Nach zehn im Wortsinne eindrucksvollen Tagen auf Gozo freuten wir uns auf die uns verbleibende Urlaubswoche auf der Hauptinsel Maltas. Wir setzten mit der Fähre über und wurden am Terminal bereits von einem persönlichen Chauffeur erwartet [1], der uns schnurstracks nach Valletta brachte und uns dabei aufgrund baubedingter Einbahnstraßen-Regelungen eine unfreiwillig-ausgedehnte Stadtrundfahrt durch das arg verwinkelte Labyrinth der engen Straßen und Gassen Vallettas zuteil werden ließ...
Wir boten dem gestreßten Fahrer schließlich an, die letzten paar Meter zu unserer neuen Herberge mit Sack und Pack zu Fuß zurückzulegen, aber eine derartige Kapitulation vor den Verhältnissen kam für ihn schon aus Gründen der Ehre nicht in Frage. Irgendwann schaffte er es dann schließlich doch, uns direkt vor dem Osborne Hotel abzuliefern.
Unser Zimmer dort war deutlich kleiner als das im Grand Hotel auf Gozo, dafür umso praktischer eingerichtet mit einer Vielzahl an Verstaumöglichkeiten. Es fehlte uns an nichts Relevantem. Also erst mal alles wieder ausgepackt und einsortiert, den kleinen Tagesrucksack geschultert und raus auf die Straße. Wo uns als erstes die Eleganz der Städterinnen auffiel, die sich stylistisch deutlich von der der Touristinnen abhebt:
Valletta ist im Grunde wie Fürth: einerseits groß genug, um urbanes Leben zu beherbergen, andererseits klein genug, um ein überschaubares Kaff zu bleiben. Und überall historische Bausubstanz, womit sie allerdings auf Malta mindestens so sorglos umzugehen scheinen wie bei uns in Fürth. Aber die von den Großmeistern des Malteserordens zur eindrucksvollen Festung ausgebaute Hauptstadt Maltas bietet noch mehr: italienische Einflüsse sind ebenso zu spüren wie arabische und afrikanische, wobei das mediterrane Flair noch mit einer ordentlichen Prise britischer Kolonial-Ära gewürzt ist. Diese Mischung ist einigermaßen originell und anderswo nicht anzutreffen.
Finden tut man in so einer Melange Foto-Motive ohne Ende, die meisten Touristen sehen folgerichtigerweise die Stadt nicht primär mit eigenen Augen, sondern als Sucher-Abbild auf dem Display ihres unablässig vor die Augen gehaltenen Smartphones! Auch der zonebattler hat natürlich oft seine Kamera in Anschlag gebracht, wobei es ihm wie meist weniger um die aus den Reiseführern bekannten »Sehenswürdigkeiten« ging, sondern um Lichtspiele, Details und Strukturen. Wie zum Beispiel um die Streifenmuster von Wellblächdächern, die ihre zufällige Fortsetzung in den vor ihnen gelagerten Ruderbooten fanden:
Derlei Motive mag ich gern, wozu sollte ich auch ablichten, was in jedem Bildband schöner zu sehen ist, weil deren Fotografen im Gegensatz zu mir bei Sonnenauf- oder ‑untergang zur Stelle waren, mithin die spektakuläreren Lichtverhältnisse vorteilhaft zu nutzen wußten? Eben. Unsereiner guckt da lieber untertags in die weniger repräsentativen Ecken. Und was sieht man da? Genau, die gleichen Nischenbewohner wie in Fürth:
Weitere Motive verdanken sich dem Umstand, daß man im Frühling, der Vorsaison also, noch nicht soviele Touristen antrifft, die durch ihre schiere Präsenz den Blick auf das strukturell Festhaltenswerte verstellen. So ein Bild wie das folgende wäre an einem hochsaisonalen Sommerabend sicherlich nicht so einfach und ohne längere Wartezeit einzufangen:
Natürlich zog es uns bald auch wieder zu jenen schönen Orten, an denen wir schon im Jahr zuvor Gefallen gefunden hatten. Beispielsweise zu den Upper Barrakka Gardens, von denen schon im zweiten Teil die Rede war. Der weite Panoramablick über den Hafen lockt Schaulustige in großer Zahl an, auch wenn der eine oder die andere die imponierende Umgebung lieber zum Abschweifen in innere oder imaginäre Welten nutzt:
Richten wir aber die Linse dann doch noch über die Mauern und hinunter ins Wasser, wo sich vom Faltboot bis zur ausgewachsenen Bohrinsel (!) Wasserfahrzeuge aller Kategorien und Gewichtsklassen tummeln und sich beobachten lassen:
Ein paar Tage später entdeckte ich dann aber doch eine ganz neue Attraktion, von der ich schon auf dem Hinflug im Kundenmagazin der Air Malta gelesen hatte und die in nur wenigen Gehminuten vom Hotel aus zu erreichen war: Im »The Fortress Builders Interpretation Centre« wird die Geschichte des Festungsbaus auf multimediale und didaktisch moderne Art und Weise erzählt und erläutert. Von den Anfängen der Verteidigungsbauten in frühgeschichtlicher Zeit spannt sich der Bogen über die regelrechte Bauwut des Malteserordens bis hin zu den neuzeitlichen Bunkeranlagen der Briten im zweiten Weltkrieg.
Von den Exponaten verdienen die zahlreichen Modelle, die historischen Fotos und die großflächigen Bildtafeln besondere Erwähnung. Die Bildschirmstationen mit animierten Präsentationen sind attraktiv gestaltet und verlocken zu stundenlanger Beschäftigung damit: Der menschliche Erfindergeist war und ist in militärischen Belangen ja seit jeher am kreativsten. Auch klassische Architekturmodelle sind nach wie vor interessante Studienobjekte, erkennt man an ihnen doch die größeren Strukturen und Konzepte, die man – als kleiner Wicht vor den riesigen Originalmauern stehend – durchaus beabsichtigterweise nicht wahrzunehmen imstande ist:
In die Errichtung des Zentrums sind – wie bei vielen von uns besichtigten Infrastrukturmaßnahmen – beachtliche Menge an EU-Fördermitteln geflossen (genauer gesagt: stolze 85%), womit auch unsereins mit seinen Steuergeldern seinen kleinen Anteil am Ergebnis haben dürfte. Die deutsche (Mit-)Aufbauhilfe geht voll in Ordnung angesichts des Umstandes, daß die teutonische Luftwaffe vor 70 Jahren sehr wirkungsvoll und ungebetenerweise am Gegenteil mitgewirkt hat...
Leider haben zwischenzeitliche Wahlen und ein Regierungswechsel das schicke Zentrum schon kurz nach seiner Eröffnung in eine prekäre Lage gebracht: Der Direktor hat Mühe, Druckerpatronen und andere Verbrauchsmaterialien zu finanzieren, seine wenigen wissenschaftlichen Mitarbeiter sitzen auf von daheim mitgebrachten Stühlen. Cafeteria und Museumsshop existieren b.a.w. nur auf dem Papier, und für eine besucherzahlenfördernde Beschilderung im Außenbereich hat es auch nicht gereicht: Wie immer kommen die Mittel für den Bau aus anderen Töpfen als die für die Betriebsführung und Instandhaltung, worauf ich später noch einmal zurückkommen werde. Für heute wenden wir uns kopfschüttelnd ab und linsen über die Schultern einer auf der obersten Terrasse an der Festungsmauer pausierenden Zentrums-Mitarbeiterin hinüber nach Sliema:
Tja. Hüben Festungswälle, drüben Bettenburgen. Solider ist allemal das alte Gemäuer, schon wegen der Dicke seiner Wände. Dennoch fährt man mit dem Paradigmenwechsel offenbar nicht schlecht: Während man die Invasoren früher erst mit Bollwerken draußen und später mit Kanonen auf Distanz hielt, läßt man sie heute als zahlende Gäste ins Land hinein und nimmt ihnen das Geld ab, ohne sich mit ihnen zu hauen. Eine klassische Win-Win-Situation!
Mit diesen philosophischen Betrachtungen verabschiedet sich der Autor für heute. In der nächsten Folge geht es raus aus der Hauptstadt, die Küste entlang. Allerlei merkwürdige Dinge gibt es nämlich auch da...
[1] Mit diesem uns kurzfristig angekündigten Service unseres Reiseveranstalters hatten wir gar nicht gerechnet: Aufgrund unserer ungewöhnlichen Reisebuchung mit Orts- und Hotelwechsel mittendrin waren wir davon ausgegangen, den »Zwischentransfer« auf eigene Faust unternehmen zu müssen. Ein Hoch auf die örtliche Stadthalterin von FTI-Touristik, Frau Borg!
Süßer und scharfer Senf: