Wiewohl der zonebattler (derzeit noch) ein Automobil besitzt, tritt er für eine grundsätzliche Infragestellung, wenn nicht gar allgemeine Ächtung des motorisierten Individualverkehrs ein. Gute Argumente dafür liefert ein lesenswertes Zeit-Interview mit dem dem Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher: »Das Auto macht uns total verrückt«.
Als Kind vom Lande...
...das zwar mittlerweile die Vorzüge der Großstadt genießt, jedoch die ersten zwanzig Jahre seines Lebens in einer strukturschwächeren Gegend tief in der Oberpfalz zugebracht hat, muss ich ein wenig differenzieren: Sowohl der zonebattler als auch Herr Knoflacher sehen mit den Augen des Stadtmenschen auf den Individualverkehr. Das tue ich seit gut zwei Jahren auch und aus dieser Perspektive gehe ich auch ganz und gar konform mit der Aussage im Beitrag bzw. dem verlinkten Interview. Für den Großstadtbewohner sind Autos, wenn man’s genau nimmt, überflüssig. Aber wenn man mal ein paar Kilometer aus der Großstadt rausfährt, dann wandelt sich das Bild: In den letzten 20 Jahren sind bspw. in der Oberpfalz die kleinen Dorf-Lebensmittelläden, ‑Metzgereien, ‑Bäckereien etc. durch Supermärkte in den Unterzentren verdrängt worden – mit dem Ergebnis, dass man selbst wegen eines Beutels Milch oder eines Laibs Brot, den man kaufen will, schon 5–10 Kilometer in den nächsten größeren Ort fahren muss. Betrachtet man dann noch die „Qualität“ des ÖPNV da draussen, dann kommt man gar nicht mehr um das Auto herum. Just my two cents...
#1
Ursache und Wirkung
Auch meiner einer kommt aus einem strukturschwachen Gebiet. Ich kann mich noch erinnern, dass in meiner Kindheit etliche noch kein Auto hatten und selbstverständlich regelmäßig den öffentlichen Nahverkehr nutzten. Mit der Zunahme des Individualverkehrs wurden die Züge immer leerer und schließlich die Strecke stillgelegt. Gleichzeitig wuchsen die Supermärkte auf den Wiesen vor der Kleinstadt und die kleinen Läden in der Innenstadt mussten nach und nach schließen. Heute fahren nur noch sporadisch Busse und die älteren Leute klagen, dass sie ohne Auto kaum noch zum Einkaufen oder zu Arztterminen kommen können...
So führt die vermeintliche Verbesserung der Mobilität einzelner zu Anfang letztlich zu einer Verschlechterung der Lebensumstände für alle was Versorgung, Lärm und Luftqualität angeht.
#2
Meine Meinung.
Mein Sohn schreibt bei Ihnen ja öfters mal einen Kommentar rein, nun meldet sich mal sein Vater. Im Grunde hat der Herr Knoflacher sicher recht. Ich selbst war Bauleiter bei einer Installationsfirma in Nürnberg, die vielen wechselten Baustellen ließen sich ohne Auto nicht bewältigen und ich muß ehrlich zugeben, nach manchmal 10 Stunden auf dem Bau hat man keine Lust mehr ewig auf Bus oder Bahn zu warten. Hätte ich einen Arbeitsplatz gehabt der immer am gleichen Ort gewesen wäre, hätte ich gerne die VAG benutzt, wir brauchen nicht darüber reden, die billigere Alternative sind die Öffentlichen. Ich selber weiß noch als Kind, als man mit der Straßenbahn noch ewig nach Nürnberg brauchte und als die Autos dann erschwinglich wurden, war das für mich ein Segen, denn von Baustelle zu Baustelle brauchte ich immer ewig mit der Straba. Auf mein Auto möchte ich nicht mehr verzichten, denn wenn man ökonomisch und verantwortungsvoll damit umgeht spricht nichts dagegen Auto zu fahren. Das ist meine Meinung.
Noch einen schönen Abend,
Heinz Rupprecht
#3
Wäre ich ...
... auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, um meinen Arbeitplatz zu errreichen, so hätte ich die dreifache Fahrtzeit, und so möchte auch ich nicht ganz auf das Auto verzichten. Aber wenn ich das Interview richtig verstanden habe, so steht nicht der Verzicht auf den Individualverkehr als Lösung im Mittelpunkt, sondern die Rolle des Autos in unserer Gesellschaft.
Knoflacher sagt: Das Auto ist wie ein Virus, das sich im Gehirn festsetzt und Verhaltenskodex, Wertesystem und Wahrnehmung total umkehrt, und damit hat er sicher recht. Auch wenn meine autofreie Kindheit nicht immer ganz praktisch war, so hatte sie sich doch im nachhinein auch Vorteile – für mich ist ein Auto immer noch (und nur) ein Hilfsmittel zur Fortbewegung. Begeisterten Diskussionen über neue Automodelle kann ich nichts abgewinnen, und zum alltäglichen Wahnsinn auf den Autobahnen fehlt mir erst recht jeder Zugang.
Da ich mich mit derartigen unpopulären Ansichten in einer Gesellschaft, in der das Auto eine heilige Kuh ist, ohnehin schon ins Abseits begebe, lege ich gerne noch etwas nach: Die Verehrung des Autos sowie das Akzeptieren der Schäden und erst recht der Unfallopfer sind einer Zivilisation unwürdig.
#4
Mut zur Vision
Ich will doch gar nicht in Abrede stellen, daß bei den heutigen Gegebenheiten längst nicht jeder auf einen motorisierten Untersatz verzichten könnte. Gar keine Frage, die Hinweise auf die Situation auf dem platten Land oder auf die Zwänge vieler Berufstätiger sind ernstzunehmen und sicher berechtigt. Aber das ist ja auch nicht wirklich der Kern der Debatte, um die es hier geht: Wie der lexikaliker sehr richtig repetiert und reflektiert, geht es im verlinkten Artikel und in der von mir damit auch hier losgetretenen Diskussion doch primär um den einschneidenden und allumfassenden Wertewandel, den uns das Auto beschert hat und der von den meisten Menschen und Mitbürgern gar nicht weiter hinterfragt wird: Tagtäglich sehe ich auf dem Marsch zum Bahnhof Leute, die an der Straßenkreuzung stehenbleiben, obwohl sie den Gehsteig der Vorfahrtstraße entlanglaufen und daher Vorrang vor querenden Kraftfahrzeugen genießen. Eigentlich. Aber der Mensch ordnet sich reflexhaft dem Auto unter, und das wie selbstverständlich, weil er offenbar auch umgekehrt die Unterwerfung der Passanten erwartet und voraussetzt, sobald er sich selbst hinter das Steuer setzt! Muß das zwangsläufig so sein?
Ziemlich ketzerisch denke ich, daß ziemlich viele PKW-Fahrten gänzlich unnütz sind und von selbst unterblieben, wenn die Menschen mit ihrer urbanen Wohnsituation dermaßen zufrieden wären, daß sie froh wären, daheim sein zu können, statt sich auf der Suche nach dem schnellen (doch vorübergehenden) Glücksgefühl sonstwohin zu verschaffen. Denn das ist des Pudels (und der professoralen Aussage) Kern: Die Leute wollen dahin, wo’s besser, lustiger, schöner etc. zu sein verspricht als da, wo sie gerade sind. Und da stellt sich dann durchaus die Frage, ob eine grüne, menschengemäße und autofreie Innenstadt mit allen denkbaren Annehmlichkeiten in fußläufiger Reichweite nicht die attraktive Alternative ist zu den grauen Straßenschluchten der autogerechten Metropole: Da würden dann ziemlich viele wieder in Richtung Stadt ziehen wollen, nahe an den Arbeitsplatz, nahe zu den Freunden... Womit ich bitteschön nichts gegen das Landleben gesagt haben will, ich halte nur die tägliche Massenpendlerei im eigenen Bürgerkäfig für eine hanebüchene Fehlentwicklung.
Kurzum: Das Auto hat in unserer Gesellschaft bei weitem nicht nur den ihn zukommenden Status eines Transportmittels, sondern den eines Götzen und eines Fetisches [1]. Wer dies in Frage stellt und SUVs und überzüchtete Sportwagen als Symptome einer unverantwortlichen Fehlentwicklung deklariert, bekommt erst Sozialneid unterstellt und dann das omnipräsente Killer-Argument der Arbeitsplatz-Erhaltung an den Kopf geworfen. Und das war’s dann wieder...
[1] Wer’s nicht glauben mag, blättere in den Gazetten nach Berichten von der IAA!
#5
Ein heißes Thema...
ist das! Vorallem im autoverliebten Deutschland.
Für mich ist meine Karre ein Gebrauchsgegenstand und nix weiter. Sie bringt mich von A nach B. Wenn ich das Auto zweimal im Jahr wasche ist es schon viel. Ich fahre eh fast nur in die Arbeit damit, weil die Busverbindung am Abend schlecht ist. Wären die Busverbindungen gut, könnte ich auf die Karre auch verzichten... aber aweng vermißen würde ich sie schon, es ist halt so bequem mit einem Auto.
#6
Gerade bei der taz gelesen...
... oder: „Nicht reden, machen«:
www.taz.de/index.php?id=start&art=5574&id=umwelt-artikelrc=TE&cHash=f8c30e4e4a
#7