Endlich auf britischem Boden angelangt, kurvten wir sogleich souverän durch Dover und freuten uns wieder des Lebens. Die Linksfahrerei erschien mir übrigens nie als problematisch: Gewöhnungsbedürftig sind einzig die teils ineinander übergehenden Kreisverkehre, aber im Gegensatz zu den liebestollen Franzosen (siehe gestern) fahren die Briten gemeinhin distinguiert und zuvorkommend. Nachdem wir uns in der Fußgängerzone der alten Hafenstadt zunächst mit dem Nötigsten versorgt hatten (insbesondere mit Reiseführern), verließen wir die Stadt in Richtung Kreideklippen, schauten von dort oben dem geschäftigen Treiben im Hafen zu und führen dann nach Norden, immer der Küste entlang...
Angesichts des eher knappen Zeitbudgets (Mittwoch mittags angelandet, standen bis zur gebuchten Fährpassage in Gegenrichtung am folgenden Montag Mittag gerade einmal zwei angeknabberte und vier volle Reisetage zur Verfügung) mußte ich meine ursprüngliche Hoffnung aufgeben, doch noch bis ins südwestliche Cornwall zu kommen. Es schien allemal vernünftiger, sich eher kleinräumiger zu bewegen und sich dafür intensiv in Kent (dem »Garten Englands«) und im angrenzenden Sussex umzuschauen. Eine gute Entscheidung, hielten sich doch die zu fahrenden Tagesetappen dadurch in angenehmen Grenzen.
Großbritannien ist aus vielerlei Gründen ein Land ganz nach des zonebattler’s Geschmack: Erstens kann er da in den Buchhandlungen nicht nur stundenlang schmökern und blättern, sondern das Gedruckte auch lesen und verstehen. Zweitens findet der bekennende Flohmarktfreak dort in jeder Stadt in bester Lage Dutzende gut sortierter Second-Hand-Shops verschiedenster Wohltätigkeits-Organisationen vor, in denen gespendete Gegenstände von ehrenamtlichen HelferInnen für einen guten Zweck versilbert werden. Spannend auch dies! Last but not least kann man überall frische Milch kaufen und dieselbe nach Genuß und interner Verarbeitung auch wieder fachgerecht entsorgen, denn öffentliche Toiletten sind nie weit weg. Sehr praktisch für Nervöse und Blasenschwache!
Im Vergleich zu früheren Besuchen im Land (die sämtlich schon mehr als ein Jahrzehnt zurückliegen) sind mir diesmal die zahllosen Maklerschilder an zum Verkauf stehenden Häusern aufgefallen: Entweder werden auch die Engländer weniger oder aber sie werden in Folge der sog. Globalisierung mehr als früher zur beruflich bedingten Mobilität gezwungen. In nicht wenigen Fällen dürften wohl auch geplatzte Finanzierungsmodelle ursächlich dahinterstehen...
Am unwahrscheinlichsten von den Erklärungsversuchen erscheint mir der, daß das Volk der Briten im Schrumpfen begriffen sei: Allerorten sieht man nämlich junge Mütter mit zwei, drei, vier oder gar noch mehr Kindern. Diese außerordentliche Fruchtbarkeit ist ganz zweifellos eine Folge des landestypischen Wetters (milde Temperaturen kombiniert mit reichlich Niederschlägen), welches bekanntermaßen auch ein außerordentliches Pflanzenwachstum bedingt:
Für Interessierte sei hier der erste Teil der Reiseroute anhand der besuchten Orte protokolliert: Dover – Deal – Sandwich – Ramsgate – Margate – Canterbury – Wye – Ashford – Lenham – Leeds Castle – Maidstone – Royal Tunbridge Wells – Uckfield – Lewes – Isfield – Brighton. Wie es dort ‑am Scheitel- und Wendepunkt der Reise- zuging, erzähle ich in der nächsten Episode...
Süßer und scharfer Senf: