Die erste kleine Rundfahrt auf dem frisch ausgekellerten Straßen-Tretboot geriet mir am letzten Sonntag zur Beinahe-Katastrophe: Unweit des Atzenhofer Müllbergs Solarbergs ließ ich einen sich an meinem fahrenden Untersatz interessiert zeigenden Radler-Genossen und Liegerad-Aspiranten ein paar Meter probefahren. Ich fuhr derweil auf dessen ziemlich hohen HighTech-Velo mit schmalem Rennsattel vorneweg. 100 Meter später waren erstens meine Weichteile gequetscht und zweitens an meinem Peer Gynt eine Hinterradspeiche hinüber...
Der daraus resultierende »Achter« war enorm: Zwar hatte ich vorher schon einen leichten »Hau« im Hinterrad gehabt, aber jetzt geriet die Felge nach jeder Umdrehung dermaßen mit der linken Backe der Magura-Hydraulikbremse in Kontakt, daß das Rad komplett blockiert wurde. Ich brach den Ausflug notgedrungen sofort ab und hoppelte mit witsch-witsch-witschenden Bremsgeräuschen ebenso lang- wie mühsam über die Vacher Straße wieder heimwärts. Von Leichtlauf konnte selbst bergab keine Rede mehr sein, ich kam mir vor wie auf einem Hometrainer auf maximaler Reibungsstufe.
Gestern Abend brach ich mit dem ausgebauten Hinterrad zum Fahrraddoktor auf: Die Herren Gnu1742 und Grabenkenner hatten mir schon vor längerer Zeit den Herrn H. empfohlen, der im Keller seines Hauses in der Südstadt eine kleine Reparaturwerkstatt betreibt. Zwar kann der nette Zweiradspezialist im (Un-)Ruhestand weder Tandems noch Liegeräder warten (weil er die durchs enge Treppenhaus nicht in seine Katakomben hinunterbekäme), aber mit meinem bereits demontierten Hinterrad wähnte ich mich dennoch an der richtigen Adresse.
Und so war es auch: Herr H. meinte, die Reparatur des Radreifens wäre unwirtschaftlich, da ein Neueinspeichen recht arbeitsintensiv sei. Zudem sei es fraglich, ob man die vorhandene Felge wieder vollständig enteiern könne. Er rate daher zum Komplettwechsel des Rades. Glücklicherweise hatte er ein passendes auf Lager (was angesichts der Vielzahl der möglichen Varianten aus Material, Durchmesser und Ritzelpaket-Abmessungen ja auch keine Selbstverständlichkeit ist).
Nach kurzer Überlegung stimmte ich dem Vorschlag zu, und wenige Minuten später hatte mir Herr H. das 7‑fach-Shimano-Ritzelpaket vom alten Rad ab und an das neue dranmontiert. Für das Rad berechnete er mir EUR 45, für den Felgengummi EUR 1, für die Arbeitszeit nix. Dankbar über die schnelle und unbürokratische Hilfe rundete ich den Betrag auf und zog nach einem Plausch über die Exzesse der heutigen Konsumwelt beglückt von hinnen...
Im heimischen Hofe ward das neue Hinterrad hurtig eingebaut, und das dank zahnärztlicher Einmalhandschuhe ohne ölige Finger. Freudig nutzte ich die Gunst der Stunde und der gutnachbarschaftlichen Latex-Spende, um die gesammelten Öl-und-Dreck-Verkrustungen von Kettenblättern und Schaltungsteilen abzukratzen, ohne mit dem ganzen Schmodder leibhaftig in Berührung zu kommen. Die Idee mit den »gefühlsechten« Handschuhen ist dermaßen genial, daß ich mich glatt wundere, noch nicht früher darauf verfallen zu sein: Ich werde mir eine Spenderpackung davon zulegen, um mir die schwere Instandhaltung an meiner Fahrzeugflotte weiterhin so handfreundlich wie möglich zu gestalten.
Die anschließende Werkstattfahrt führte mich die Amalienstraße hinab, unter der Siebenbogenbrücke hindurch, die Uferpromenade entlang und die Königstraße hinauf bis zum Texthaus, wo ich der omnipräsenten Chefin noch eine von mir umgerüstete Energiesparbirne vorbeibrachte zwecks stilechter Schaufensterillumination. Das Rad lief und läuft wieder wunderbar! In den nächsten Tagen werde ich das abgewirtschaftete Hinter-Ei komplett zerlegen und dessen alte Shimano-Nabe (die mittlerweile Oldtimer-Kultstatus genießen dürfte) in meinen Auktionen feilbieten und wortreich besingen: Mit etwas Glück erlöse ich dafür am Ende noch den Preis des neuen Hinterrades... ;-)
Ein Detail fehlt dem neugierigen Leser aber in der Geschichte: wie kam es zum Defekt des Hinterrades? Hat es der »Liegerad-Aspirant« mit herkulesgleichem Tritt und Drehmoment geschafft, die Speichen zu überlasten, oder war es das Gewicht (des Radlers), oder eine eher zufällige chronologische Aufeinanderfolge von Tausch und Defekt, ohne (nachweislichen) kausalem Zusammenhang?
#1
Gute Frage, nächste Frage! Der fremde Reiter wog nach eigenem Bekunden 100 kg und damit 25 mehr als ich, aber das müßte das Rad unter normalen Umständen allemal aushalten. Einen leichten (aber von mir noch tolerierten) Wellenschlag in der Felge hatte ich im Vorjahr schon bemorken, das Hinterrad war freilich seit dem Kauf des Langliegers im Juni 1993 unverändert drin und dran. Gut möglich also, daß sich der spontane Ermüdungsriß der einen Speiche früher oder später sowieso ereignet hätte, und das vielleicht bei Nacht und Nebel und weiter weg von daheim. Von daher ist es für mich schon OK, daß ich den mutmaßlichen Verursacher ohne weiteres ziehen ließ...
#2
Ich freue mich immer, wenn sich eine positive Erfahrung mit einem schnickschnacklosen, aber umso sachkundigeren lokalen Dienstleister nicht als punktueller Ausreißer nach oben, sondern als durchweg zutreffend erweist.
#3
Na da hatte der Grabenkenner etwas mehr Glück im Unglück. Mit einem ausgeliehenen Pedelec (über Sinn und Unsinn eines solchen Gefährts möchte ich mich hier nicht auslassen, aber man muss es probiert haben um mitreden zu können) hatte er letztens einen kapitaleren Schaden auf dem Weg nach Zirndorf. Nach mehrmaliger, zügiger Bergfahrt löste sich die komplette Hinterachse aus ihrer Verankerung – da war nix mehr mit Schieben und mangels Werkzeug auch keine Vor-Ort-Instandsetzung möglich. Zum Glück fand sich jemand mit ausreichend großem Gefährt um das Häuflein Schrott samt Fahrer aus dem Wiesengrund zu bergen...
#4
Vielen Dank noch mal für die Erleuchtung meines Schaufenster inklusive perfekter Lampen-Reanimation! Die Lampe und ich teilen jetzt das angenehme Schicksal der rosafarbenen Omnipräsenz. Und das auch noch energiesparend! :-)
#5