Ein Herr aus Hannover hatte in mehreren Kleinanzeigen-Portalen einen defekten HiFi-Vollverstärker der längst verflossenen Marke WEGA annonciert, den ich ob seines formidablen Erhaltungszustandes unbedingt mein Eigen nennen wollte. Gestern nun habe ich den Deal gedreht: Ein dienstliches Team-Meeting ließ mich morgens eh schon von Fürth nach Fulda eilen, da hatte ich nach dem Ende der Konferenz schon den halben Weg hinter und nur noch schlappe eineinhalb ICE-Stunden bis Hannover vor mir. Das Treffen mit dem freundlichen Verkäufer klappte wie besprochen, und da ich in Richtung Süden gerade so eben noch einen früheren ICE als den eigentlich avisierten erwischen konnte, war ich schon um 22 Uhr wieder zu Hause. Und da steht er nun wie aus dem Prospekt von 1977 gepellt, mein neuer alter WEGA V 3841:
Bis auf einen winzigen Lackabplatzer an der rechten Kante der Frontplatte (der sich mit einem sorgfältig applizierten Nagellack-Tropfen gut kaschieren lassen sollte) sieht der kompakte Kamerad wirklich noch jung und kräftig aus (gut riechen tut er erstaunlicherweise obendrein). Sogar die Bedienungsanleitung und das für die spätere Reparatur unerläßliche Service-Manual waren im Preis von 20 EUR inbegriffen, da kann man doch wirklich nicht maulen!
Zwei Jahre nach der Übernahme der Firma durch SONY werkelte schon japanische Technik im »deutschen« Gehäuse (der Verstärker ist bis auf die äußere Hülle identisch mit dem SONY TA-2650), die unverwechselbare »Laborgeräte«-Anmutung zeigt jedoch nach wie vor die gestalterische Handschrift von Hartmut Esslinger, dem späteren Gründer von frogdesign.
Warum man sich überhaupt so eine olle Blechkiste anlacht? Weil man zum Beispiel in jungen Jahren kein Geld dafür hatte und allenfalls bunte Prospekte der Desiderate sammeln konnte! Heute kriegt man die gestalterisch-technische Avantgarde von früher oft für kleines Geld nachgeworfen, weil sich im Zeitalter von Smartphone und Tablets kaum noch jemand schweren Geräteballast ans Bein hängen mag. Um so erfreulicher für mich und andere Enthusiasten, die Musik nach wie vor noch gerne aus gediegenen Apparaten mit »Anfaßqualität« genießen möchten.
Wundersamerweise geht es auch auch Inneren des Verstärkers nicht nur sehr aufgeräumt, sondern auch absolut staubfrei zu. Sowas habe ich bei Geräten dieses Alters mit Lüftungsschlitzen im Deckel noch nie gesehen! Da muß wohl vor nicht allzu langer Zeit ein sorgfältiger Reparateur mit Pinsel und Staubsauger zugange gewesen sein:
Als Anekdote am Rande sei noch erwähnt, daß ich morgens in Fulda bis zum Beginn meines Meetings noch Zeit für einen Spaziergang durch die City hatte, dabei den famosen »Vortagsladen« von Bäcker Happ entdeckte und meine Kollegenschar mit einer dort erstandenen, bunt gemischten Kollektion aus 20 Faschings-Krapfen (im Hessischen »Kräppel« geheißen) überraschte. Sechs übriggebliebene Kalorienbomben traten später mit mir die Fahrt nach Hannover an und kriegten solcherart was von der Welt zu sehen, bevor sie dann im heimischen Fürth letztlich doch noch genüßlich verspeist wurden. Wann hingegen mit meinem momentan unpäßlichen, highfidelen Neuzugang Ohrenschmaus goutiert werden kann, steht derzeit noch in den Sternen...
P.S.: Ein Klick auf eines der Fotos bringt eine größere Fassung zur Anzeige. Je nach Umgebungslicht scheint sich das Blau des Gehäuses zu wandeln. Ein wunderbarer Chamäleon-Effekt!
Noch im Jahr 2014 habe ich den schmucken Wega-Verstärker von fachkundiger Spezialistenhand überholen, alle gealterten Kondensatoren tauschen sowie sämtliche Schalter reinigen und konservieren lassen. Hat mich natürlich ein Mehrfaches des Beschaffungspreises gekostet, aber dafür funktioniert das Gerät wieder in jeglicher Hinsicht wie frisch aus der Produktion kommend und wird das vermutlich noch weitere drei bis vier Jahrzehnte lang tun.
Dennoch möchte ich das Gerät jetzt in wertschätzende neue Hände weitergeben, denn bei mir steht es nur ungenutzt im Regal herum. Dem gereicht es zwar durchaus zur Zierde, aber so ein Verstärker ist zum Musizieren da und nicht nur zum bella-figura-Machen als bunter Blickfänger.
Also: Wer einen gründlich revidierten Klassiker aus den 1970er Jahren sein Eigen nennen mag, ist mit einem läppischen Hunderter dabei. Für 100 EUR kriegt man heutzutage allenfalls eine leichte Plastikschachtel, die meist bald nach Garantieablauf reif für die gelbe Tonne ist...
Interessenten melden sich bitte per Mail.
#1
Grüß Gott
Ich bin der Fahrgast, mit dem Sie morgens öfter mal ein kleines Pläusschen halten;
An dem Wega-Verstärker hätte ich sehr großes Interesse, da mein – ebenfalls 70er Jahre Modell den Geist aufgibt. Wäre schön, wenn es klappt.
Jedenfalls ganz witzig, wie Sie sich so im Netz präsentieren.
viele Grüße aus NEA
Michael Müntnich
#2
Danke für die Blumen! Den schicken Verstärker können Sie gerne haben, bei Ihnen wähne ich ihn in den besten Händen! Die Details machen wir bei unserer nächsten Begegnung im morgentlichen Regionalexpress aus...
#3
So, jetzt ist er in guten neuen Händen, mein blauer Freund. Und ich darf ihn gelegentlich besuchen und aufspielen hören kommen! Sehr schön. Freude herrscht. Angebot erledigt, Akte geschlossen!
#4