­der Ein­kaufs­wa­gen über ein ent­spre­chen­des Draht­körb­chen:

Scannerpistole in ihrer Halterung

Mit die­ser La­ser­ka­no­ne be­waff­net, macht sich der Kun­de no­lens vo­lens zum Kom­pli­zen der Be­triebs­wir­te, die ihm ei­nen Teil der per­so­nal­in­ten­si­ven Ar­beit zur Ei­gen­erle­di­gung über­tra­gen. Die da­für ge­währ­ten Preis­nach­läs­se und son­sti­gen Vor­tei­le ma­chen si­cher­lich nur ei­nen Bruch­teil der Per­so­nal­ko­sten aus, die man mit der flä­chen­decken­den Ein­füh­rung sol­cher Ge­rät­schaf­ten ein­spa­ren kann. Von den Mög­lich­kei­ten der Aus- und Ver­wer­tung der von den Kun­den frei­wil­lig, ne­ben­bei und mas­sen­haft ge­lie­fer­ten Da­ten zum in­di­vi­du­el­len Kon­sum­ver­hal­ten gar nicht zu re­den!

Dis­kus­sio­nen über das Pro und Con­tra sind in­des mü­ßig, was wir in Schwe­den pro­to­ty­pisch be­ob­ach­ten konn­ten, wird bei uns auch so kom­men, und zwar eher über kurz als über lang. Funk­tio­niert hat das Ein­le­sen der Pro­dukt­da­ten selbst­ver­ständ­lich pro­blem­los, und auch das Stor­nie­ren be­reits re­gi­strier­ter Pro­duk­te bei spon­ta­ner Um­ent­schei­dung war kein The­ma. Ein wei­te­res Fas­zi­no­sum schwe­di­scher Su­per­märk­te und Dis­coun­ter (deutsch­stäm­mi­ger in­klu­si­ve) sind üb­ri­gens die aus­la­den­den An­ge­bots­wän­de für sü­ße und sal­zi­ge Schütt­gü­ter:

Lakritz undd Gummibären galore!

Im Nach­hin­ein war es wo­mög­lich ein Feh­ler, di­ver­se la­krit­zo­ide Lecker­lis zwar in gro­ßer Viel­falt pro­bier­halb­er ein­zu­kau­fen, aber über­wie­gend erst nach der Heim­kehr nach Deutsch­land zu ver­ko­sten: Da wa­ren der­ma­ßen süch­tig ma­chen­de Ex­em­pla­re da­bei, die wir bei recht­zei­ti­gem Aus­pro­bie­ren vor Ort ki­lo­wei­se ge­bun­kert und bis zur Gren­ze des zu­läs­si­gen Ge­päck­ge­wich­tes in die Kof­fer ge­stopft hätten.[4]

Mit vol­lem Ein­kaufs­wa­gen ge­lang­ten wir schließ­lich im Kas­sen­be­reich an, den wir oh­ne zwi­schen­mensch­li­chen Kon­takt ver­lie­ßen, denn selbst­edend braucht es we­der für (bar­geld­lo­se) Zah­lung, Pi­sto­len­ab­ga­be und Kas­sen­bon-Kon­trol­le das Zu­tun ir­gend­wel­cher Mitarbeiter(innen). Üb­ri­gens auch nicht zur Al­ters­kon­trol­le, denn Spi­ri­tuo­sen mit mehr als 3,5 % Al­ko­hol­ge­halt be­kommt man oh­ne­hin nur in staat­li­chen Lä­den (zu deut­lich re­strik­ti­ve­ren Öff­nungs­zei­ten) zu kau­fen. Im schwe­di­schen Su­per­markt gibt’s we­der rich­ti­ges Bier noch Wein noch Ei­er­li­kör (letz­te­res zum ar­gen Ver­druß des En­des­un­ter­fer­tig­ten). So, aber nun Kof­fe­raum­klap­pe zu und ge­nug für heu­te. Bis bald!

 
[1] Die End­sil­be -kö­ping fin­det man bei schwe­di­schen Orts­na­men re­la­tiv oft. Die Aus­spra­che »-schöp­ping« deu­tet schon dar­auf hin, was da­mit be­zeich­net wird, näm­lich ei­ne Markt­ge­mein­de. So­was gib’s ja bei uns auch, sie­he Neu­markt.

[2] ...und ist da­mit so­zu­sa­gen das Ge­gen­teil der wa­li­si­schen Zun­gen­bre­cher-Ge­mein­de Ll­an­fairpwllgwyn­gyll­go­gerychwyrnd­robwlll­lan­ty­si­li­o­go­go­goch.

[3] Am Ran­de sei ver­merkt, daß ich aus­ge­rech­net die Kin­der­se­rie »Pip­pi Lang­strumpf« als grau­en­voll und zum Fremd­schä­men pein­lich in Er­in­ne­rung be­hal­ten ha­be. Mei­ne nun­mehr durch­aus vor­han­de­ne Af­fi­ni­ät zu Schwe­den exi­stiert al­so nicht we­gen, son­dern trotz die­ser me­dia­len Kind­heits-Re­mi­nes­zen­zen...

[4] Schon das al­lein ist ein hin­rei­chen­der Grund, spä­te­stens im näch­sten Jahr wie­der Schwe­den an­zu­steu­ern. Die in den dort er­hält­li­chen La­kritz-De­li­ka­tes­sen er­laub­ter­wei­se vor­han­de­nen Kon­zen­tra­tio­nen von Süß­holz und Am­mo­ni­um­chlo­rid (aka Sal­mi­ak) gibt’s bei uns in Deutsch­land al­len­falls in als »Er­wach­se­nen-La­kritz« de­kla­rier­ter Im­port­wa­re.

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Sonntag, 24. Juli 2016

Land der Lu­pi­nen und La­krit­zen (1)

Der Ein­la­dung ei­nes der­zeit dort le­ben­den und ar­bei­ten­den Freun­des aus hei­mi­schen Ge­fil­den fol­gend, mach­ten sich der zone­batt­ler und sei­ne bes­se­re Hälf­te An­fang Ju­ni nach (Süd-)Schweden auf. Knapp drei Wo­chen lang woll­ten wir im Hau­se un­se­res Gast­ge­bers le­ben, uns dort nütz­lich ma­chen und die Aben­de und Wo­chen­en­den zu ge­mein­sa­men Un­ter­neh­mun­gen nut­zen.

Die U‑Bahn brach­te uns von Fürth zum Nürn­ber­ger Flug­ha­fen, mit KLM Ci­ty­hop­per hupf­ten wir dann von dort erst nach Am­ster­dam und von da aus nach Lin­kö­ping. Schon im Lan­de­an­flug auf den be­schau­li­chen Lin­kö­ping Ci­ty Air­port (mit im­mer­hin je zwei plan­mä­ßi­gen Starts und Lan­dun­gen pro Tag) war of­fen­sicht­lich, daß Wald und Was­ser be­stim­men­de Ele­men­te ei­nes na­tur­na­hen Ur­laubs wer­den wür­den:

im Anflug auf Linköping

Un­ser Freund emp­fing uns am Gate mit gro­ßem Hal­lo und dem Schlüs­sel des für uns be­reits an­ge­mie­te­ten Leih­wa­gens. Der renn­gur­ken­ge­wohn­te zone­batt­ler hat­te sei­ne lie­be Not, sich in dem ver­gleichs­wei­se lu­xu­riö­sen Ge­fährt zu­recht­zu­fin­den und des­sen Mo­tor über­haupt erst ein­mal an­zu­las­sen (nicht per Schlüs­sel­dre­hung, son­dern per Knopf­druck). Im­mer­hin hat­te er dann auf der gut ein­stün­di­gen Fahrt nach Grytgöl in der öster­göt­län­di­schen Flä­chen­ge­mein­de Finspång ge­nug Ge­le­gen­heit, sich mit den Ei­gen­schaf­ten des un­ge­wohn­ten Ve­hi­kels ei­ni­ger­ma­ßen ver­traut zu ma­chen. [1]

Schon bald nach der An­kunft in des Freun­des herr­li­chen Häus­chen wa­ren die Kof­fer ge­leert, die Kla­mot­ten ver­staut, die Neu­gier auf Land und Leu­te groß. Auf er­sten Spa­zier­gän­gen und ‑fahr­ten er­leb­ten wir qua­si die Es­senz des schwe­di­schen Land­le­bens. Der mit­un­ter zu pla­ka­ti­ven Ge­ne­ra­li­sie­run­gen nei­gen­de Au­tor ge­wann da­bei den Ein­druck, daß – von re­gel­be­stä­ti­gen­den Aus­nah­men ab­ge­se­hen – die schwe­di­schen Häu­ser grund­sätz­lich rot ge­stri­chen und die Au­tos sämt­lich von Vol­vo fa­bri­ziert sind:

typisches Schwedenhaus mit untypischem Volvo-Pickup

Die von Fran­ken aus ge­se­hen gut 1.500 km wei­ter nörd­li­che­re La­ge merkt man un­ter an­de­rem am Licht: Es wirkt auch im Hoch­som­mer ir­gend­wie herbst­lich, da die Son­ne fla­cher über dem Ho­ri­zont steht und die Schat­ten da­her selbst zur Mit­tags­stun­de deut­lich schrä­ger fal­len als da­heim. Und na­tür­lich ist es län­ger hell als ge­wohnt: Erst nach 23 Uhr wird es ei­ni­ger­ma­ßen dun­kel, und schon um vier Uhr in der Früh’ kann man oh­ne Lam­pe dem be­gin­nen­den Tag ins freund­li­che Ant­litz se­hen. Im Win­ter kehrt sich das Gan­ze dum­mer­wei­se um, wes­halb man hin­ter je­dem Fen­ster min­de­stens ei­ne stu­ben- und stim­mungs­auf­hel­len­de Leuch­te ste­hen sieht...

Die lan­gen Aben­de bo­ten sich na­tür­lich an zu aus­ge­dehn­ten Spa­zier­gän­gen ums Haus her­um. Kein Ver­kehr, kaum Men­schen, fri­sche Luft und so gut wie kei­ne zi­vi­li­sa­ti­ons­ty­pi­schen Ge­räu­sche: Da staunt der Städ­ter, der da­heim zwar kur­ze We­ge und kul­tu­rel­le Viel­falt ge­nießt, aber eben auch die Schat­ten­sei­ten des Le­bens im Bal­lungs­raum im­mer vor Au­gen (so­wie in Na­se und Oh­ren) ge­führt be­kommt. Der zone­batt­ler freu­te sich fer­ner über die zahl­lo­sen Mo­ti­ve am We­ges­rand und wuß­te an­fangs kaum, wo­hin er sei­ne Ka­me­ra­lin­se zu­erst rich­ten soll­te.

verlassenes Gebäude bei Grytgöl

In die­ser Ge­gend des Lan­des nahm die In­du­stria­li­sie­rung Schwe­dens einst ih­ren An­fang: Nach Ei­sen­erz ge­gra­ben (und Ka­no­nen ge­gos­sen) wur­de hier schon vor Jahr­hun­der­ten. Al­les da­zu Nö­ti­ge (ei­sen­hal­ti­ges Ge­stein, Holz und Was­ser­kraft) war ja reich­lich vor­han­den. Heu­te sind zahl­rei­che Über­bleib­sel von al­ten In­du­strie­an­la­gen in pit­to­res­ker Um­ge­bung zu be­wun­dern, mit­un­ter wer­den sie in eh­ren­amt­li­cher Ar­beit er­hal­ten und zu­min­dest ta­ge­wei­se zu neu­em Le­ben er­weckt.

Apro­pos Le­ben: Nein, El­che ha­ben wir (je­den­falls in frei­er Wild­bahn) kei­ne ge­se­hen, die tap­pen ja ger­ne in der Dun­kel­heit her­um und die nutz­ten wir zum Schla­fen. We­ni­ger be­dau­er­lich fan­den wir den Um­stand, daß wir we­nig bis gar nicht von ste­chen­den In­sek­ten heim­ge­sucht wur­den. Flo­ra­sei­tig über­rasch­te uns die Ent­deckung, daß so gut wie über­all an den Stra­ßen- und Wal­des­rän­dern (so­wie in zahl­lo­sen Vor­gär­ten) bun­te Lu­pi­nen fröh­lich vor sich hin blüh­ten:

Lupinen im Wald

Die­se Pflan­zen ge­dei­hen in Schwe­den der­ma­ßen reich­lich und üp­pig, daß der Be­richt­erstat­ter sie hier­mit für sich zum in­of­fi­zi­el­len Wap­pen­tier er­klärt, ver­gleich­bar et­wa der Di­stel Schott­lands. Üb­ri­gens war es gar nicht so ein­fach, ein paar präch­ti­ge Ex­em­pla­re ir­gend­wo aus­zu­bud­deln und in des Freun­des Gar­ten zwecks lan­des­ty­pi­scher Ver­zie­rung des­sel­ben wie­der ein­zu­gra­ben: Die elend lan­gen Pfahl­wur­zeln sind der­ma­ßen mit­ein­an­der ver­wach­sen, daß selbst gu­te 80 kg Kör­per­ge­wicht auf dem Spa­ten nicht aus­rei­chen, das Ge­krö­se um­stands­los zu durch­ste­chen...

Ver­wei­len wir noch et­was im 250-See­len-Dorf Grytgöl (das zwei­te »g« im Na­men wird üb­ri­gens wie ein »j« aus­ge­spro­chen), des­sen Ein­woh­ner­schaft sich in groß­zü­gi­ger Ver­dün­nung über et­li­che Hekt­ar Flä­che ver­teilt. Mas­sen­mensch­hal­tung ist hier un­be­kannt, viel­mehr lebt man luf­tig und un­ein­ge­engt, z.B. in al­ten Fa­bri­kan­ten­vil­len:

ehem. Fabrikantenvilla

Man muß na­tür­lich da­zu­sa­gen, daß Schwe­den im Ver­gleich zu Deutsch­land 90.000 Qua­drat­ki­lo­me­ter mehr Flä­che, aber nur 1/8 der Ein­woh­ner hat. Wäh­rend sich al­so in der Bun­des­re­pu­blik durch­schnitt­lich et­wa 230 Leu­te ei­nen Qua­drat­ki­lo­me­ter tei­len, le­ben in Schwe­den nur 22 Men­schen auf der glei­chen Flä­che. Aber auch dort wol­len die mei­sten jun­gen und agi­len Zwei­bei­ner eher in den Städ­ten woh­nen, was sich auf die Im­mo­bi­li­en­prei­se wei­ter drau­ßen im Land merk­lich aus­wirkt: Für um­ge­rech­net 100.000 EUR kann man ein schö­nes Häus­chen mit mehr Gar­ten drum­her­um be­kom­men, als ei­nem wo­mög­lich lieb ist, aber da­für muß man halt zum näch­sten Su­per­markt un­ter Um­stän­den mehr als 30 km weit fah­ren. Von der Pen­de­lei zum Ar­beits­platz nicht zu re­den.

Da­für fin­det man auf der an­de­ren Sei­te der Me­dail­le Ru­he und Frie­den, und das ist na­tür­lich auch was wert. Wald und Was­ser sind qua­si im­mer in fuß­läu­fi­ger Nä­he, und ein Spa­zier­gang ent­lang der Tram­pel­pfa­de hat stets auch et­was Me­di­ta­ti­ves...

alter Industriebau an künstlich aufgestautem Gewässer

Denkt man an öf­fent­li­che Frei­bä­der, hat man als Ger­ma­ne so­fort ei­ne ka­ko­pho­ni­sche Ge­räusch­ku­lis­se aus Kin­der­ge­schrei, Was­ser­plat­schern, Ru­fen und Flu­chen im Ohr. Nicht so im schwe­di­schen Hin­ter­land: Je­des Kaff ver­fügt über Ge­wäs­ser, die sich oh­ne gro­ßes Drum­her­um zum Ba­den und Schwim­men eig­nen (und zum An­geln so­wie­so).

Ei­ne »Ba­de­an­stalt« be­steht da­her im We­sent­li­chen aus ei­nem Stück ge­mäh­ter Wie­se, ei­nem Um­klei­de­schup­pen, ei­nem Steg, ei­nem Ret­tungs­boot nebst Ret­tungs­ring und viel, viel wald­um­stan­de­nen Was­ser. Hö­ren tut man dort meist gar nix, denn mehr als ei­ne Hand­voll Dorf­nixen ist in der Idyl­le ge­mein­hin nicht an­zu­tref­fen:

Badesee von Grytgöl

Ach ja... Beim Be­bil­dern die­ser höchst sub­jek­ti­ven Rei­se-Re­por­ta­ge be­fällt den Be­richt­erstat­ter ein star­kes Ver­lan­gen, so­gleich wie­der gen Schwe­den auf­zu­bre­chen. Er wä­re auch je­der­zeit will­kom­men im Haus­halt sei­nes wei­land Forch­hei­mer (und spä­ter nach Fürth mi­grier­ten) Freun­des, al­lein der Jah­res­ur­laub ist voll­stän­dig auf­ge­braucht und die näch­ste Ge­le­gen­heit zum Flug in die Fer­ne bö­te sich da­mit al­len­falls in der Be­triebs­ru­he zwi­schen Weih­nach­ten und Sil­ve­ster. Aber dann sind die Ta­ge dort dro­ben im Nor­den kurz und du­ster und statt ei­nes Miet­wa­gens bräuch­te man min­de­stens ei­nen Schnee­pflug, wenn nicht gar ei­nen Ber­ge­pan­zer...

Zum The­ma Spe­zi­al­fahr­zeu­ge sei hier noch er­wähnt, daß die Schwe­den ger­ne al­te Au­to­mo­bi­le sam­meln: Na­ment­lich klas­si­sche US-Stra­ßen­kreu­zer ste­hen hoch im Kurs, und das, ob­wohl es hier in der Nach­kriegs­zeit kei­ne Be­sat­zer gab, die mit der­lei mon­dän ge­stal­te­ten Sprit­schluckern pu­bli­kums­wirk­sam her­um­fuh­ren. Egal, der Ben­zin-Vi­rus hat auch die Mo­tor­freaks im neu­tra­len Schwe­den be­fal­len, und so sieht (und hört) man auch im ent­le­gen­sten Hin­ter­land im­mer wie­der mal ei­nen Ami­schlit­ten mit so­nor blub­bern­dem V8-Mo­tor vor­bei­crui­sen. Was nicht mehr fährt, wird auf dem ei­ge­nen Grund ab­ge­stellt, auch die­se (Un-)Sitte scheint man von den Ame­ri­ka­nern über­nom­men zu ha­ben:

abgestellter Traktor

Ob chrom­blit­zen­des Schlacht­schiff, 90er-Jah­re-Kom­bi oder al­te Trak­to­ren wie der oben ge­zeig­te: Was im­mer aus­ge­dient hat oder un­fall­be­dingt nicht mehr aus ei­ge­ner Kraft fah­ren kann, wird nicht et­wa ver­schrot­tet, son­dern an mehr oder we­ni­ger pro­mi­nent sicht­ba­rer Stel­le vor oder hin­ter dem Haus dau­er­de­po­niert. Der Be­su­cher wun­dert sich dar­über bis heu­te, denn er kann sich schwer­lich vor­stel­len, daß ein oh­ne wei­te­re Kon­ser­vie­rungs­maß­nah­men of­fen un­ter frei­em Him­mel end­ge­la­ger­tes Kraft­fahr­zeug je­mals wie­der er­folg­reich in­stand­ge­setzt wer­den könn­te: Son­ne, Re­gen, Schnee und kras­se Tem­pe­ra­tur­un­ter­schie­de dürf­ten der­lei Ab­sich­ten von Jahr zu Jahr wei­ter un­ter­mi­nie­ren. Aber viel­leicht ist das »Gras dar­über wach­sen las­sen« in Schwe­den ja die deut­lich bil­li­ge­re Al­ter­na­ti­ve zur ord­nungs­ge­mä­ßen Ent­sor­gung?

Mit die­sem er­sten Blick in die rät­sel­haf­te Men­ta­li­tät der Schwe­den las­sen wir es für heu­te be­wen­den. In der näch­sten Fol­ge ma­chen wir uns in ein paar Ta­gen auf den Weg in ei­ne grö­ße­re Stadt und be­ge­ben uns an­schlie­ßend auf ei­ne Land­par­tie mit al­ler­lei wei­te­ren un­ge­wöhn­li­chen Ein- und Aus­blicken. Hej så län­ge!

 
[1] Wie so oft hat­te ich nach der Heim­kehr spä­ter das Ge­fühl, der ei­ge­ne Wa­gen wä­re durch Stand­schä­den qua­si un­be­nutz­bar ge­wor­den: Len­kung und Pe­da­le über­aus schwer­gän­gig, die Brem­se zwar ver­zö­gernd, aber doch deut­lich trä­ger. War na­tür­lich wie­der ein­mal nur ei­ne Fra­ge der (Um-)Gewöhnung...

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Dienstag, 28. Juni 2016

Som­mer­li­ches Stock­holm

Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Impressionen aus Stockholm
 
Montag, 13. Juni 2016

Drei­schat­tig­keit

Drei Freunde, drei Schatten
Montag, 7. März 2016

Läs­si­ges Lis­sa­bon (4)

Impressionen aus Lissabon
 
Impressionen aus Lissabon
 
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Impressionen aus Lissabon
 
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Impressionen aus Lissabon
 
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Sonntag, 6. März 2016

Läs­si­ges Lis­sa­bon (3)

Impressionen aus Lissabon
 
Impressionen aus Lissabon
 
Impressionen aus Lissabon
 
Impressionen aus Lissabon
 
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Impressionen aus Lissabon
 
Impressionen aus Lissabon
 
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Samstag, 5. März 2016

Läs­si­ges Lis­sa­bon (2)

Impressionen aus Lissabon
 
Impressionen aus Lissabon
 
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Impressionen aus Lissabon
 
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Impressionen aus Lissabon
 
Impressionen aus Lissabon
 
Impressionen aus Lissabon
 
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Freitag, 4. März 2016

Läs­si­ges Lis­sa­bon (1)

Impressionen aus Lissabon
 
Impressionen aus Lissabon
 
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Impressionen aus Lissabon
 
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