...Scheiden tut weh. Mir jedenfalls ist es jedes Jahr auf’s Neue ein Greuel (von mir aus auch Gräuel), wenn die Tage kürzer und die Nächte länger werden und beide miteinander kälter. Aber es ist halt jetzt wieder soweit und wenigstens ist es tagsüber draußen noch freundlich und sonnig.
Des Nachts freilich fallen die Temperaturen schon wieder auf erschreckend niedrige Werte, und so schien es uns geboten, die sommers in den Hinterhof ausgelagerten Großpflanzen der Spezies Ficus benjamin wieder ins Haus zu schaffen. Nun ist unsere Wohnung eher eine Burg denn ein Schloß und also ohne Orangerie, der verfügbare Platz in Treppenhaus und Wohnräumen zudem begrenzt und nicht beliebig vermehrbar.
Es war im Grunde schon vorher klar, daß unser im Wortsinne größtes Sorgenkind den Weg zurück ins Esszimmer nicht mehr schaffen würde und daher im Herbst anderweitig untergebracht werden muß. Nur wo? Die vor etwa 13 Jahren gekaufte Birkenfeige einfach herzuschenken wäre uns treulos erschienen, und so schlug meine bessere Hälfte vor, das meterhohe Gewächs zu sich ins Büro bzw. in den Gang davor zu stellen. Also gut, Erleichterung allenthalben. Wie aber den sperrigen Strunk dorthin verschaffen?
Zum Glück verfügt unser an anderer Stelle ausführlich beschriebener Einsatzwagen über ein weit auffahrbares Glasdach, so daß der Baum mit seinem schweren Topf für uns grundsätzlich transportierbar war. Freilich mußte ich ihn dazu erst temporär »verschlanken«, was unter Zuhilfenahme einer Rolle Frischhaltefolie recht gut gelang. Zu zweit klappte dann auch das »Einfädeln« in den Minibus.
Die anschließende Sonderfahrt durch die Südstadt geriet zum rechten Spektakel für alle zufällig den Weg säumenden Augenzeugen, die uns mit großem Hallo und Gekicher begrüßten. So einen merkwürdigen Umzug sieht man schließlich nicht alle Tage!
In meinem Hang zum Theatralischen erinnerte mich die Prozession sogleich an den Shakespeareschen Macbeth, dem ja durch eine »Erscheinung« geweissagt wird:
Macbeth soll niemals bezwungen werden, bis der große Birnam-Wald auf Dunsinans Hügel gegen ihn angezogen kommen wird |
Der Schurke fühlt sich bekanntermaßen durch diese Prophezeiung zu noch grausamerem Tun ermutigt, wann hätte man je einen Wald in Bewegung gesehen? Doch kurz vor dem finalen Showdown verfügt der gute Malcolm am Birnam-Wald:
Laßt jeden Soldaten sich einen Ast abhauen, und ihn vor sich her tragen; wir werden dadurch die Anzahl unsers Heers beschatten, und die Kundschafter in Verwirrung setzen |
Und so erfüllt sich die Vorhersehung letztlich doch: der wandelnde Wald ist das gut getarnte Fußvolk von Malcolms Heer, dessen Freund Macduff schließlich dem Bösewicht und Königsmörder Macbeth einen Kopf kürzer macht. So martialisch endete die Fahrt mit dem bewaldeten Wagen durch Fürth allerdings (und gottseidank) nicht... Aber man könnte im kommenden Winter abends mal wieder den ganzen Macbeth lesen und nicht nur die Zusammenfassung !
Nach viereinhalb Jahren Standzeit in der Nähe des besthälftigen Arbeitsplatzes mußte des zonebattler’s feiner Ficus unlängst schnöden Raucherkabinen Platz machen und daher heute erneut umgezogen werden. Per Renngurke (gleicher Wagen, gleiche Methode) wurde der unverdrossen kerngesunde Baum vorhin in das riesige Loft von in der Fürther Innenstadt wohnenden Freunden verbracht:
Dort ist er erstens gut aufgehoben und zweitens in bester Gesellschaft (menschlicher wie pflanzlicher). Obendrein bekam unsereins generös Besuchsrecht auf Lebenszeit zugestanden (wobei noch nachträglich zu klären wäre, wessen Lebenszeit damit wohl gemeint war). Möge der Birkenfeigling in neuer Obhut weiterhin gut gedeihen!
#1
[...] hat aber, wie ich sehe, alles selbst und fein säuberlich dokumentiert (war ja eigentlich klar) und mir somit die Grundlage für jede Denunziation [...]
#2
hier sind die neuen glücklichen Eltern des Ficus. Bis jetzt macht er sich prima bei uns, und wir genießen es unter dem Baum im Sessel zu sitzten.
Das Besuchsrecht möchte ich doch bitte auf die Lebeszeit aller Baumpfleger(innen) auslegen. In diesem Sinne hoffen auch wir auf ein gutes gedeihen des statlichen Baumes.
#3
Danke für die Klarstellung! Dann werde ich in den nächsten 50 Jahren sicherlich noch öfters vorbeischauen...
Übrigens hat mir der gestrige »Spezialtransport« noch die Inspiration geliefert für den Start einer neuen Artikelserie !
#4