Gestern Abend habe ich mich wieder einmal der Sichtung und Auflösung meines Betamax-Archives gewidmet und ein vor Jahrzehnten aufgezeichnetes Fernsehspiel von 1974 wiedergesehen: »Cautio Criminalis« skizziert das Leben und die Zweifel des jungen Jesuiten-Paters Friedrich Spee von Langenfeld, der den Wahn der mörderischen Hexenverfolgung zu bezweifeln, zu kritisieren und schließlich mit einem anonym publizierten Buch zu bekämpfen beginnt...
Ohne jetzt das mit hochkarätigen deutschen Schauspielern besetzte TV-Stück im Einzelnen rezensieren zu wollen: Eine so überaus stimmige und bewegende Mischung aus großartiger Darstellerkunst, spannendem Drehbuch (ohne platte Action-Szenen!) und unspektakulären, stilisierten Studiokulissen, so etwas gibt es heutzutage schlicht nicht mehr. In den 1970er Jahren indessen waren Literaturverfilumgen und anspruchsvolle TV-Adaptionen historischer Stoffe keineswegs die seltenen Highlights, nach denen man in den Programmzeitschriften lange hätte suchen müssen. Doch das, was an derlei Gemmen in den Archiven schlummert, gilt heutzutage als bildungsbürgerlicher Quotenkiller und wird allenfalls anläßlich des Tod eines beteiligten Mimen zu nachtschlafender Stunde in einem der dritten Programme gezeigt.
Dabei wäre qualitatives und bildendes Fernsehen nicht nur die Domäne des öffentlichen rechtlichen Fernsehens, es wäre sogar dessen ureigener und obendrein gebührenfinanzierter Auftrag! Freilich zieht man es in den halbstaatlichen Sendeanstalten längst vor, mit den von den Zuschauern bezahlten Millionen den unsäglichen Plattitüden des Privat-Fernsehens sozusagen »auf Augenhöhe« Konkurrenz zu machen und weitgehend denselben Schund zu produzieren...
Ein sehr lesenswerter Essay über den Verfall politisch-kultureller Information findet sich auf TELEPOLIS unter dem Titel »Die Industrialisierung des Denkens«. Ich habe bei der Lektüre mehr als einmal resigniert seufzen müssen. Was meinen meine geschätzten LeserInnen zu diesem Thema?
Das ist mit ein Grund warum bei mir die Kiste aus bleibt, gelegentlich wird eine gute Doku geschaut, mehr nicht. Dann lieber eine Runde Monopoly mit guten Freunden....
#1
Eigentlich ...
... dachte ich, sofort etwas zu diesem Thema sagen zu können, doch dann habe ich gemerkt, wie weit ich mit meinem Fernsehkonsum vom Durchschnitt entfernt bin und – noch wichtiger – wie unbedeutend das Medium inzwischen für mich ist. Soll heißen: Wenn ich mir mal etwas anschaue, dann ist es irgendwas im Dritten oder in einem der Spartenkanäle (3sat, arte usw.); vom Privatfernsehen habe ich mich bereits vor vielen Jahren abgewandt. Manchmal zeichne ich mir auch mal etwas auf und stelle nicht selten fest, daß ich mir diese Aufzeichnung später nicht mehr anschaue, und so nutze ich mein Fernsehgerät inzwischen fast ausschließlich zum Anschauen von DVDs.
Mit meinem Hörfunkkonsum sieht es nicht viel besser aus, auch wenn meine Hoffnung, dort noch etwas interessante(re)s zu finden, größer ist als beim Fernsehen. Auch hier habe ich die Entwicklung über fast drei Jahrzehnte verfolgt und in dieser Zeit die Streichung zahlreicher Spezialsendungen miterleben müssen. Zum Dudelfunk fehlt mir genauso der Zugang wie zum sog. »Infotainment«, so daß Sendungen wie »Der Tag« in hr2 zu den letzten gehören, die ich noch regelmäßig verfolge. – Im übrigen brauche ich kein Akustikdesign (was sich dann z. B. als »bomm-bomm« zwischen den Nachrichtenblöcken ausdrückt), möchte die Musik nicht durch Optimod & Co. gedrückt bekommen und komme auch ohne die »Subberhits der 80er und 90er« durch den Tag. Einem Arzt, bei dem ich kürzlich mehrfach war, habe ich gebeten, während meiner Behandlung die Zwangsbeschallung abzustellen oder mir eine Vollnarkose zu verpassen.
Es gibt jedoch noch gute Sendungen, sowohl im Fernsehen als auch im Hörfunk, doch ihre Zahl wird kleiner (ich bin mir des Umstands bewußt, daß man sich mit dem Beschwören eines allgemeinen Qualitätsverfalls nicht nur unbeliebt macht, sondern auch Gefahr läuft, als elitär hingestellt zu werden, doch dieses Risiko gehe ich ein). Eine wichtige Rolle beim subjektiven Empfinden der Qualität spielt aber auch der Umstand, daß die eigenen Ansprüche mit der Zeit steigen und und so selbst konstant gute Sendungen nicht mehr so recht befriedigen können; hinzu kommen der sich früher oder später zwangsläufig einstellende Sättigungszustand und das (vielleicht altersbedingte) Bedürfnis nach Stille.
#2
Rüdiger Suchsland, der Autor des oben erwähnten Artikels »Die Industrialisierung des Denkens«, hat mit »Die Gewöhnung ans Schlechte«, seiner Besprechung von Hans Weingartners Film »Free Rainer – Dein Fernseher lügt«, noch etwas zum Thema nachgelegt. – Ein Interview mit dem Regisseur des Films gibt es im St. Galler Tagblatt.
#3