Am zehnten Tage unserer Ruhrgebiets-Visite schauten wir uns zunächst noch ein wenig in Essen um, insbesondere umrundeten wir per pedes den riesigen Grugapark. Von außen wohlgemerkt, denn künstlich angelegte Pflanzen-Arrangements stehen nicht wirklich im Fokus unseres floralen Interesses. Übrigens waren die an der Park-Peripherie entdeckten Einrichtungen viel spannender, die nonchalanterweise in Eigeninitiative inspizierte Friedhofs-Lehrgärtnerei mit (mutmaßlich) leichenlosen Liegestätten beispielsweise hatte nicht nur morbiden, sondern auch ästhetischen Reiz...
Adieu Essen, hallo Duisburg! Der schwergewichtige Reiseführer legte uns zunächst den Besuch des Innenhafens nahe, wo eine postindustrielle Misch-Nutzung (wassernahes Wohnen, Gastronomie, Dienstleister, Kultur) ein ebenso abwechslungsreiches wie attraktives Areal (wieder-)belebt hat. Das dort ansässige Museum Küppersmühle für Moderne Kunst hatte leider wie jeden Montag geschlossen, dem Legoland Discovery Centre wollten wir weder Zeit noch Geld opfern, aber auch so geriet der Rundgang zum spannenden Erlebnis-Nachmittag. Wir tappten tapfer bis in die City und retour und waren hernach so zufrieden wie die en passant gekraulten Zirkus-Esel.
Am späten Nachmittag erreichten wir dann den faszinierenden Landschaftspark Duisburg-Nord, den wir erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder verließen. In dem nachgerade riesigen Areal rund um ein längst stillgelegtes Hüttenwerk gibt es soviel zu sehen, daß man darin ohne weiteres mehrere Tage schauend und staunend zubringen könnte...
Die Vielfalt der heutigen Nach-Nutzungen der massigen Anlagen verblüffte uns immer wieder. Der Deutsche Alpenverein unterhält dort nicht nur seine landesweit niedrigstgelegene »Berghütte«, sondern auch – in mehreren Abteilungen der alten Erzbunkeranlage – einen alpinen Klettergarten mit Schwierigkeitsgraden für jeden Geschmack:
Höhepunkt der Besichtigung war ganz zweifellos (und auch im wortwörtlichen Sinne) die Besteigung des ehemaligen Hochofens Nr. 5, der bis an die Spitze begehbar gemacht wurde. Wer die melancholische Atmosphäre solcher alten Industrierelikte zu schätzen weiß, kommt hier ebenso auf seine Kosten wie der Knipser auf der Suche nach ungewöhnlichen Motiven...
wir nächtigten am Rande des weitläufigen Parks und brachen anderntags nach Dortmund auf, wo der zonebattler zunächst einem seiner dienstlichen Kunden einen halboffiziellen Besuch abstattete und sich und seiner besseren Hälfte das ICE-Werk zeigen ließ: Nicht alle Tage bietet sich selbst unsereinem die Gelegenheit, unter aufgeständerten Gleisen den Bauch eines ICE T zu betrachten und dessen bistrotischgroße Bremsscheiben aus der Nähe zu bestaunen...
Selbstverständlich hielt sich unsereiner strikt an das im Werk herrschende Fotografierverbot, und daher kann ich diese Episode leider nur mit einem Schnappschuß illustrieren, der auf dem kurzen Fußweg zwischen Werkbereich und Parkplatz entstand:
Quer durch die Stadt ging es dann zum berühmten »Dortmunder U«, welchselbiges uns allerdings nur die animierte Fassade und ansonsten die kalte Schulter zeigte: Die neue Heimat des früheren Museums am Ostwall war noch im Umbau begriffen, die Ausstellung noch im Werden und mithin nicht zu sehen. Pech gehabt!
Was es hingegen zu sehen gab, war die Innenstadt und ihre Fußgängerzone, na gut, sind wir halt auch da mal gewesen... Ach ja: Alle paar hundert Meter begegnet man in Dortmund einem mehr oder weniger auf Kunst komm raus originell gestalteten Nashorn. Wenn das der Dürer wüßte!
Wesentlich interessanter gestaltete sich der abendliche Abstecher zur Zeche Zollern: Zwar kamen wir erst bei Kassenschluß dort an, konnten aber zumindest noch das Freigelände erforschen und die einzigartigen Jugendstil-Industriebauten bewundern. Heute stehen ja Arbeits- und Materialkosten in umgekehrten Verhältnis als Anno 1904, daher wachsen in Industriegebieten allenthalben nur noch Betonsärge aus der Erde und keine architektonischen Meisterwerke mehr. Schon das macht die Zeche Zollern zu einem einzigartigen Kleinod im großen Maßstab! Gleich nebenan auf dem Besucher-Parkplatz stellten wir hernach unsere Renngurke ab und betteten uns ein letztes Mal im mobilen Schlafzimmer zur Ruhe.
Der zwölfte und letzte Tag unserer Reise war angebrochen. Als erstes steuerten wir die Kokerei Hansa an und erreichten diese eine Viertelstunde vor der regulären Öffnung. Kaum hatten wir die Nase ins Gelände gesteckt, wurden wir schon aufgegriffen, an die Uhrzeit erinnert und an den offiziellen Besuchereingang verwiesen. Artig setzten wir uns dort auf die Wartebank vor dem Kassenfenster und wurden von der diensttuenden Aufsichtsperson per Kopfnicken begrüßt, ansonsten aber geflissentlich ignoriert, auch über den Schlag der vollen Stunde hinaus. Als gelernter Beamter und praktizierender Dienstleister kann der zonebattler die Mentalität von vorgefundenen Servicepersonalen ebenso rasch wie zweifelsfrei einschubladisieren, daher erschien es ihm ratsam, sich hier auf keine Diskussionen mehr einzulassen und kurzerhand auf eigene Faust das Areal zu erkunden. Was sich – im Nachhinein betrachtet – als ebenso zweckdienlich wie im Grunde entbehrlich entpuppte: Was wir dort zu sehen bekamen, hatten wir andernorts schon längst erforscht.
Wir fuhren weiter in Richtung Soest, um den zum Urlaubsbeginn bei den dort hausenden Freunden entliehenen Regional-Atlas wieder abzugeben. Unterwegs besuchten wir noch in (auf?) Schloß Cappenberg eine Kunstausstellung mit Werken von Günter Haese, einem Protagonisten der Kinetischen Kunst.
Diese Ausstellung erwies sich als überaus inspirierend und hervorragend gestaltet, wahrlich ein unverhofftes Highlight am Ende unserer Reise. Umgekehrt verhielt es sich leider mit dem Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna, welches wir mit großen Erwartungen betraten, jedoch einigermaßen enttäuscht wieder verließen. Immerhin: die begehbare Camera Obscura von James Turrell [1] mit der Projektion eines kreisrunden Himmelsauschnittes bleibt als grandioses Werk in Erinnerung.
Der Rest ist schnell erzählt: Von Unna nach Soest, von Soest auf die Autobahn und auf den 400 km bis Fürth alle 100 km eine kleine Pause gemacht. Gegen 22 Uhr trafen wir dann wohlbehalten daheim ein, wuchteten zunächst den mitgeführten Hausrat ins Treppenhaus und wunderten uns wie stets nach der Rückkehr von einer Campingreise über dessen scheinbare Volumenzunahme: Sechs oder sieben Mal ächzte der zonebattler die 66 Stufen hoch zu seiner homezone, jedes Mal bepackt wie ein Lastesel und mitunter auch schnaubend wie ein solcher. Am Ende stand die Erlösung in Form eines warmen Duschbades...
Zu Ende ist nunmehr auch diese Reise-Reportage, zu deren ordnungsgemäßen Niederschrift sich der Verfasser diesmal mehr als sonst überwinden mußte. Er bittet die geduldige Leserschaft submissest um Verzeihung für die langen Pausen zwischen den Teilen und verspricht für die Zukunft – erstmal nix.
[1] dessen Genialität wir bereits in Wolfsburg bestaunt hatten.
Und was hat Soest mit Färdd gemein ? Die Kärwa !
#1
In der Tat, und die ist noch viel größer als die unsere (wenn auch nicht so lang)...
#2
Das Bild »Hier wachsen wieder Bäume...« gefällt mir sehr gut. Was war das denn, als es noch kahl war?
#3
Das sind vermutlich Kohlebunker, die von oben befüllt werden (bzw. wurden) durch Schüttgutwagen mit schlagartiger Schwerkraftentladung. Die Gleise zwischen den Bunkern sind gut zu erkennen, das Entladen muß einen ganz schönen Rumms gemacht und nicht wenig gestaubt haben...
Heute gibt die alte Anlage aus der Ferne wie aus der Nähe ein schönes Motiv ab:
#4
Stimmt, auch diese Perspektive gefällt :)
#5
Dann gibt’s extra für Dich noch eine Zugabe:
Es fiel mir nicht leicht, mich für eine Perspektive zu entscheiden...
#6
Extra für ich? Danke ( ^-^)
#7
Bitte, gerne. Man tut, was man kann (wenn man denn kann)... ;-)
#8
Aha! Das sind ja die Bilder vom LAPADU, eine schöne Bilderserie. Wenn Dich der LAPADU schon verzückt, ich hätte noch mehr anzubieten das man begehen kann. ;) Natürlich immer hochoffiziell. *Pfeif*
#9
Meine Frau und ich waren diesen Sommer auch im LAPADU, haben da an einer Führung teilgenommen, sind noch alleine herumgstromert und haben hunderte Bilder gemacht, und wir sehen uns das um den Jahreswechsel bei hoffentlich bissl Schnee und Dunkelheit nochmals an.
#10
Da könntest Du ggf. nochmal direkt auf mich zukommen, wenn’s denn soweit ist: Während meine bessere Hälfte seit ehedem zwischen den Jahren arbeiten muß, könnte unsereiner zur Abwechslung mal seine Freifahrten sinnstiftend verbraten, statt sie ungenutzt verfallen zu lassen...
#11
Zu dieser Artikelreihe gibt es eine eigene Bildergalerie auf »Licht-Bild-Schau«.
#12