Im 1. Halbjahr 2008, also seit Neujahr bis heute, habe ich mit meiner Renngurke insgesamt 4x eine Tankstelle angesteuert und dabei in toto 102,6 Liter Benzin gefaßt, Kostenpunkt EUR 144,62. [1] Gefahren wurden damit im Berichtszeitraum ganze 1151,9 km. [2]. Soweit, so wenig, so gut. Geht ohne weiteres zu machen [3].
[1] Zum Anstellen von überschlägigen Plausibilitätsrechnungen taugen die absolut korrekten Angaben nicht wirklich, da meine Tankintervalle recht üppig ausfallen: Die Füllung vom 7. Okt. 2007 reichte beispielsweise bis zum 20. Jan. 2008!
[2] Und das, ohne sich die geringsten Mobilitätsbeschränkungen aufzuerlegen: Wer wie ich zentrumsnah in der Stadt wohnt, kann (fast) alle Besorgungen zu Fuß erledigen. Wer obendrein die Arbeitsstelle kommod per ÖPNV oder gar gleichfalls per pedes zu erreichen vermag, kann sich den Kraftwagen als Luxus für gelegentliche Ausflüge am Wochenende halten.
[3] Wer meint, gleichwohl möglichst weit hinaus auf’s Land und weg von Arbeitsplatz und Freizeitangeboten ziehen zu müssen, mag das meinethalben tun, sollte aber jegliche monetären Konsequenzen selbst tragen müssen. Es ist nicht einzusehen, daß der Staat derlei Verhalten sogar noch per Pendlerpauschale etc. von den Steuern (auch der umweltbewußt handelnden BürgerInnen) subventionieren soll.
Genauso schaut‘s aus !! Komme im gleichen Zeitraum (sprich sechs Monate) grob überschlagen auch höchstens so auf zweitausend km, was für eine Wohltat die Kiste(n) nicht zwingend brauchen zu müssen...
#1
Spannend zu lesen, dass es noch mehr Menschen gibt, die so denken [3] – auch wenn das nicht en vogue ist. Bissi viel Sprit pro (100 km * Grundfläche Auto), oder? :-)
#2
Zugegeben, der Quotient aus Benzinverbrauch und Grundfläche spricht eher für flache Flundern denn für hochkantgestellte Backsteine. Aber das machen die anderen Vorteile meines selbstbeweglichen Vehikels mehr als wett! ;-)
#3
[2]
ist allerdings nur machbar, wenn entweder nur ein Broetchengelderwerber in der Familie ist (wobei sich da die Frage stellt, ob man sich dann noch die Wohnung am Arbeitsort, etwa Muenchen als Hochpreiszone angenommen, leisten kann), oder beide Broetchengelderwerber am selben Ort einen Arbeitsplatz bekommen haben.
Ich stand einmal vor dem Problem, 80 km nach Norden fahren zu muessen fuer die Knechtschaft, waehrend die Dame des Hauses einen Weg von 35 km suedlich hatte. Inzwischen hat sich das egalisiert, da beide Arbeitsstaetten ihre Veroeffentlichungen bei den zustaendigen Insolvenzgerichten fanden. Und in meinem Fall ist der Wohnort inzwischen auch nebensaechlich, da die Aufenthalte im Stammhaus doch eher spaaerlich geworden sind.
#4
wer so wenig Auto braucht....
... muss sich dann aber auch fragen lassen, wieso er dauerhaft knappen Parkraum belegt.
Und wenn man zu dem erstaunlich hohen Spritverbrauch (bei den Geschwindigkeiten, die das Ding läuft, sollte der cw-Wert nicht das ausschlaggebende Kriterium sein – v. wg. Backstein vs. Flunder) noch die laufenden Kosten für Steuer, Versicherung, Wartung, TÜV etc. hinzuzählt, käme man doch mit einem »Sharing-Car« (gibts z.B. ab 22€/Tag) unterm Strich günstiger weg, oder?
#5
Völlig richtig!
Das ist halt meine Art, in modänem Luxus zu schwelgen, von der mittlerweile obsoleten, aber seinerzeit nicht minder teuer erkauften Kamera-Kollektion mal abgesehen. Hin und wieder leistet sich eben auch ein ansonsten höchst kopfgesteuerter zonebattler irrationale Geldvernichtungs-Gerätschaften just for fun. Sofortige und stete Verfügbarkeit und hoher Freizeitwert der kleinen Kiste sind mir den (durchaus überschaubaren) monetären Aufwand wert. Und von »dauerhaft knappem Parkraum« kann hier vor unserem Fürther Stadtpalais nicht im Mindesten die Rede sein!
#6
Man muss auch sagen dass das auch nur geht, wenn man nicht irgendwo in der Pampa arbeiten muss- frag mal Lehramtsanwärter wenn sie ins hinterletzte Kaff fahren dürfen, wo einmal in der Woche ein Bus fährt ;)
#7
Auf dem Land zu arbeiten ist noch mal ein ganz anderes paar Schuh. Meine Schwiegereltern haben ihr Leben auf Höfen in der ostfriesischen Marsch verbracht: Zuerst auf ihrer eigenen Warft der Glückseligen, heute bewohnen sie ihr Altenteil in einem 300-Seelen-Straßendorf. Der Busverkehr in die 10 Kilometer entfernte Stadt ist eine Katastrophe, findet an Nichtschultagen bestenfalls als Anrufsammeltaxi statt. Es gab vor drei Jahren einen Winterfahrplan, da fuhr samtagsmorgens ein Bus stadteinwärts. Ohne Rückleistung. Dafür hat das Land Niedersachsen dem Ort neulich schicke gläserne Wartehäuschen spendiert, samt barrierefreier Anhebung des Bordsteins. Nunja.
Ohne Auto kommt man dort als Einheimischer tatsächlich nicht zurecht. Der letzte Lebensmittelhändler im Dorf hat vor zwanzig Jahren geschlossen, und seinen Tee kann der Ostfriese im größten Gemüsegarten nicht selbst anbauen. Die alten Leutchen von der eigenen Scholle in die Stadt zu verpflanzen ist nicht so einfach, auch wenn die Ratio eigentlich zum Umzug rät.
Und es gibt da die dollsten Probleme: Neulich ist der betagte Wagen meiner Schwiegereltern von einer wenig umsichtigen Städterin geschrottet worden. Ersatz zu beschaffen, war beinah unmöglich. Die Banken sind nicht besonders willig, Mittsiebzigern Kredit für einen Neuwagen zu gewähren. Es bedurfte einiges an Netzwerkerei, bis schließlich wieder ein brauchbares Gefährt auf dem Hof stand.
Worauf ich eigentlich hinauswollte: Die mir liebste Ostfriesin hat ihr erstes eigenes (von einer älteren Schwester übernommenes, also nicht eben neues) Auto als Befreiung empfunden. Kein überfüllter Schulbus mehr, kein Abholenlassenmüssen nach Feten, keine Radfahrerei bei Regen und Gegenwind.
Und dennoch hat sie das Autofahren bald darauf, als sie zum Studium in eine ferne Stadt ziehen musste, mit Erleichterung wieder hinter sich gelassen. Und ist überzeugte Städterin geworden. Trotz (oder gerade wegen) ihrer bäuerlichen Herkunft ist ihr die Vorstellung unerträglich, auf einem dichtbesiedelten Hypothekenhügel im Speckgürtel zu wohnen, wo Landleben höchstens schlecht simuliert wird. Und weil sie das Elend der Pendelei von Kindheit an kennt, kann sie auf eine Neuauflage unter umgekehrten Vorzeichen gerne verzichten.
Wer auf dem Land arbeitet und wohnt, ist derzeit leider auf ein Auto angewiesen. Er/sie muss schon sehr leidensfähig sein, wenn er darauf verzichten will. Wer sich jedoch täglich der Tortur aussetzt, von seinem selbstgebauten Häuschen im Hunsrück zum Job nach Frankfurt zu pendeln … nein, dazu fehlen mir jettzt die Worte.
#8
So weit zur Theorie. Es soll allerdings auch noch globale Konzerne geben, die um des plumpen Gewerbesteuern Sparens Willen aus der Stadt (in der man lebt, sogar im gleichen Stadtteil in dem das Büro lag, mithin bequem zu Fuß oder per Rad erreichbar) weg ins Kaff ziehen, wo man dann ohne Auto vollkommen verratzt ist oder aber zumindest die dreifache Zeit für den Weg in Kauf nehmen müßte, wenn man denn die sporadisch verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittel benutzen wollte. Die Herren Vorstände mit ihren vom Fußvolk finanzierten Firmenwagen juckt das ja nicht, denn die zahlen ja noch nicht mal ihr Benzin selbst. Und nun?
#9
Dazu brauch es keiner globalen Konzerne, das geht auch im piefigsten Mittelstand. Selbst erlebt.
Die Ursünde besteht meiner unmaßgebliche Meinung nach darin, dass die Lohnsteuer irgendwann nicht mehr am Arbeits- sondern am Wohnort erhoben wurde. Damit wurden die Umlandgemeinden immer reicher gemacht, ein sich selbst verstärkender Effekt. Wenn man der Trennung von Wohnen und Arbeiten entgegenwirken wollte, müsste man dort ansetzen.
#10
Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Die Pendlerpauschale kann von ÖPNV-Nutzern gleichermaßen angesetzt werden. Trotzdem findet da so oder so wahrscheinlich eine Umverteilung von jenen, die arbeitsstättennah wohnen, zu den Fernpendlern statt. »Wahrscheinlich« deshalb, weil wohl niemand wirklich weiß, wie der Ressourcenverbrauch (Zersiedlung, Versiegelung von Böden, &c.) volkswirtschaftlich anzusetzen ist. Dazu bedürfte es auch einiger hellseherischer Fähigkeiten.
Wenn ich mit NordWestBahn und Konsorten durchs (oldenburgische) Münsterland fahre, sehe ich mit einigem Entsetzen, was Zersiedlungspauschale und Eigenheimzulage – die größten Subventionierungsprogramm für die Bauindustrie ever – in den letzten anderthalb jahrzehnten dort angerichtet haben. Aber das sind erstmal Einwände ästhetischer Art.
Städte sind auch nicht eben umweltverträglich und ihre Verkehrssysteme auch alles andere als billig. Die Sanierung der Wuppertaler Schwebebahn hat eine Milliarde verschlungen und ich bin mir gar nicht sicher, ob das Geld für die U3 gut angelegt ist.
Nichtsdestoweniger gehe ich mit dir d’accord, dass man auf die individuelle Benzinverbrennung so weit wie möglich verzichten sollte – wenn man denn schon in der Stadt wohnt. Ich habe das bisher 43 Jahre lang geschafft, und ich gedenke, das auch in Zukunft nicht zu ändern. Die neue Wohnung in Schoppershof (seit gestern sind die Möbel, unvermeidlicherweise auf der Autobahn, unterwegs) haben wir uns nicht zuletzt unter den Gesichtspunkten Innenstadt-/Arbeitsplatznähe und Nahversorgung ausgesucht. Was die Wohnung mehr kostet, sparen wir bei den Mobilitätskosten locker wieder ein.
München und Hamburg sind aber nochmal Ausnahmefälle. Oder meinetwegen auch Sylt oder so manche ostfriesische Insel. Wo die Einheimischen ihre Geburtsstätte verlassen müssen, um fortan einzupendeln, weil die Lebenshaltung unerschwinglich wird – Erfolg, der sich selbst auffrisst. Stichwort Gentrifizierung.
Die Städte wurden allmählich der Mittel beraubt, der Landflucht entgegenzuwirken – sozialer Wohnungsbau oder Wohngeld sind der neoliberalen Ideolgie zum Opfer gefallen. Auch das gehört meiner unmaßgeblichen Meinung nach zum Komplex aus Pendlerpauschale und Eigenheimzulage.
Und jetzt ist Schluss, weil ich nach einem langem Tag keinen klaren Gedanken mehr fassen kann.
#11
Achso, was ich dich noch fragen wollte: Kommt man als Betriebsdienstler oder als Mitarbeiter einer der zahlreichen ausgegliederten DB-Töchter eigentlich noch in den Genuss irgendwelcher Vergünstigungen? Gibt es noch Freifahrten, die man verbraten kann? Rabbattierte Monatskarten? Streifenkarten? Oder ist das inzwischen auch alles perdu?
#12
Mein lieber ignorant, Du und auch die anderen (pathologe, Nachtblau, virtualmono), Ihr habt natürlich recht, das Thema ist zu komplex, um einfache Lösungen finden (und propagieren) zu können. Oftmals ist man als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer ohnmächtiger Spielball höherer Gewalten und muß zusehen, sich irgendwie mit von außen auferlegten Mobilitätszwängen zu arrangieren. Ich selbst zahle ja auch einen Preis für meine frohgemut gelebte Schollentreue: Ich mußte meine »Karriere« aktiv und bewußt hintertreiben, sprich angebotene Führungspositionen ablehnen, weil die nicht nur mit sprunghaft ansteigendem Arbeitspensum und drückender Verantwortung, sondern auch mit (mindestens) bundesweitem Zigeunerdasein verbunden gewesen wären. Selbst im klimatisiertem ICE-Abteil 1. Klasse ginge mir das berufliche Herumvagabundieren sehr schnell an die Nieren, von den einsam-tristen Abenden in irgendwelchen Hotelzimmern ganz zu schweigen. Ich weiß von meiner früheren Trainer-Tätigkeit her sehr genau, wie sich das anfühlt, wenn man ständig auf Achse ist und daheim die Blumen und die Beziehungen verwelken...
Dennoch: Es wird von vielen viel zu viel und ohne rechte Not umhergefahren und die Luft verpestet, obendrein nicht selten mit absolut unangemessenen Mitteln (2 Tonnen Auto für 90 kg Mensch). Und die Zahl derer, die in der Stadt wohnen könnten, aber es nicht tun und lieber mit ihren Blechkisten die Lebensqualität für die in der City verbleibenden Menschen negativ beeinflußen, die ist auch nicht eben vernachlässigbar gering. Die angesprochenen Einwände ästhetischer Art schließlich kann ich nur unterschreiben: Gesichtslose Neubausiedlungen mit 2x2 m großen Grünflächen pro »Haus« (für die sich jeder frischgebackene Eigenheimer gleichwohl einen eigenen Riesen-Rasenmäher plus Grillkamin kauft), die gibt es natürlich auch hier. Immerhin haben wir bei uns aber auch ein reichliches Angebot gründerzeitlicher Altbau-Etagenwohnungen, und wer diese zu schätzen gelernt hat, kann sich konfektioniertes Wohnen in Betonboxen nicht mehr recht vorstellen. Aber das wäre ein Thema für sich...
P.S.: Ja, es gibt noch Jobtickets für die tägliche Pendelei (aber nur für die DB, nicht für sonstige Verkehrsmittel des Verbundes) sowie persönliche »Freifahrten«, freilich mittlerweile durch die Bank steuerpflichtig und ergo nicht wirklich mehr kostenlos. Obendrein sind viele ICEs zu attraktiven (=verkehrsreichen) Zeiten tabu, die entsprechenden Sperrlisten sind lang. Wie es mit Vergünstigungen in ausgegliederten Töchtern aussieht, vermag ich allerdings nicht zu sagen.
#13
Fahren oder Sparen
Der Don sagt, wie’s ist, Kuchen inklusive.
#14