Der zonebattler erinnert sich noch recht gut an das Jahr 1980, schon deshalb, weil er damals seine Schulzeit beendet, ein angefangenes Studium recht bald wieder abgebrochen, das anschließende Berufsleben dagegen noch nicht so recht begonnen hatte. In diese flirrende Zeit seiner Orientierungssuche also fiel die deutsche Erstausstrahlung der österreichischen »Krimi«-Serie »Kottan ermittelt« [1]. Selten ist ein TV-Ereignis dem Autor dieser Zeilen so prägnant im Gedächtnis verhaftet geblieben, und das keineswegs nur, weil es ihn in einer entscheidenden Lebensphase erwischte: Zum einen war der subversiv-selbstreferentielle Humor der lakonischen Dialoge damals absolut innovativ und im Wortsinne bis dato unerhört, zum zweiten waren seine Eltern eben davon verstört und befremdet, sahen sie doch in jener respektlosen Satire ihr staatstragend-konservatives Weltbild hämisch verhöhnt und nachhaltig erschüttert. Schon das allein war für den (ansonsten wenig rebellisch veranlagten) ältesten Sohn des Hauses Grund genug, die Ausstrahlungen bevorzugt in Gegenwart der fassungslosen Rest-Familie zu goutieren...
Die zugegeben etwas weitschweifige Einleitung mag erklären, warum des Bloggers Herz einen Hüpfer tat, als er neulich eher zufällig von der DVD-Veröffentlichung dieser zu Recht als »Kult-Serie« bezeichneten Fernsehproduktion erfuhr. Die letzten Abende nun lungerte der zonebattler auf seinem Sofa herum und zog sich genüßlich die vier Scheiberl von »Kottan ermittelt (Akte 1)«. hinein, im übertragenen Sinne, versteht sich. Und was er da sah und hörte, war frappierend.
Vor allem deshalb, weil er seinerzeit wohl doch nicht alle Folgen im ZDF angeschaut hatte: Die ersten Episoden waren ihm offenbar entgangen [2]. Der spät vollzogene Lückenschluß offenbarte ihm jetzt erst die (r)evolutionäre Entwicklung dieser Serie, die vom zunächst durchaus klassisch konstruierten Krimi eine Transformation zur abstrus-bizarren Genre-Parodie durchmacht: Von Folge zu Folge wird der Pfad der ernst-seriösen Kriminalstudie mehr und mehr verlassen, die eigentliche Handlung tritt zusehends zurück hinter ein Feuerwerk der schrägen Schlagabtäusche (verbalen wie handgreiflichen) unter den jeweiligen Protagonisten.
Über die Jahrzehnte hinweg haben erstaunlicherweise weder die farbig-drallen Millieu-Studien noch der schiere Klamauk an Qualität verloren [3]. Schon die ersten Folgen, die noch alle krimitypischen Zutaten in handelsüblicher Mischung aufweisen (Tat, Opfer, Verdächtige, Motive) sind hochgradig originell allein schon durch das soziale Umfeld der erzählten Geschichten: Während zeitgenössische bundesdeutsche Standardware à la Derrick oder Der Alte typischerweise in Oberschichtkreisen spielt (und damit fern der täglichen Erfahrungsrealität der meisten ZuschauerInnen), ermitteln Kottan und Kollegen im kleinbürgerlichen Millieu der Mietshäuser und Schrebergartenkolonien. Statt Playboys, Bankierswitwen und Akademikern agieren überwiegend mürrische Hausmeister, Postboten, renitente Rentnerinnen und schrullige Originale in dieser unverwechselbaren Wiener Melange aus bodenständiger Abgehobenheit [4]...
Die hier besprochene »Akte 1« enthält die ersten acht Folgen der Serie, wovon die Episoden 1–7 jeweils ca. 90 Minuten lang sind, die Nr. 8 dagegen schon das kurze Stundenformat der separat erhältlichen Folgen 9–19 aufweist. Bild und Ton sind altersbedingt passabel bis gut, ein Purist meines Schlages freut sich sogar ganz besonders, wenn eben keine digitale Verschlimmbesserung den Charme des Originalfeelings getilgt hat. So versetzen Farbeindruck und stellenweise Körnigkeit des Bildes den Betrachter auf subtile Weise um mehr als ein Vierteljahrhundert in die Vergangenheit zurück. So soll es sein!
Die beigegebenen Extras sind spärlich (Ein Kottan-Comic und ein Ende der 1980er neu geschnittenes Szenen-Potpourri aus Autorenhand namens »Kottans Kapelle«), aber ich halte das Fehlen umfassender Begleitmaterialien nicht wirklich für einen Makel: Erstens waren z.B. produktionsbegleitende »Making of«-Dokumentationen vor drei Jahrzehnten noch nicht üblich, zweitens kann der wahre Freak auf einschlägigen Fan-Seiten alles Wissenswerte nachlesen und diskutieren. Was wollte man mehr? Immerhin enthält die ansprechend aufgemachte Edition in ihrer originellen rot-weißen Klapp-Box ein schönes und informatives Booklet, was ja auch keine obligate Selbstverständlichkeit ist. Und damit ergibt sich folgende Gesamtwertung:
Film / Inhalt | |
Bild & Ton | |
Extras | |
Aufmachung | |
Gesamturteil |
Wie schon bei »Gernstl in den Alpen« macht sich die die Firma EuroVideo als Herausgeberin einmal mehr sehr verdient um televisionäre Preziosen abseits des Mainstreams. Wer sich jetzt erste Kottan-Box beispielsweise bei amazon.de bestellen mag, bekommt viel Spaß und Zeitgeist für gerade einmal fünfeinhalb Cent pro Filmminute frei Haus geliefert. Und bekommt womöglich Lust auf mehr: Über die noch skurilleren Fortsetzungen in der »Akte 2« werde ich hier zu gegebener Zeit einen eigenen Report abheften...
[1] »Krimi« in Anführungszeichen, weil sich das anarchische Opus schwerlich in das Schema gängiger Kategorisierungen pressen läßt.
[2] Tatsächlich kannte der Rezensent bislang nur Lukas Resetarits als Titelhelden, die Titelrollen-Vorgänger Peter Vogel (Folgen 1–2) und Franz Buchrieser (Episoden 3–5) waren ihm zwar vom Hörensagen, nicht jedoch aus eigener Anschauung bekannt.
[3] Ganz im Gegensatz beispielsweise zu »Klimbim«, welches längst nicht mehr prickelnd, sondern mittlerweile eher schal schmeckt...
[4] Ein nur scheinbares Paradoxon, in tu felix Austria und in des zonebattler’s sprachlichen Theatralisierungen ist alles möglich.
Danke für den Tipp
Hallo,
Danke für den Tipp, habe soeben beide DVD-Sets über Deinen Amazon-Link bestellt.
Schöne Grüße
Liegerad-Andreas
#1
Das ging jetzt aber...
...ruck-zuck, um einen running gag aus der Serie zu gebrauchen. Schneller als die Polizei erlaubt, sozusagen. Na, dan viel Spaß beim Glotzen! ;-)
#2
legendär, der kottan. dass der auch in deutschland seine fans
hat, verwundert mich – obwohl, ja eh, die ersten mit dem walter
vogl waren ja noch tatorts. buchrieser war dann ein eck härter
und realistischer und hat mit seinem strizzi-haften auftritt für
die nötige erdung gesorgt. mit dem resetarits ist dann die
ernsthaftigkeit flöten gegangen, der schmäh ging erst in den
letzten teilen auf kosten des durchgeknallten humors zenkers
ein. aber »what shall´s« – kottan ist immer fein.
#3
Kottan war toll!
P. Vogel hatte ich nicht mitbekommen, aber schon F. Buchrieser. Die allerletzten Folgen mit L. Resetarits waren mir damals aber auch schon zu schräg. Irgendwie wurde er immer jünger ...
Gefallen hat mir vor allem die Fernsehansagerin.
Liebe Grüße, Sus
#4
Das Schärfste ist aber, dass die DVDs (bislang) in Österreich gar nicht vertrieben werden dürfen, weil der ORF die Rechte dafür an Euro Video verkauft hat. Jetzt müssen wir Österreicher uns unser Kulturgut auf DVD in .de bestellen.
Bravo, Kottan!
#5
Das ist ja wirklich...
...ein Ding. Paßt aber vom Bizarrheitsgrad wie die Faust auf’s Auge, oder? ;-)
#6
Hat was Typisches, durchaus.
Wenn du den Zenker-Humor magst, müsste dir auch Zenkers ‘Tohuwabohu’ gefallen. Die ersten Folgen waren rasend komisch. (Weiß nicht, ob’s das Zeug auf DVD gibt.)
#7
selektive Wahrnehmung....
kaum schreibt der herr zonebattler was vom kottan, den ich komischerweise nur als Lukas Resetarits kenne, stolpere ich darüber:
Kottan ermittelt in 3sat
Sieben »Kottan ermittelt«-Fälle ab 30. Jänner einmal monatlich – »Hartlgasse 16a« diesen Mittwoch am Programm
derstandard.at/?id=3200576
sollte der link nicht funktionieren, einfach bei standard.at vorbeischaun, kuess die hand...
#8
derstandard.at/?id=3200576
ha, da hat wer den selbigen gedanken gahabt...
#9
Kann mich nach Konsum der ersten acht Folgen nur anschließen: einfach herrlich dieser schräge Austro-Humor. Die Serie passt 1:1 zu Filmen wie Poppitz, Drei Herren, Texas, und wie sie nicht alle heißen.
Frei nach dem Motto: »In drei Wochen is Ostern, mir doch egal, ich geh eh net hin !«
Komisch, dass mir Kottan bisher nie aufgefallen ist. Vermutlich ist die Serie in der Masse der mittelmäßigen Kriminaler untergegangen.
#10
In diesem Zusammenhang...
...möchte ich auch noch den Kottan-Kinofilm »Den Tüchtigen gehört die Welt« empfehlend erwähnen. Wobei dieser Streifen sehr aus der Rolle des Gewohnten fällt: Zum einen ist er fast gänzlich unironisch ernst, zum anderen irritiert zunächst die Besetzung: Während als Kottan wieder Franz Buchrieser zu sehen ist, mimt sein späterer Nachfolger Lukas Resetarits auf der anderen Seite des Gesetzes einen schmierigen Erpresser. Auch der Schrammel wird von einem anderen Schauspieler verkörpert. Zu allem Überfluß (wenn auch keineswegs Überdruß!) gibt Kottans TV-Gattin Bibiana Zeller in diesem Streifen eine kalt-machtbewußte und einigermaßen skrupellose Politikerin. Fans der Serie ‑die vielleicht mit falschen Erwartungen an den Film herangehen- könnten eventuell enttäuscht werden, für sich allein betrachtet ist das Werk aber einigermaßen eindrucksvoll und von großer atmosphärischer Dichte: ein echter Geheimtipp!
#11
Wer DVD-frei schauen will: Derzeit zeigt 3Sat einmal monatlich eine Folge der Serie.
#12
Just im Moment zum Beispiel! Worüber unsereins durch den zuverlässigen Benachrichtigungs-Agenten von TVinfo.de schon vorgestern informiert worden ist!
#13
Gestern den Kottan aufgenommen, heute die Folge angeschaut und dabei hinterher eine interessante Programm-Vorschau mitgekriegt: Am kommenden Sonntag um 21:45 Uhr zeigt 3sat den Dokumentarfilm »Sieben Mulden und eine Leiche«. Starker Tobak, aber ein ungemein interessanter Stoff. Womöglich spannender als der Patzak’sche Pseudo-Krimi?!
#14