Nach dem Aufwachen auf dem – wie es ein smarter Makler sehr treffend ausdrücken würde – äußerst verkehrsgünstig gelegenen Wohnmobil-Stellplatz besichtigten wir (nur eine obligatorische Katzenwäsche und ein wie üblich ambulant eingenommenes Frühstück später) den Oberhausener Gasometer. Als in der Tat sehr eindrucksvoll erwies sich das Innere des gigantischen Hohlkörpers, insbesondere aber auch die aktuelle Ausstellung »Sternstunden – Wunder des Sonnensystems«, die noch bis zum Ende des laufenden Jahres bewundert werden kann. Die übergroßen Fotos, die ausladenden Planetenmodelle und insbesondere das nachgerade riesige Mondmodell lohnen einen Abstecher in die dicke Röhre allemal!
Aus den Tiefen des Alls resp. des ehemaligen Gasbehälters wieder ans Tageslicht zurückgekehrt, machten wir interessehalber einen Rundgang durch das nahegelegene CentrO, dem laut Eigenwerbung »größten Shopping- und Freizeitzentrum Europas«. Na ja, es gibt dort wie hier und überall sonst im Wesentlichen die gleichen Kettenläden, eine Freßrotunde einen Food Court und die heutzutage übliche Shopping-Center-Architektur. Der zonebattler ließ sich letztlich von der allgemeinen Konsum-Stimmung um ihn herum anstecken und zückte verzückt seine Geldbörse... [1]
Über dem Kaufrausch war es Nachmittag geworden, darum galt es, hurtig auf die Autobahn zu flitzen und sich vom sanft säuselnden Handy in die quirlige Innenstadt Düsseldorfs lotsen zu lassen. In der dortigen Kunstsammlung NRW (K20 am Grabbeplatz) trafen wir uns zunächst mit einem uns bis dato nur virtuell bekannten Blogger-Kollegen zu einem höchst anregenden Plausch. Dann meeteten & greeteten wir noch eine liebe (Fast-)Nachbarin aus Fürth, welchselbe in wackerer, geduldig ertragener Pendler-Existenz in jenem berühmten Kunst-Tempel ihr werktägliches Ein- und Auskommen findet...
Indes waren wir ja nicht nur zum Schäkern und sich Beschnuppern nach Düsseldorf gekommen, nein, es wartete am Abend ein respektabler Kunstmarathon auf uns in Form der vielen zeitgleich stattfindenden Vernissagen zur Quadriennale 2010! Wir guckten und schoben uns bis spät in die milde Nacht durch die frisch eröffneten Ausstellungen »Joseph Beuys. Parallelprozesse« (K20), »Nam June Paik« (museum kunst palast) und »Der Rote Bulli. Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie« (NRW-Forum), bis wir dann endlich ermattet quer durch die Stadt (erneut vom Handy sicher geleitet) in Richtung Ausstellung Nr. 4 (K21 Ständehaus) tappten, woselbst die ebenso abseits wie kostenfrei geparkte Renngurke unserer harrte. Schön war die Kunst, schön war die Nacht, schön zeigte sich auch die bunt illuminierte Skyline des Dorfes an der Düssel:
Erst nach Mitternacht liefen wir wieder in Oberhausen ein, wo wir direkt am Fuße des Gasometers eine Wagenburg bildeten und uns zur (diesmal gebührenfreien) Ruhe niederlegten...
Am Tag Nr. 8 unserer Expedition waren wir schon lange vor der erneuten Öffnung des dicken Wahrzeichens von Oberhausen wieder wach und reisebereit. Wir tuckerten los in Richtung Essen, woselbst wir schon wieder eine Verabredung hatten: Am Rande der weltberühmten Zeche Zollverein wollten wir uns mit einem meiner fleißigen Homepage-Zuträger treffen, der uns – als Einheimischer bestens orts- und kulturkundig – die umfangreichen Einrichtungen der riesigen stillgelegten Anlage zeigen und erläutern wollte. Es wurde ein langer, lehrreicher und bunter Tag...
In seinem Hang zum Skurrilen und Bizarren fiel dem zonebattler so manches Detail auf. Unter anderem kam ihm dieser höchst eigenartige Mastschmuck vor die Linse:
Zunächst konnten wir uns keinen Reim auf jenes ebenso gelungene wie seltsame Woll-Objekt machen. Ein Blick auf den angeknüpften Beipackzettel klärte uns jedoch schnell auf: »Strickgraffiti soll den öffentlichen Raum etwas bunter machen und beschädigt nichts.« Wenn das kein Beispiel für vorbildhaft bürgerliches Engagement ist!
Nachdem wir uns am späten Nachmittag von unserem multitalentierten Führer-Freund verabschiedet hatten, fuhren wir weiter in Richtung Süden, nahmen unterwegs Betriebsstoffe für Mensch und Maschine auf und begannen mit der Suche nach einem Plätzchen für die Nacht. Dies gestaltete sich diesmal als unerwartet schwierig, es wollte sich partout kein geeigneter Ort erspähen lassen. Nach langer Odyssee – es war inzwischen schon dunkel geworden – bezogen wir endlich provisorisch Posten auf einem Besucher-Parkplatz am Nordost-Ufer des Baldeneysees.
Was sich letztlich als gute Wahl entpuppte: Im Grunde sollte man sich in Ballungsräumen ohnehin von der Idee verabschieden, einen Schlafplatz »im Grünen« ausfindig machen zu können. Mitten drin im urbanen Getümmel finden sich noch am ehesten leidlich abgelegene Ecken an Friedhöfen, Supermärkten oder Fabriken, wo sich des Nachts kaum ein Mensch hinverirrt. Und wenn doch mal einer seinen Vierbeiner Gassi führt, dann gucken beide meist diskret zu Seite. So jedenfalls unsere Erfahrung; die echten Schurken schlagen am hellllichten Tage zu...
Der neunte Tag unserer Reise war erstens ein Sonntag und machte zweitens seinem Namen wenig Ehre: Es regnete mehr oder weniger fast den ganzen Tag über. Das scherte (schor?) uns freilich wenig, denn wir hatten ohnehin ein eher inhäusiges Besichtigungsprogramm zu absolvieren. Die erste Station (die uns schon fast einen halben Tag kostete) war die oberhalb des Baldeneysees thronende Villa Hügel, die bis 1945 das repräsentative Refugium der Industriellen-Familie Krupp gewesen war:
Die in der Villa gezeigte Dauerausstellung zur Geschichte von Familie und Fabrik würdigt einerseits die großen technischen Leistungen des von der kleinen Klitsche zum Weltkonzern gewachsenen Unternehmens, dokumentiert aber auch die schicksalhafte Verstrickung mit dem NS-Regime, das ohne den »Kruppstahl« schwerlich hätte Krieg führen können...
Nach Verabfolgung dieser üppigen Dosis Zeitgeschichte machten wir uns wieder auf in Richtung Innenstadt, um die zweite Tageshälfte im Museum Folkwang zu verbringen. Danach waren wir platt bzw. voll, aber es reichte doch noch für eine schnelle Umrundung des Aalto-Theaters zu Fuß, um nach der bereits im April erfolgten Besichtigung des Wolfsburger Kulturhauses jenem Bau ein zweites Werk des finnischen Architekten vergleichshalber hinzuzugesellen. Und weil sich der Marsch an der frischen Luft als belebend erwies, haben wir dann auch noch ‑zumindest von außen – die prächtige Alte Synagoge inspiziert.
Nach so viel Essen für die Augen war die Zeit zum Essen für den Magen gekommen, welchselbiges wir wieder an den Gestaden des Baldeneysees einnahmen, an seinem nordwestlichen Zipfel unterhalb der Villa Hügel. Mit einem nächtlichen Spaziergang (es regnete mittlerweile nicht mehr) zum in der Ferne erahnten Stauwehr rundete sich der Tag: Drei Viertel der Reise ins Unbekannte konnten nunmehr als erfolgreich absolviert gelten. Zum letzten Viertel brechen wir in der nächsten Folge auf!
[1] Ausgabenrechnung: EUR 2,40 (Pizzastück) + EUR 0,40 (Klofrau) = EUR 2,80 Total
Hallo lieber Zonebattler!
Sehr schöner Reisebericht von einer offenbar sehr gelungenen Reise! Als ich jedoch las, dass Du Dich am Gasometer Oberhausen, ja gar im CentrO herumgetrieben hast, habe ich mich gefragt: Sollte dir etwa die »Modellbahnwelt Oberhausen« entgangen sein? Die ist nämlich nur wenige Minuten zu Fuß vom CentrO entfernt. Bei Deiner Interessenlage eigentlich kaum zu glauben. Also Modellbahn-Enthusiasten haben ja gelegentlich den Hang zum Weltfremden, der die Realität nicht so recht ertragen kann ( Entschuldigung, wenn sich dadurch jemand auf die Füße getreten fühlt ). Aber dort in Oberhausen hat man einen ganz interessanten Ansatz gefunden. Man stellt nähmlich dort das Ruhrgebiet der 60er-Jahre dar. Man kann dort also gewissermaßen Sightseeing in der Vergangenheit betreiben. Mit all den markanten Punkten, die auch in Deinem Bericht – lieber Zonebattler- vorkommen. So z.B. Villa Hügel, Zeche Zollverein und vieles mehr. Mir hat das letztes Jahr wirklich gut gefallen. Ganz im Gegensatz zum CentrO ;-)
#1
Werter MickLipp,
danke für die Blumen und den Hinweis auf eine weitere Oberhausener Sehenswürdigkeit! Von der Modellbahnwelt Oberhausen wußte ich bis jetzt tatsächlich nichts, aber auch sonst wäre ich trotz meines ausgeprägten Hanges zur kindlichen Weltflucht vermutlich eher nicht hingegangen: Wiewohl ich im Zivilberuf in Diensten der »richtigen« Eisenbahn stehe, interessieren mich Schienenfahrzeuge weder in 1:1 noch in 1:87 so sehr, daß ich zu deren Besichtigung Zeit und Geld aufwenden würde. Ausnahmen bestehen nur bei Feldbahnen, von deren Subspezies der Grubenbahnen ich auf dieser Reise allerdings auch so reichlich (im Original!) zu sehen bekam... ;-)
#2
Ah! Die Kokerei Zollverein, wie oft wir schon dort waren. Aber die »schwarze Seite« von Zollverein ist auch interessant. Nachts ist die Kokerei noch schöner, weil sie rot und blau illuminiert ist. Warst Du auch im LAPADU in Duisburg? Solltest Du nochmal in den Pott kommen, zeige ich Dir gerne auch mal »inoffizielle« Industriekultur z.B. die Sinterei in Duisburg Beeck. ;-)
#3
Den Landschaftspark Duisburg-Nord haben wir tatsächlich auch besucht, von diesem echten Highlight unserer Tour wird in der nächsten (und letzten) Folge noch ausgiebig zu berichten sein!
Danke für das Angebot zum gemeinsamen Erforschen »inoffizieller« Sehenswürdigkeiten: Da würde ich glatt darauf zurück- und auf Dich zukommen, wenn es uns denn wieder einmal in jene Gegend ziehen sollte...
#4
Fressrotunde trifft’s jedenfalls genauer als »C***-C*** Oase«. Sehr schön.
#5
@Ruppi1979
Oh, daran wäre ich auch interessiert. Ich lebe in Berlin, habe mich aber in den Ruhrpott verliebt und kenne natürlich die üblichen Sehenswürdigkeiten.
Die »inoffizielle« Seite würde mich sehr sehr interessieren.
Kannst du hier vielleicht noch ein paar Tipps loslassen?
Silke
#6
Pressespiegel: »Pumpen, pumpen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag« (FAZ.NET)
#7
Pressespiegel: »Strickkunstwerke: Mit bunten Maschen für eine schönere Welt« (FAZ.NET)
#8
Wunderbare, sozusagen baumfüllende Strickkunstwerke sowie weitere Beispiele ganz außerordentlicher Street Art kann man hier bestaunen!
#9
Pressespiegel: »Street Art – Bis zum Hals in der Straßenpfütze« (ZEIT ONLINE)
#10
Das ultimative Strick-Kunstwerk kann man derzeit im polnischen Lodz bewundern. Voll krass!
#11
Und: Ist dir das schöne Backsteinhaus im Hintergrund aufgefallen??
#12
Ja freilich. Sowas steht bei mir sogar in Miniaturfassung im Wohnzimmer-Regal...
#13