Mittwoch, 30. November 2005
Ich habe zwei denkwürdige Nächte in einem bis dato noch nicht ausprobierten Hotel in Ludwigsburg hinter mir: Die Zimmerflucht ein langer Schlauch im fünften Stock, mindestens sechs Meter Panorama-Fenster-Front hinunter zu Straße und Eisenbahn, die ganze Nacht unzureichend gedämmter Verkehrslärm und dazu das Tröten von Sicherungsposten von einer Baustelle im Gleisbereich. Telefon von außen her ständig besetzt (zu wenig Leitungen?), der Wecker staubig, die Heizung blubbernd, die Bettdecke dünn, der Duschkopf verkalkt. Im Flur vor dem Zimmer und auch im Stockwerk darunter hängt abstrakte Kunst in Öl an den Wänden, kein einziges Bild richtig herum, bei allen (!) steht die gut lesbare Signatur des Künstlers entweder auf dem Kopf oder auf die Seite gekippt. Der Frühstücksraum ist eng wie eine U‑Bahn, entsprechend nah sitzt man/frau sich auf der Pelle. Gesamturteil: Na ja.
Aber das alles kann mich nicht wirklich mehr berühren: Zum einen bin ich in solchen Dingen eher anspruchslos und pflegeleicht (habe auch schon Fragwürdigeres erlebt), zum anderen markiert das Erlebnis das Ende einer persönlichen Epoche. Nach einem sechstägigen Seminar geht meine berufliche Zwitterexistenz (halb Trainer, halb Bildungsplaner) heute relativ unspektakulär zu Ende: Ich werde um 15:36 Uhr in den Zug Richtung Heimat springen und dann gut drei Stunden Zeit haben, meine Jahre als Wissens- und Könnens-Vermittler Revue passieren zu lassen... Zukünftig werde ich wohl ausschließlich als Planer tätig sein und dafür sorgen, daß Trainer, TeilnehmerInnen, Fahrzeuge, Schulungsunterlagen usw. zur vorgesehenen Zeit am vorgesehenen Ort irgendwo in Deutschland zusammenkommen.
Ich hänge das Trainer-Dasein mit einem weinenden und einem lachenden Auge an den Nagel: Einerseits ist das Vermitteln von Fähigkeiten und Fertigkeiten eine äußerst befriedigende Tätigkeit (sofern sich die Seminar-TeilnehmerInnen halbwegs interessiert zeigen und/oder motivierbar sind), andererseits hadere ich schon seit längerem mit den Rahmenbedingungen des Jobs. Vor allem ist es die Herumreiserei, die nur denen als attraktiv erscheint, die die Praxis nicht aus eigener Anschauung kennen...
Ein Wochen-Seminar beginnt für den Trainer in (m)einem bundesweit (neuerdings auch zunehmend international) tätigen Untenehmen meist mit einer Voranreise am Sonntag (ohne Überstunden, ohne zusätzliche Bezahlung) und endet ebenso oft am späten Freitag Abend. Zwischendrin sieht man a) Verkehrsmittel (in meinem Fall Züge und Taxis), b) Schulungsräume und c) Hotelzimmer von innen. Des Abends kann man Fußgängerzonen besichtigen, deren gesichtslose Kommerz-Meilen in jeder Stadt weitgehend identisch sind. Museen haben überwiegend schon geschlossen. Nach einem Tag intensiver Arbeit mit Menschen (was auch die Stimme recht beanspruchen kann) ist mir selten nach Gesellschaft zumute, da will ich eher meine Ruhe. Jetzt im Winter bleibe ich im auswärtigen Trainingszentrum am Rechner hocken und pflege Homepage und Weblog, aber es macht schon einen Unterschied, ob man sich die Rahmenbedingungen des Feierabends selber setzen kann oder halt zusehen muß, die fern der Heimat verbrachte Freizeit halbwegs sinnvoll zu nutzen. Mir jedenfalls ist die heimische Couch lieber als jedes Hotelbett!
Der Planertätigkeit geht der Glanz des Theatralischen und des individuellen Stils weitgehend ab, und auch wenn ich interessante Themen und Inhalte beplane und als Mitarbeiter des »Ressourcen-Managements« eine wichtige Aufgabe erfülle, so ist das auf meiner Ebene natürlich eine ziemlich abstrahierte Tätigkeit, zu deren Ausübung ich den überwiegenden Teil der Arbeitszeit auf den Bildschirm glotze, bunte Kästchen in Tabellen verschiebe, Buchungsmasken bediene und Kunden-Anfragen beantworte.
Der ganz große Pluspunkt (neben dem guten und sehr kollegialen Betriebsklima) liegt für mich im Umstand, zwischen meinem Büro in Nürnberg und meiner Wohnung in Fürth nur ganze sechs Regional-Express-Fahrminuten zu wissen. Im Regelfall brauche ich vom Bürostuhl bis auf das schon erwähnte Lieblingssofa gerade mal 20 Minuten. Eingedenk der Tatsache, daß die unmittelbaren Kollegen um mich herum jeden Tag aus Augsburg oder Karlstadt (Main) hereinpendeln (und abends wieder zurück), kann ich mich damit als privilegiert und glücklich schätzen!
Die Tätigkeit in der Nähe des heimischen Herdes erlaubt zudem die Teilnahme an lokalen Events und das Treffen mit Nachbarn und Freunden, was man ja »auf Achse« notgedrungen entbehren muß. Von daher bin ich’s zufrieden, und gelegentliche Dienstreisen zu bundesweiten Konferenzen etc. werden mir hin und wieder eine willkommene Abwechslung sein...
So, und nun auf und frisch gestartet in den letzten Trainings-Tag!
Dienstag, 29. November 2005
Vor Äonen von Jahren (so etwa zwischen 1985 und 1990 n. Chr.) arbeitete der zonebattler im Dienste der damaligen Deutschen Bundesbahn als Schichtleiter in einem Rechenzentrum. Dessen Leiter strebte zwar nicht nach der Weltherrschaft (war auch keinesfalls vom dazu nötigen Kaliber), ferner entsprachen die Kolleginnen nicht dem gängigen Hollywood-Typus, aber sonst hätte unser Computer-Bunker durchaus als Kulisse für einen James-Bond-Streifen herhalten können: Schrankgroße Rechner, blinkende Birnchen, zuckende Bandspulen und unentwegt ratternde Drucker allenthalben. Das alles in einem fensterlosen Beton-Hochsicherheitstrakt, der nur per Code-Karte zu betreten war. Ein paar Bilder aus dieser abgeschlossenen Welt haben bis in die Gegenwart überlebt:
Wie lief das damals? Eine ganze Abteilung Programmierer codierte Software-Module in Assembler oder Cobol, die von MitarbeiterInnen der Arbeitsvorbereitung mittels »Job Control« zu Batch-Jobs zusammengestellt und hernach an uns »Kellerknechte« in die Produktion überstellt wurden.
Als steuernde Datenträger kamen in meiner Anfangszeit noch Lochkarten zum Einsatz, später wurden die Jobs papierlos an grün leuchtenden Bildschirm-Terminals editiert. Die zur Laufzeit angeforderten, externen Datenträger zur Ein- oder Ausgabe waren Magnetbänder vom Durchmesser einer Pizza. Die mußte man von Hand auf die großen Bandmaschinen »mounten«, erst Jahre später hielt mit halbautomatischen Kassetten-Geräten etwas mehr Komfort Einzug...
Die Druckausgabe auf Listenpapier oder spezielle Vordrucke erfolgte anfangs über lärmende »Kettendrucker«, in denen 132 Hämmer von hinten auf ein schnell umlaufendes Typenband klopften und so die aufgeprägten Buchstaben und Zahlen über ein Farbtuch auf das Papier übertrugen. Später kamen dann schnelle Laserdrucker von der Größe mehrerer Gefriertruhen hinzu. Da waren die Operateure ständig mit dem Herbeiwuchten und Abtransportieren der schweren 2000-Blatt-Kartons beschäftigt, die nach dem Einfädeln und Justieren ziemlich schnell durch die Maschinen gelaufen waren... Ob das ganze Zeugs dann jemals von irgend jemandem gelesen wurde?
Im Rückblick frage ich mich, welche Rechenpower wir wohl damals auf hunderten von klimatisierten Quadratmetern auf dem aufgeständerten Doppelboden stehen hatten. Vermutlich lag sie irgendwo zwischen der Leistung meines Palm-Organizers in der Hosentasche und der Performance meines mittlerweile veralteten PCs unter dem heimischen Schreibtisch!
Für mich haben diese etwa 15 Jahre alten Fotos besonders augenbefeuchtenden Wert, da ich mit jedem unscheinbaren Detail etwas anfangen kann und damit so manche Erinnerung verbinde. Mein herzlicher Dank gilt dem ehemaligen Kollegen B., der die Aufnahmen seinerzeit erstellt und bis heute aufbewahrt hat.
Montag, 28. November 2005
»Tanken Sie mal wieder auf: Wir senken die Benzinpreise!« trötet es mir aus einem unangeforderten Werbebrief der »VOLKSWAGEN BANK direct« entgegen. [Einschub: Firmierung tatsächlich mit fetten Versalien vorne und englisch geschriebenen direct-Wurmfortsatz kursiv hintendran, wie es halt heutzutage unseliger Zeitgeist ist. Immerhin haben sie dankenswerterweise auf ein »& more...« am Schluß verzichtet, so modisch wollten sie dann wohl auch wieder nicht sein...]
Für das Tanken mit der eilfertig angedienten »Volkswagen VISA card« werden mir 1% Rückvergütung versprochen, leider »aus technischen Gründen« nicht an Supermarkt-Tankstellen sowie nur bis zu einem maximalen Tankumsatz von 2.000 EUR im Jahr.
Dummerweise habe ich genau heute vor einem Vierteljahr (also am 28.08.2005) zum letzten Mal aufgetankt, und zwar 26,55 Liter Normalbenzin zum Preis von 33,97 EUR. Derzeit ist der 40-Liter-Tank meines Gefährts immer noch zu einem Drittel gefüllt. Nicht, daß ich einen Wunderwagen hätte, es liegt schlicht daran, daß das Fahrzeug überwiegend ein Stehzeug ist. Wie schon früher ausgeführt und allgemein bekannt, ist die Fürther Südstadt der Nabel der Welt, mithin muß ich mich kaum mit maschineller Hilfe fortbewegen. Und wenn doch, dann mit meinem unerreicht ökonomischen 11.000 PS-Dienstwagen.
Keine Ahnung, was der Liter Sprit heute kostet. Nehmen wir zur Sicherheit und der einfacheren Rechnerei halber mal 1,50 EUR an, dann würde ich für das Befüllen eines restlos leergeschlürften Tanks demnach glatte 60,00 EUR löhnen müssen. Die Rückvergütung würde mithin 60 Cent betragen, im Quartal wohlgemerkt. Gut, man fährt mitunter etwas mehr, geben wir für alle Fälle 100% Aufschlag und landen dann bei 1,20 EUR Ersparnis in 3 Monaten, ergo 4,80 EUR im Jahr. Klingt gut! Doch wo ist der Haken? Im Kleingedruckten: Die Karte selbst kostet 20,00 EUR im Jahr (schon verloren!) und wäre zudem die dritte in meinem Geldbeutel. Obendrein fände ich es stillos, meinen treuen Subaru-Minibus mit einer Volkswagen-Karte vollzutanken.
Und die Moral von der Geschicht’? Die hat schon Henry Ford formuliert:
Reich wird man nicht von dem, was man verdient,
sondern von dem, was man nicht ausgibt |
Heißt in meine Diktion übersetzt: Wer dorthin zieht, wo sich Arbeit und Freunde in der Nähe finden, kriegt zwar kein Prozent zurückerstattet, muß aber von 100 EUR Spritgeld 99 EUR erst gar nicht berappen!
Sonntag, 27. November 2005
Die teuerste Kamera ist dem billigsten Klick-Kasten kein bißchen überlegen, wenn es um physikalische Grundsätzlichkeiten geht, denen das Edelteil natürlich genauso unterliegt wie der Schnäppchen-Apparillo. Beispiel Perspektive: Von schräg unten aufgenommen weist eine Hausfassade immer »stürzende Linien« auf, an sich parallele, senkrechte Linien streben also nach oben hin scheinbar zueinander. Unser Gehirn weiß um die Rechtwinkligkeit von Bauten und gleicht das in unserer Wahrnehmung wieder aus, doch die unbestechliche Linse des Aufnahmegerätes liefert zwangsläufig ein Bild, welches uns »kippend« und falsch erscheint:
Die Fotografen früherer Zeiten haben das mit teuren »Shift-Objektiven« oder verschiebbaren Objektiv-Standarten ausgeglichen, unsereins behilft sich heutzutage mit Software und zieht das Bild mit der Maus solange an einer Ecke, bis die Parallelität der waag- und senkrechten Linien halbwegs wiederhergestellt ist:
Sieht man den Unterschied? Ich denke schon. Meine Empfehlung zur Bearbeitung digitaler Fotos lautet FixFoto. Das Programm kann eine ganze Menge, ohne dabei mit sinnlosen Funktionen überfrachtet zu sein. 14 Tage lang kann man es kostenlos und unverbindlich testen, danach kostet eine Benutzerlizenz moderate 30,00 EUR.
Wenn man bedenkt, wieviel manche eine(r) für seine/ihre Kamera auszugeben bereit ist, dann sind drei rote Scheine ein Klacks. Freilich erfordert es etwas Zeit zum Ausprobieren und Bereitschaft zum Lernen, und beides bringt in unserer schnellebigen Zeit nicht jede(r) gerne auf... Es lohnt sich aber!
Nachtrag vom 4. Jul. 2007:
Der Preis einer FixFoto-Lizenz ist mittlerweile um 5,00 EUR auf 35,00 angehoben worden, was mir freilich immer noch als ein sehr günstiges Angebot erscheint!
Samstag, 26. November 2005
Als der zonebattler gestern Abend von einer schlauchenden Seminar-Woche aus Ludwigsburg nach Fürth heimkehrte, ist er erst mal nicht nach Hause, sondern schnurstracks und mit Sack und Pack (sprich Rucksack und Rollkoffer) vom Bahnhof aus ins Kleine Atelier Hirschenstraße geeilt, um dort einer Vernissage beizuwohnen. Seit gestern also (und bis zum 24.12.2005) gibt es da Holzarbeiten des polnischen Künstlers Marian Ulc zu sehen:
Mein erster Schnappschuß zeigt einen Klezmer-Musikanten, einen aus einem Ensemble von vieren. Sehr ansprechend und mal was anderes als die immergleichen Jazz-Musiker! Himmlische Melodien kommen dagegen von diesen Wesen:
Auch ohne Herkunft und Vita des Künstlers zu kennen, liegt man mit einer ersten Einordnung »naive Kunst aus Osteuropa« sicherlich richtig. Hier marschieren (passend zur Weihnachtszeit) die Heiligen Drei Könige auf:
Alle Schnitzfiguren sind von matter und zurückhaltender, »erdiger« farblicher Fassung. Ein weiterer gemeinsamer Nenner ist der irgendwie nachdenkliche Blick aller Figuren, der selbst den Vierbeinern zu eigen ist:
Die Verführung von Adam und Eva als biblische Schlüsselszene, plastisch dargestellt in einem umrahmenden Apfel:
Jetzt bei der Nachbereitung der Fotos für diesen Artikel fällt mir auf, daß die männlichen Figuren (einschließlich des Adam) sämtlich durch einen Schnurrbart typisiert sind, der ja in West-Europa längst aus der Mode gekommen ist.
Alles in allem anrührend bodenständige und »ehrliche« Kunst mit einem gewissen altmodischen Touch. Ich war dann doch etwas verblüfft, im Info-Blatt über den Künstler das Foto eines eher jüngeren Mannes zu sehen. Sympathisch! Bei uns würde es doch kaum noch ein Künstler wagen, mit derart »handgreiflichen« und eingängigen Arbeiten seiner Religiosität Ausdruck zu verleihen...
Ergänzend möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß noch eine ganze Reihe interessanter Bilder der polnischen (freilich in Franken lebenden und arbeitenden) Künstlerin Maria Fuks die Wände bereicherte:
Motive waren überwiegend Tanz-Szenen, der Stil hat mich mitunter an die französischen Impressionisten erinnert. Die meist kleinformatigen Bilder entziehen sich einer halbwegs aussagekräftigen Foto-Dokumentation, die muß man sich selber anschauen. Der zonebattler empfiehlt daher einmal mehr den Weg in die Fürther Hirschenstraße Nr. 31!
Freitag, 25. November 2005
Des Mittags flitzt der gleich nebendran arbeitende zonebattler gerne in die Halle des Nürnberger Hauptbahnhofes, um sich mit einem frischen Salat und noch frischeren Brezeln zu versorgen. Letztere plumpsen im backWERK in einer Tour aus dem Ofen in die Auslage, so daß er dort oft noch ganz warme und somit überaus leckere Laugenbrezeln erstehen kann. Bislang schien das eher etwas ungünstig im Zwischengeschoß gelegene backWERK von der Mundpropaganda der KundInnen leben zu müssen (und zu können), aber neuerdings wird mit härteren Bandagen um das Kleingeld der Hungrigen gekämpft:
Selbst die Fußböden müssen jetzt als Werbeflächen herhalten, was im gezeigten Fall der althergebrachten Brezelfrau (hinten rechts) langfristig den Garaus machen dürfte: Deren Stand mit Brezeln zu je 0,45 Euro ist mit dem Reklameteppich und dessen 0,29 Euro-Offerte ja gar nicht gemeint, was sicherlich tagtäglich zu etlichen Mißverständnissen führt...
So sehr ich der Brezelfrau ihr Zubrot zur Rente gönne, auch die Aufrüstung vom Holzwagerl zur Edelstahl-Vitrine bringt mich als Kunden nicht zurück: Die »klassischen« Brezeln mit Feinsalz-Bestäubung sind einfach zu hygroskopisch, ziehen also schnell Feuchtigkeit aus der Luft und werden weich und labberig. Da greife ich natürlich lieber zur frisch gebackenen Grobsalz-Laugenbrezel, zumal wenn diese noch erheblich preiswerter ist. Mahlzeit!
Donnerstag, 24. November 2005
Ein Färdder ruft beim Radiosender an.
Färdder: »Kenntn Sie a Schdigg vom Beedhoofm fier miich schbilln?«
Moderator: »a‑Moll oder c‑Moll?«
Färdder: »Aamol langt scho, zeemol wär mer zvill«
[Ein sprachkundlicher Beitrag meines Freundes und Nachbarn Udo Meyer, den ich hiermit der frankophonen (und frankophilen) Öffentlichkeit zur Kenntnis bringe.]
Mittwoch, 23. November 2005
Ich liebe alte Städte wie Regensburg, Bamberg oder Görlitz, die weder durch den Krieg noch durch die Bauwut danach nachhaltig ihr Gesicht verloren haben. Fürth kann sich da ohne weiteres einreihen, wenngleich im Wortsinne »herausragende« Betonsünden wie das Sparkassen-Gebäude oder das Hochhaus am Bahnhof an recht brachiale Bauboom-Zeiten erinnern, die gar nicht so lange zurückliegen...
Ganze Straßenzüge sind hier in Fürth noch in prächtigster Gründerzeit-Neo-Renaissance erhalten, und das im warmen Goldton des fränkischen Sandsteins. Eine einmalige Kulisse! Insbesondere die Eckhäuser waren zu den Kreuzungen hin besonders prächtig geschmückt, oft mit eindrucksvollen Zwiebeltürmen wie hier an der Ecke Karlstraße / Amalienstraße:
Leider sind viele dieser rein der Ästhetik dienenden Zier-Aufsätze heute spurlos verschwunden, sei es durch Kriegsschaden, sei es durch Verwitterung, Blitzschlag oder (häufiger wohl) Abriß durch unsensible Hausbesitzer. So sieht das ansonsten noch bestens gepflegte Haus von der alten Postkarte heute aus:
Wer’s nicht anders kennt, mag mit den Schultern zucken. Wer aber einen Sinn für Schönheit und Proportionen hat, wird den Unterschied bemerken (und den Verlust des geschindelten Dach-Türmleins als schmerzlich empfinden). Nach Studium des bebilderten Beispiels mögen die geneigten LeserInnen spaßeshalber mal erhobenen Hauptes durch die Stadt laufen, um nach weiteren Dächern Ausschau zu halten, denen »oben was fehlt«!
Ich würde mir jedenfalls wünschen, daß Besitzer und Bewohner alter Häuser ihre Immobilien und Behausungen nicht nur unter rein praktischen Aspekten beurteilten, sondern auch deren Schönheit bewahren und ggf. wiederherstellen würden. Klar kostet das was, aber es bereichert doch letztlich alle. Wo müßte man den Hebel also ansetzen? Wie bei so vielen Zeiterscheinungen schon bei der entsprechenden Erziehung des Nachwuchses, denke ich. Da werden die Weichen gestellt, da fängt es an (oder eben auch nicht)...
P.S.: Wie die Fürther Nachrichten bereits letzten Samstag ankündigten, findet heute um 19.00 Uhr im historischen Sitzungssaal des Rathauses eine prominent besetzte Podiumsdiskussion zum Thema Denkmal statt. Hingehen!
P.P.S.: Weitere Bilder finden Sie in den Kommentaren zu diesem Beitrag.
Dienstag, 22. November 2005
Alle Jahre wieder suchen (und versuchen) wir Pilze »aus heimischem Anbau«, sprich wir ziehen mit Weidenkorb und Taschenmesser in die Wälder und schauen uns um. Als Kind trug ich körbeweise Pfifferlinge, Steinpilze, Maronen und Butterpilze nach Hause, heute machen sich die genießbaren Spezies eher rar...
Hin und wieder freilich kommen wir von solchen herbstlichen Streifzügen immer noch reich beladen heim, wenn auch mit anderen Sorten als früher:
Dieser »Badeschwamm« hier zum Beispiel ist eine Krause Glucke und schmeckt ganz ausgezeichnet. Leider bleibt nach dem Reinigen und Versäubern meist nicht so viel übrig wie es zunächst den Anschein hatte...
Doch hier mein absoluter Favorit, der überaus schmackhafte Parasol-Pilz, auch als Riesen-Schirmpilz bekannt:
Bei Kameraden dieses Kalibers reichen in der Tat einige wenige Exemplare, um mehrere Mittagessen damit bestreiten zu können. Die fleischigen Hüte schneidet man zunächst einmal in handlich portionierte Stücke:
Sodann paniert man die Hutsegmente mit Semmelbröseln und Eigelb und brät die Teile anschließend in der ordentlich vorheizten Pfanne:
Tja, die Ähnlichkeit mit Kalbsschnitzeln ist nicht nur optischer, sondern durchaus auch geschmacklicher Natur: Gut gewürzt wird dieser rein vegetarische Braten zum vortrefflichen Gaumenschmaus, der obendrein rasch zubereitet ist!
Dem übermäßigen Genuß abträglich ist das Wissen um die Strahlenbelastung von Pilzen, wozu man seriöse Fakten u.a. beim Bundesamt für Strahlenschutz sowie in der Zeitschrift Ökotest nachlesen kann. Daher beschränken wir die Schlemmerei sicherheitshalber auch auf ein- bis zweimal pro Jahr.
Fehlt noch was? Ach ja, die Fundstelle... Die behalte ich selbstredend für mich!
Montag, 21. November 2005
Gesehen bei uns in der Fürther Karlstraße. Papa zeigt dem Junior gerade, wie man sich verteidigt und dazu dem Gegner am besten gleich »die Schaufel ’naufhaut«!
In der Badstraße hingegen nimmt Mama Bagger den kleineren Nachwuchs schützend unter ihre Fittiche. Welch weiches Herz schlägt da unter ruppig-rauher Schale...
P.S.: Wie sich Baumaschinen vermehren? Wie die Tiere !
Sonntag, 20. November 2005
Von der »werkstatt edda schneider naturstücke« war kürzlich schon einmal in anderem Zusammenhang die Rede. Gestern gab es dort unter dem Motto »Kultur für alle Sinne: Begegnung mit der russischen Seele« ein großes Festessen. Der sinnenfrohe zonebattler freut sich, nachfolgend über einen sehr gelungenen Abend berichten zu können...
An der gemeinsamen Vor- und Zubereitung der Speisen am Vor- und Nachmittag (unter der fachkundigen Anleitung der VHS-Dozentin Nelli Schlaht) konnten wir aus Zeitgründen leider nicht teilnehmen, und so begannen wir den Abend als zahlende Gäste mit ‑wie könnte es anders sein- Krimsekt und Kaviarschnittchen:
Schon an den Vorspeisen (Gemüsekaviar, Heringsalat »Unter dem Pelz«, Gurken, Tomaten, Wassermelonen...) hätte man sich ohne weiteres satt essen können...
Der Hauptgang bestand aus Borschtsch-Suppe und »Piroschki«, also leckeren Quark- und Hefeteigtaschen mit Pilz- bzw. Hackfleisch-/Reisfüllung:
Doch der Genuß erstreckte sich keineswegs nur auf Gaumen und Zunge, während des Essens wurde sogar ein altes russisches Märchen (auf deutsch) vorgetragen. Die folgenden musikalischen Darbietungen rissen dann nicht nur die Russen, sondern auch die Franken hin und mit!
Die Namen der aufspielenden, singenden und tanzenden Herren sind mir leider nicht mehr präsent, umso mehr aber die zauberhafte Stimmung, die selbst jugendliche Passanten vor der Schaufensterscheibe von Edda Schneiders Werkstatt zu begeistern vermochte...
Musik ist ja immer noch der beste Klebstoff zwischen den Kulturen, und die ausgelassene Stimmung half bei den vielfältigen Gesprächen zwischen den Menschen über sprachliche Barrieren hinweg. Und das ganz ohne Wodka!
Der in Fürth wohnende und arbeitende Künstler David Krugmann erzählte von seiner Zeit in Rußland bis zur Emigration nach Deutschland. Humorvoll wie er ist, deutete er erlebte Härten nur dezent an, aber es wurde deutlich, daß man es in seiner Heimat mit ganz anderen Widrigkeiten zu tun bekommen konnte (und teilweise sicher immer noch kann) als hierzulande...
Mit dem Nachtisch rundete sich der Abend. Der zonebattler bekennt freimütig, bei Banketten jedweder Art sowieso eher den süßen Aspekten zuzuneigen, und auch da hat die russische Küche einiges zu bieten. Bei den traditionellen Kringeln freilich braucht man schon ein solides Gebiß und trainierte Beißmuskeln:
Diese kleinen Dinger hier waren schon zarterer Natur, an die könnte ich mich glatt gewöhnen:
Mein klarer Favorit waren indessen die »süßen Wurstscheiben« (eine gepreßte Melange aus Keksen, Kakao, Zucker und anderen Kalorienbomben). Da kam ich vor lauter Futtern tatsächlich gar nicht zum Fotografieren.
Der Abend hatte also nicht nur im kulturellen Sinne Gehalt und Substanz, und meine Waage attestiert mir heute morgen geschlagene 1,5 kg mehr als gestern. Wollen wir mal hoffen, daß ich die genauso schnell wieder loswerde, wie ich sie gestern in mich hineingestopft habe...
Nächstes Jahr soll es bei Edda Schneider zwei Neuauflagen des Gaumenschmauses geben, einmal in griechischer Ausprägung, einmal unter italienischer Flagge. Keine Frage, bis dahin bin ich wieder in jeder Hinsicht »aufnahmebereit«!
Samstag, 19. November 2005
Es geht ja nun wieder auf Weihnachten zu, und da werden gerne (oder wurden früher jedenfalls) die über das Jahr gut eingelagerten Modell-Eisenbahnen vom Dachboden geholt und für ein paar Wochen wieder in Betrieb genommen. Mein Favorit in Kindertagen war die winzige »EGGER-BAHN«, die als Schmalspur-Bähnchen inmitten des obligatorischen Märklin-Ovals ihre Runden drehte:
Der Autor (hinten) und sein kleiner Bruder (um 1967)
Nach drei Jahrzehnten symptomfreier Ruhezeit brach sich der Eisenbahn-Virus vor einigen Jahren in mir wieder Bahn, und ich kaufte mir einige dieser motorisierten Jugend-Träume zurück. Die geneigte Leserschaft ahnt vermutlich längst, daß das bei mir natürlich wieder zum Bau einer eigenen Spezialisten-Website führen mußte:
Hier kriege ich reichlich aufbauende und ermunternde Rückmeldungen, und ich habe die Ehre und das Vergnügen, zur Freude aller Fans in extra eingerichteten Rubriken über engagierte Bastel-Projekte meiner Leser berichten zu können. Damit tragen einige zur Erbauung vieler bei und so soll es sein! Dank der vielen nostalgischen Fotos und Abbildungen kommen übrigens auch LeserInnen ohne nennenswerte Affinität zum Thema auf Ihre Kosten...
Süßer und scharfer Senf: