Ende 1995 (also vor genau 10 Jahren) zog die US Army aus der William O. Darby-Kaserne in der Fürther Südstadt ab. Auf der 42 ha großen Fläche ist inzwischen ein neuer Stadtteil entstanden, mit einer interessanten Mischung aus umgewidmeten Altbauten (teils noch aus der Kaiserzeit) und modernen Gebäuden. Ein bunter (und überdies nicht unproblematischer) Mix, der aber nicht mein heutiges Thema ist. Ich will vielmehr von einem seltsamen Bodenfund berichten, den wir eines Sonntags beim nachmittäglichen Verdauungs-Spaziergang machten.
An der Ecke Sonnenstraße / Flößaustraße (also im Nordosten des ehemaligen Militärgeländes) wurde damals die Sonnenstraße neu geschottert und zur Asphaltierung vorbereitet. Zwischen den Bruchkalksteinen glänzten metallische Scheiben, die wir schon aus einiger Entfernung zweifelsfrei als Erkennungsmarken bestimmten, wie sie von Soldaten zur eindeutigen Identifizierung im Todesfall getragen werden. Über nur wenige Quadratmeter verstreut fanden wir gut zwei Dutzend dieser Zinkblech-Dinger, sämtlich mit der Stempelung »Flg. Ers. Batl. XII« versehen und ziemlich lückenlos fortlaufend nummeriert:
Obwohl ich in solchen Sachen durchaus kein Experte war und bin, lagen einige Schlußfolgerungen auf der Hand: Erstens waren diese »fabrikneuen« Marken nie ausgegeben worden, waren also vermutlich bis zum Verstreuen durch Unbekannte (Kinder?) ungenutzt als Vorrat in einem aufgegebenen alten Schreibtisch oder Büroschrank herumgelegen. Und das zweitens sechs Jahrzehnte lang, denn da vor den Amerikanern nie Bundeswehr in der Fürther Südstadt gelegen war, mußten die deutsch beschrifteten Marken aus der Zeit des »III. Reiches« stammen:
Daheim bestätigte mir eine schnelle Internet-Recherche meine Vermutungen: Das »Flieger-Ersatz-Bataillon XII« wurde 1942 in Trier-Büren (im Luftgau XII) aufgestellt und dann Ende 1944 nach Fürth i. Bay. (Luftgau VII) verlegt. Bingo! Rätselhaft bleibt indessen die Bedeutung der zusätzlichen Prägung »ITAL.«: Ob die Marken am Ende für italienische Kriegsfreiwillige im Dienst der Deutschen Wehrmacht bestimmt waren? Vielleicht kann ja ein Leser Erhellendes dazu beitragen...
Wir hatten jedenfalls Relikte aus der Zeit der Auflösung des Nazi-Reiches vor uns, und manch’ einer kann froh sein, damals nicht mehr in letzter Minute mit so einem fragwürdigen Schmuckstück um den Hals an die Front geschickt und sinnlos geopfert worden zu sein. Die Beschäftigung mit der jüngeren Zeitgeschichte ist oft schon erschütternd genug, aber mit solch’ greifbaren Artefakten in der Hand wird die Historie noch erheblich präsenter und beklemmender...
Literaturhinweis: Deutsche Erkennungsmarken des Zweiten Weltkrieges
Wie schon ganz richtig vermutet stammt der Zusatz »Ital« tatsächlich aus der Zeit, in der in der Wehrmacht (anders als zu Anfang des Krieges ) auch »fremdvölkische« Kriegsfreiwillige bzw. sog. »Zöglinge« eingesetzt werden konnten.
Die Leute hatten – sofern sie in einem von Deutschland besetzten bzw. mit Deutschland verbündeten Land zum Wehrdienst herangezogen wurden – die Wahl, ob sie der heimischen oder der deutschen Armee beitraten.
In einigen Gebieten, v.A. im Osten und auf dem Balkan oblag die Verwaltung dieses Freiwilligenwesens zunächst der SS, die jedoch Kontingente an andere Waffengattungen abgeben mußte.
Daher findet sich auf diversen Wehrmachtsmarken auch der Zusatz »ung.SS.Zög« also ungarischer SS-Zögling. Zögling hier nicht im Sinne von Pflegekind, sondern von »gezogen«, also zum Wehrdienst herangezogen...
#1
Auf SPIEGEL ONLINE ist gestern ein Artikel über den dubiosen Handel mit solchen Erkennungsmarken erschienen: »Das Geschäft mit den Kriegstoten«.
#2
Ich scheine damals nur die »Spitze des Eisbergs« gefunden und geborgen zu haben, wie mich die Lektüre dieser Foren-Diskussion mutmaßen läßt...
#3