Sonntag, 31. Oktober 2010
Am zehnten Tage unserer Ruhrgebiets-Visite schauten wir uns zunächst noch ein wenig in Essen um, insbesondere umrundeten wir per pedes den riesigen Grugapark. Von außen wohlgemerkt, denn künstlich angelegte Pflanzen-Arrangements stehen nicht wirklich im Fokus unseres floralen Interesses. Übrigens waren die an der Park-Peripherie entdeckten Einrichtungen viel spannender, die nonchalanterweise in Eigeninitiative inspizierte Friedhofs-Lehrgärtnerei mit (mutmaßlich) leichenlosen Liegestätten beispielsweise hatte nicht nur morbiden, sondern auch ästhetischen Reiz...
Adieu Essen, hallo Duisburg! Der schwergewichtige Reiseführer legte uns zunächst den Besuch des Innenhafens nahe, wo eine postindustrielle Misch-Nutzung (wassernahes Wohnen, Gastronomie, Dienstleister, Kultur) ein ebenso abwechslungsreiches wie attraktives Areal (wieder-)belebt hat. Das dort ansässige Museum Küppersmühle für Moderne Kunst hatte leider wie jeden Montag geschlossen, dem Legoland Discovery Centre wollten wir weder Zeit noch Geld opfern, aber auch so geriet der Rundgang zum spannenden Erlebnis-Nachmittag. Wir tappten tapfer bis in die City und retour und waren hernach so zufrieden wie die en passant gekraulten Zirkus-Esel.
Am späten Nachmittag erreichten wir dann den faszinierenden Landschaftspark Duisburg-Nord, den wir erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder verließen. In dem nachgerade riesigen Areal rund um ein längst stillgelegtes Hüttenwerk gibt es soviel zu sehen, daß man darin ohne weiteres mehrere Tage schauend und staunend zubringen könnte...
Die Vielfalt der heutigen Nach-Nutzungen der massigen Anlagen verblüffte uns immer wieder. Der Deutsche Alpenverein unterhält dort nicht nur seine landesweit niedrigstgelegene »Berghütte«, sondern auch – in mehreren Abteilungen der alten Erzbunkeranlage – einen alpinen Klettergarten mit Schwierigkeitsgraden für jeden Geschmack:
Höhepunkt der Besichtigung war ganz zweifellos (und auch im wortwörtlichen Sinne) die Besteigung des ehemaligen Hochofens Nr. 5, der bis an die Spitze begehbar gemacht wurde. Wer die melancholische Atmosphäre solcher alten Industrierelikte zu schätzen weiß, kommt hier ebenso auf seine Kosten wie der Knipser auf der Suche nach ungewöhnlichen Motiven...
wir nächtigten am Rande des weitläufigen Parks und brachen anderntags nach Dortmund auf, wo der zonebattler zunächst einem seiner dienstlichen Kunden einen halboffiziellen Besuch abstattete und sich und seiner besseren Hälfte das ICE-Werk zeigen ließ: Nicht alle Tage bietet sich selbst unsereinem die Gelegenheit, unter aufgeständerten Gleisen den Bauch eines ICE T zu betrachten und dessen bistrotischgroße Bremsscheiben aus der Nähe zu bestaunen...
Selbstverständlich hielt sich unsereiner strikt an das im Werk herrschende Fotografierverbot, und daher kann ich diese Episode leider nur mit einem Schnappschuß illustrieren, der auf dem kurzen Fußweg zwischen Werkbereich und Parkplatz entstand:
Quer durch die Stadt ging es dann zum berühmten »Dortmunder U«, welchselbiges uns allerdings nur die animierte Fassade und ansonsten die kalte Schulter zeigte: Die neue Heimat des früheren Museums am Ostwall war noch im Umbau begriffen, die Ausstellung noch im Werden und mithin nicht zu sehen. Pech gehabt!
Was es hingegen zu sehen gab, war die Innenstadt und ihre Fußgängerzone, na gut, sind wir halt auch da mal gewesen... Ach ja: Alle paar hundert Meter begegnet man in Dortmund einem mehr oder weniger auf Kunst komm raus originell gestalteten Nashorn. Wenn das der Dürer wüßte!
Wesentlich interessanter gestaltete sich der abendliche Abstecher zur Zeche Zollern: Zwar kamen wir erst bei Kassenschluß dort an, konnten aber zumindest noch das Freigelände erforschen und die einzigartigen Jugendstil-Industriebauten bewundern. Heute stehen ja Arbeits- und Materialkosten in umgekehrten Verhältnis als Anno 1904, daher wachsen in Industriegebieten allenthalben nur noch Betonsärge aus der Erde und keine architektonischen Meisterwerke mehr. Schon das macht die Zeche Zollern zu einem einzigartigen Kleinod im großen Maßstab! Gleich nebenan auf dem Besucher-Parkplatz stellten wir hernach unsere Renngurke ab und betteten uns ein letztes Mal im mobilen Schlafzimmer zur Ruhe.
Der zwölfte und letzte Tag unserer Reise war angebrochen. Als erstes steuerten wir die Kokerei Hansa an und erreichten diese eine Viertelstunde vor der regulären Öffnung. Kaum hatten wir die Nase ins Gelände gesteckt, wurden wir schon aufgegriffen, an die Uhrzeit erinnert und an den offiziellen Besuchereingang verwiesen. Artig setzten wir uns dort auf die Wartebank vor dem Kassenfenster und wurden von der diensttuenden Aufsichtsperson per Kopfnicken begrüßt, ansonsten aber geflissentlich ignoriert, auch über den Schlag der vollen Stunde hinaus. Als gelernter Beamter und praktizierender Dienstleister kann der zonebattler die Mentalität von vorgefundenen Servicepersonalen ebenso rasch wie zweifelsfrei einschubladisieren, daher erschien es ihm ratsam, sich hier auf keine Diskussionen mehr einzulassen und kurzerhand auf eigene Faust das Areal zu erkunden. Was sich – im Nachhinein betrachtet – als ebenso zweckdienlich wie im Grunde entbehrlich entpuppte: Was wir dort zu sehen bekamen, hatten wir andernorts schon längst erforscht.
Wir fuhren weiter in Richtung Soest, um den zum Urlaubsbeginn bei den dort hausenden Freunden entliehenen Regional-Atlas wieder abzugeben. Unterwegs besuchten wir noch in (auf?) Schloß Cappenberg eine Kunstausstellung mit Werken von Günter Haese, einem Protagonisten der Kinetischen Kunst.
Diese Ausstellung erwies sich als überaus inspirierend und hervorragend gestaltet, wahrlich ein unverhofftes Highlight am Ende unserer Reise. Umgekehrt verhielt es sich leider mit dem Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna, welches wir mit großen Erwartungen betraten, jedoch einigermaßen enttäuscht wieder verließen. Immerhin: die begehbare Camera Obscura von James Turrell [1] mit der Projektion eines kreisrunden Himmelsauschnittes bleibt als grandioses Werk in Erinnerung.
Der Rest ist schnell erzählt: Von Unna nach Soest, von Soest auf die Autobahn und auf den 400 km bis Fürth alle 100 km eine kleine Pause gemacht. Gegen 22 Uhr trafen wir dann wohlbehalten daheim ein, wuchteten zunächst den mitgeführten Hausrat ins Treppenhaus und wunderten uns wie stets nach der Rückkehr von einer Campingreise über dessen scheinbare Volumenzunahme: Sechs oder sieben Mal ächzte der zonebattler die 66 Stufen hoch zu seiner homezone, jedes Mal bepackt wie ein Lastesel und mitunter auch schnaubend wie ein solcher. Am Ende stand die Erlösung in Form eines warmen Duschbades...
Zu Ende ist nunmehr auch diese Reise-Reportage, zu deren ordnungsgemäßen Niederschrift sich der Verfasser diesmal mehr als sonst überwinden mußte. Er bittet die geduldige Leserschaft submissest um Verzeihung für die langen Pausen zwischen den Teilen und verspricht für die Zukunft – erstmal nix.
[1] dessen Genialität wir bereits in Wolfsburg bestaunt hatten.
Sonntag, 17. Oktober 2010
Nach dem Aufwachen auf dem – wie es ein smarter Makler sehr treffend ausdrücken würde – äußerst verkehrsgünstig gelegenen Wohnmobil-Stellplatz besichtigten wir (nur eine obligatorische Katzenwäsche und ein wie üblich ambulant eingenommenes Frühstück später) den Oberhausener Gasometer. Als in der Tat sehr eindrucksvoll erwies sich das Innere des gigantischen Hohlkörpers, insbesondere aber auch die aktuelle Ausstellung »Sternstunden – Wunder des Sonnensystems«, die noch bis zum Ende des laufenden Jahres bewundert werden kann. Die übergroßen Fotos, die ausladenden Planetenmodelle und insbesondere das nachgerade riesige Mondmodell lohnen einen Abstecher in die dicke Röhre allemal!
Aus den Tiefen des Alls resp. des ehemaligen Gasbehälters wieder ans Tageslicht zurückgekehrt, machten wir interessehalber einen Rundgang durch das nahegelegene CentrO, dem laut Eigenwerbung »größten Shopping- und Freizeitzentrum Europas«. Na ja, es gibt dort wie hier und überall sonst im Wesentlichen die gleichen Kettenläden, eine Freßrotunde einen Food Court und die heutzutage übliche Shopping-Center-Architektur. Der zonebattler ließ sich letztlich von der allgemeinen Konsum-Stimmung um ihn herum anstecken und zückte verzückt seine Geldbörse... [1]
Über dem Kaufrausch war es Nachmittag geworden, darum galt es, hurtig auf die Autobahn zu flitzen und sich vom sanft säuselnden Handy in die quirlige Innenstadt Düsseldorfs lotsen zu lassen. In der dortigen Kunstsammlung NRW (K20 am Grabbeplatz) trafen wir uns zunächst mit einem uns bis dato nur virtuell bekannten Blogger-Kollegen zu einem höchst anregenden Plausch. Dann meeteten & greeteten wir noch eine liebe (Fast-)Nachbarin aus Fürth, welchselbe in wackerer, geduldig ertragener Pendler-Existenz in jenem berühmten Kunst-Tempel ihr werktägliches Ein- und Auskommen findet...
Indes waren wir ja nicht nur zum Schäkern und sich Beschnuppern nach Düsseldorf gekommen, nein, es wartete am Abend ein respektabler Kunstmarathon auf uns in Form der vielen zeitgleich stattfindenden Vernissagen zur Quadriennale 2010! Wir guckten und schoben uns bis spät in die milde Nacht durch die frisch eröffneten Ausstellungen »Joseph Beuys. Parallelprozesse« (K20), »Nam June Paik« (museum kunst palast) und »Der Rote Bulli. Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie« (NRW-Forum), bis wir dann endlich ermattet quer durch die Stadt (erneut vom Handy sicher geleitet) in Richtung Ausstellung Nr. 4 (K21 Ständehaus) tappten, woselbst die ebenso abseits wie kostenfrei geparkte Renngurke unserer harrte. Schön war die Kunst, schön war die Nacht, schön zeigte sich auch die bunt illuminierte Skyline des Dorfes an der Düssel:
Erst nach Mitternacht liefen wir wieder in Oberhausen ein, wo wir direkt am Fuße des Gasometers eine Wagenburg bildeten und uns zur (diesmal gebührenfreien) Ruhe niederlegten...
Am Tag Nr. 8 unserer Expedition waren wir schon lange vor der erneuten Öffnung des dicken Wahrzeichens von Oberhausen wieder wach und reisebereit. Wir tuckerten los in Richtung Essen, woselbst wir schon wieder eine Verabredung hatten: Am Rande der weltberühmten Zeche Zollverein wollten wir uns mit einem meiner fleißigen Homepage-Zuträger treffen, der uns – als Einheimischer bestens orts- und kulturkundig – die umfangreichen Einrichtungen der riesigen stillgelegten Anlage zeigen und erläutern wollte. Es wurde ein langer, lehrreicher und bunter Tag...
In seinem Hang zum Skurrilen und Bizarren fiel dem zonebattler so manches Detail auf. Unter anderem kam ihm dieser höchst eigenartige Mastschmuck vor die Linse:
Zunächst konnten wir uns keinen Reim auf jenes ebenso gelungene wie seltsame Woll-Objekt machen. Ein Blick auf den angeknüpften Beipackzettel klärte uns jedoch schnell auf: »Strickgraffiti soll den öffentlichen Raum etwas bunter machen und beschädigt nichts.« Wenn das kein Beispiel für vorbildhaft bürgerliches Engagement ist!
Nachdem wir uns am späten Nachmittag von unserem multitalentierten Führer-Freund verabschiedet hatten, fuhren wir weiter in Richtung Süden, nahmen unterwegs Betriebsstoffe für Mensch und Maschine auf und begannen mit der Suche nach einem Plätzchen für die Nacht. Dies gestaltete sich diesmal als unerwartet schwierig, es wollte sich partout kein geeigneter Ort erspähen lassen. Nach langer Odyssee – es war inzwischen schon dunkel geworden – bezogen wir endlich provisorisch Posten auf einem Besucher-Parkplatz am Nordost-Ufer des Baldeneysees.
Was sich letztlich als gute Wahl entpuppte: Im Grunde sollte man sich in Ballungsräumen ohnehin von der Idee verabschieden, einen Schlafplatz »im Grünen« ausfindig machen zu können. Mitten drin im urbanen Getümmel finden sich noch am ehesten leidlich abgelegene Ecken an Friedhöfen, Supermärkten oder Fabriken, wo sich des Nachts kaum ein Mensch hinverirrt. Und wenn doch mal einer seinen Vierbeiner Gassi führt, dann gucken beide meist diskret zu Seite. So jedenfalls unsere Erfahrung; die echten Schurken schlagen am hellllichten Tage zu...
Der neunte Tag unserer Reise war erstens ein Sonntag und machte zweitens seinem Namen wenig Ehre: Es regnete mehr oder weniger fast den ganzen Tag über. Das scherte (schor?) uns freilich wenig, denn wir hatten ohnehin ein eher inhäusiges Besichtigungsprogramm zu absolvieren. Die erste Station (die uns schon fast einen halben Tag kostete) war die oberhalb des Baldeneysees thronende Villa Hügel, die bis 1945 das repräsentative Refugium der Industriellen-Familie Krupp gewesen war:
Die in der Villa gezeigte Dauerausstellung zur Geschichte von Familie und Fabrik würdigt einerseits die großen technischen Leistungen des von der kleinen Klitsche zum Weltkonzern gewachsenen Unternehmens, dokumentiert aber auch die schicksalhafte Verstrickung mit dem NS-Regime, das ohne den »Kruppstahl« schwerlich hätte Krieg führen können...
Nach Verabfolgung dieser üppigen Dosis Zeitgeschichte machten wir uns wieder auf in Richtung Innenstadt, um die zweite Tageshälfte im Museum Folkwang zu verbringen. Danach waren wir platt bzw. voll, aber es reichte doch noch für eine schnelle Umrundung des Aalto-Theaters zu Fuß, um nach der bereits im April erfolgten Besichtigung des Wolfsburger Kulturhauses jenem Bau ein zweites Werk des finnischen Architekten vergleichshalber hinzuzugesellen. Und weil sich der Marsch an der frischen Luft als belebend erwies, haben wir dann auch noch ‑zumindest von außen – die prächtige Alte Synagoge inspiziert.
Nach so viel Essen für die Augen war die Zeit zum Essen für den Magen gekommen, welchselbiges wir wieder an den Gestaden des Baldeneysees einnahmen, an seinem nordwestlichen Zipfel unterhalb der Villa Hügel. Mit einem nächtlichen Spaziergang (es regnete mittlerweile nicht mehr) zum in der Ferne erahnten Stauwehr rundete sich der Tag: Drei Viertel der Reise ins Unbekannte konnten nunmehr als erfolgreich absolviert gelten. Zum letzten Viertel brechen wir in der nächsten Folge auf!
[1] Ausgabenrechnung: EUR 2,40 (Pizzastück) + EUR 0,40 (Klofrau) = EUR 2,80 Total
Sonntag, 3. Oktober 2010
Der vierte Tag unserer Reise begann mit Nieselregen, was uns jedoch wenig ausmachte, hatten wir doch als ersten Programmpunkt ohnehin den Besuch des Deutschen Bergbaumuseums in Bochum vorgesehen. Das weitläufige Museum gilt als eines der bedeutendsten seiner Art und ist in einem halben Tag nicht annähernd gewürdigt. Dennoch konnten wir recht viel lernen über Geschichte und Technik des Bergbaus, über dessen Eigenarten wir natürlich prinzipiell schon vorher einigermaßen Bescheid wußten, dessen faszinierende Details uns aber noch nicht so geläufig waren. Schier unglaublich erschien es uns, was beim Untertageabbau so alles an Gerät und Material in die Grube verbracht werden muß, bevor man dem Erdinneren überhaupt etwas abgtrotzen kann. Nicht weniger verblüffend ist freilich, was nach Ausbeutung der Kohleflöze alles unten bleibt, wenn die Grube endgültig geschlossen wird...
Nach diesem Ausflug in die Industriegeschichte tuckerten wir weiter an den Stadtrand zur Ruhr-Universität, um deren berühmte Kunstsammlungen zu inspizieren. Der betonlastige Campus erinnerte den zonebattler stark an die Technische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität zu Erlangen, woselbst er vor drei Dekaden eher halbherzig ein Ingenieurstudium angefangen (und sehr bald wieder beendet) hatte:
Marmor, Stein und Beton bricht, aber das hat ja letztlich auch seine eigene Ästhetik und visuellen Charme...
Ein Bummel durch die Innenstadt (nebst Genuß je eines Eises) rundete den Tag. Wir fuhren am Abend in südöstlicher Richtung weiter und fanden schließlich am hinteren Zipfel des Parkplatzes eines Sportgeländes bei Witten einen annehmbaren Platz für das ambulante Nachtquartier.
Am Morgen des fünften Tages rollten wir zielstrebig zurück nach Bochum: Des zonebattler’s bessere Hälfte wollte unbedingt die Medizinhistorische Sammlung der Universität besichtigen, welche in einem pittoresken alten Malakoffturm sehr stilvoll untergebracht ist. Wir verbrachten mehrere ungestörte Stunden lang in der recht informativen Ausstellung. Leider waren einige interaktive Exponate defekt und nicht zu benutzen, wie so oft hat das Geld einst nur für die Einrichtung, nicht aber für die laufende Unterhaltung und Pflege gereicht... Als unverhoffter Höhepunkt der Visite erwies sich die eigentlich schon rumme, aber noch nicht abgebaute Sonderausstellung »Gelenkte Blicke« über Rassenhygienische Propaganda und Politik im Kontext des Nationalsozialismus. Eine vortreffliche Dokumentation und Analyse der perfiden NS-Propaganda mit ihrem kruden Mix aus echten biologischen Erkenntnissen und pseudowissenschaftlichem Rassenwahn-Geschwurbel...
Ein reinigender Besuch im Bochumer Stadtbad machte uns anschließend wieder aufnahmefähig für die künstlerischen Herausforderungen, die wir in dem spektakulären Gebäudeensemble Situation Kunst (für Max Imdahl) suchten und fanden. Wir rissen mit unserem zaghaften Geklingel eine angehende Kunstgeschichtlerin aus ihren Studien und wurden von ihr eingelassen in eine Enklave der Kontemplation:
Teils unter fachkundiger Führung der diensttuenden Studentin hatten wir nun Gelegenheit, die ausgestellten Werke und den situativen Kontext auf uns wirken zu lassen. Sehr elitär, da wir auch hier wieder einmal die einzigen Besucher waren! Wer immer sich für zeitgenössische Kunst interessiert und in der Nähe ist, sollte die Gelegenheit zu einem Besuch dort nicht versäumen!
Im benachbarten Park fügen sich allerlei Skulpturen in die Umgebung ein und spielen mit der Wahrnehmung duch den Betrachter, wie beispielsweise dieser neckische Knick in der Optik hier:
Wieder zurück in der Innenstadt gönnten wir uns noch einen ausgiebigen Rundgang durch das Museum Bochum, gleichfalls mit Schwerpunkt auf moderner Kunst. Wie erstaunt waren wir doch, dergleichen in dieser Menge und Güte mitten im ehemaligen Kohlenpott zu finden! Was wir hingegen leider nicht fanden, war ein vertrauenserweckendes Plätzchen für die Nacht. Überdies wurde es rasch dunkel, also fuhren wir kurzerhand Richtung Witten, um eine weitere Nacht neben dem uns schon bekannten Sportplatz zu verbringen...
Dortselbst brachen wir am sechsten Tag unserer Reise am frühen Morgen auf und hielten einmal mehr auf Bochum zu. Nachdem wir dort die Jahrhunderthalle umlaufen und ausgiebig inspiziert hatten, zog es uns weiter in Richtung Bottrop, wo unsere nächste Destination auf uns wartete, das Museum Quadrat. Während in einem der räumlich verbundenen Gebäudeteile die Werke des Bottroper Künstlers Josef Albers gezeigt werden, gibt es auf der anderen Seite Heimatkundliches zu sehen, flankiert von einer eigenen Sammlung der Ur- und Frühgeschichte. Rechts abstrakte Kunst, links sehr konkrete Mammutskelette. Eine eigenartige, wenngleich durchaus reizvolle Mischung. Wohingegen sich gigantische Ammoniten und andere Fossilien über viele Millionen Jahre erhalten haben, ist der eher zeitgenössische Museumsbau leider schon nach wenigen Jahrzehnten marode geworden: Der pflichtbewußte zonebattler meldete dem Wachpersonal ein stetes Tropfen von der Decke, direkt zu Füßen eines darob ungerührt scheinenden Mammuts. Tja, Flachdächer halt, ein Irrweg der bautechnischen Evolution...
Mehr haben wir von Bottrop diesmal nicht gesehen, schon ging es weiter ins nahe Oberhausen. Dort erwarben wir Kombitickets für die aktuelle Ausstellung im weithin sichtbaren Gasometer sowie für die Ludwiggalerie Schloss Oberhausen. Die Zeit reichte indes nur noch für die Besichtigung der Galerie mit der sehr originellen Ausstellung »Zu[m] Tisch!«. [1]
Da wir dann ganz zufällig gleich nebenan einen gut ausgeschilderten, gleichwohl kaum belegten Wohnmobil-Parkplatz fanden, war die Suche nach einem Platz für die Nacht diesmal schon beendet, kaum daß sie recht begonnen hatte. Es blieb also noch Zeit für einen Abstecher zur nahen Siedlung Eisenheim, eine der ältesten komplett erhaltenen Arbeitersiedlungen Deutschlands. Erstaunlich, wie schon vor über hundert Jahren qualitätsvoll gebaut werden konnte: Vier völlig getrennte Wohnungen in einem Haus (separate Eingänge inklusive) sorgten für minimierte Baukosten und für den sozialen Frieden gleich mit! Heutzutage werden allerorten für teuer Geld reihenweise minimierte Bürgerkäfige mit maximierter Reibungsfläche zum Nachbarn errichtet, aber ich will das heute nicht schon wieder thematisieren...
Die Geschichte der Siedlung Eisenheim ist auf vielen informativen Texttafeln vor Ort nachzulesen. Kaum zu glauben, daß eine unheilige Allianz aus Eigentümer, Politik und Gewerkschaften seit den 1960ern den Totalabriß des (in baulicher wie von der Sozialstruktur her) völlig intakten Viertels gegen den erklärten Willen der Bewohner durchsetzen wollte. Wir lasen weiter und weiter, von den damaligen Bürgerinitativen und deren teils prominenten Aktivisten hatten wir bislang nie gehört. Na gut, wir waren damals noch zu jung und zu wenig politisch im Denken. Immerhin, die Sache ging gut aus: Was damals zu Aufruhr im Revier führte wie heute der Streit um Stuttgart 21, liegt heute ruhig und beschaulich vor den Augen des Betrachters:
Ob sich die heutigen Bewohner über die historische Bedeutung ihres Viertels im Klaren sind, ob sie sich überhaupt darum scheren? Man weiß es nicht, aber es wäre wenig verwunderlich, wenn die junge (Multikulti-)Generation für die Vorgeschichte ihrer engeren Heimat allenfalls ein Achselzucken übrig hätte...
So, es wurde duster, es ging auf Ladenschluß zu, drum noch schnell im nächsten Laden Milch und Käse geholt und sich auf den durch hohe Hecken intimisierten Wohnmobil-Stellplatz in eine Ecke verzogen. Daß der Platz unweit der Bahn lag, war uns zwar bereits aufgefallen, daß der Güterverkehr dort nahe am theoretischen Auslastungslimit liegen mußte, bemerkten wir erst im Laufe der Nacht. Na ja, irgendwas ist immer, und solange die Räder so rollen wie dort, muß sich der zonebattler vermutlich keine Sorgen um die Sicherheit seines Arbeitsplatzes machen.
Fortsetzung folgt!
[1] Wer Fotos aus den genannten Museen vermißt, findet diese sämtlich hier!
Dienstag, 28. September 2010
Nachdem der zonebattler und seine bessere Hälfte im Frühjahr reichlich Gelegenheit zur Körperertüchtigung gehabt hatten, sollte die allfällige Spätsommer-Exkursion der Abwechslung halber doch eher dem Training von Geist und Hirnschmalz dienen. Außerdem war längst wieder eine Campingreise mit der Renngurke fällig, um sich eine Weile in Demut und Bescheidenheit und nach Art der U‑Boot-Fahrer in einem nachgerade asketischen Lebensstil zu üben. Also ward beschlossen (wenn auch nicht groß verkündet), die weite Fahrt ins Ruhrgebiet anzutreten: Deutschlands größter Ballungsraum wartet mit reichlich industriegeschichtlichen Sehenswürdigkeiten und bedeutenden Kunstmuseen auf, die den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2010 als allemal gerechtfertigt erscheinen lassen. Wie üblich war der kleine GPS-Tracker mit von der Partie, was mir nun die nachträgliche Visualisierung der zurückgelegten Route auf der Landkarte ermöglicht:
Wir starteten in Fürth am Morgen des ersten September-Samstags und trafen nach etwa fünf Stunden weitgehend ereignisloser Marschfahrt [1] im schönen Soest ein, woselbst wir Freunde mit Haus, Garten und Hund besuchten und uns übers Wochenende bei ihnen einnisteten. Am Montag Morgen ging es dann frühzeitig weiter und das eigentliche Abenteuer los... [2]
Erste Haltestation war das nordöstliche Ufer des Hengsteysees, von wo aus wir zur nahen, aber hochgelegenen Syburg wanderten. Gleich nebenan guckt Wilhelm I. über das weite Land und hat sich über die Jahre grün geärgert über seine ihn mittlerweile weitgehend ignorierenden Untertanen:
Vielleicht ist er aber auch immer noch verstimmt über den plumpen Geschmack der braunen Kulturverweser, die seinen weiland gründerzeitlichen Schnörkelgarten in den 1930ern zu einem kalt-abweisenden Monumentalkonstrukt verhunzten...
Wieder unten angelangt, fand sich nach dem ambulanten Mittagsmahl zwischen den nahgelegenen Siedlungen Hengstey und Bathey endlich das langesuchte und ‑ersehnte Spätsommermotiv für ein jahreszeitlich passendes Desktop-Hintergrundbild:
Wenige Minuten und Streckenkilometer später gelangten wir in die Innenstadt von Hagen, welche wir per pedes und sehr ausführlich inspizierten. Hier wie später andernorts in den Städten des Ruhregebiets fiel uns auf, daß dort richtige Italiener mit Berufsehre im Leibe hervorragendes Speiseeis zubereiten und zu fairen Preisen feilbeiten: 80 Cent pro üppig bemessener Kugel in einer knusprigen Waffel und dazu noch ohne künstliche Aromen, das ist in Nürnberg und Umgebung beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr! Womöglich handelt es sich dabei um eine kulinarische Spätfolge der Gastarbeiter-Schwemme in den Industriezentren zu Zeiten des Wirtschaftswunders?
Weiter ging der Weg über das erstaunlich beschauliche Land bis nach Hattingen, dessen vielgerühmte Altstadt aus Fachwerkhäusern uns ebenfalls eine ausgiebige Erkundung zu Fuß wert war. In der Tat hätten wir nicht erwartet, dort oben in Deutschlands weiland stark industrialisiertem Westen so viel pittoreskes Fachwerk anzutreffen. Dieses zeigt sich zwar eher streng und weniger verspielt als die fränkische Bauweise, weiß aber trotzdem sehr zu gefallen. Nicht weniger originell sind übrigens die örtlichen Einzelhandelsgeschäfte, in denen man neben allerlei Tinnef beispielsweise modische Tarnanzüge für seine Vierbeiner erwerben kann:
Auch sonst gibt es allerlei Eigenwilliges zu sehen in der wirklich putzigen Hattinger Altstadt. Das finden freilich nicht alle lustig, manch einer wendet sich sogar peinlich berührt und mit Grausen ab:
Eine Sekunde lang habe ich die beiden Gnome tatsächlich für echt gehalten...
Der Abend nahte. Wir versorgten uns noch mit ein paar Lebensmitteln (insbesondere kühlbedürftigen solchen wie Milch und Käse, die die Nacht über neben dem Auto ausharren und aushalten müssen) und begannen im Umland mit der Suche nach einem Stellplatz für die Nacht. Nach einigen Irrwegen [3] bezogen wir schließlich auf einem großen Platz hinter einer Großgärtnerei und vor der Einfahrt zu einer großen Biogas-Anlage Posten. Sehr angenehm, da ruhig und mit asphaltiertem Untergrund, ein rares Komfortmerkmal auf unseren motorisierten Exkursionen. Mit routinerten Handgriffen wurden alsbald die Klamottentaschen, die Küchen- und die Waschkiste nach vorne in das Cockpit verfrachtet und der hintere Teil des treuen Minibusses damit zum Wohn- und Schlafzimmer umgewidmet. [4] Der einsetzende Regen machte das Hausen in der beschützenden Eierschale aus Glas und Blech so richtig gemütlich...
Soviel zu den ersten drei Tagen der Reise, von denen ja recht eigentlich nur einer eine Expedition ins Unbekannte war. In der nächsten Folge wird es dann schon mehr zu berichten geben!
[1] von der obligatorischen Entwässerungspause mal abgesehen...
[2] Bewaffnet waren wir übrigens mit dem dicken und fast schon zu umfangreichen »RuhrKompakt« Reise- bzw. »Erlebnisführer«. Die telefonbuchdicke Schwarte ist zu schwer zur Mitnahme auf Wanderungen und Spaziergänge, aber sie ist auch überaus informativ, thematisch sehr umfassend und noch dazu billiger als die meisten Konkurrenzprodukte.
[3] Man braucht bei unserer Art des improvisierten Herumzigeunerns regelmäßig ein paar Tage Übung, bis man wieder ein Gespür und einen Blick für gut geeignete Übernachtungsplätze in der freien Wildbahn bekommt...
[4] Wie immer hatten wir unten Isomatten und Wolldecken auf die beiden umgeklappten Rückbänke gelegt und ansonsten die regulären Federbetten von daheim mitgenommen. Im eigenen Bett schläft es sich ja bekanntlich allemal am besten!
Süßer und scharfer Senf: