Freitag, 31. März 2006
Dieser komische Vogel ist ein sogenannter »Taubenschreck« und soll heuer die Ratten der Lüfte vom Benisten, Beeiern und Bescheißen unseres hinteren Balkons abhalten. Ob’s was hilft, muß die Zeit erweisen: Meine bessere Hälfte ist jedenfalls schon mal ordentlich erschrocken, als sie vorhin den Bio-Müll ins aushäusige Zwischenlager expedieren wollte...
Bei einer unserer seltenen innerstädtischen Einkaufsfahrten (sonst werden allfällige Besorgungen regelmäßig zu Fuß erledigt) ist mir vorhin aufgefallen, daß es inzwischen alle paar hundert Meter einen riesigen Matratzen-Laden gibt. Warum dieses? Sind die Menschen hygiene-bewußter oder ‑hysterischer geworden? Ziehen sie alle paar Monate um und wollen oder können sie das Trumm dann nicht mitschleppen? Liegen sie sich den Rücken krumm auf minderwertiger Ware und kaufen deshalb alsbald neuen Schrott? Oder sind Matratzenläden Mafia-durchsetzte Geldwasch-Anstalten? Wie auch immer: Der zonebattler liegt seit zwanzig Jahren (und wer weiß noch wie lange) auf einer Qualitäts-Latexmatratze, die bis heute kein bißchen durchgelegen ist und sich in jeder Hinsicht so frisch präsentiert wie damals beim Kauf...
Hinterhauslandschaft an der Karolinenstraße |
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Donnerstag, 30. März 2006
Heute kam in einem unscheinbaren Postpaket eine kleine, persönliche Revolution ins Haus: Mit 46 Jahren kaufte sich der zonebattler seine erste Kamera von Canon! Als bekennendem Minolta-Fan mit einem kleinen Marken-Museum aus 10 analogen Spiegelreflexen fiel mir freilich die Hinwendung zum einstigen Erzrivalen des Lieblingsherstellers nicht allzu schwer: Minolta hat schon vor langer Zeit die Führungsrolle des innovativen Vorreiters abgeben müssen. Über die Gründe zu philosophieren ist müßig und dürfte die meisten meiner LeserInnen langweilen. Darum sei hier nur hervorgehoben, daß der Hobby-Lichtbildner zonebattler ab sofort keine seiner schweren Analog-Kameras mehr in den Urlaub mitzuschleppen gedenkt, hervorragende Objektive hin, kreative Möglichkeiten her. Der Aufenthalt in der Fremde will mit allen Sinnen genossen sein, das fotografische Festhalten pittoresker Erinnerungen hat sich dem unterzuordnen...
Was es für ein Modell geworden ist? Eine PowerShot A610, die einen vernünftigen Kompromiß aus optischer Leistung, vielfältigen Einstellungsmöglichkeiten und kompakter Bauform darstellt. Zudem verfügt diese Kamera über ein Schwenkdisplay (wichtig für Aufnahmen über Kopf oder aus der Froschperspektive) und verdaut preiswerte Standard-Akkus in Mignon-Größe. Die Qual der Wahl ist mir bei technischen Gerätschaften heutzutage eher lästig, aber wenn man sich endlich dazu aufgerafft hat, kann man via Internet alles Relevante in maximal zwei, drei Stunden nachrecherchieren, ohne das Haus verlassen zu müssen: Je klarer das eigene Anforderungsprofil, desto weniger kommt in die engere Wahl.
Auch die Entscheidung für den Lieferanten war schnell gefällt: Während der hiesige SATURN (»Geiz ist geil!«) den empfohlenen Herstellerpreis von EUR 299,00 verlangte, war die Kamera bei amazon.de für EUR 229,00 zu haben. Zusammen mit einer schnellen 1 GB-Speicherkarte habe ich jetzt gerade mal EUR 284,95 bezahlt, bei blitzschneller Lieferung von gestern auf heute. So mag man das.
Wer auf des zonebattler’s Expertise etwas gibt, mag es ihm gleichtun. Eines freilich sei hervorgehoben:
Gute Bilder macht nicht die Kamera, sondern allein der Mensch dahinter! |
P.S.: Über meine Erfahrungen mit der neuen Gerätschaft werde ich in den eigenen Kommentaren zu diesem Beitrag berichten, vor allem aber gedenke ich in meinem Bildarchiv neue Arbeiten für sich sprechen zu lassen. Hier in meinem Blog gibt es wohl weiterhin überwiegend Schnappschüsse aus meiner zoomlosen 2 MegaPixel-Fixfokus-Billig-Knipse, die ich so gut wie immer einstecken und damit schußbereit am Mann habe...
Nachtrag vom 9. Okt. 2007:
Vor einigen Tagen habe ich das Nachfolgemodell Powershot A630 zu einem sehr attraktiven Preis in kaum gebrauchten Zustand erstehen können. Die im Vergleich zur A610 weiter erhöhte Auflösung (8,0 MP statt 5,0 MP) ist mir dabei weit weniger wichtig als das größere Schwenk-Display, an dessen neutralere (=weniger knalligere) Farb-Charakteristik sich der Umsteiger freilich zunächst gewöhnen muß. Obwohl das Display nicht an Auflösung gewonnen hat (und daher im Vergleich sichtbar pixeliger wirkt), ist es doch aufgrund seiner schieren Größe für die Bildgestaltung erheblich praxistauglicher geworden (Stichwort: gerade Horizonte)!
Leider mußte wegen des ausladenden Klapp-Bildschirmes der Speicherkartenschacht umkonstruiert werden: Die kleine SD-Karte steckt nunmehr nicht mehr wie bei der Vorgängerin in einem seitlich leicht zugänglichen Extra-Schacht, sondern um 90 Grad gedreht unten mit in der Batterie-Kammer. Vom Handling her ist das nun wieder deutlich unpraktischer, aber wer das eine will, muß halt das andere mögen... Und überhaupt gilt ja schließlich nach wie vor:
Die beste Kamera ist die, die man im Fall der Fälle griffbereit zur Hand hat! |
Inzwischen hat der Preisverfall dafür gesorgt, daß ich mittlerweile so gut wie immer nur noch die »gute« Knipse dabei (und stets am Mann) habe: Selbst im Falle eines Totalverlustes durch Mißgeschick oder Diebstahl ist das Schadensrisiko inwischen im niedrigen dreistelligen Euro-Bereich angelangt und damit durchaus vertretbar gering.
Nachtrag vom 29. Aug. 2008:
Nachdem sich diverse Ratsuchende auf zonebattler’sche Expertise hin das aktuelle Nachfolgemodell Powershot A650 IS gekauft haben, bin ich nun doch der nagenden Versuchung erlegen, es ihnen endlich gleichzutun. Auch diesmal ist mir der Zugewinn an Auflösung (12,1 MP statt 8,0 MP) gleichgültig bis eher lästig. Alles Mumpitz, erhöht das Rauschen, bläht die Dateien auf und letztlich bleibt die Optik doch der qualitätsbestimmende Flaschenhals. Aber man kann ja zumindest weiterhin mit moderater Auflösung knipsen, um die eigenen Festplatte(n) nicht gar zu schnell zum Überlaufen zu bringen...
Kaufentscheidend waren der am Tele-Ende erheblich erweiterte Zoombereich des Objektives, der aktive Verwackelungsschutz (»CCD-Shift-Bildstabilisator«) und nicht zuletzt die im direkten Vergleich aufallend bessere Auflösung des klapp- und schwenkbaren Rückendisplays, die den Kauf einer Brille weiter herauszuzögern hilft.
Nach ein paar Stunden des Ausprobierens sind mir weitere Aspekte positiv, andere Eigenheiten dagegen doch etwas negativ aufgefallen. Auf der Habenseite sind der sichtbar segensreiche Verwackelungsschutz und die aus der längeren Telebrennweite resultierende Möglichkeit zur bewußten Motivfreistellung (scharfes Hauptmotiv vor verschwimmenden Hintergrund) zu verbuchen. Auf der Sollseite stehen eine etwas plastikmäßige Haptik (Geschmackssache) und ‑weniger verschmerzbar- eine im Vergleich etwas trägere Arbeitsweise, insbesondere nach dem Auslösen. Das scheint mir eine Folge der absurd hochgetriebenen Auflösung zu sein, denn fotografiert wird schließlich immer (auch bei kleiner gewähltem Ausgabeformat) mit der vollen Sensor-Auflösung von 12 Megapixeln. Die müssen sofort intern verarbeitet werden, und das Mehr an Rechenleistung des neuen DIGIC III-Prozessors wird durch das Mehr an zu verwurstenden Bildpunkten offenbar mehr als aufgefressen. Gut, man kann immer noch passabel schnell schnappschießen, aber jede fühlbare Verlangsamung ist und bleibt ein ärgerlicher Rückschritt. Als lästig empfinde ich noch den neuerdings separaten Taster für die Einstellung der ISO-Empfindlickeit, der den bisher im rechten Bedienfeld an gleicher Stelle plazierten Druck-Knopf an die linke obere Gehäuseecke verdrängt hat. Jenen Knopf mit der blauen LED in der Mitte benutze ich zweckentfremdet zum Aufrufen von CHDK [1], und das geht halt jetzt nicht mehr nonchalanterweise mit dem ohnehin dort liegenden rechten Daumen, sondern nur noch mit umständlichem Umgreifen. Ebenfalls eine Verschlechterung, diesmal in der Kategorie Bedienungsergonomie, aber auch damit muß man schlicht zu leben lernen. Ansonsten: Klasse Kamera, für Knipser und Könner gleichermaßen!
[1] CHDK = Canon Hacker’s Development Kit
Die kreativen Möglichkeiten der Canon PowerShot-Kameras können durch diesen inoffiziellen »Hack« ganz erheblich erweitert werden. Der in den unten folgenden Kommentaren beschriebene Einsatz von CHDK geschieht auf eigenes Risiko: Eventuelle Folgeschäden an der Kamera sind weder von der Hersteller-Garantie abgedeckt noch können sie den hier berichtenden Autoren angelastet werden!
Fast jeden Werktag ‑ich weiß schon gar nicht mehr, seit wann- kommt mir morgens auf dem Weg zum Bahnhof ein freundlicher Herr entgegen: Er hat wohl noch ein paar Haare weniger auf dem Kopf als ich selbst und erinnert mich ein bißchen an eine verkleinerte Ausführung des Schauspielers Rolf Hoppe. Der flott ausschreitende Fußgänger schaut meist erfreut in den beginnenden Tag, und er hält stets und ohne Ausnahme den Kopf schief: Immer neigt er das Haupt zur rechten Seite und drückt sich mit der Hand etwas dagegen.
Anfangs dachte ich, der Arme habe Zahnschmerzen und müsse seine Backe kühlen. Bald aber bemerkte ich den wirklichen Grund: Der Mann telefoniert ohne Unterlaß! Ob ich ihm schon am Stellwerk begegne oder erst am Bahnhof, kein einziges Mal von inzwischen mehreren Dutzend zufälligen Begegnungen ist er mit sich und der Welt allein gewesen...
Da unsere Wege entgegengesetzt verlaufen und es mir zudem nicht zustünde, anderer Leute Konversation zu belauschen, erhasche ich nur zufällige Wortfetzen seiner Fern-Gespräche. Gleichwohl rätsele ich natürlich, was da wohl für eine Geschichte dahinterstehen mag: Eine von Panik heimgesuchte Mutter, die den längst erwachsenen Filius nur ungern in die Welt hinaus entläßt und nun unentwegt beruhigt werden muß? Oder ist der Mann womöglich ein vielbeschäftigter Manager (von was auch immer), der keine Minute seiner wachen Lebenszeit zu verschenken hat? Ein Psychiater, der seine Klienten beruhigt? Ein Meister, der Kontakt zu seinen Adepten hält? Ein emsiger Tester von geheimen Mobiltelefon-Prototypen? Ein Film-Mogul, ein Investment-Banker? Und gäbe es solche überhaupt in Fürth, von der Südstadt ganz zu schweigen?
Im Grunde will ich es freilich gar nicht wissen: Die Realität ist doch meist banaler als die Phantasie es sich auszudenken vermag. Ich wünsche dem geheimnisvollen Gentleman jedenfalls von Herzen einen immer hinreichend vollgeladenen Akku!
Mittwoch, 29. März 2006
Heute habe ich offenbar ein Faible für reißerisch-sensationslüsterne Headlines. Muß auch mal sein! Man beachte übrigens die Aufschrift auf dem Einkaufs-Trolley...
...und merkt das noch nicht einmal: Die Nürnberger Nachrichten erzählen die skurrile Geschichte.
Dienstag, 28. März 2006
...und TELEPOLIS vermeldet alarmiert, was unter dem Strich wohl tatsächlich als kultureller Verlust zu beklagen wäre: Handschriftliche Mitteilungen sterben aus.
Montag, 27. März 2006
[uraufgeführt am 25. März 2006 anläßlich der 1. Fränkischen Bloglesung in Fürth.]
Die folgende Geschichte ist wahr und in jeder Hinsicht detailgetreu rekapituliert. Sie beginnt an einem harmlos erscheinenden Samstag im Winter 1997/98 (vielleicht auch 1998/99) frühmorgens im beschaulichen Forchheim (Oberfr.) und endet gut zwei Stunden später dortselbst mit einer für den Autor ziemlich schmerzhaften »Fränkischen Brühwurst« der überaus delikaten Sorte. Dazwischen liegen 120 Minuten voller Hektik in einer Art, wie sie sich nicht einmal ein öffentlich-rechtlicher Fernsehserien-Autor unter Drogeneinfluß einfallen lassen könnte. Doch gemach und immer der Reihe nach...
An jenem schicksalhaften Samstag Morgen stehen wir beizeiten auf, denn der Tag will gut genutzt sein: Der kindsköpfige zonebattler ist ganz scharf auf den Besuch einer Spielzeug-Sammlerbörse in Nürnberg, seine bessere Hälfte will indessen mit der Bahn nach Idar-Oberstein zu ihrer betagten Großmutter fahren. Mein Plan ist es, gemeinsam mit dem Auto aufzubrechen, die Freundin am Forchheimer Bahnhof abzuliefern und dann selbst gleich weiter in Richtung Nürnberg zu flitzen. Aber wie es immer so ist, es wird dann zeitlich doch etwas eng, und so springe ich letztlich nur mit Jogginghose, Sweatshirt und Birkenstock-Schlappen provisorisch bekleidet in die knuffige Renngurke, um die Lebensgefährtin gerade eben rechtzeitig in die Regionalbahn stopfen und verabschieden zu können.
Nach kurzem Hinterherwinken spurte bzw. schlappe ich zurück zum Wagen und fahre geschwind wieder nach Hause, um mich selber ausgehfertig zu machen. Doch kaum wieder daheim angelangt, vermisse ich meinen Hausschlüssel, den ich wenige Minuten vorher von außen in die Wohnungstür gesteckt hatte, um der nachfolgenden besseren Hälfte das Absperren zu erleichtern und wertvolle Sekunden Zeit einzusparen. Jedenfalls ist der Schlüsselbund jetzt nicht da. Nach panischem Absuchen sämtlicher Ablagen irrlichternden Blickes durchzuckt mich die schreckliche Erkenntnis, daß die per Stahlroß abgedampfte Freundin offenbar nicht nur das eigene Schlüsselmäppchen, sondern der Vollständigkeit halber auch noch das meine eingesteckt und mit auf die lange Reise genommen hat...
Heutzutage würde man bei sowas ungerührt das Handy zücken, die Situtation in Minutenschnelle klären und somit den Tag retten. Doch meine Geschichte spielt zu einer Zeit, da wir beide noch keine funkenden Handgurken haben, was mir sofort den Angstschweiß auf die Stirn treibt: Wie soll ich in unzureichender Bekleidung, ohne einen Pfennig Geldes in der Tasche die nächsten Tage bestreiten, ohne jede Aussicht, die eigene (gut verschlossene) Wohnung betreten zu können?
Sekunden später rase ich mit der Kraft eines pochenden Herzens in und dreier Zylinder hinter mir in Richtung Autobahn-Auffahrt: Ich habe mir eine winzige Restwahrscheinlichkeit ausgerechnet, die holde Schlüsselbewahrerin noch in Bamberg abfangen zu können, wo sie gute 20 Minuten Umsteigezeit zu verbringen hat. Kaum auf den Frankenschnellweg eingeschwenkt, trete ich das Gaspedal bis zum Anschlag nieder, um gen Bamberg zu rasen. Also was man halt so »rasen« nennt als Renngurkenfahrer.
Um die Erzählung abzukürzen und keine strafrechtlich relevanten Tatbestände aufzuwärmen, überspringe ich die folgenden vierzig Kilometer und setze wieder ein, als ich mit quietschenden Bremsen vor dem Haupteingang des Bamberger Bahnhofes zum Stehen komme, noch rasch die Warnblinkanlage aktiviere und hechelnd durch die Halle hechte, den Gleisen entgegen...
Tatsächlich bekomme ich den Regionalexpreß nach Frankfurt noch zu sehen, wenn auch nicht mehr zu fassen: Höhnisch zwinkern mir die roten Schlußlichter des ausfahrenden Zuges zu. Ätsch. Weg. Knapp daneben, aber eben doch vorbei. Sch...! Hilft aber alles nichts, es gilt, weiterhin dem Schicksal die Stirn zu bieten. Also zum Schalter oder vielmehr Service-Point geeilt, sich als Kollege ausgewiesen und die sofortige Alarmierung aller Fahrdienstleiter auf sämtlichen Unterwegshalten über Haßfurt und Schweinfurt bis Würzburg angeordnet erfleht. Man möge die Schlüsselfigur der Geschichte allerorten ausrufen und zur Umkehr bewegen. Großes Palaver, man werde sich bemühen, man werde sehen. Ich sehe auch etwas, nämlich die nahenden Grenzen meiner psychischen Belastbarkeit.
Für mich gibt es jetzt in der Domstadt nichts mehr zu tun, ich tuckere gemäßigten Tempos heimwärts. Es keimt die irre Hoffnung auf, die Herzensdame könnte das Gewicht zweier Schlüsselbünde inzwischen selbst bemerkt und die Situation erkannt haben. Und tatsächlich: Kaum fahre ich daheim wieder vor, kommt sie gerade aus dem Haus! Wie kaum zu erhoffen gewagt hatte sie sich noch rechtzeitig darüber gewundert, was da so schwer in beiden Jackentaschen links und rechts an ihr zerrte. Und während ich in Bamberg Himmel und Hölle rebellisch machte, saß sie schon wieder im nächten Zug nach Forchheim! Nach einem kurzen Zwischenstopp bei mir wollte sie gerade meinen Schlüsselbund für mich in des Vermieters Ladengeschäft im Erdgeschoß deponieren. O holde Glückseligkeit! Jetzt aber her mit meinem Schlüsselmäppchen und dasselbe nicht mehr aus der Hand gegeben!
Mit genau zweistündigem Abstand zum Erstversuch fahre ich erneut zum Bahnhof, den gleichen Weg, die gleiche Ladung. Hasten zum Zug, Gruß an die Oma, Klappe zu und ab dafür! Und abermals zurück zu meiner Wohnung: Inzwischen hat der Morgen dem Vormittag Platz gemacht und ich bin immer noch nicht in Nürnberg, was mag mir entgangen sein?! Ich beschließe, nicht noch mehr Zeit durch das ursprünglich geplante Wannenbad zu vertändeln, auch Duschen in der Badewanne unter der vorhanglosen Dachschräge wäre zu aufwendig, ach was, die Katzenwäsche von heute früh muß reichen. Nur noch schnell die Unterwäsche gewechselt und in die Klamotten vom Vortag gesprungen. Beim Sitzpinkeln wird sich zeitsparend rasiert und nebenbei der Entschluß gefaßt, zumindest ein Minimum an Intimhygiene walten zu lassen. Also nach dem Wasserlassen schnell den eigenen Wurmfortsatz ins Handwaschbecken des Gäste-WCs gehalten, den Hebel der Mischbatterie in Mittelstellung gebracht und aufgezogen. Schon rauscht es angenehm aus der Perlatordüse...
Waaaaaaaaaaaaaaaah!
Mein Schmerzensschrei gellt durch die Wohnung und durch das Treppenhaus hinaus über Stadt und Erdkreis. Das reflexhafte Herumreißen des Mischhebels auf Kalt-Anschlag bringt nicht die erhoffte Erleichterung, sondern verschlimmert im Gegenteil die Pein auf das Entsetzlichste. Ich hoppse heulend wie ein gebissener Storch durch die Diele und hinaus auf den Balkon, mir verzweifelt kalte Luft zufächelnd. Es dampft an mir von einer Stelle aus, die derlei noch nie getan hatte: erst nach Minuten ist das Schlimmste überstanden... Das sollte als Sühne für alle begangenen Sünden der letzten drei Jahrzehnte reichen! Ich fahre schließlich entnervt Richtung Nürnberg, will den Tag nicht einfach verloren geben. Ablenkung tut Not: Noch bis zum Abend juckt es erbärmlich an einer Stelle, an der man sich in der Öffentlichkeit schicklicherweise nicht kratzt.
Tja, wem hatte ich meine »Brühwurst« letzlich zu verdanken? Die bessere Hälfte hatte beim ungeplanten Zwischenstopp in meiner Wohnung einen steten Wasserverlust des WC-Spülkastens konstatiert, hervorgerufen durch eine schon länger verkalkte Gummidichtung. Verschwendung jeglicher Art ist meiner Freundin ein Greuel: Da die lästige Leckage auf die Schnelle nicht anders zu stoppen war, hatte sie kurzerhand und ohne weiteres Nachdenken den Kaltwasser-Haupthahn der Wohnung komplett zugedreht, womit der Rinnverlust zum Erliegen kam. Daß sie damit gleichzeitig eine schier lebensgefährliche Falle für mich aufgestellt hatte, war ihr tatsächlich nicht in den Sinn gekommen: Vielleicht hätte sie mir sonst eine Tube Senf ans Waschbecken gestellt!
Sonntag, 26. März 2006
Tony Cragg: Declination, 2003 |
Mutter Natur: Grüner Baumpython |
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Süßer und scharfer Senf: