Die Entwöhnung von der Muttermilch seinerzeit als narzißtische Kränkung erlebt habend und dies nachhaltig zu kompensieren suchend, ist der zonebattler vor mehr als einem halben Jahrhundert passionierter (Kuh-)Milchtrinker geworden und bis auf den heutigen Tag geblieben. Und während er ihm verkostungshalber vorgesetzte Weine jeglicher Provenienz und Güteklasse auch im reifen Alter allesfalls in »sauer« und »weniger sauer« zu kategorisieren vermag, so verfügt er in Sachen Milch über einen sehr ausgeprägten Geschmackssinn und nimmt feinste Nuancen war, die anderen Lebensteilnehmern verborgen bleiben. Einzig »Frischmilch« kommt ihm gemeinhin über die Zunge und auf die Geschmacksknospen, verpöhnt ist insbesondere die sogenannte »H‑Milch«, deren Geschmack indiskutabel ist und die allenfalls in kleiner Dosis im Kaffee geduldet wird, wenn andernorts gerade nichts Besseres zur Hand ist.
Seit einigen Jahren nun versucht der Handel, Milchtrinker mit »länger haltbarer« ESL-Milch zur sorgloseren Vorratshaltung zu animieren. Das Kürzel »ESL« steht für »extended shelf life« und bezeichnet de facto ein Zwischending zwischen Frischmilch und H‑Milch, wobei sich das »zwischen« nach Meinung des Autors dieser Zeilen sowohl auf die Haltbarkeitszeit als auch den Geschmack bezieht. Echte Frischmilch gab es in den letzten Jahren (die teuren Ultra-Öko-Flaschenabfüllungen im Bioladen lassen wir jetzt mal außen vor) im Wesentlichen nur noch bei REWE, weshalb der zonebattler seinen Wochenbedarf von sechs Litern (je drei Liter mit 3,5% und 1,5% Fettanteil) regelmäßig in der freitäglichen Mittagspause in Nürnberg einkaufte, um ihn zum vorwochenendlichen Feierabend dann nach Fürth zu schleppen. Ja, das ist unpatriotisch, aber nein, ich mag daheim nicht nochmals ausrücken müssen für Besorgungsgänge, die ich in der berufshalber frequentierten Ostvorstadt en passant erledigen kann...
Zurück zum Thema. Seit letzter Woche gibt es bei REWE verdrießlicherweise auch nur noch gefälschte Milch im »ja!«-gelabelten Tetrapack zu kaufen:
Man beachte die dezenten Unterschiede zwischen der »traditionell hergestellten« Frischmilch-Packung (links) und der für die nur unter größtem Widerwillen »genießbaren« ESL-Milch. Mit der Bezeichnung »länger haltbar« suggeriert einem der Handel einen Vorteil, der – zumindest aus Kundensicht – keiner ist: Länger haltbar ist auf meiner Zunge primär der eklige Nachgeschmack der ihrer natürlichen Eigenschaften weitgehend beraubten Milch. Es ist zum Mäusemelken! OK, bei längerem Nachdenken über diese Option dann eher doch nicht...
Interessant sind übrigens auch Details wie das offenbar neu angefertigte Foto, erkennbar am anderen Glas und der gänzlich unterschiedlichen Luftblasenbildung an der Oberfläche der darin enthaltenen Milch (oder was immer da im Studio für das Anfertigen des Produktbildes ins Glas gekippt wurde). Auch vom kursiven Schriftschnitt ist man aus unerklärlichem Grunde abgekommen: Vermutlich lautete die Vorgabe an den Grafiker: »Mach’ alles anders, aber es soll so aussehen wie vorher, damit der Kunde nicht verwirrt ist.«
Was also tun? Na ja, manche REWE-Filialen bieten immerhin noch »traditionell hergestellte« Alternativen unter anderem Markennamen und zu deutlich höheren Preisen an. Welche zu akzeptieren ich durchaus bereit wäre, wenn das Geld denn auch mehrheitlich beim Erzeuger ankäme. Freilich zeigten gelegentlich angestellte Experimente, daß manch’ andere, für’s doppelte Geld eingekaufte Milch schon vor dem Erreichen ihres Mindesthaltbarkeitsdatums bitter, flockig oder gar sauer geworden ist, etwas, was mir mit der früheren »ja!«-Milch so gut wie nie passiert ist. Ja, ich weiß um die Bedeutung der ununterbrochenen Kühlkette, und nein, ich biege mir die Welt nicht zurecht: Die alte »ja!«-Milch war – bei Würdigung der konsumierten Mengen und der gegebenen Begleitumstände – für mich die beste erhältliche Labsal! Die neue aber... Nein!
Glasflaschen beim Bio-Supermarkt zu holen ist mir übrigens zuviel der Schlepperei, zumal ich der Öko-Bilanz von Mehrwegflaschen im Vergleich zum Tetra-Pack eher skeptisch gegenüberstehe. Ich bin also momentan ratlos, wie ich mich mit meinen 54 Lenzen milchtechnisch über die nächsten 46 Jahre retten soll. Bleiben Sie dran, ich werde in den Kommentaren über Fortschritte (und ggf. Rückschläge) in dieser für mich lebenswichtigen Frage berichten...
Wie wäre es mit einer Amme?
Oder derer zwei? Wenn das zu befremdlich ist, wäre auch eine Kuh ein guter Ersatz. Da ist die Milch dann nicht länger haltbar, wird sauer, wie erwartet und zudem nicht homogenisiert, also das Fett schwimmt oben, wie es sich gehört.
#1
Das mit der Amme habe ich insgeheim schon erwogen, aber die wäre wohl auf Dauer weder dem Portemonnaie noch dem häuslichen Frieden zuträglich. Was vermutlich auch auf die Kuh zuträfe, zumal die obendrein nicht selbstreinigend ist. Dann schon eher Glasflaschen, die sind in jeder Hinsicht berechenbarer...
#2
Vielleicht erfinden diverse Biohöfe ja bald das Pendant zur Gemüsekiste, die *~*Milchkiste*~*. Dann kannst du dir das weiße Gold bequem und wöchentlich nach Hause liefern lassen.
#3
Jessas, jetzt habe ich auf den ersten unbebrillten Blick »Bischöfe« statt »Biohöfe« gelesen. Frag’ nicht, was das für Spontan-Assoziationen hervorgerufen hat! Auf den Schreck muß ich erstmal einen Eierliqueur kippen, mein zweitliebstes Getränke...
#4
Oh. Ich hoffe, du musst niemals Bischofsmilch trinken.
#5
The horror. Dann doch lieber ESL-Milch!
#6
Ich kaufe seit der Einführung der ESL-Milch genau deswegen die Milch ausschließlich bei Rewe, und gestern (ausnahmsweise in Zirndorf) habe ich mal wieder genauer hingesehen – und – da haben die doch tatsächlich auch auf diese sterile Brühe umgestellt! Was tun? sich beschweren? Wo? Ich finde es eine Zumutung!
#7
Beschweren wird nix helfen. Wenn überhaupt, dann hilft nur das Abstimmen mit den Füßen, sprich die Konsumverweigerung in Sachen milchig-weißer Plörre. Laß’ es mich bitte wissen, wenn Du irgendwo eine geschmacklich und preislich akzeptable, »traditionell hergestellte« Alternative aufgetan hast!
#8
Hiho,
super, dass es wohl noch mehr solche Milch-Nazis gibt wie mich. Ich habe ja auch nur noch die REWE traditionell hergestellte Frischmilch gekauft und mich vor zwei wochen bei dem REWE Markt beschwert, warum sie das einfach ausgetauscht haben – die wussten davon selber nix und mussten sich das etikett auch erstmal ansehen bevor sie mir glaubten. ich habe jetzt diverse milchsorten durchprobiert und habe schon angst den geschmack der alten milch zu vergessen. auf welche milch weichst du aus? habe auch schon auf REWE.de meinem Frust freien Lauf gelassen – vielleicht sollten das mehrere Leute tun, damit das auf Gehört stößt...
#9
Ich glaube Dir sofort, daß die Marktbelegschaften den klammheimlichen Produktwechsel nicht mitgekriegt haben. Beschwerden vor Ort verpuffen vermutlich wirkungslos, höheren Orts auf REWE.de vorgetragene wird das Management aber vermutlich auch nicht weiter jucken: Die sehen nur die eigenen Vorteile (geringere Wegwerf-Quote gleich mehr Gewinn aufgrund des längeren Mindesthaltbarkeits-Zeitraumes), die geschmacklich Präferenz eines Teils der Käuferschaft ist dagegen vermutlich eine vernachlässigbare Größe.
Momentan komme ich leider nicht zum Austesten der noch bestehenden Frischmilch-Alternativen der »traditionell hergestellten« Variante: Weil ich derzeit von früh bis spät auswärts am Werkeln bin, hole ich mir nachher schnell vom ALDI den dort erhältlichen DSL-Milchersatz zum Frühstück (und rühre Kakao hinein, um die Geschmacksverirrung zu mildern). Aber einzig aus dem Grunde, weil die nächste Filiale um die Ecke liegt und ich in zehn Minuten wieder vom Einkauf zurück bin...
Fortsetzung folgt (mit hoffentlich befriedigenderem Ergebnis)!
#10
Die gestern im nahen Edeka-Markt experimentellerhalber durchgeführte Beschaffung von »Frankenland«-Flaschenmilch von traditioneller Herstellungsweise offenbarte ein neues Problem: Die handelsüblichen Glasflaschen sind nicht nur ziemlich schwer (was den Einkauf einer Wochenration zum Fitneß-Training machen würde), sie sind überdies höchst ärgerlicherweise eine Winzigkeit zu hoch (noch nicht mal ein Zentimeter), um unten in meinem weiland vom Universum gelieferten Kühlschrank zu passen. Weil dessen Glasböden nicht in hinreichend feinen Abstufungen zu verstellen sind, sind die Flaschen allenfalls in der Tür stehend unterzubringen, aber da lungern schon hohe Flaschen mit Säften, Ölen und Essig herum...
Recht viel weitergekommen bin ich damit also noch nicht, aber unabhängig von preislichen Erwägungen (Flaschenmilch kostet doppelt soviel als Tetra Pak-Milch, wobei damit nicht gesagt ist, daß davon mehr beim Bauern ankommt) ist damit klar, daß Milch in Flaschen für mich schon aus logistischen Gründen keine handhabbare Alternative sein kann!
#11
Also, ich bin nicht bereit , deutlich mehr Geld dafür auszugeben, nur weil die Milch nicht erhitzt worden ist! Bleibt das Abstimmen mit den Füßen, d.h. ich kaufe meine Milch nun eben nicht mehr bei Rewe (wenngleich leider eben doch eine ESL-Milch), damit bei Rewe zumindest ein Umsatzrückgang bei Milch festgestellt werden kann, der zeitlich in diese Umstellung fällt.
#12
So mache ich es ebenfalls. Wenn ich (derzeit noch mangels praktikabler Alternativen) schon die depperte ESL-Milch kaufen muß, dann kann ich das auch beim ALDI nebenan tun und mir damit zumindest einiges an Langstrecken-Schlepperei ersparen...
#13
bei uns* gibt’s im REWE und EDEKA nur die Bio-Milch als »normale« tradtionelle und im Kaufland die Landliebe als ESL und traditionelle...
*82538
#14
Und ich habe jetzt einen leidlich genußvollen und recht bequemen modus vivendi gefunden: Samstags hole ich im gleichen Rutsch als Wochen-Vorrat zwei Glasflaschen »Frankenland«-Frischmilch von EDEKA (passen in die Kühlschranktür) und vier Tetra Paks ESL-Milch von ALDI (passen unter die Glasscheibe)...
#15
Rein zufällig kam mir neulich bei Nachbarns Milch aus einer Karaffe ins Glas (und weiter in meinen Schlund), die mir ausnehmend gut schmeckte. Auf mein Lob hin wurde die geleerte Packung aus dem gelben Sack geholt, und zu meiner Verblüffung handelte es sich trotz des guten Geschmacks gleichwohl um ESL-Milch, und zwar um solche der Marke »Gutes Land« vom Discounter namens NETTO. Einen solchen haben wir hier in fußläufiger Entfernung, so daß mich mein erster samstagmorgendlicher Besorgungsgang ab sofort nicht mehr zu ALDI, sondern zu NETTO führen wird, um dortselbst brutto sechs Liter Milch einzusacken und heimzutragen.
Der kleine Umweg lohnt, da der Geschmacksgewinn zu anderen ESL-Sorten signifikant und reproduzierbar ist (sowie zudem von des zonebattler’s besserer Hälfte bestätigt wird): Die Milchkrise hat sich in Wohlgefallen aufgelöst!
#16
Ach übrigens, ich habe mich mittlerweile auf die REWE Bio Milch (3,8 % Fett) aber dafür nicht ESL sondern »traditionell hergestellt« eingeschossen. Obwohl die 0,3 % mehr schon im Geschmack bemerkbar sind und der Preis von 1,09 € auch nicht mehr so wie früher (~65 Cent) ist das bisher meine bevorzugte Marke...
#17
Die 3,8 % Fett machen sich nicht nur geschmacklich bemerkbar, sondern wirken sich auch auf den Umfang der Wampe aus, jedenfalls bei den von mir gewohnheitshalber konsumierten Milch-Mengen. Daher bleibe ich lieber bei den 1,5 % der halbfetten Variante, auch wenn das sensorische Einbußen mit sich bringt, die von der ESL-Thematik gänzlich unabhängig sind...
#18