Gestern Mittag marschierten wir zum großen Vollsortimenter-Supermarkt nebenan (den wir ob der unnötig ausufernden (Fertig)Produktpalette und seiner markenbedingt hohen Preise gemeinhin meiden), um einen großen Schwung im Wortsinne zugeflogener Pfandflaschen aller Art zu Geld zu machen, die uns vom ortsansässigen Prekariat in oder um unseren Schrebergarten herum über den Zaun geworfen worden waren. [1]
Während der zonebattler den einen Teil der Behältnisse in den Pfandautomaten schob und anschließend den anderen an der Kasse abzugeben trachtete, inspizierte seine bessere Hälfte das Lebensmittel-Angebot und kam mit zwei Tüten voller biologisch angebauter Kürbiskerne gleichfalls mit ans Kassen-Fließband, freilich nicht, um die Ware zum Zwecke des Verzehrs zu erwerben, sondern vielmehr um sie wegen nennenswerter Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums unverzüglich aus dem Verkehr ziehen zu lassen.
Der junge Herr am Bande ‑ausweislich seines Namensschildes wohl einer der Inhaber des Etablissements- zeigte sich erfreut und dankbar ob der Aufmerksamkeit der Kundin, wähnte sie darob sogar als in der gleichen Branche arbeitend. Ein nettes kleines Intermezzo, über das wir noch auf dem Heimweg angeregt sprachen, während mir das erhaltene Pfandgeld aus allen Taschen zu quellen drohte.
Am Nachmittag dann, als der Unterzeichnende in seiner Eigenschaft als sehr geehrte(r) Steuerpflichtige(r) über seiner EkSt-Erkl 2007 brütete (und darüber nachsann, ob er den aus dem Flaschenpfand resultierenden Reichtum in der Anlage GSE zu deklarieren verpflichtet wäre), ging seine bessere Hälfte doch nochmals kurz nach nebenan zum Laden im Zeichen des großen Vokals, um für frisch zu backende Brote eine Packung jener Kürbiskerne zu kaufen: Ein Vergleich mit unserem benachbarten Grundsortiment-Hauslieferanten hatte nämlich zwischenzeitlich ergeben, daß die gern verarbeiteten Brot-Ingredienzien beim Markenartikler wider Erwarten durchaus günstig zu haben wären.
Man ahnt bereits, was die Hüterin unserer Futter-Vorräte bei Ihrer Rückkunft zu berichten wußte: Genau, die beiden vorher monierten und zurückgezogen gewähnten Tüten standen wieder vorne in der Auslage! Irgendein Dummer wird’s schon nicht merken und die dubiose Ware doch noch gegen gutes Geld mitnehmen...
Nun sind wir die letzten, die in dieser Hinsicht unflexible Prinzipienreiter wären: vielerlei Lebensmittel sind auch noch lange nach Ablauf des MHD unverdorben und ohne weiteres zu genießen. [2] Es erstaunt freilich die verblüffende Nonchalance, mit der hier zunächst vordergründig der Kunde beschwichtigt und hinterher versucht wurde, die als nicht mehr verkehrsfähig erkannte Ware doch noch in Umlauf zu bringen. Der kaufmännische Gewinn der zweifelhaften Maßnahme ist kaum nennenswert, der Imageverlust in unseren Augen dagegen desaströs: In dem Laden kaufen wir jedenfalls nichts mehr!
[1] Ein bemerkenswertes Beispiel für die Umverteilung von Reichtum von unten nach oben übrigens, welches tatsächlich nicht von »denen da oben«, sondern von »jenen da unten« sehenden (bzw. benebelt glasigen) Auges in Eigenregie betrieben wird. Weswegen unsereins sich auch nicht als Ausbeuter sehen muß, sondern sich guten Gewissens als ordentlich bezahlten Straßenreiniger betrachten kann.
[2] Umgekehrt gab es freilich schon manchen Madenbefall im Getreide oder auch schimmelnden Käse lange vor Ablauf der zulässigen Lagerzeit zu beklagen.
Ich
glaube mich zu erinnern, dass es wohl auch so eine Art Korb fuer preisreduzierte, da nahe am Ablaufdatum befindliche Ware gab. Moeglicherweise haetten dort die Tueten einen besseren Platz gefunden, wenn es nicht eine einschraenkende Regelung gaebe, die den Verkauf nach Ablauf des MHD gaenzlich unterbindet.
So oder so macht sich der Ladenbesitzer dann strafbar.
#1
Haftungsfrage
Es ist ein klein bisschen anders:
Solange das MHD noch nicht erreicht ist, haftet der Hersteller, danach der Händler für die Qualität der Ware. Sonst gäbe es ja nicht Körbe mit preisreduzierten Waren wegen MHD und auch Deutschlands Tafeln wären kriminelle Warenschieber! Das Zeug verdirbt schließlich nicht von heute auf morgen; Reserve ist immer drin (MHD UNGLEICH Verfallsdatum). Ich finde aber, der Kunde sollte selbst entscheiden können, ob er solche Ware noch kaufen mag. Wer liest schon das Kleingedruckte? In deutschen Läden/Supermärkten ist es seit längerem üblich, solche Waren aus den Regalen zu nehmen. Anderswo habe ich schon gruselige Sachen gesehen...
Ungezieferbefall ist freilich was anderes. Den kauft man oftmals schon mit ein. Sofortiges Umfüllen in dichte Gefäße hindert nicht die Weiterentwicklung. Fragt sich, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist: Keine Behandlung bei Lagerung/Verarbeitung versus Insektizideinsatz (im Rahmen des Erlaubten hofft man)...
#2
drum lohnt sich immer der Griff in die hinteren Gefilde eines Regals...
#3
Aber auch nur dann...
...wenn die Azubis schlau und fleißig genug sind, die Bestände immer von hinten her nachzufüllen!
#4
Rechtsprechung
Unabhängig von der Unverfrorenheit (und vielleicht auch Dummheit des Marktleiters):
Es ist eine Frage, wie lange das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten war. Nach meiner Kenntnis besagt die aktuelle Rechtsprechung, daß es zulässig ist, auch Waren im Regal zu belassen, die dieses Datum überschritten haben. Der Ladenbesitzer macht sich demnach nicht strafbar.
Das gilt allerdings nicht für leichtverderbliche Erzeignisse wie Fleisch etc., die zum sofortigen Verzehr bestimmt sind.
#5