»Ralph«, sagt der betagte Bekannte, »ich will nur ein bißchen knipsen, aber Du kennst Dich bestens aus mit dem Fotografieren: Such’ eine gute Kamera für mich und besorge sie mir!«
Gesagt, getan. Eine Woche später soll ich ihm erklären, wozu die ganzen Knöpfe gut sind und wie er die gemachten Fotos anschauen kann. Ein anderer anwesender Besucher kritisiert derweilen meine Produktwahl.
Der nächste Tag, der nächste Kumpel: »Du hast mir doch die Software X empfohlen, bei mir tut die nicht, was ich will. Was muß ich tun, erklär’ mir das!«
Stundenlanges Mail-Ping-Pong. Jede gute Antwort provoziert die nächste Frage. Die ausführliche Dokumentation des Herstellers hat er natürlich nicht gelesen...
Dann der Anruf einer Nachbarin: »Ich brauch’ jetzt endlich auch eine Homepage, kannst Du mir schnell eine basteln? Muß nix Besonderes sein, sie soll aber bei Suchanfragen ganz oben stehen. Das geht doch bei Dir!«
Beratung, Empfehlungen, Verweise, freundliche Fragen zur Bedürfnisklärung. Die sind freilich nicht wirklich gewünscht: Ich soll nicht diskutieren, sondern es machen und richten, und zwar schnell, alleine und für ein Bussi und ein Stück Kuchen...
Nun ist es ja nicht so, daß ich nicht gerne anderen hülfe, Bekannten zumal, Freunden sowieso. Und selbstverständlich gebe ich auch mit Freuden die Erfahrungen und das Wissen weiter, welches sich im Laufe der eigenen, intensiven Beschäftigung mit irgendwelchen Themen zwangsläufig bei mir eingestellt und in mir angesammelt hat.
Wenn da nur nicht oftmals ein fader Beigeschmack dabei wäre, der sich in so beiläufig dahingeworfenen Floskeln manifestiert wie »ich selbst habe dafür keine Zeit« oder, offensichtlicher noch: »mir ist meine Zeit dafür zu schade!« Was ja dann umgekehrt ‑wenn auch nicht explizit ausgesprochen- nichts anderes bedeutet als: »Deine Zeit hingegen ist mir wurscht!«
Recht verstanden: Mir geht es nicht um eine angemessene Entlohnung (m)einer Dienstleistung. (Echte) Freundschaft ist mir allemal genug, auch »Naturalientäusche« gehen ohne kleinliches Aufrechnen absolut in Ordnung, wenn jeder ein bißchen was von seinem wertvollsten Gut auf Erden ‑die eigene Lebenszeit nämlich- dem anderen widmet. Aber unreflektiertes oder gar kalkuliertes Ausnutzen des Anderen aus eigener Faulheit oder Unwilligkeit, das ist eben nicht OK. Freilich scheint meine bisherige Praxis, lieb blinzelnden Dummies aus schierem Mitleid erst einmal alles zuzusagen (und mich hernach aus Ehrpusseligkeit ans eigene Wort gebunden zu fühlen), die Siechen und Beladenen dieser Welt regelrecht anzuziehen. Zu Lasten der eigenen Zeitsouveränität und natürlich auch zum Nachteil jener guten Freunde, die mit ihren Bitten bescheiden bleiben und sich auch nicht vordrängeln möchten.
Zeit also, endlich erwachsen zu werden: Mit knapp 48 Jahren beschließt der zonebattler hiermit, weiterhin gerne Hilfe zur Selbsthilfe zu gewähren, wo immer er kann und danach gefragt wird. Aber das Denken und die eigene Mühe will er fürderhin niemandem mehr abnehmen, nicht zuletzt im Sinne des oder der Betroffenen selbst: Wer knipsen möchte, muß ohnehin einiges lernen, soll sich also gefälligst selbst grundlegend kundig machen. Wer ein Computer-Programm einsetzen will, möge sich einlesen. Wer meint, irgendetwas zu brauchen oder (gleichfalls) haben zu müssen, wolle sich damit auch näher beschäftigen. Fachsimpeln oder Feinheiten diskutieren können wir dann später gerne. Aber auf gleicher Augenhöhe und auch zu meinem Vorteil!
Du bist nicht allein!
Ich habe zuweilen auch bemerkt, dass das Altruismus-Füllhorn zu sein eine Sache ist, aber eine andere, dem Gegenüber das Denken vollständig abzunehmen und für Reklamationen auch noch zuständig zu sein.
Ich gehe vollständig mit dir konform, dass für Freunde und Familie durchaus die Hilfestellung selbstverständlich ist – vieles habe ich selbst durch solche Hilfen gelernt.
Aber wenn das Gegenüber vom Gehirnbenutzer zum reinen Gehirnbesitzer mutiert und einfach nur ein Zeitdieb wird ohne Aussicht auf eigene Motivation, dann bin ich mittlerweile auch so frei ein gepflegtes »Tut mir leid, keine Zeit« oder ein »Du, so genau kenn ich mich da auch nicht aus« vom Stapel zu lassen.
Alles hat seine Grenze.
Und du bist nicht allein.
Frage gefällig? ;)
#1
Du bist nicht allein . . .
. . . da kann ich »Rob Irgendwer« und natürlich dem zonebattler nur voll zustimmen! Es gibt doch immer wieder mal irgendwelche Zeitgenossen, die es für selbstverständlich nehmen, dass man für sie mal schnell irgendwelche Sachen macht, die zum Teil auch aufwändig sind, und hinterher dann »doch nicht das waren was man sich vorgestellt hat« und dann entweder ohne Dank oder gar beleidigt nichts mehr von sich hören lassen.
Wie gesagt: Für gute Freunde/Familie ja, aber ansonsten lass ich jetzt auch die Finger davon!
#2
Sieh’ an, es geht also auch anderen so! War ja eigentlich zu erwarten. Der Satz vom Säzzer, daß nämlich Sachen: »doch nicht das waren, was man sich vorgestellt hat« bringt mein Inneres in frühmorgendliche Wallung: Derlei habe ich nämlich auch schon oft erlebt, beispielsweise und insbesondere bei (privaten wie professionellen) Homepage-Projekten. »Ich hab’ doch keine Ahnung, aber Du bist der Könner: Mach’, wie Du denkst, Du hast freie Hand« kriegte ich im Vorfeld oft zu hören. Also machte ich wie ich dachte, und dann ging natürlich die Krittelei los, oft unbeleckt von jeglicher Sachkunde. Kein Wunder, konzeptionelles Entwerfen macht natürlich mehr Mühe als das Kritisieren der präsentierten Resultate...
Merkwürdig nur, daß man da aus Schaden oft nicht (sogleich) klug wird: Immer wieder läuft man Gefahr, sich trotz einschlägiger Erfahrungen in ähnliche Fallen locken zu lassen: Ist ja zunächst auch wohltuend und schmeichelnd, wenn man als kompetenter Partner eingeschätzt und umworben wird. Nur mutiert man dann halt oft ziemlich schnell vom Partner zum Larry, um das mal salopp auszudrücken.
Ich stimme daher mit Rob Irgendwer absolut überein, daß man sich gegenüber Zeitdieben abgrenzen muß. Allerdings mag ich das zukünftig nicht mehr mit vagen Ausreden (»keine Zeit«) tun, sondern schon ehrlicherhalber mit konkretem Hinweis darauf, daß ich das an mich herangetragene Ansinnen als durchaus einseitige Ausnutzung und damit als Zumutung empfinde. Mal sehen, ob ich bei der nächsten derartigen Gelegenheit den Schneid dazu aufbringe...
#3
*Allen zustimm*
...auch dem noch folgenden Lexikaliker. Im Bewusstsein, dass auch ich sehr viel von der Hilfsbereitschaft und dem Wissen anderer Leute profitiert habe, ist es für mich selbstverständlich, dass auch andere von mir profitieren. Jedoch ist diese Hilfsbereitschaft vergleichbar mit einem Akku, der auch mitunter mal leer ist. Und wenn das der Fall ist, dann geht bei mir nix mehr. Von daher sehe ich zu, dass ich immer vorher klar stelle, was die Leute von mir haben können und was sie selber leisten müssen. Und zu dem was sie leisten müssen gehört die Bereitschaft, sich selber klar zu werden, was sie eigentlich wollen. Da bin ich dann ausgesprochen hartnäckig.
Grüße an alle Dennoch-Altruisten ;-)
#4
Ein unerquickliches ...
... Thema, mit dem auch ich mich schon mehrmals beschäftigen durfte. Ich helfe gern, da mir ebenfalls schon oft geholfen wurde, bin jedoch inzwischen etwas sparsamer damit geworden. Wenn mich jemand wegen PC-Problemen am ersten Weihnachtsfeiertag um 23 Uhr anruft und sich dann herausstellt, daß er die Verpackung nebst nicht installierter Treibersoftware entsorgt hat oder ein anderer die immer gleichen Fragen stellt, weil er das Handbuch zu der täglich benutzten Software auch nach drei Jahren noch nicht gelesen hat, verläßt selbst mich jede Hilfsbereitschaft. Mittlerweile bin ich zurückhaltender und wählerischer, aber ich hoffe, weiterhin hilfsbereit zu bleiben.
#5
Hmm...
...der Text war mir zu lang und zu umständlich, könntest mich bitte mal anrufen und mir das alles erzählen? Hab grad keine Zeit, mir das alles selbst durchzulesen...
Gott sei dank kennen wir uns schon so lang ;)
#6
Die hilfreiche Hand
Wie sagt doch der Aphorist und »Pumpenbaumeister« Andreas Lorenz: »Wenn Du eine hilfreiche Hand suchst, so findest Du sie am unteren Ende Deines Armes.« – und dennoch irritiert mich die Debatte ...
Ich mag da nicht einfach einstimmen ins Recht-so, Klasse, Nichts-anderes-haben-die-Tröpfe-verdient ...
Ist der Mensch nun dem Menschen ein Wolf – oder wenigstens grundsätzlich lästig?
Nun, was haben wir da ausgelassen:
- das Helfersyndrom auf der einen Seite
– das Abhängig-Werden auf der anderen
Natürlich gibt es das in allen Abstufungen und Geschmacksrichtungen ... zum Beispiel von der Entwicklungs- bis zur Hilfe zur Selbsthilfe.
Und dann ist da ja noch das schlichte »Danke-Sagen« für das man als Helfer Ohren hat oder eben nicht.
Hilfe ist nicht immer ein Kompensationsgeschäft. Nein, ich will jetzt keine Bibelstellen zitieren, aber ich könnte ...
Übrigens, lieber zonebattler, ich bin dir immer noch zutiefst dankbar für einen Schock des Postiven, den du mir dereinst bereitet hast (ich sage nur: der Hühner-Mann als Kleinod der Radio-Comedy). Wie sich das äußern wird? Ich weiß es nicht ... Wie sich das geäußert hat? ... in Anerkennung vielleicht.
Und gibt es das nicht auch:
... tiefgreifende Änderungen bei all jenen, die euch, ihr werten Helfer, eben nicht einfach übervorteilt, ausgenutzt, ja zeitvamyprisch ausgesogen haben und dabei blieben wie sie waren: dumb und unbelehrbar?
#7
Ganz zweifellos...
...liegt die »Schuld« (so man von einer solchen sprechen mag) nicht immer nur auf Seiten der »Zeitvampire«: Du hast schon recht, manchmal war es der eigene Helferkomplex, der mich einem hilflosen Gegenüber die Unterstützung anfangs geradezu aufdrängen hieß und ließ! Nun, da lernt man dazu und sich zuweilen zurückzuhalten...
Natürlich gibt es auch das kleine Wörtchen »Danke«, welches mehr wiegen kann als zwei Barren Gold. Nur: Jenes Wort kommt ‑genausowenig wie sein Gegenstück »Bitte«- in meinem obigen Beitrag nicht vor, und das nicht, weil ich es vergessen oder absichtlich unterschlagen hätte! Seit ich im Internet publiziere, seit ziemlich genau 10 Jahren also, wurden diverse, immer dreister werdende Ansinnen an mich herangetragen: (Wert-)Schätzungen sollte ich abgeben, Gutachten gar, Kataloge verschicken, mein Eigentum (billig) verkaufen, Hotline spielen, Service leisten. Für Zeitgenossen, die vorher ungeduldig forderten statt freundlich baten und sich hinterher meist nicht mehr rührten, geschweige denn ein »Dankeschön« über die Lippen (oder in die Tasten) brachten...
Was alles in allem nicht bedeutet, daß ich darüber zum Misantropen geworden wäre: Nach wie vor liebe ich die Menschen, wenn ich auch manche Leute lieber von hinten als von vorne sehe. Immer noch ist es mir Lohn genug, wenn ich jemandem zu helfen vermochte und diese(r) sich damit ein Stück Neuland selbst erobern und aneignen konnte. Nur: Schmarotzer gibt es eben auch. Und da gilt es die eigenen Antennen zu justieren, auf daß man zu unterscheiden lerne zwischen Partnern und Parasiten...
Danke übrigens für Deine nachdenklich stimmenden »Widerworte«! ;-)
#8
Wie passend...
Wie auf deinen Blogbeitrag angesprungen, kam gestern meine Freundin zu besuch, in ihren Händen den süßen kleinen Sony Vaio Laptop, den sie mir vor Jahren abgekauft hat und der mir selbst vorher lange gute Dienste leistete.
Für die Übergabe dereinst hatte ich den Laptop mit den Recovery-CDs und einigen Stunden Arbeit für sie frisch gemacht, alles drauf und dran, was notwendig ist, natürlich getestet und für gut befunden.
Was ich damals nicht bedachte, war folgendes: Mit dem Verkauf an eine befreundete Person erwirbt diese durch den bereits reduzierten Freundschaftspreis auch noch eine Lebenslange Garantie und Pflegegewährleistung.
Wir alle wissen, dass sich im Laufe der Zeit gerne viel Unnötiges auf Rechnern ansammelt und diesen damit belastet und verlangsamt – mithin gerne auch bis zum kompletten Stillstand. Dieser war nun offenbar eingetreten und mir mit den Worten »so ein scheiß Ding, ich schmeiß’ das gleich aus dem Fenster, man kann nicht mal mehr eine Internetseite damit aufmachen« offenbar als Garantiefall in Haus gebracht.
Ich habe mich an diesem Abend und auf diesem Ohr etwas taub gezeigt, mit der Hoffnung »alles wird gut« – was es natürlich von alleine nicht wird, aber die Hoffnung stirb ja zuletzt. Am nächsten Morgen vermisste ich dann zweierlei: Erstens: Die Anwesenheit der Freundin, zweitens: Die Abwesenheit des Laptops!
In einem kurzen Telefonat wurde ein Nebensatz übermittelt, der ungefähr diesen Inhalt hatte: »...den Laptop hab ich dir mal da gelassen, schau dir den mal an...«
Kein »Bitte«, kein »Danke«, keine Frage!
*seufz*
Ich fürchte, aus diesem »Vertrag« komme ich nur durch einen Haftpflichtschaden wieder raus... was könnte denn so einem Laptop »ausversehen« widerfahren?
Notiz an mich: Niemals Geräte an Freunde verkaufen! Heutzutag gibt’s ja eBay: »Privatverkauf ohne Garantie, Gewährleistung oder Rücknahme«.
DANKE EBAY!
#9
Als alter eBay-Hase...
...rate ich dazu, bei passender Gelegenheit die genannte Freundin gleich mit zu versteigern, in der (reich bebilderten) Angebotsbeschreibung vielleicht ergänzt um den absichernden Zusatz: »Liebhaberstück, Sozialverträglichkeit nicht geprüft!« ;-)
#10
Neueste Entwicklung:
Heute wurde von »der Freundin« nachgefragt, ob ich mich bereits um das Gerät kümmern konnte...
Ich: »NEIN, konnte ich nicht...«
DF: »Warum denn?...«
Ich: »Weil ich das Gerät mit den Recovery-CDs komplett platt machen müsste...«
DF: »Aber dann sind ja alle Daten weg, die sind WICHTIG...«
Ich »Ja, deshalb braucht man ein Backup, und dazu würde ich eine externe Festplatte empfehlen mit der man...«
DF unterbricht mich im Satz: »Na, so wichtig sind die Daten dann auch nicht...«
Ja, was denn nun? Nur wichtig, solange ich mich darum kümmern müsste, aber nicht mehr, wenn sie die Aufgabe hat?!
»Hatte ich den Vorteil von Zettel und Stift schon erwähnt?...«
#11
Ich finde ja, dass klare und verständliche Worte da Wunder wirken. Und man bricht sich auch nix, wenn man als Nehmender erstmal nachfragt, ob der Gebende gerade Zeit habe, ob man denn im Gegenzug etwas für ihn tun könne, und ob er überhaupt möchte.
iwi hat letztens vorgeschlagen, den Freundschaftspreis neu zu definieren. Das Thema dürfte derzeit in der Luft liegen – hat das womöglich mit der Weihnachtszeit zu tun?
Eugen Roth meinte:
Ein Mensch hat, obzwar hilfsbereit,
Für seinen Nächsten nicht immer Zeit,
Denn diese Zeit stiehlt ihm der Frechste -
Auch wenn er erst der Übernächste.
#12
Sehr schön!
Und zwar nicht nur der Reim, den sich Eugen Roth auf die Sache machte. Die klaren und verständlichen Worte sind es, die Situationsklärung also, um die
man sichich mich als der um Hilfe Angegangene gerne drücke. Dabei wäre die freundliche Grenzziehung unter allseitiger Gesichtswahrung ganz am Anfang vermutlich weit weniger schwierig als später, wenn man schon Zeit und Nerven in einen »Freundschaftsdienst« mit immanenter Schieflage investiert hat... Danke für’s diesbezügliche Mutmachen! :-)#13
Manchmal musst du eben riskieren, dass dich nicht die ganze Welt liebt. Glaub mir, im Unbeliebtsein bin ich Meister – ich kenn mich da also aus. ;P
#14
Zu dem Thema fällt mir nur folgender Spruch ein:
Everybody’s Darling, is everbody’s Depp
#15