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zonebattler's homezone 2.1 - Merkwürdiges aus Fürth und der Welt


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Die Ver­kehrs­in­sel (10)

Die In­sel Go­zo woll­ten wir uns pri­mär per pe­des er­wan­dern, da traf es sich gut, daß das Früh­stücks-Bufett im Grand Ho­tel zum Da­von­lau­fen war. Al­so ei­gent­lich nicht die dar­ge­bo­te­nen Spei­sen, son­dern viel­mehr die im­mer glei­che Mu­sik­be­rie­se­lung, die aus ei­nem schwer er­träg­li­chen Mit­tel­al­ter-Med­ley aus den 1970er Jah­ren be­stand: Ne­ben Ab­ba-Ever­greens (»Suuu­paaaa Truuu­paaa«) ero­dier­ten be­son­ders die Ja­mes-Last-Ar­ran­ge­ments deut­scher (!) Volks­lie­der un­se­re Hör­nerven. Das bri­ti­sche Pu­bli­kum in­des nahm die­se spä­te Ra­che des ehe­ma­li­gen Kriegs­geg­ners er­staun­lich gleich­mü­tig, ja nach­ge­ra­de sto­isch hin. Wo­mög­lich ha­ben die Eng­län­der die ea­sy-li­stening-Va­ri­an­ten von »Muß i denn, muß i denn zum Städ­te­le hin­aus« und an­de­ren ger­ma­ni­schen Schen­kel­klop­fern aber auch gar nicht er­kannt...

Apro­pos ero­die­ren: Die Ero­si­on ist be­kann­ter­ma­ßen ein im­mer wie­der­keh­ren­des Mo­tiv auf dem mal­te­si­chen Ar­chi­pel, ich hat­te letz­tes Jahr schon dar­über ge­schrie­ben und wer­de auch dies­mal mehr­fach dar­auf re­kur­rie­ren. Weil den Mal­te­sern und Go­zit­a­nern die Häu­ser von Wind und Wet­ter so­zu­sa­gen un­ter dem Hin­tern weg­pul­ve­ri­siert wer­den, herrscht ste­te Nach­fra­ge nach neu­en Sand­stei­nen, wie sie in zahl­rei­chen Stein­brü­chen im Wort­sin­ne aus dem Vol­len ge­sägt [1] wer­den:

Steinsäge in einem Steinbruch

Trotz sorg­fäl­ti­gen Sä­gens scheint es gleich­wohl je­de Men­ge Bruch zu ge­ben, denn die Stra­ßen, Fel­der und Äcker sind ge­säumt von Stei­nen, die aus ir­gend­wel­chen Grün­den nicht ver­baut wor­den sind. Mit­un­ter meint man, ein zor­ni­ges Rie­sen­ba­by ha­be sei­ne LE­GO-Ki­ste aus­ge­schüt­tet und den In­halt über die Land­schaft ver­streut...

Die un­ver­sehr­ten Stei­ne türmt man ger­ne auch him­mel­wärts zur Eh­re Got­tes auf, wie das Ex­em­pel der Pfarr­kir­che von Għa­jn­sie­lem zeigt:

Die Pfarrkirche von Għajnsielem

Doch auch mit Got­tes Se­gen wird sein Haus nicht so lan­ge hal­ten wie die bis heu­te er­hal­te­nen Tem­pel­an­la­gen aus der Jung­stein­zeit, denn der Zahn der Zeit nagt schnel­ler an dem wei­chen Ma­te­ri­al, als den je­wei­li­gen Be­sit­zern recht sein kann. Mit­un­ter sieht das Zer­stö­rungs­werk der Ele­men­te da­bei so­gar recht de­ko­ra­tiv aus:

stark verwitterte und erodierte Hausfassade

Kör­be- bzw. spei­cher­kar­ten­wei­se kön­ne ich hier Fo­tos von in­ter­es­san­ten Mau­ern aus­brei­ten, von neu­en und al­ten und sol­chen, bei de­nen die Da­tie­rung schwer­fällt: Was heu­te in Re­mi­nes­zenz an den geor­gia­ni­schen Stil er­baut wird und noch glei­ßend gelb in der Son­ne leuch­tet, sieht we­ni­ge Jah­re spä­ter oft schon aus wie aus dem 19. Jahr­hun­dert über­kom­men...

Nie­mand scheint sich in­des an dem ei­gent­lich zu wei­chen Bau­ma­te­ri­al zu stö­ren, es hält ja im­mer­hin auch die Bau­kon­junk­tur am Lau­fen, je­den­falls bis zur Er­schöp­fung der na­tür­li­chen La­ger­stät­ten. Hier noch ein net­tes Bei­spiel für das krea­ti­ve Spiel mit Sand­stein-Bau­klöt­zen:

zugemauerte Türöffnung

Doch vor­erst ge­nug er­zählt von des Men­schen Wir­ken, jetzt schau­en wir uns end­lich in der Na­tur um. Von un­se­rem ha­fen­na­hen Stand- und Wohn­ort aus mach­ten wir uns zu­nächst zu Fuß auf und er­kun­de­ten die Kü­sten­li­nie in der nä­he­ren Um­ge­bung. Aber auch da be­geg­net man na­tür­lich auf Schritt und Tritt der Ero­si­on:

erodierender Sandstein an der Küste Gozos

Wäh­rend sich da­heim in Deutsch­land ein rech­tes Früh­lings­wet­ter par­tout nicht ein­stel­len woll­te, ge­nos­sen wir in den er­sten Ta­gen un­se­res Ur­laubs auf den mal­te­si­schen In­seln reich­lich Son­nen­schein, wes­we­gen wir uns an al­len ex­po­nier­ten Haut­par­tien gut mit Son­nen­milch prä­pa­rier­ten und die Köp­fe mit Tü­chern ge­gen Hitz­schlag schütz­ten. Man holt sich sonst leicht ei­nen schwe­ren Son­nen­brand und be­merkt das erst­mal gar nicht, denn in Mee­res­nä­he weht ja fast im­mer ein küh­len­des Lüft­chen...

Wind und Son­ne ma­chen sich die Men­schen hier üb­ri­gens seit je­her zu­nut­ze, um dem Meer sein Salz ab­zu­trot­zen: Noch heu­te fin­den sich über­all gan­ze Net­ze an künst­lich an­ge­leg­ten Bas­sins, in die das Meer­was­ser zur Ver­dun­stung ge­lei­tet wur­de. Auch wenn heu­te vie­le An­la­gen aus wirt­schaft­li­chen Grün­den nicht mehr be­trie­ben wer­den, so sind sie im­mer noch gut er­hal­ten vor­han­den und schön an­zu­schau­en. Wir ha­ben ein Ki­lo fein­sten Meer­sal­zes sel­ber hän­disch schöp­fen und spä­ter als wohl­schmecken­des Sou­ve­nir mit nach Hau­se neh­men kön­nen:

Salzgewinnung in einer stillgelegten Verdunstungsanlage

Der Trick da­bei war, nicht nach dem trocke­nen, be­reits aus­kri­stal­li­sier­ten Salz zu schie­len (wel­ches man wohl müh­sam berg­män­nisch mit Ham­mer und Mei­ßel ab­bau­en müß­te), son­dern die noch feuch­te, ge­sät­tig­te So­le zu ber­gen, die sich sehr leicht auf­neh­men ließ und die nach dem Ab­trop­fen der noch flüs­si­gen Salz­lö­sung im Hand­um­dre­hen zu ei­ner Hand­voll rein­sten Meer­sal­zes wur­de. Na­tür­lich kann man sich so­was auch ab­ge­packt kau­fen, aber selbst­ge­fan­ge­nes Sa­li­nen­salz schmeckt noch­mal so gut!

So, nach­dem wir das Salz für die Sup­pe ein­ge­sam­melt und in ei­ner dich­ten Pla­stik­box si­cher ver­staut hat­ten, wand­ten wir uns ir­gend­wann land­ein­wärts und er­freu­ten uns an der üp­pi­gen Ve­ge­ta­ti­on des go­zita­ni­schen Früh­lings:

bunter Frühling auf Gozo

So bunt und blü­ten­reich geht es hier frei­lich wirk­lich nur im Früh­ling zu: Im Som­mer brennt die Son­ne un­barm­her­zig auf die In­seln her­nie­der und läßt die stei­ni­ge Land­schaft um ei­ni­ges kar­ger er­schei­nen. Wer Mal­ta und Go­zo be­rei­sen und sich an der Flo­ra er­göt­zen will, tut das am be­sten von April bis Ju­ni, auch wenn die mit­tel­mee­ri­schen Was­ser­tem­pe­ra­tu­ren dann noch nicht wirk­lich zum Ba­de la­den...

Aber auch oh­ne den Drang zum Ein­tau­chen in das noch et­was küh­le Naß zog es uns im­mer wie­der dort­hin, wo die Wel­len an die Ge­sta­de schla­gen, sich al­ler­lei Ge­tier be­ob­ach­ten läßt (und lei­der auch man­cher­lei men­schen­ge­mach­ter Müll). Sehr in­ter­es­sant sind über­dies die zahl­rei­chen wuch­ti­gen Be­ob­ach­tungs­tür­me, die schon vor Jahr­hun­der­ten – zur Blü­te­zeit des Mal­te­ser­or­dens – er­rich­tet wor­den sind, um et­wa­ige In­va­so­ren recht­zei­tig aus­ma­chen zu kön­nen:

Der Dwejra Tower

Der im Bild ge­zeig­te Dwe­jra Tower in der Nä­he des be­rühm­ten Azu­re Win­dow lohnt schon der gran­dio­sen Aus­sicht hal­ber die Be­stei­gung, vor­zugs­wei­se dann, wenn sich ge­ra­de kei­ne Schul­klas­se schnat­tern­der Mäd­chen durch das Ge­bäu­de ki­chert...

So­viel für heu­te; Fort­set­zung folgt !

 
[1] Recht ei­gent­lich müß­te man die­se Ab­bau­stät­ten eher als Stein­ge­sä­gen denn als Stein­brü­che be­zeich­nen, denn die Qua­der wer­den ja eben nicht aus dem gel­ben Ge­stein ge­bro­chen, son­dern ge­sägt. Man ver­glei­che da­zu mei­ne über­aus strin­gen­te Ar­gu­men­ta­ti­on in Sa­chen Zug/Schub.

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