Als es sich noch lohnte, hin und wieder den Fernseher einzuschalten (also vor etwa 30 Jahren), da wurde das auch damals schon überwiegend seichte Meer der Unterhaltung von Kapitänen wie Hans-Joachim Kulenkampff, Leichtmatrosen wie Hans Rosenthal und einem Fliegenden Holländer namens Rudi Carrell befahren. Etwas abseits vom Mainstream schipperten die etwas weniger bekannten Unterhaltungskanonen durch die experimentierfreudigen Dritten Programme, von denen unsereins hier mitten in Bayern Franken nur das des eigenen Bundeslandes empfangen konnte.
Zu später Stunde gab es im Fernsehprogramm des Bayerischen Rundfunks freilich manch funkelnde Perle zu entdecken, und ich erinnere mich auch heute noch gern an die unverhofften Begegnungen mit zwei amerikanischen Comedians, die mich höchst nachhaltig beeindruckt haben und denen übliche Etikettierungen wie »Showmaster«, »Entertainer« oder auch die wörtliche Übersetzung »Komiker« nicht annähernd gerecht werden. Die Rede ist von Jack Benny und Ernie Kovacs. [1]
Einer spontanen Eingebung folgend, habe ich vor einiger Zeit nach den beiden mir noch im Hirn herumgeisternden Namen gegoogelt und nach der Lektüre diverser Quellen beim amerikanischen amazon-Mutterhaus zwei DVD-Editionen bestellt [2], die nachfolgend gemeinsam vorgestellt werden sollen: »The Best of Jack Benny« und »The Best of Ernie Kovacs«. Nun ist Skepsis gegenüber protzigen »Best of ...«-Sammelausgaben ja nur allzuoft berechtigt, in diesen beiden Fällen ‑soviel sei vorab schon verraten- ist der überstrapazierte Superlativ jedoch durchaus angebracht!
Fangen wir mit Jack Benny an, der in den frühen 1950er Jahren das Konzept seiner bewährten Radio-Programme höchst erfolgreich auf die Mattscheibe übertragen konnte: In seinen Shows gewährte er (scheinbar echte) Einblicke in seine Arbeit als TV-Unterhalter und in sein Privatleben als Medien-Star. Während er seine launische Anmoderation und auch den Schlußmonolog stets vor einem echten Publikum auf der Bühne von sich gab, waren die Sequenzen zwischendrin meist aufwendig inszenierte Studio-Sketche und offenbar separat aufgenommene Kabinettstückchen. Eine Vielzahl prominenter Hollywood-Größen waren darin als Gaststars mit von der Partie und sich für keinen Jux zu schade. Die »running gags« (Benny gerierte sich z.B. immer wieder als betont geizig, gab sein Alter über viele Jahre stets unverdrossen mit 39 an und wußte selbst in den absurdesten Situationen seinen als Markenzeichen berühmten, regungslosen Gesichtsausdruck zu bewahren) und die Auseinandersetzungen mit seinem farbigen Faktotum Rochester sind immer wieder für einen herzhaften Lacher gut. Natürlich versteht man als Europäer einer anderen Generation nicht alle Pointen ‑namentlich nicht die mit zeitspezifischen Anspielungen oder jene mit doch typisch amerikanischem Hintergrund- aber was macht das schon? Aus heutiger Sicht kurios und nachgerade rührend, aber nichtsdestotrotz sehr interessant sind die ins Programm voll integrierten, wiewohl deutlich abgesetzten Werbebotschaften des jeweiligen Sponsors (z.B. der Zigarettenmarke »Lucky Strike«).
Jack Bennys Späße waren durchwegs fein und nie verletzend, gleichwohl populär und massenkompatibel. Der Humor des mit nur 42 Jahren tödlich verunglückten Ernie Kovacs hingegen war sperriger, sich zuweilen schwerer erschließend, in jedem Falle weit avantgardistischer: Ob er ein Revolverduell ‑den klassischen Western-Topos schlechthin- aus einem halben Dutzend schräger Perspektiven filmt, Spielzeug-Affen die 1812er-Ouvertüre von Tschaikowsky aufführen oder eine Büro-Einrichtung musizieren läßt, der experimentierfreude Kovacs zog alle Register der damals noch in den Kinderschuhen steckenden TV-Technik. Ein meisterhaft umgesetztes Feuerwerk der Ideen, und das meiste davon ist heute so originell und amüsant wie vor 50 Jahren... [3]
In technischer Hinsicht muß man sich vergegenwärtigen, daß es sich bei beiden Editionen um Dokumente aus der Frühzeit der Fernsehgeschichte handelt, in der magnetische Bildaufzeichnungsverfahren (MAZ) noch nicht verbreitet waren: So sind die frühen Jack-Benny-Shows beispielsweise im Kinescope-Verfahren aufgezeichnet, sprich mit einer Filmkamera von einem das Live-Bild zeigenden Video-Monitor abgefilmt worden. Die technische Güte der Schwarz/Weiß-Bewegtbilder schwankt daher zwischen grenzwertig schemenhaft und erstaunlich klar und kontrastreich, der (Mono-)Ton hingegen klingt durchwegs tadellos. Der Freude tut die historisch zu nennende Bildqualität indes nicht den geringsten Abbruch, und angesichts der geradezu läppischen Preise von $ 8.49 für 4 prallvolle Jack Benny-DVDs mit 39 (!) Shows (1260 Minuten Spieldauer!) bzw. $ 17.49 für zwei Ernie Kovacs-Scheiben (mit 320 Minuten Programm) erschiene jedes Herummäkeln als beckmesserhaft:
Film / Inhalt | |||
Bild & Ton | |||
Extras | |||
Aufmachung | |||
Gesamturteil |
Echte Extras gibt es weder bei der einen noch bei der anderen Edition zu beklatschen, aber klar, bei solchen Antiquitäten in (mutmaßlicher) Kleinauflage ist kein Budget für ein ordentliches Booklet vorhanden, von Mitteln für eine filmische Dokumentation gar nicht zu reden. Selbst auf einblendbare Untertitel hofft man vergebens! Einen einsamen Stern vergebe ich gleichwohl in dieser Kategorie, weil beiden Produktionen ohne Regionalcode veröffentlicht wurden und damit auch auf unmodifizierten DVD-Playern überall auf der Welt wiedergegeben werden können. [4]
Trotz der altersbedingten Mängel fällt meine Fünf-Sterne-Empfehlung eindeutig aus: Was diese beiden genial zu nennenden Künstler den unsäglichen TV-Kaspern von heute voraus hatten, wird durch ein paar technische Unzulänglichkeiten nicht im Geringsten getrübt!
[1] Naturgemäß sind die englischsprachigen Wikipedia-Artikel über Jack Benny und Ernie Kovacs ausführlicher und erheblich ergiebiger als ihre deutschen Pendants. Auf der populären Film-Plattform YouTube finden sich zudem viele Original-Beispiele des televisionären Schaffens sowohl von Benny als auch von Kovacs.
[2] Einzeln in den USA bestellte DVD-Boxen dieser Preislage kommen erstaunlich schnell hierzulande an und kosten regelmäßig weder Zoll noch Einfuhr-Umsatzsteuer.
[3] Einer meiner persönlichen Favoriten ist das affige »Nairobi Trio« ...
[4] Wessen Spieler ohnehin schon auf »codefree« geschaltet ist, muß sich natürlich sowieso keine Gedanken um mögliche Restriktionen machen.
Doll, was man alles nicht kennt. Das musikalische Büro ist wirklich entzückend.
Was ich auch nicht weiß: Welche Kurzschlüsse im Neuronengewirr mich angesichts der zu Tschaikowsky in der Pfanne zerschellenden Eier denken ließen, dass ich mir diesen Film unbedingt mal wieder ansehen müsste. Das war jedenfalls die Art von Komik, die vor 20 Jahren bei uns zwischen Rhein und Weser zu vorgerückter Stunde im 3. Programm lief.
#1
Danke für den Hinweis, ich hatte schon von diesem Film gehört, aber ihn noch nie zur Gänze gesehen! Übrigens, wenn Dir das musikalische Büro gefallen hat, solltest Du unbedingt auch noch die »Küchen-Symphonie« goutieren...
#2
Noch ein »alter Meister« und ein akrobatischer Könner war Larry Grisworld. Leute dieses Schlages kriegt man heutztage kaum mehr zu Gesichte...
#3