Fragt man einheimische Malteser oder insulare Gastarbeiter nach gangbaren Fußwegen zur Küste oder gar nach Wanderrouten an derselben entlang, so erntet man zunächst Ratlosigkeit, dann aber gut gemeinte Ratschläge hinsichtlich der unbedingt anzuratenden Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zum direkten Ansteuern des Zielortes: Ausschreiten um des Ausschreitens willen scheint dort ein dermaßen abstruses Konzept zu sein, daß sich keiner vorstellen kann, warum man so etwas machen sollte. Unsereins wiederum war befremdet ob der geographischen Uninformiertheit mancher Leute, bei denen terra incognita schon einen Steinwurf abseits der Straße zu beginnen scheint...
Aber egal: Vom (in der Tat per Bus angefahrenen) Städtchen Kalkara aus umquerten wir per pedes die Baustelle der futuristischen SmartCity (wo derzeit noch nix sonderlich Smartes zu sehen ist), schlugen uns durch allerlei Gestrüpp und quasiöffentliche Feldwege durch nach Xgħajra und marschierten von da aus ein gutes Stück den Nordost-Zipfel Maltas entlang bis hinunter nach Marsaskala. Dabei kamen wir durch melancholisch stimmende Gegenden, die kaum je ein Tourist freiwillig aufsuchen dürfte. Was allerdings vielfach doch hingekommen war, waren EU-Fördermittel:
Das Bild steht prototypisch für die nicht-nachhaltige Verpulverung von öffentlichen Geldern durch Baumaßnahmen am Bedarf vorbei: breite Promenaden ohne promenierendes Publikum, Bänke sonder Zahl ohne Sitzende, Infrastruktur aller Art ohne die dazugehörigen Nutzer. Und ohne eine Perspektive, denn nach der Errichtung findet offenbar eine bedarfsweise Instandsetzung nur selten und präventive Instandhaltung gar nicht statt. Was für teuer Geld errichtet wurde, ist also sogleich wieder dem Verfall preisgegeben, der ja in der salzhaltigen Meeresluft nicht lange auf sich warten läßt: Zäune verrosten, Bänke verwittern, Grünanlagen verkommen.
Während sich die zeitgenössische Bauwirtschaft also mit dem realsozialistischen DDR-Motto: »Wir bauen auf und reißen nieder, so haben wir Arbeit, immer wieder« ganz gut charakterisieren läßt, so wurde in den lange zurückliegenden Zeiten des mächtigen Malteserordens schon aus Gründen des Aufwands (die Zeche zahlten nicht andere und moderne Baumaschinen gab es auch nicht) weit nachhaltiger gedacht und umsichtiger konzipiert. Ein schönes Beispiel sind die zahlreichen aus dieser Zeit überkommenen Wachtürme, von denen aus man nahende Invasionsflotten frühzeitig entdecken und schnurstracks weitermelden konnte:
Die Restaurierung dieser natürlich auch der Erosion unterliegenden, steinernen Zeitzeugen mit Hilfe von EU-Fördermitteln geht natürlich in Ordnung, damit wird Geschichte plakativ und leicht faßlich erhalten und nicht wie in unserer heimischen »Denkmalstadt« mutwillig plattgemacht (was – soviel sei der Gerechtigkeit halber konzediert – selbstredend auch auf Malta in großem Stil passiert). Immerhin, den verschiedenen Elementen der maltesischen Befestigungsanlagen wird konservatorische Aufmerksamkeit zuteil, und das auch im kleineren Maßstab, wie dieses Modell im neulich schon erwähnten »Fortress Builders Interpretation Centre« dokumentiert:
Man beachte die pragmatische Material-Mix-Bauweise: Wie die Bastionen und sonstigen großen Befestigungen auch bestehen die Türme zu großen Teilen aus Füllmaterial, welches zwischen die Innen- und Außenmauern verbracht und verdichtet wurde: Das spart nicht nur Bearbeitungsaufwand und Kosten, sondern steckt auch die Energie einschlagender Kanonenkugeln besser (und leichter reparierbar) weg als durchgängige Massivbauweise...
Im 20. Jahrhundert bauten die Briten munter weiter, wenngleich natürlich angesichts der Fortschritte der Militärtechnik unter geänderten Prämissen: Während man mit immer großkalibrigeren Geschützen den auf dem Wasser sich nähernden Feind schon weit vor seiner Sichtbarkeit einen feurigen Empfang zu bereiten trachtete, baute man an möglichen Landungsstellen etliche MG-Bunker aus Stahlbeton, von denen aus eine vergleichsweise kleine Mannschaft eine zahlenmäßig überlegende Truppe unter Feuer nehmen und wirksam niederhalten konnte. Der eigenen Wehrlosigkeit gegen Angriffe mit schwerer Artillerie oder später gar aus der Luft versuchte man mit Tarnanstrichen zur weitgehenden Unsichtbarmachung zu begegnen:
Meiner Meinung nach sollte man die alten Bunker dauerhaft wieder mit (gerne von der EU subventionierten) Soldaten besetzen: Wenn die aus den Schießscharten spähenden, jungen maltesischen Schützen die allgegenwärtigen Umweltfrevler (aus den Reihen der eigenen Bevölkerung) unter Beschuß nähmen, hätten sowohl die fliegende Fauna als auch die Landschaft was davon, von der Schaffung sicherer Arbeitsplätze (mit Pensionsanspruch) ganz zu schweigen. Im Nu wäre Ruhe, herrschten Sauberkeit und Ordnung! Weil dergleichen radikale Ansätze natürlich schon aus wahltaktischen Gründen momentan noch als unrealistisch einzustufen sind, werden bis auf weiteres nach wie vor die Vögel abgeknallt und die Landschaft zugemüllt:
Was angesichts der prinzipiell traumhaft schönen Umgebung kaum zu verstehen ist: Die flächendeckende Vermüllung des Lebensraumes geschieht ja nicht durch Fremde, sondern primär und zuvörderst durch die Einheimischen, die alles, was sie loswerden wollen, an Ort und Stelle liegen lassen. Oder sogar extra hinfahren: Wir haben an unbewohnten Küstenabschnitten wild entsorgte Herde, Kühlschränke und Kraftfahrzeuge gesehen, reich garniert mit unverrottbaren Kunststoffabfällen. Warum nur tut so ein Anblick nur dem Auswärtigen weh und nicht jenem, der sein eigenes Land so unnötig schändet?
Vielleicht hängt das ja mit der Bunker-Mentalität der Insulaner zusammen, die sich auch nach Jahrzehnten des Friedens immer noch gerne wehrhaft einkasteln und ihren Blick aufs Leben auf einen schmalen Tunnelblick verengen:
Nein, dieses Bild zeigt keine alte Wehrmauer, sondern den Rohbau eines neuen Wohnhauses mit klar erkennbaren Scheuklappen. Wenn man so konsequent alles ausblendet, was einen stören könnte, dann kommt man natürlich leichteren Herzens durch Leben...
Genug räsoniert, es hilft ja doch nix. Schauen wir uns nochmal an der unbewohnten Küste um und werfen wir dort einen unauffälligen Blick auf die Feizeitbeschäftigung der älteren Generation: Während Opa auf einem gischtumspülten Felsen hockt und Fische aus dem Meer zu ziehen sucht, sitzt Oma im notdürftig beschatteten Kleinbus und strickt derweilen. Die mitgeführten Vierbeiner teilen den unaufgeregten Lebensstil, dösen in der Sonne und lassen sich angesichts der fremden Wanderer noch nicht einmal zu einem lässigen »Wuff« herab.
So, wir nähern uns langsam dem Endpunkt unseres langen Marsches, der Touristen-Hochburg Marsaskala. Schon räkeln sich die ersten Miezen lasziv im Halbschatten der kunstvoll gestalteten (und selbstverständlich mit EU-Mitteln bezahlten) Bänke:
Cat content geht immer, wie der medienerfahrene zonebattler weiß. Obwohl er es ja an sich nicht nötig hat, seine Zugriffs-Statistiken durch derlei Tricks zu puschen. Freilich ist es mit dem öffentlichen Abbilden von Lebewesen so eine Sache: Bei zweibeinigen Miezen kriegt man schon beim Fotografieren mitunter Unschönes an den Kopf geworfen (real oder verbal), außerdem kann das verletzte Recht am eigenen Bild noch Jahre später zur juristischen Stolperfalle werden. Ergo zeige ich in meinen virtuellen Wunderkammern nur dann (identifizierbare) Menschen, wenn diese sich mit meinem lichtbildnerischen Ansinnen dezidiert einverstanden erklärt haben. Die bepelzten Vierbeiner pflege ich zu kraulen und ihr Schnurren als konkludente Zustimmung zu werten. So einfach ist das.
Und damit lasse ich es für heute bewenden. Demächst geht es heiter weiter.
Süßer und scharfer Senf: