Der Spiegel verkündet heute, daß der Volksschauspieler Ottfried Fischer an der Parkinson’schen Krankheit leidet und führt dazu u.a. aus:
Morbus-Parkinson ist eine sich langsam entwickelnde neurologische Erkrankung. Sie beginnt schleichend und schreitet zeitlebens fort. Laut Wikipedia gibt es heute noch keine Möglichkeit die Krankheit aufzuhalten oder zu Verhindern. |
Das bedauerliche Schicksal des Herrn Fischer soll hier nicht weiter diskutiert (und auch das fehlende Komma ausnahmsweise nicht moniert) werden, mir geht es hier bei diesem von der DPA übernommenen Artikel um die zitierte Quelle: Das grandiose Gemeinschaftswerk Wikipedia in allen Ehren, aber dort mal eben nachzugucken (und das noch explizit zu erwähnen) ist eben nicht das, was unter journalistischer Sorgfaltspflicht und sauberer Recherche zu verstehen wäre. Doch vermutlich kann sich der klickflinke Nachwuchs der schreibenden Zunft schon gar nix anderes mehr vorstellen, als sich am Bildschirm bei den üblichen Verdächtigen (pseudo-)schlau zu machen (und das noch nicht mal als unprofessionell zu empfinden). Das wird so weitergehen, und das wird noch (pseudo-)lustig werden. Denn wenn einer nur noch vom anderen abschreibt abkopiert, wird schnell für bare Münze genommen, was an vielen Stellen steht, auch wenn schon die ursprüngliche Information nicht sauber recherchiert oder manipulativ einseitig formuliert war...
Also Wikipedia als Quelle zu nehmen ist sehr unseriös
#1
Es ist ...
... halt so furchtbar praktisch, bei Wikipedia nachzuschlagen und sich mit dem erstbesten Ergebnis zufriedenzugeben. Wozu auch noch weitersuchen oder ‑fragen? Die Wahrscheinlichkeit, daß andere Quellen ebenfalls Wikipedia zitieren, ist doch recht groß. Problematisch ist auch die (jedoch nicht Wikipedia-spezifische) Gefahr, daß eine zitierte Quelle plötzlich aus dem Internet verschwunden ist oder – weitaus ärgerlicher – in der Zwischenzeit verändert wurde. Eine weitere Dimension kommt dann hinzu, wenn der eine Abschreiber den anderen zitiert oder ihn sogar als Beleg anführt und – man kann es noch steigern – die Häufigkeit des Auftretens einer Information als Garant für deren Wahrheitsgehalt gewertet wird.
Nein, ich bin weder Medienpessimist noch ‑apokalyptiker, doch die ständigen Verweise auf Wikipedia als Quelle (oder gar die Antwort »Einfach mal bei Google schauen«) geht mir mittlerweile mächtig auf den Geist.
#2
Fallrückzieher
Also entweder lesen sie beim Spiegel den zonebattler, oder sie haben dort selbst gemerkt, wie tief sie mittlerweile unter ihr ehemaliges Niveau gesunken sind. Jedenfalls wurde der von mir zitierte Absatz inzwischen klammheimlich geändert:
Cool, nicht wahr? Die Wikipedia als Selbsthilfe-Vereinigung zu bezeichnen und ihre Konsultation solcherart zu camouflagieren, ist wahrhaftig nicht ohne Charme...
#3
Das nennt man Kreativität!
#4
Zitatenanalyse
Ich wage mal eine schnelle, nicht sehr tiefgründige Datenanalyse der Zitatensammlung, feinsinnigerweise mit Google durchgeführt.
Gibt man den Morbus parkinson in google ein, ist der 1. Treffer Wikipedia, der 2. Treffer ein Portal das durch eine Selbsthilfegruppe gesponsort ist. So kam es wohl zum Austausch..
Ich denke mal, nur so sind Nachrichten in der geforderten Reaktionszeit erstellt und veröffentlicht.
Wie sollte man es denn anders machen?
#5
Wer fordert denn...
...die von Dir angeführte (kurze) Reaktionszeit? Wir, die Leser? Möglich. Aber um welchen Preis?! Was taugen denn schnelle Nachrichten von dubioser Verläßlichkeit? Und wer schaut schon ein zweites Mal in einen bereits gelesenen Artikel rein, um nach eventuell nachgelegten Präzisierungen zu forschen? Im Grunde ist schon die schiere Möglichkeit zu späteren Nachbesserungen die Einladung dazu: Wozu jetzt sorgfältig arbeiten, wenn ich später immer noch auf Feedback aus der Kundschaft reagieren kann? Nee, das kann es nicht sein... Was gute Recherche bedeutet, hat auch im Internet-Zeitalter Gültigkeit: Anerkannt verlässliche Quellen checken und davon stets mindestens zwei voneinander unabhängige.
Das ganze nimmt eine (fatale) Entwicklung wie bei modernen elektronischen Geräten, denen man ein, zwei, drei Firmware-Update(s) verpassen kann: Erstmal hingeschludert und die Kunden zu Beta-Testern zwangsverpflichtet. Wenn dann da draußen was nicht so funktioniert wie es soll, wird sich schon jemand rühren. Unding, das!
#6
furchtbar das, ts, ts. Hoffentlich wird da der folgende Witz nicht irgendwann für bare Münze genommen: »Was ist ist schlimmer, Alzheimer oder Parkinson ? Klare Sache: Alzheimer ! Warum ? Lieber einen Schnaps verschütten als vergessen einen zu bestellen...«
Und das mit den Beta-Testern ist ja auch ein alter Hut, da hatte NSU in den sechziger und siebziger Jahren recht viel Erfahrung. Aber egal ob neu oder alt, eine Saurei ist es auf jeden Fall. Siehe aktuell die neue Kompaktklasse eines Münchner Automobilherstellers: Da legt man soviel Kohle hin wie für zwei Polos und dann ruckelt das Wundergerät beim Gasgeben und Abhilfe verspricht nur ein noch nicht mal erhältliches ( weil verm. noch nicht programmiertes ) Softwareupdate.
#7
Die »Rückkehr zum Sachverstand« ...
... forderte ein Experte, der sich mit der »Generation Google« beschäftigt hat und in der Sendung »Kopieren statt studieren« in hr2 zitiert wurde (hier nachzuhören). Als nicht unbedenklich wurde auch der Zeitpunkt beschrieben, zu dem diese Generation, die sich zwar virtuos im Netz bewegt, aber leider oft die Fähigkeit zur Bewertung der gefundenen Informationen vermissen läßt, an die Hochschulen strebt.
Wie nicht erst der zitierte Spiegel-Artikel gezeigt hat, ist diese Generation im Journalismus bereits gut vertreten. Nein, ich bin kein Medienpessimist und erst recht kein ‑apokalyptiker, doch das häufige Fehlen der oft zitierten Medienkompetenz und der bitter notwendigen Qualitätskontrolle sowohl bei den Produzenten als auch den Konsumenten der »neuen Medien« bedauere ich sehr. Ich halte zusammengeklaubte Informationen noch lange nicht für Wissen, und die Verlinkung im Netz ist für mich kein Ersatz für die Verknüpfungen, die sich m Kopf beim kompetenten, wissensbildenden Umgang mit Informationen herausbilden.
#8
Die Zukunft wird zeigen...
...auf welche Online-Enzyklopädie die Redakteure bevorzugt zurückgreifen werden...
#9