Ich liebe alte Städte wie Regensburg, Bamberg oder Görlitz, die weder durch den Krieg noch durch die Bauwut danach nachhaltig ihr Gesicht verloren haben. Fürth kann sich da ohne weiteres einreihen, wenngleich im Wortsinne »herausragende« Betonsünden wie das Sparkassen-Gebäude oder das Hochhaus am Bahnhof an recht brachiale Bauboom-Zeiten erinnern, die gar nicht so lange zurückliegen...
Ganze Straßenzüge sind hier in Fürth noch in prächtigster Gründerzeit-Neo-Renaissance erhalten, und das im warmen Goldton des fränkischen Sandsteins. Eine einmalige Kulisse! Insbesondere die Eckhäuser waren zu den Kreuzungen hin besonders prächtig geschmückt, oft mit eindrucksvollen Zwiebeltürmen wie hier an der Ecke Karlstraße / Amalienstraße:
Leider sind viele dieser rein der Ästhetik dienenden Zier-Aufsätze heute spurlos verschwunden, sei es durch Kriegsschaden, sei es durch Verwitterung, Blitzschlag oder (häufiger wohl) Abriß durch unsensible Hausbesitzer. So sieht das ansonsten noch bestens gepflegte Haus von der alten Postkarte heute aus:
Wer’s nicht anders kennt, mag mit den Schultern zucken. Wer aber einen Sinn für Schönheit und Proportionen hat, wird den Unterschied bemerken (und den Verlust des geschindelten Dach-Türmleins als schmerzlich empfinden). Nach Studium des bebilderten Beispiels mögen die geneigten LeserInnen spaßeshalber mal erhobenen Hauptes durch die Stadt laufen, um nach weiteren Dächern Ausschau zu halten, denen »oben was fehlt«!
Ich würde mir jedenfalls wünschen, daß Besitzer und Bewohner alter Häuser ihre Immobilien und Behausungen nicht nur unter rein praktischen Aspekten beurteilten, sondern auch deren Schönheit bewahren und ggf. wiederherstellen würden. Klar kostet das was, aber es bereichert doch letztlich alle. Wo müßte man den Hebel also ansetzen? Wie bei so vielen Zeiterscheinungen schon bei der entsprechenden Erziehung des Nachwuchses, denke ich. Da werden die Weichen gestellt, da fängt es an (oder eben auch nicht)...
P.S.: Wie die Fürther Nachrichten bereits letzten Samstag ankündigten, findet heute um 19.00 Uhr im historischen Sitzungssaal des Rathauses eine prominent besetzte Podiumsdiskussion zum Thema Denkmal statt. Hingehen!
P.P.S.: Weitere Bilder finden Sie in den Kommentaren zu diesem Beitrag.
Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, dass das Haus seine Zwiebelhaue in einer Bombennacht so um 1944 verloren hat. Bei einem nächtlichen Angriff auf Nürnberg sind auch einige Bomben in Richtung Bahnhof Fürth gefallen, haben aber hauptsächlich Gebäude in der Amalienstraße und mit einem Blindgänger die Türnhalle des TV 1860 getroffen. Es war damals so eine Sensation, dass meine Eltern mit mir nach Ende des Angriffs in die Südstadt gelaufen sind, auch um zu sehen, ob das Haus in der Fichtenstraße, in dem meine Großmutter lebte, den Angriff heil überstanden hatte. Den Blindgänger in der Turnhalle fand man erst am nächsten Morgen, als mein Großonkel, der Hausmeister war, im Keller fast darüber gestolpert ist.
#1
Auf der Suche...
...nach dem verlorenen (Zwiebel-)Schatz: Das schöne Wetter zu einem ausgiebigen Stadt- und Spaziergang nutzend (mit Sonnenbrille!), habe ich zwei weitere Beispiele »enthaupteter « Häuser festgehalten. Hier an der Ecke Amalienstraße / Turnstraße:
Gleichfalls an der Amalienstraße, und zwar an der Kreuzung mit der Ludwigstraße, steht dieses wirkliche prächtige Eckhaus:
Die tiefstehende Sonne illuminiert deutlich die schmucklose Ecke des obersten Geschosses, welches ganz offensichtlich nach einem Kriegsschaden wieder instandgesetzt wurde. Immerhin kein Totalverlust durch Brandbomben, aber einen krönenden Abschluß mit einem Türmchen drauf gab es weiland wohl auch hier...
#2
Schlafzimmerblick
Das eingangs gezeigte Haus von der alten Postkarte liegt meiner Heimstatt gegenüber. Aus meinem Schlafzimmer sieht man den »enthaupteten« Turm so:
Ziemlich »kopflos«, nicht wahr? Nur wenige Gehminuten weiter findet sich an der Ecke Ludwigstraße/Holzstraße ein Beispiel, wie man es besser machen kann: Vor Jahresfrist mit frischem Kupferblech neu beschlagen, erscheint dieser Turmaufsatz als dauerhaft für die Nachwelt gerettet:
Es geht also, wenn man denn will... Und ein Gewinn für das Stadtbild ist es allemal!
#3
Noch ein Prachtexemplar...
...wird hier an der Kreuzung Jakobinenstraße / Lange Straße von der winterlichen Abendsonne beschienen:
An diesem mustergültig gepflegten Haus stört mich nur der grelle Bäckerladen im Erdgeschoß, insbesondere dessen moderne Falt-Tür just am Fuße des Eck-Turms. Aber gut, ist ein irgendwann mal reparierbarer Lapsus...
#4
Manchmal ist es ja interessant, in deinen Altlasten zu graben: Wäre ich formulatorisch begab, hätte ich womöglich fast den gleichen Text geschrieben: Ich kenne fast keine anderen Städte, in denen sich das hochgucken an beinahe jeder Ecke so sehr lohnt wie in dieser charmanten kleinen Großstadt. Eine kleine Auswahl kann der geneigte Leser hier anschauen.
#5
Wenn Du mit Fürth durch bist, dann fahr’ mal nach Görlitz: Dasselbe in Grün, nur großflächig verputzt statt versandsteint!
#6
[…] darf dieser Beitrag freilich dennoch verstanden werden: Wenn hier und da ein verlorener Zwiebelturm wieder errichtet werden würde oder in vereinfachter Form rekonstruierte Kriegsverluste wieder […]
#7