Freund Lexikaliker hatte mir unlängst einen tickenden Floh ins Ohr gesetzt: Ohne Unterlaß schwärmte er mir von seinen zahlreichen Zeiteisen vor, namentlich von den schönen Automatik-Zwiebeln der Serie 5 von Seiko. [1] Nun ist es ja nicht so, daß der zonebattler keine Armbanduhren besäße, er hat ganz im Gegenteil ein Dutzend davon in der Nachttisch-Schublade liegen! Diese freilich dämmern allesamt in scheintotem Zustand einer höchst ungewissen Zukunft entgegen, denn sie leiden an leeren Batterien und schmollen stille...
Wenn man allerdings in die Jahre kommt, dann scheinen einem gediegene Mechanik und Energieautarkie weit wichtiger zu sein als höchster Präzisionslauf, weshalb der Wunsch nach einer rein mechanischen Automatik-Uhr langsam aber sicher in des Autors Hirn Gestalt annahm. [2] Er schlief noch ein paarmal drüber, dann delegierte er den Beschaffungsakt an seinen zeitmesseraffinen Kumpanen. Gestern kam dieser auf eine Stippvisite vorbei, und das hat unsereiner nun davon:
Das vorhin ambulant auf dem Eßzimmertisch arrangierte Stillleben [3] zeigt das edelstählerne und satte 144 Gramm wiegende Modell SNZG13J1, welches wie die anderen »Fünfer« auch über einen Glasboden verfügt, durch den sich das Werkeln des Werkes vortrefflich beobachten läßt: sehr meditativ und unterhaltsamer als fernzusehen!
Interessant an den äußerst wertig verarbeiteten Seikos ist mehrerlei: Erstens werden hierzulande nur einige wenige Modelle (zu eher üppigen Preisen) angeboten, das Gros der ausufernden Produktpalette wird offiziell nur in asiatischen Gefilden vertrieben, wo die Versorgung mit Knopfzellen für Quarzuhren angeblich problematisch wäre. Eine schwer zu begreifende Export-Politik, die überdies wohl dafür sorgen soll, daß der vorgebliche Edel-Nimbus der Marke in Deutschland keinen Schaden nimmt [4].
Zweitens sind diese Uhren erstaunlich preiswert, sie fangen schon im zweistelligen Euro-Bereich an und heben auch bei den massiven Top-Modellen keineswegs in aberwitzige Höhen ab: Mein im obigen Bild gezeigter Import-Chronometer stammt von einem freundlichen Holländer und hat mich gerade mal EUR 130,00 gekostet...
Drittens sind die einschlägigen Fach-Foren voll von begeisterten Besitzern, die den nachgerade legendären Seiko 5ern unverwüstliche Robustheit und präzisen Lauf über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte bescheinigen. Woran ich keine Sekunde zweifele: Vermutlich brauche ich mich zu meinen Lebzeiten um Ersatz nicht mehr zu sorgen! Wobei schon jetzt die Versuchung an mir nagt, mir vielleicht noch diese, die, jene, die da, die auch noch, diese, jene dort, die hier und ggf. auch noch diese da zuzulegen...
[1] Die »5« steht subsummierend für die Merkmale Automatikwerk, stoßfest, wasserfest, Datumsanzeige, Wochentagsanzeige, die allen Modellen der Serie gemein sind.
[2] Triebverstärkend kam zugegebenermaßen die unlängst erfahrene Wirkung auf Dritte hinzu, die von (wirklich oder scheinbar) noblen Uhren auszugehen scheint.
[3] Ja, das Blatt rechts oben stammt von einem Gingko-Baum in Büro-Nähe...
[4] Dabei ist Seiko nach meinen Beobachtungen in Deutschland kaum noch im stationären Handel präsent, könnte also mit kreativer Produktpolitik eher Marktanteile gewinnen als (noch weiter) verlieren.
Ja und womit wird die jetzt angetrieben ? Durch Armschütteln ? Bzw. wie lange läuft sie ohne »Aufziehbewegung« ?
#1
Schütteln muß man seinen Arm nicht explizit, die Uhr wird beim Tragen durch die geringfügigsten Bewegungen aufgezogen (das funktioniert selbst bei einem behäbigen Beamten wie mir). Legt man sie ab, beispielsweise über Nacht, so tickt sie noch an die 40 Stunden munter weiter. So lange schläft der zonebattler nicht einmal im bitterkalten Winter...
#2
Als anregende Schwungmasse möchte ich ergänzend, dass es sich beim gezeigten nicht um das hierzulande erhältliche und in Singapur montierte, sondern um das japanische Modell handelt. Die beiden mir bekannten Unterschiede, nämlich der Zusatz »Made in Japan« zwischen 6 und 8 Uhr sowie die in Englisch und Arabisch beschriftete Tagesscheibe, mögen unbedeutend, aber durchaus reizvoll sein (auch ich kann mich dem nicht entziehen).
Erwähnenswert ist auch das Armband. Während es bei günstigen Uhren aus gefalteten Gliedern besteht und erst bei teuren Modellen massiv ist, hat man hier einen Mittelweg gewählt und so ein nichtklapperndes Armband mit wertiger Anmutung geschaffen, ohne den Preis in die Höhe zu treiben.
Das Kaliber 7S36 in dieser »Big Military« ähnelt übrigens sehr dem Klassiker 7S26, das in der Herstellung nur einen einstelligen Dollarbetrag kostet und wohl das am häufigsten verbaute Automatikwerk sein dürfte. Auch im attraktiven »See-Igel« werkelt das 7S36 und zeigt bei meinem Tier lediglich 10 Sekunden Vorlauf pro Woche. Selbstverständlich kann man beide Werke nachregeln.
#3
Wer es mir als passioniertem Genauschauer nachtun und einen Blick ins 7S26 werfen möchte, kann dies unter »The Seiko Diver’s 200 Meter SKX779 – Featuring the 7S26 Automatic Movement« tun (dort mein Favorit ist übrigens die japanische Illustration zum magischen Hebel).
#4
Ich habe das Gefühl, dass ich mit meinem dringenden Ratschlag schon zu spät bin, sich auf ein uhrenfreies Leben zurückzubesinnen oder auf eine Quarzuhr mit sieben Jahren Batterielaufzeit zu bauen.
Diese tickenden Mistdinger haben nämlich oft die hässliche Eigenschaft nicht alleine bleiben zu wollen.
Es ist eine, wo man mal durch den Boden den Zahnrädchen zuschauen kann. Plötzlich sind es mehr Uhren als man Arme hat, aber irgendwie passt gerade keine farblich zum Anzug oder zur Krawatte.
Die Dinger können auch nicht einfach irgendwo in der Schublade liegen, dafür sind sie viel zu schade. Also steht schneller eine Uhrenbox mit Platz für ein Dutzend auf dem heimischen Regal als man heute glaubt...Na eine passt ja noch rein.
Das liesse sich hier beliebig fortsetzen ;-)
Gruss vom Schattenspiel,
bei dem es auch reichlich tickt, manchmal nicht ganz richtig ;-)
#5
Danke für die pessimistische Prognose, aber nachdem unsereiner weder Anzug noch Krawatte trägt und überdies mit der edelstählern/schwarzen Uhr eine farbneutrale Ausführung gewählt hat, hoffe ich, eine Weile mit der einen Seiko 5 auszukommen und den Dammbruch eines weiteren Uhrenkaufes noch eine Weile widerstehen zu können... ;-)
#6
Dass man sich die von schattenspiel beschriebenen Schattenseiten der attraktiven Zeitzeiger mit dem Kauf einer Seiko 5 ins Haus holt und zu was das führen kann, hat der zonebattler bereits an mir gesehen – ich war ihm wandelnde Warnung, und er hat sich sehenden Auges in die Gefahr begeben. Allerdings teilt er meine Disposition nicht und dürfte damit auf der sicheren Seite sein. Neben einigen anderen begünstigenden Faktoren habe ich nämlich einen Japan-Tick, und so ist es nur verständlich, wenn sich zu diesem eine Japan-Ticktack gesellt. Und dann noch eine …
#7
Einen Japan-Tick habe ich schon auch: So horte ich z.B. noch höchst merkwürdige Videospielkonsolen nebst dazugehörigen Modulen aus dem Land der aufgehenden Sonne, die hierorts nie vertrieben worden sind, sei es aus vertriebsrechtlichen, sei es aus geschmäcklerischen Gründen. Aber man kann ja nicht alles haben. Oder besser gesagt: Man kann zwar alles haben wollen, aber mit 50 weiß man langsam, daß alle Dinge über den monetären hinaus einen weiteren Preis haben (zu entrichten in Form von Zeit, Hingabe und Bekümmerung), und daß man sich angesichts schwindender Lebenszeit zu Prioritätensetzungen durchringen muß...
#8
Nun, dann bist Du also doch etwas gefährdet :-) Was Du zum Preis und den Prioritäten sagst, ist natürlich völlig richtig und vernünftig. Der selbstverursachte Stress durch das Ausleben diverser Begeisterungen ist mir nur allzu vertraut, wurde aber bis jetzt immer durch das Plus an Freude, Lebensqualität und Zugewinn in anderen Formen mehr als ausgeglichen. So nehme ich mir die Freiheit, weiterhin unvernünftig zu sein, und bin darüber hinaus wild entschlossen, bei nächstbester Gelegenheit erneut abzutauchen – selbstverständlich mit der klassischen Taucheruhr SKX007 von Seiko am Arm ;-)
#9
Du bist doch allenfalls ein Haubentaucher, wohingegen unsereiner zertifizierter Open Water Diver ist (wenngleich einer, der sich seit 19 Jahren keine Preßluftflasche mehr auf den Buckel geschnallt hat). Außerdem wird hier das hohe Lied der Seiko 5 gesungen, da paßt Deine James-Bond-Zwiebel ja schon gleich zweimal nicht dazu!
#10
Noch nicht mal ein Haubentaucher bin ich, sondern nur Träger der fleischfarbenen Badehaube, und zum Bond-mäßigen Unterwasserzeitmessen fehlt mir die Rolex Submariner am schwarz-grauen Nylonband mit feinen roten Linien – wie Du siehst, reicht es bei mir bestenfalls zum zertifizierten Plantscher ;-)
#11
Wer es noch schlichter mag, kann nach eigenem Gusto Zifferblatt und Zeigersatz auswählen und sich von Könnerhand eine Seiko 5 Military Mod zusammenbauen lassen. Unsereiner widersteht wacker der Versuchung, denn hat man erst einmal damit angefangen, gibt es womöglich bald kein Halten mehr...
#12
Weitere Eindrücke in die Abgründe des Machbaren und Möglichen gewährt der garantiert immer noch richtig tickende Lexikaliker in seinem Artikel »Zeitzeichen«.
#13
Hier noch ein letzter Gruß an alle meine Schubladenhüter, die mittlerweile unter den virtuellen Hammer kamen und jetzt Herrenarme von Spanien bis Österreich zieren:
Jetzt tickt hier nur noch eine und die leidlich richtig...
#14
So, ich konnte der Versuchung doch nicht widerstehen. Hier ist meine zweite (und nunmehr definitiv letzte) Seiko 5:
Beim freundlichen Rob aus Holland hatte ich das Modell SNZF15 bestellt und mit dem im Bild gezeigten »Jubilee«-Armband versehen lassen, welches meinen rückwärtsgewandten Geschmack am lautesten jubeln läßt. Die dunkelblau-rote Farbgebung der drehbaren Lünette wird im Insider-Talk gerne mit »Pepsi« etikettiert.
Wie erhofft kann ich meine beiden Seikos umschichtig ohne nachzustellen tragen, da bei täglichem Wechsel (12 Stunden Nachtruhe + 24 Stunden = 36 Stunden Liegezeit) die Laufzeitreserve von etwa 40 Stunden nicht ausgeschöpft wird. Keine der beiden Automatic-Uhren bleibt also stehen, nur weil ich sie einen Tag zugunsten der anderen daheim liegen lasse! Schon deshalb werde ich es bei zwei Zwiebeln belassen: Mit dreien würde das Jonglieren nicht mehr funktionieren, und so was Dekadentes wie ein elektromechanischer Uhrenbeweger kommt mir nicht ins Haus...
#15
Ein rattenscharfes Teil! Ich gratuliere Dir zum Kauf :-)
#16
Man kann für mechanische Seiko-Armbanduhren nicht nur niedrige dreistellige, sondern tatsächlich auch gut vierstellige Euro-Beträge hinlegen! Interessante Ausführungen und Argumente über diverse Aspekte von Gestaltung, Qualität und Prestigewert der japanischen Luxuszwiebelklasse sind in dieser Diskussion nachlesen...
#17
Tick hat ja schon gemacht. Und dann sollte Ruhe sein.
Tack kam dann doch noch als Erfrischungsgetränk.
Jetzt wär’ wieder Tick dran...
Gibt’s News in dieser Causa?
#18
Nö, allerdings habe ich das tägliche Wechseln längst eingestellt und einen streßfreien Modus gefunden: Ich trage nunmehr die eingangs gezeigte Uhr in den »Wintermonaten« Oktober bis März und die sportliche mit der rot-blauen Lünette im »Sommerhalbjahr« April bis September. So muß ich weder des Morgens überlegen, welche ich am Vortag anhatte, noch mit zwei Zwiebeln in den Urlaub fahren oder Dienstreisen antreten...
#19
Unter der Adresse www.watchsleuth.com/seiko5finder/ wächst eine Datenbank heran, die alle jemals produzierten Uhren der Seiko 5‑Familie in Wort und Bild vorstellen soll. Ein sportliches Ziel! Derzeit sind laut Update-Protokoll immerhin schon 1.100 Modelle erfaßt...
#20
Ich habe heute den mechanischen Uhren endgültig abgeschworen, die Seiko-Ära ist bei mir persönlich Geschichte. Ab sofort schlägt mir die Stunde (oder vielmehr Sekunde) rein elektronisch. Die Hintergründe sind hier nachzulesen!
#21