So, jetzt sind die Fürther Ateliertage vorbei und dem zonebattler qualmen die Socken: Gestern waren wir von 16 bis 21, heute von 11 bis 20 Uhr ununterbrochen unterwegs und haben geguckt, geschaut, gesprochen (und nebenbei genascht). Das alles will erstmal überschlafen (und nebenher verdaut) sein, bis dahin gibt’s ein paar visuelle Appetithäppchen aus Ateliers, Galerien und Werkstätten als Pausenfüller:
Inszeniert ist an den Fotos nix, ich hab’ halt wie immer einfach draufgehalten, bis die Batterien alle waren. Jetzt gönne ich mir erst mal ein belebendes Fußbad und dann lege ich die Flossen hoch bzw. mich gleich gänzlich flach. Der Rest vom Fest folgt dann morgen als Kommentar zu diesem Beitrag...
Kreuz und quer auf Schusters Rappen durch Fürth
Ich war auch in der Fürther Kunstszene unterwegs, komme fast auf die gleiche Stundenzahl wie du und freue mich schon auf deine Eindrücke und Fotos. Ich habe – einschließlich dem Wetter, das man ja zwischendurch auf dem Weg zum nächsten Atelier auch genießen konnte, besonders am Sonntag, – ein wunderschönes und interessantes Wochenende erlebt.
#1
Hunderte von Fotos...
...habe ich während der Ateliertage gemacht, aber irgendwie hab’ ich meine Linse ziemlich oft nicht auf die ausgestellten Arbeiten gerichtet, sondern in die wenig beachteten Ecken lugen lassen. Ich meine, mir ist das ja fast schon ein wenig peinlich, denn sehenswertes Werke hat es mehr als genug gegeben! Also ich zeig’ Euch jetzt doch nochmal einen kleinen Lückenfüller, und dann geht’s wirklich bald (und in aller gebotenen Ernsthaftigkeit) zur Sache!
So, und jetzt sortiere ich mal meine Gedanken, dann meine Fotos, schließlich die unterwegs eingesammelten Karten, und dann melde ich mich in Kürze mit einem verbalen Kunst-Auflauf wieder.
#2
Künstlerischer Weltenbummel
Wenn ich so das Kunstwochenende (um das Fürth und die Fürther zu beneiden sind) im Geiste nochmals Revue passieren lasse, dann fällt mir auf, daß ich viele Bilder nur im Kopf und nicht in der Kamera mit mir herumtrage. So z.B. die neuen Siebdrucke von Axel Voss, der aus einem mehrmonatigen Schottland-Aufenthalt ein paar sehr spannende Motive mitgebracht und wie immer virtuos in seinen farbarmen Comic-Stil umgesetzt hat. Leider obliegt der Meister dem bösen Laster des Tabak-Rauchens, was uns den längeren Verbleib in seinem Atelier einigermaßen verleidet, ja recht eigentlich unmöglich macht.
Andernorts erwies sich die Luft als erheblich atembarer, zum Beispiel im multipel bespielten LETRA-Haus an der Ecke Karolinenstraße/Schwabacher Straße. Da waren wir von der Soap City von Heike und Helmut Hahn recht angetan:
Ein ganzer Turm aus Klarsichtkästchen ist das, ein jedes mit kleinen Häuschen oder gar Inseln (!) drin, sämtlich aus farbig transparenter Seife geformt. Wobei dem Autor (dem Suchtverhalten nicht fremd ist, freilich weniger in Sachen Nikotin denn vielmehr in Richtung Gummibärchen) beim Fotografieren ganz deplazierterweise das Wasser im Munde zusammenlief...
Bei der Konkurrenz-Mannschaft (wie nicht anders zu erwarten gab’s in beiden Lagern sowohl Kunst als auch Krempel zu bestaunen) gefielen uns die Bilder von Chris Engels, die in der Auferstehungskirche im Stadtpark einen passenden (wenn auch auf Dauer kühlen) Rahmen für ihre Arbeiten fand:
Das hatte was! Ein paar Stationen weiter landeten wir in der Atelierwohnung von Michael Matthaeus Martha, deren wunderschön in Eigenregie restaurierte Altbau-Fensterfront ich vor Jahresfrist schon abgelichtet hatte, ohne von des Bewohners Profession zu wissen. Der Mann hat uns tatsächlich nachhaltig beeindruckt, nicht nur wegen seines extravagant semi-kaledonischen Outfits. Bis weit nach Torschluß unterhielten wir uns angeregt über Kunst, Grafik, Kalligraphie, Altbau-Sanierung, Ästhetik-Erziehung, Schönheitssinn und vielerlei mehr. Nur was man als Herr von Welt stilechterweise unter dem Kilt zu tragen pflegt, habe ich meiner zappeligen Aufgekratztheit ganz vergessen zu fragen... Das Fotografieren dummerweise auch: zwei gute Gründe freilich, dort nochmals vorstellig zu werden!
Den Rest des Samstag-Abends verbrachten wir dann bei unserem Nachbarn und Freund Udo Meyer und seinen Gästen, Kunst, Gespräche, Musikeinlagen und Pizza inklusive. Dann waren Bauch und Birne zum Überlaufen voll.
Der Sonntag gehörte der westlichen Innenstadt, wo sich die Ateliers ja geradezu ballen. Was uns spontan angesprochen und begeistert hat, waren die großflächigen Arbeiten der jungen Theatermalerin Sabine Härting:
Farbgebung und Anmutung der großen Weibsbilder strahlten eine melancholische Grandezza aus, die mich lange gefesselt hat: Einerseits mondän und selbstbewußt, andererseits brüchig und fragil wirkend. Toll.
Sehr nachhaltig in Erinnerung ist dem zonebattler auch der ihm dortselbst zuteil gewordene, vorzügliche Kalte Hund geblieben. Auch ein Kunststück, nicht unbedingt leicht verdaulich und kalorienarm, gleichwohl ebenfalls hervorragend geraten (nebenbei bemerkt ist es ein herrliches Privileg, als hobbymäßig dilettierender Internet-Vollschreiber hier einfach zu kulinarischen Genüssen abdriften zu können, weil man ja weder einen auf Seriosität bedachten Chefredakteuer hinter sich weiß noch sich um die Meinung der anerkannten und abgehobenen sowie der anerkannt abgehobenen Szene-Experten scheren muß).
Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei der hehren Kunst. Nun, ich kürze jetzt mal ab, überspringe ein halbes Dutzend Ateliers, in denen wir uns jedes Jahr umgucken, verzichte auf die Schilderung eines unverhofften und ungeplanten Besuches in einer Hinterhof-Goldschmiedewerkstatt, langweile jetzt niemanden mit der Aufzählung der zufälligen Begegnungen mit Freunden, Bekannten und (Ex-)Nachbarn, reiße mich aber jetzt nochmal zusammen und erstatte Bericht von der letzten Station vor dem endgültigen Wegpacken der Kamera. In der Galerie Seeling (Mathildenstraße) zeigte der Steinmetz Wolfgang Endraß recht symbolhaft Präsenz zeigende Werke wie jenes:
Na was? Streitaxt, Eisernes Kreuz, Lautsprecher, Reichsadler, Fledermaus? In jedem Fall eine Ikone, über die man ziemlich lange spekulieren kann! Was wir auch taten...
Aber ich höre jetzt auf, bevor die Fantasie mit mir durchgeht. Ja, ich habe absichtlich welche weggelassen, die ich am liebsten verbal verreißen würde, und ich habe auch welche schlicht vergessen, die Lob und Anerkennung in reicher Dosierung verdienen würden. Aber ich hoffe, mit meinen launischen Einlassungen wenigstens ein paar meiner LeserInnen motiviert zu haben, im nächsten Jahr selber auf Tour zu gehen: Das Spektrum des Gebotenen ist bunt, die Vielfalt der Charaktere auch, und wenn’s einem in einer Lokalität nicht gefällt, hat man immer noch die Auswahl aus mehr als einem halben Hundert an Alternativen.
Einem bürgerlichen Spießer wie mir bescheren die Fürther Ateliertage jedenfalls immer reichlich Anregungen zum Nachdenken und auch die eine oder andere neue Bekanntschaft. Was bleibt, ist vor allem ein erweiterter Horizont: Das unendlich vielfältige Ringen um den bleibenden Ausdruck ist das, was kreative Menschen und ihre Elaborate so faszinierend macht. Gute Nacht.
#3