Auch wenn Puerto de la Cruz eine »echte« Stadt mit »echten« Bewohnern ist – eine vom Tourismus geprägte Gemeinde ist sie natürlich dennoch. Das merkt man an den unzähligen Bars und Restaurants, das sieht man auch an den (Lebens-)Künstlern aller Art, die an der Uferpromenade ihre mehr oder weniger originellen Dienste und Dinge anbieten.
Wie neulich in Paris fielen dem rapportierenden Beobachter die Heerscharen fliegender Maler und Zeichner auf, die nicht nur Politiker(innen) und dem glamourlosen zonebattler gemeinhin völlig unbekannte »Celebrities« auf pointiert überzeichnete Weise auf’s Blatt bringen, sondern auch die vorbeiflanierende Kundschaft. Letztere gegen Entgelt, wie sich von selbst versteht...
Der Berichterstatter, der um die Durchschnittlichkeit seiner Erscheinung weiß, macht um Offerten dieser Art regelmäßig einen weiten Bogen. Und was sollte er mit der fertigen Karikatur seiner selbst dann anfangen? Über sich lachen kann er schließlich auch ohne derlei Hilfsmittel!
Schlußendlich fertigt er selber Bilder an, freilich nicht mit Stift oder Pinsel, sondern mit seiner mittlerweile von vielen Urlaubsreisen patinierten Kompakt-Kamera. [1] Meist geht es ihm dabei bekanntermaßen nicht um getreuliche Dokumentation, sondern eher um graphische Abstraktion:
Zugegeben, man muß nicht unbedingt nach Teneriffa fahren, um minimalistische Fotos zu machen, aber hier wie fast überall gilt, daß die vom Menschen geformte Welt desto banaler und häßlicher ausschaut, je mehr man von ihr mit auf’s Bild bannt...
Aber da man eine Reise-Reprise ja schwerlich nur mit künstlerisch ambitionierten Detail-Herauslösungen bestreiten kann, soll der Blick jetzt erstmal wieder weiter schweifen. Hier freuen sich ein paar Jungs auf strandnaher Sitzgelegenheit ihres Lebens und betrachten dabei die sich ausbreitende Bebauung westlich von Puerto:
Die gut gebräunten Kerls waren vermutlich Einheimische, jedenfalls keine Briten: Die von der großen Insel sind gemeinhin zweifelsfrei zu bestimmen, da sie typischerweise käseweiß auf die spanischen Eilande kommen und spätestens am dritten Tag ihres Aufenthaltes krebsrot gesonnenbrandet umherlaufen...
Freudige Zerstreuung sucht der Mensch indes nicht nur zu Lande und am (bzw. im) Wasser, sogar der Luftraum ist längst von adrenalinsüchtigen Reisenden auf der Suche nach dem besonderen Kick bevölkert: Oben bei der Hochstraße zum Teide springen bei schönem Wetter Gleitschirmflieger im Doppelpack ab, wir hatten Gelegenheit, sowohl einige Starts in ca. 1000 m Höhe als auch mehrere Landungen unten auf Meeres-Niveau zu beobachten:
Der lautlose Segelflug kann bis zur einer halben Stunde dauern, wir haben nach mühsamer Hochkrabbelung auf den Bergrücken den schönen Schirmen bei ihrer lautlosen Reise nach drunten lange nachgeschaut. Merkwürdigerweise haben wir aber nirgends einschlägige Offerten gesehen, obwohl man sonst allerorten auf ausgelegte Flyer von Wander-Veranstaltern und anderen Freizeit-Verbringungs-Helfern stößt. Offenbar ist die Hanggleiterei unter dem Seidendach doch (noch) etwas eher Elitäres...
Springen wir wieder zurück auf den Boden der Tatsachen. Während man im Süden der Insel tatsächlich frachterweise Sahara-Sand über den Strand gekippt hat, um den bewegungsscheuen Faulenzer-Touristen Südsee-Feeling zu bescheren, sind die Strandabschnitte im Norden Teneriffas noch so, wie sie seit jeher waren und recht eigentlich auch sein müssen, nämlich schwarz. Klar, daß sich der dunkle vulkanische Auswurf im prallen Sonnenlicht weit stärker aufheizt als helles Schüttgut aus Afrika, aber wenn man nicht unbedingt barfuß unterwegs sein muß, hält man das gut aus, wie dieser musikkonservenbeaufschlagte Strandläufer hier souverän demonstriert:
Wohin der Herr mit zeitgeistgemäßer Ideal-Figur so beschwingt eilte, ist nicht überliefert. Wir folgten ihm ein Stück Weges, denn wir wollten an diesem unseren zweiten Urlaubstag an der Küste entlang nach Westen wandern bis zum Mirador de San Pedro.
Nur ein paar Minuten nach der Begegnung mit jenem hurtig ausschreitenden Mann am schwarzen Strande kam mir dieser Hotelklotz vor die Linse, der uns bei späteren Ausflügen ins Gebirge als im Wortsinne hervorstechende Landmarke die Identifizierung der auf die Entfernung doch recht ähnlichen aussehenden Ansiedlungen erleichterte:
Zweifelsfrei kriegt man in so einer himmelstürmenden Origami-Faltschachtel aus Beton wie diesem »Maritim« mehr Leute unter als in so einem antiquiertem Hotel wie dem »Metropol«, aber für uns persönlich wäre sowas keine ernstzunehmende Beherbergungs-Alternative. Gerne hätten wir im Rahmen einer ambulanten soziologischen Studie herausgefunden, was für Leute wohl in solchen Bewahranstalten absteigen, allein, wir haben keine gesehen. Offenbar werden die Insassen nur zu bestimmten Zeiten ebenso busladungsweise herangekarrt wie abgefahren, wir sahen im weiten Umkreis um den Klotz jedenfalls kaum eine lebene Seele...
Weiter im Text, weiter auf unserem Weg gen Westen. Was zu gefallen weiß, sind einzelne Häuser in der nach unserem Maßstäben einigermaßen »zersiedelt« zu nennenden Landschaft, in der offenbar jeder seine Finca dahin stellen kann, wo es ihm gerade paßt. Manchmal geht das sogar mit ästhetischem Feingefühl vonstatten, und das Ergebnis sind großartige Kontraste von blauem Meer (und Himmel), roten Dächern und schneeweißen Wänden:
Man beachte die Oberkanten der hübsch verzierten Ziersteinmauer: Ja, das sind einzementierte Glassplitter, die weniger der Dekoration als vielmehr der Abwehr unerwünschter Übersteiger dienen sollen (und das fraglos auch erfolgreich tun). Nicht einmal Teneriffa scheint ein Paradies der Ehrlichen und Neidlosen zu sein...
Wandern wir noch ein Stück weiter, so erspähen wir bald eine pittoreske Ruine, deren Abbild in keinem Reiseführer fehlt und die wirklich ganz außerordentlich anziehend wirkt, trotz (oder wegen) ihres ziemlich beklagenswerten Zustandes:
Bei der »Casa Hamilton« handelt es sich nicht um ein altes Kloster, wie uns manche Hobby-Knipser auf Google Earth weismachen wollen, sondern um eine ehemalige Quellwasser-Pumpstation, mit deren Hilfe die umliegenden Felder und Plantagen bewässert wurden. Die immer noch würdevolle Ruine ist an sich nicht zugänglich, übt aber natürlich auch deshalb einen großen Reiz auf kamerabewehrte urban explorer aus. Hier zeigt ein solcher eindrucksvolle Fotos des gründerzeitlichen Industrie-Reliktes; leider hat der Kollege es sich allerdings nicht verkneifen können, bei der Bearbeitung seiner HDR-Bilder die Stellschrauben sämtlicher Parameter viel zu weit aufzudrehen. Die resultierende Künstlichkeit am Rande des Erträglichen hätte nicht sein müssen, die gewählten Ausschnitte und Perspektiven lohnen aber dennoch die nähere Begutachtung.
Und damit genug für heute, wir legen jetzt eine (etwas ausgedehnte) Picknick-Pause ein und wandern in einer Woche frisch gestärkt weiter...
[1] Leider altern moderne Digital-Dinger aus sprühlackiertem Plastik typischerweise nicht annähernd so würdevoll und auratisch wie alte Apparate aus der Analog-Ära. Da waren bzw. sind meine zehn alten Minoltas doch von ganz anderem Schrot und Korn. Immerhin muß man sich heutzutage mit Leichtbau-Knipsen weniger abschleppen, und das hat ja auch sein Gutes...
Süßer und scharfer Senf: