Wer ein schönes Haus vor die Linse bekommt und kurzerhand ablichtet, ist vom Ergebnis oft enttäuscht: Ein niedriger Standort auf Straßenniveau zwingt zur schräg nach oben angewinkelten Kamerahaltung, was dann zwangsläufig die gefürchteten »stürzenden Linien« nach sich zieht. Der komplexe menschliche Sehapparat vermag weitgehend unbewußt zu korrigieren, was das unbestechliche Kameraauge ‑den Gesetzen der Physik folgend- gnadenlos aufzeichnet:
So schepps kann man so ein stattliches Stadthaus natürlich nicht stehen lassen, wie sähe denn das aus? Also gleich nach dem Stadtrundgang daheim den Rechner angeworfen und flugs FixFoto gestartet, meine bevorzugte virtuelle Dunkelkammer für jegliches Rohmaterial aus bildgebenden Gerätschaften.
Als erstes habe ich die Perspektive »geradegezupft«, also das Rechteck des Bildes oben beidseitig in die Breite und damit zum Trapez gezogen, bis die senkrechten Linien (Mauerkante links, Regenrinne rechts) auch wirklich wieder senkrecht und parallel zueinander verliefen. Sodann ein Rechteck herausgeschnitten und das darin nunmehr wieder lotrecht erscheinende Gebäude per Kontrast- und Farboptimierung etwas in Frühlingsstimmung versetzt. Abschließend noch einen passenden Rahmen drumherum gebastelt (FixFoto hat für derlei Zwecke ein mächtiges Modul namens »Master Framer Deluxe« an Bord) und fertig ist die Laube:
Mit etwas mehr Aufwand und Hingabe hätte man noch den Gesamteindruck störende Elemente wie Werbetafel, Verkehrsschild und sogar die geparkten Motorroller aus dem Foto herausretouchieren sowie den dröge unstrukturierten Nachmittagshimmel durch einen blauen mit pittoresken Wolken drin ersetzen können: auch dafür bringt FixFoto die geeigneten Werkzeuge mit. Unsereiner freilich sähe da die Grenze zur Bildmanipulation in unzulässiger Weise überschritten und läßt schon aus Gründen der Faulheit Authentizität gerne drin, was im vor Ort gewählten Bildausschnitt in realiter vorhanden war: Fürth ist schließlich auch ungeschminkt liebenswert ...
Um den geschätzten Hausherren vorsorglich vom ungerechtfertigten Vorwurf des Product Placement zu entlasten, möchte ich ergänzend hinzufügen, dass besagtes Perspektivegeradezupf-Rechteck in jedem besseren Bildbearbeitungsprogramm vorhanden ist, so auch im Fotoladen, im Malgeschäft Pro und natürlich auch im Programm mit dem Gnu. Auch auf das famose und außerdem kostenlose Programm ShiftN sei hier hingewiesen, welches obige Aufgabe durch einen schmissigen Algo-Rhythmus mit wenigen Mausklicks zusammengroovt.
Gewarnt sei aber auch vor zu exzessivem geradezurren: Ein zu streng parallelisiertes Gebäudefoto, insbesondere, wenns deutlich höher als das hier gezeigte Beispiel ist, neigt dazu, kopflastig zu wirken. Ein weiterer Aspekt, der korrigierte Bilder etwas unwirklich erscheinen lässt (und ansatzweise auch schon im hiesigen Beispiel zu erkennen ist): Die Perspektive ist nur simuliert. Während man im Erdgeschoss noch von schräg oben auf die Fensterbank schauen kann, sieht man diese weiter oben nur noch von unten und sie verdecken die Fenster teilweise, obwohl diese sich durch die Korrektur dem Betrachter herrlich eben präsentieren. Auch hier kann es also zuviel des Guten werden.
#1
Du hast natürlich in jeder Hinsicht recht: Erstens sind Funktionen zur nachträglichen Perspektivkorrektur heutzutage natürlich in jeder besseren Bildbearbeitungs-Software enthalten (weswegen ich in meinem obigen Beitrag soeben das »... die virtuelle Dunkelkammer... « in »... meine bevorzugte Dunkelkammer ...« umgemodelt habe. Zweitens ist es in der Tat so, daß man natürlich auch nach dem virtuellen Geradebiegen nichts von dem sehen kann, was vom Aufnahmestandort aus perspektivbedingt schlicht nicht zu sehen war! In diesem Beispiel sieht man an den Fensterlaibungen recht deutlich, daß man da irgendwann an Grenzen stößt, die den resultierenden Bildeindruck eben nicht mehr als natürlich erscheinen lassen. Ideal wäre also ein passend erhöhter Aufnahmestandort, aber eine portable Hubbühne für die Hosentasche habe ich bislang noch nicht auftreiben können...
Übrigens: Nur wenige Minuten nach dem Einfangen des obigen Fotos saß ich relaxenderweise in einem der netten Retro-Drehsessel des kleinen Texthauses in der Waagstraße und sah Dich auf Deinem Drahtesel draußen auf dem Kopfsteinpflaster vorbeihoppeln. Auch das macht Fürth liebenswert: man läuft (oder fährt) sich hier ständig über den Weg! ;-)
#2
Als eifriger Bildbastler und bekennender Mikrologe entkippe ich auch gern und oft, habe dabei aber schon mehrmals festgestellt, dass exakt bildrandparallele Kanten z. B. von Häusern mir manchmal zuviel des Guten sind und den Eindruck erwecken, als würden sie nach oben hin auseinanderlaufen. Diesem Effekt beuge ich vor, indem ich nicht 100% entzerre, sondern ein geringfügiges Konvergieren zulasse. Ich habe jedoch keine Ahnung, ob es mein subjektiver Eindruck ist oder hier vielleicht sehpsychologische Aspekte eine Rolle spielen.
#3
Da hast Du durchaus recht, in einem meiner Fürth-Preisrätsel ist der von Dir beschriebene Effekt gut zu beobachten! Wie so oft gilt wohl auch hier: Die Dosis macht das Gift.
#4
Über die wegretuschierte Satellitenschüssel
hätte sich bestimmt niemand gekränkt ;)
#5
Schon richtig, aber dann hätte ich auch die Fensterrahmen in den (weißen) Zustand der 1980er Jahre rückversetzen können, sollen oder gar müssen, wie er im »Habel« [1] fotografisch dokumentiert ist. Und wie schon eingangs angedeutet Verkehrsschilder und Fahrzeuge wegstempeln, Himmel aufhübschen und, und, und. Stunden später hätte ich dann ein ebenso idealisiertes wie letztlich artifizielles Bild geschaffen, welches aber kein Ab-bild der Realität mehr wäre. Irgendwie habe ich da nicht nur Scheu vor dem handwerklichen Aufwand, sondern echte Skrupel...
Immerhin, so wie es ist, zeugt das Foto sogar von einer gewissen Um- oder Einsicht des Hausbesitzers: Der hätte ja statt einer unauffällig rotbraunen auch eine häßlich hellgraue Sat-Schüssel auf das Dach stellen können!
[1] Habel, Heinrich: Stadt Fürth (Reihe »Denkmäler in Bayern« ), Verlag Karl M. Lipp, München 1994. ISBN 3–87490-571–3
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